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§ 82.
Der Nebenkläger.

§§ 435-446 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBI. S. 253). Dalcke, Strafrecht und Strafprozess, S. 224-228.

S. 403.

Löwe, Kommentar, S. 836-848. - v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, Oppenheim, Die Nebenklage des deutschen Strafprozesses, Berlin 1889. Stenglein, Nebenklage. Gerichtssaal, Bd. 42 S. 161. - Hergenhahn,,Zuerkennung einer Busse im Strafprozess", Goltd. Arch. Bd. 40 S. 414. Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch 4. Aufl., S. 93 Not. 5a und § 188, Not. 1–12.

Eine besondere Stellung und Befugniß weist das Gefeß dem Nebenkläger an, also demjenigen, welcher sich der erhobenen öffent= lichen Klage angeschlossen hat. Zu diesem Anschluß ist berechtigt, wer a) nach Maßgabe der Bestimmung des § 414 a. a. O. als Privat= kläger auftreten kann;

b) durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (oben § 70) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt hat, wenn die strafbare Handlung gegen sein Leben, seine Gesundheit, seinen Personenstand oder seine Vermögensrechte gerichtet war;

c) wer die zuerkennung einer Buße zu verlangen berechtigt ist, §§ 435, 443 a. a. D.

Zu diesem Verlangen berechtigt § 188 und § 231 RStrGB.; §§ 18, 43, 45 Ges. v. 11. Juni 1870 betr. Urheberrecht; § 15 Ges. v. 30. Novbr. 1874 über Markenschuk; § 16 Ges. v. 9. Januar 1876 über Urheberrecht an Werken der bildenden Künste; § 9 Ges. v. 10. Januar 1876 über den Schuß der Photographien; § 14 Ges. v. 11. Januar 1876 über Urheberrecht an Mustern und Modellen; § 27 Patentges. v. 7. April 1891. 1. Die Buße, welche beansprucht wird, ist nach ihrem Betrage anzugeben; sie hat den Charakter einer Entschädigung, nicht einer Strafe.

Urth. OberlandesG. München v. 5. October 1888, Samml. 5 S. 174, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 209.

ReichsG. 20. Novbr. 1893, Entsch. Bd. 24 S. 398.

Ebenso OberlandesG. Hamburg am 1. Mai 1894, Goltd. Arch. Bd. 42 S. 417: Die Buße stellt nicht etwa ein sog. Schmerzensgeld, sondern nur eine Entschädigung. für den in seinem Rufe Gekränkten und die hiermit zusammenhängenden Nachtheile hinsichtlich seiner Vermögensverhältniffe, seines Erwerbes und Fortkommens dar.

Der Strafrichter ist auch nicht verbunden, bei Bemessung einer wegen Mißhandlung zuzusprechenden Buße den nach § 113, I, 6 Allgem. Landr. festzustellenden Betrag des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.

II. Straff. ReichsG. 1. Dezbr. 1893, Goltd. Arch. Bd. 41 S. 415.

Der Anspruch des Verleßten auf eine Buße wird durch Bezug einer Unfallversicherungsrente nicht ausgeschlossen.

ReichsG. 20. März 1893, Entsch. Bd. 24 Š. 82.

Dgl. § 14 Ges. v. 27. Mai 1896, RGBI. S. 145.

2. Der Anschluß des Nebenklägers kann jederzeit erfolgen, sobald die öffentliche Klage erhoben ist, also nicht im Ermittelungsverfahren. Der Anschluß ist selbst dann noch zulässig, wenn er eine

Buße nicht mehr verlangen kann, weil das Urtheil I. Instanz schon verkündet ist; wird später die Sache auf Revision, selbst des Angeklagten, in die I. Instanz zurückverwiesen, so kann er den Antrag auf Zuerkennung einer Buße noch stellen, weil dieselbe nicht den Charakter einer Strafe, sondern nur einer civilrechtlichen Entschädigung hat.

1. Straff. ReichsG. 25. April 1887, Rechtspr. Bd. 9 S. 279.

Urth. OLG. Telle v. 12. April 1890. Goltd. Arch. Bd. 38 S. 80.

3. Die Anschlußerklärung ist bei dem Gerichte schriftlich einzureichen, welches nach Anhörung der StAschaft

Urschr. nebst Anl. zurück an das Kön. SchöffenGer. (oder die Strafkammer) mit dem Hinzufügen ergebenst, daß ich die Berechtigung des Antragstellers, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen, auf Grund des § 443 RStrOrdg. anerkenne.

über die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschluß entscheidet.

Die Berechtigung, sich als Nebenkläger anzuschließen, ist auch materieller Natur. Ein Minderjähriger kann sich wegen Zuerkennung einer Buße nicht selbst: ftändig anschließen.

Urth. KammerG. v. 5. febr. 1891, § 20/91, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 455. Sein geseßlicher Vertreter kann aber den Anschluß im Namen des Verlegten erklären und die zulässigen Rechtsmittel · benußen.

Auch Urtheil

III. Straff. ReichsG. 11. October 1883, Rechtspr. Bd. 5 S. 596.
Ueber die Rechtsmittel der Steuerbehörde Ziff. 6 § 65.
KammerG. v. 29. Dezbr. 1892 in Goltd. Arch. Bd. 40 S. 360.
Ueber Ortskrankenkasse als Nebenkläger, ReichsG. 30. März 1896, Entsch
Bd. 28 S. 301.

4. Der Nebenkläger hat nach erfolgtem Anschluß die Rechte des Privatklägers,

also die Befugniß, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen und durch einen Anwalt Acteneinsicht zu nehmen; er kann der ganzen Verhandlung beiwohnen, unmittelbar Zeugen und Sachverständige laden lassen, Beweisanträge stellen, Fragen an Zeugen und Sachverständige stellen, Richter ablehnen, plädiren und selbständig Rechtsmittel (Beschwerde, Berufung, Revision) einlegen.

ReichsG. 25. October 1880, Rechtspr. Bd. 2 S. 383.

Neben der StAschaft muß ihm das Wort, nach dem Schluß der Beweisaufnahme, ertheilt werden, ohne Unterschied, ob er es ausdrücklich verlangt oder nicht. ReichsG. 28. October 1887, Rechtspr. Bd. 9 S. 537.

Erscheint weder der Nebenkläger, noch für ihn ein Vertreter in der Hauptverhandlung, so gilt die Nebenklage nicht für zurückgenommen;

ReichsG. 5. Januar 1883, Rechtspr. Bd. 5 S. 11.

die Frist zur Einlegung der Revision läuft aber in einem solchen Falle erst von Zustellung des Urtheils.

ReichsG. 11. februar 1882 und 20. September 1888, Rechtspr. Bd. 4 S. 155 und Bd. 10 S. 504. Ueber Revision des Nebenklägers gegen freisprechendes Urtheil des Schwurgerichts vgl. Entsch. ReichsG. Bd. 28 S. 220 (292/96).

5. Eine Ladung des Nebenklägers erfolgt nur dann, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen angeordnet hat; in den sonstigen Fällen wird er einfach benachrichtigt.

6. Als Zeuge kann der Nebenkläger eidlich vernommen werden. Der L. Straff. des ReichsG. hatte ihm zwar diese Fähigkeit, ebenso wie dem Privatkläger, abgesprochen, Urth. v. 8. Juli 1880, Rechtspr. Bd. II S. 174, die vereinigten Straffenate haben indeß am 25. October 1880, Rechtspr. Bd. II S. 381, die Frage bejaht.

7. Die Kosten der vom Nebenkläger selbständig und erfolglos eingelegten Rechtsmittel fallen ihm nach § 505 a. a. D. zur Last.

KammerG. 2. April 1894, Goltd. Arch. Bd. 42 S. 54.

Wird auf ein von ihm eingelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum der StAschaft ob.

Bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens ist der Nebenkläger zuzuziehen, Löwe, Not. 6 S. 842 a. a. D.

8. Durch ausdrücklichen Widerruf, sowie durch den Tod des Nebenklägers findet die Anschlußerklärung ihre Erledigung, § 442 a. a. D., die Vorschrift des Abs. 2 § 433 a. a. D. findet hier nicht Anwendung.

9. Die Vollstreckung der eine Buße festseßenden Entscheidung erfolgt nicht durch die Strafvollstreckungs-Behörde, sondern auf Betreiben dessen, dem die Buße zuerkannt ist, nach den Vorschriften über die Vollstreckung der Urtheile der Civilgerichte § 495 StrPrOrdg.

Bweiter Abschnitt.

Die Hauptverhandlung.

§ 83.

Mitwirkung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung. Antragstellung.

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§§ 225 ff. StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBI. S. 253). - § 170 ff. GerVerfGes. Ges. v. 5. April 1888 über Abänderung der §§ 173-176 (RGBI. S. 133). - Löwe, Kommentar (1992) S. 546 ff. Art. 44—53 Geschäftsanweisung für die Amtsanwälte v. 28. August 1879 (JMBI. S. 260). — v. Marck, Die Staatsanwaltschaft (Berlin 1884) S. 422, 423. Dalcke, Strafrecht u. Strafprozess S. 134 ff. Ebert, Die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht, Breslau 1892.

A. Die Theilnahme der StAfchaft an der öffentlichen Sizung und ihre Mitwirkung_daselbst ist eine nothwendige, ihre Ausführungen gehören zur Ordnung des Verfahrens. Deshalb muß auch die StAschaft während der ganzen Verhandlung, selbst bei Verkündung des Urtheils, vertreten sein, widrigenfalls die wesentliche Vorschrift des § 377 Ziff. 5 StrPrOrdg. verlegt würde.

ReichsG. 11. Oktober 1883, Rechtspr. Bd. 5 S. 587.

1. In der Hauptverhandlung können nicht nur gleichzeitig, § 226 a. a. D., sondern auch successive verschiedene Beamte der StAfchaft diese vertreten.

ReichsG. 28. April u. 5. Juli 1887, Rechtsp. Bd. 9 S. 292 u. 407.

Der im Laufe der Verhandlung hinzutretende Beamte hat auch nicht nöthig, vor Gericht die Absicht seiner Mitwirkung besonders zu erklären.

Entsch. Bd. 16 S. 180.

In Sachen von besonderer Bedeutung vertritt der Erste Staatsanwalt (§§ 13, 14) oder ein älterer Staatsanwalt die StAschaft, sonst ein Staatsanwalt oder Assessor. Ueber Anweisungen für die Hauptverhandlung § 5.

2. Durch einen Referendar allein kann die StAschaft nicht vertreten werden; da indeß seine Ausbildung in allen Zweigen der staatsanwaltlichen Thätigkeit geleitet und gefördert werden soll (§ 20 Regul. vom 1. Mai 1883, oben §§ 11, 12) und die Vertretung der erhobenen Anklage in öffentlicher Sizung zu den wichtigsten Aufgaben der StAschaft gehört, so kann von einem Auftreten des Referendars in öffentlicher Sigung des Schöffengerichts oder der Strafkammer unter Aufsicht eines staatsanwaltlichen Beamten - nicht wohl abge= sehen werden.

Vor der Sizung empfiehlt sich eine Besprechung der einzelnen Sachen in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung; während der Situng darf der Referendar weder eine Frage, noch einen Antrag stellen, bevor er sich des Einverständnisses des anwesenden staatsanwaltlichen Beamten versichert hat.

3. Die gestellten Anträge und die darauf ergehenden Beschlüsse oder Urtheile sind in den Handacten, falls ein besonderer Sigungskalender nicht geführt wird, zu beurkunden:

z. B. 1. Antrag: 2 Jahr 6 Mon. Zuchthaus, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf 3 Jahre und Auferlegung der Kosten.

2. Urtheil: 2 Jahre Gefängniß, sonst pro pet.

3. Mit Act. ev. nach 1 Woche.

N., den 2c.

Auch etwaige Nebenstrafen sind ausdrücklich in Antrag zu bringen (Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Einziehung, Unbrauchbarmachung, $ 65).

Bietet das ergangene Urtheil Anlaß zur Einlegung eines Rechtsmittels, so wird sub 3 verfügt: Anmeldung der Beruf. (Revision). Auch die Mittheilungen, welche sofort nach Verkündung des Urtheils zu erstatten find (§ 87), werden zweckmäßig unter die Terminsnotiz verfügt:

3. Uebers. der sofort heranzuziehenden Urtheilsformel an die Kön. Regier. zu 2c.: In der Straff. wider den Lehrer N. N. aus 2c. wegen 2c. beehre ich mich im Anschluß an meine Mitth. vom 2c. die Formel des in der heutigen Hauptverhandlung ergangenen Urtheils, wonach der Angell. zu 2 Jahr Zuchth. 2. verurtheilt ist, beifolgend mit dem Hinzuf. erg. zu übersenden, daß ich das allein zulässige Rechtsmittel der Revision nicht einlegen werde, weil das Urtheil in der Hauptsache meinem Antrage entspricht.

4. Nach 1 Woche.

N., den 2c.

B. Nach ihrer Stellung als Hüterin des Gesezes ist die StAschaft berechtigt und verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens, also auch

während der Hauptverhandlung fachgemäße Anträge zu stellen. Jede Verhandlung bietet dazu reiche Gelegenheit: die richtige und rechtzeitige Anbringung eines Antrages ist Sache der Initiative und des Tactes. Nicht einseitig, sondern im Interesse der Gerechtigkeit hat die StAschaft auch hier ihre Thätigkeit zu entfalten (§ 16) und deshalb nicht bloß die Verurtheilung, sondern in geeigneten Fällen auch die Freisprechung (§ 84) des Angeklagten zu beantragen. Daneben hat fie auf Befolgung der gefeßlichen Vorschriften hinzuwirken, also gegebenen Falls z. B. die Bestellung eines Vertheidigers in Antrag zu bringen. Gelegenheit zu besonderer Antragstellung bieten folgende Momente während der Verhandlung:

1. Ausbleiben eines Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen. In Abwesenheit des Angeklagten kann nur im Falle der §§ 231, 232 a. a. D. verhandelt werden; liegt die Voraussetzung des § 231 vor, so ist mit kurzer Begründung und bei Richtigkeit der Ladung der Antrag zu stellen, in die Verhandlung einzutreten. Fm Falle des § 232 geht der Antrag auf Verlesung des Protokolls über die stattgehabte richterliche Vernehmung. In Ermangelung dieser Voraussebungen kann gegen den ausgebliebenen Angeklagten nicht verhandelt werden. Ist er nicht vorschriftsmäßig (§§ 216, 215 a. a. D.) geladen, so ist Aussehung der Verhandlung und Anberaumung eines neuen Termins zu beantragen; ist er dagegen vorschriftsmäßig geladen und sein Ausbleiben nicht genügend (Attest, Bote) entschuldigt, so ist je nach Lage des Falles Antrag auf Erlaß eines Vorführungs- oder Haftbefehls zu stellen.

Beim unentschuldigten Ausbleiben eines ordnungsmäßig geladenen Zeugen oder Sachverständigen geht der Antrag auf Verurtheilung in eine Geldstrafe (Ordnungsstrafe) und außerdem in die Kosten des Termins (§§ 50 u. 77 a. a. D.), falls ohne ihn nicht verhandelt werden kann. Gehört der Entbliebene dem Soldatenstande an, so kommt Abs. 4 des § 50 zur Anwendung.

2. Ausschluß der Oeffentlichkeit (§§ 173-176 Ger.Verf.Gesez).

Spätestens nach Verlesung des Beschlusses über Eröffnung des Hauptverfahrens ist der Antrag etwa in folgender Form zu stellen:

Ich kündige den Antrag auf Ausschluß der Oeffentlichkeit an. Zur Begründung will ich gleich hervorheben, daß in der gegenwärtigen Verhandlung wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit Sachen zur Sprache gebracht werden müssen, welche bei öffentlicher Verhandlung eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen lassen.

Der hierauf nach Anhörung des Angeklagten ergehende Beschluß kann in öffentlicher Sißung gefaßt werden (§ 175), nur muß zuvor über die Ausschließung der Oeffentlichkeit überhaupt verhandelt sein.

ReichsG. 1. Novbr. 1881 u. 11. febr. 1884, Rechtspr. Bd. 3 bezw. 6 S. 677 bezw. 104.
§ 175 GerVerfGef.

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