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3. Das Verfahren des Gerichts, namentlich vor der Beschlußfassung, regelt § 171 a. a. D. Beschließt der Straffenat die Erhebung der öffentlichen Klage, so hat die StAschaft diesem Beschluß (durch Einreichung einer Anklageschrift oder Antrag auf Voruntersuchung nach §§ 71, 77) zu entsprechen, § 173 a. a. D.; der Antragsteller kann sich alsdann der öffentlichen Klage als Nebenkläger (§ 82) anschließen, Abs. 2 § 435 StrPrOrdg. Verwirft der Straffenat den angebrachten Antrag, so bleibt es bei der Einstellung des Verfahrens, bis neue Thatsachen oder Beweismittel die Erhebung der öffentlichen Klage begründen. Von dieser Verwerfung hat der Straffenat den Antrag= steller, den Beschuldigten und die StAschaft in Kenntniß zu sehen, § 172 a. a. D.

4. Gegen die Ausdehnung dieses Antrages auf gerichtliche Entfcheidung auf das ehrengerichtliche Verfahren (vgl. §§ 62 ff. der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878, RGBl. S. 177) spricht sich Dalcke in Goltd. Arch. Bd. 40 S. 89 aus.

fünfter Theil.

Die öffentliche Klage.

Erster Abschnitt.

Die Voruntersuchung.

§ 71.

Antrag, Eröffnung und Führung der Voruntersuchung.

§§ 168, 176-187 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBI. S. 253). — Löwe, Kommentar (1892) S. 469, 479 ff. - v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 336 ff.

Strafprozess, S. 117 u. 119-122.

Die öffentliche Klage wird erhoben durch:

Dalcke, Strafrecht und

a) Antrag auf Führung einer gerichtlichen Voruntersuchung; b) Einreichung einer Anklageschrift bei Gericht (§§ 76, 77). Beide Verfahren, äußerlich vollständig verschieden, haben das Eine gemeinsam, daß nunmehr die Sache bei Gericht anhängig ist und nur durch einen Beschluß desselben oder ein Urtheil, nicht mehr durch eine Verfügung der StAschaft beendigt werden kann.

§§ 196, 203, 259 a. a. O.

1. Vorgeschrieben (§ 176 a. a. D.) ist die Führung der Voruntersuchung für diejenigen Straffachen, welche zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder des Schwurgerichts gehören.

§ 136 GerVerfGes.: In Strafsachen ist das Reichsgericht zuständig: für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz in den Fällen des Hochverraths und des Landesverraths, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet sind.

Vgl. §§ 89 u. 90 RStrGB. in der fassung des § 11 Ges. v. 3. Juli 1893.

Zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehören ferner die Verbrechen gegen §§ 1 und 3 des Gesezes gegen den Verrath militärischer Geheimnisse vom 3. Juli 1893 (RGBl. S. 205).

Ueber den ersten Angriff und Bericht in diesen Sachen vgl. § 60.

§ 80 GerVerfGes.: Die Schwurgerichte sind zuständig für die Verbrechen, welche nicht zur Zuständigkeit der Strafkammer oder des Reichsgerichts gehören.

Aus dem Strafgesetzbuch sind dies die Verbrechen gegen §§ 94, 96, 98, 100, 105, 106, Abs. 2 des § 115, 118, Abs. 3 des § 122, 146, 147, 153, 154, 157, 176 Nr. 1 u. 2, 177, 178, 206, 211 bis 215, 217, 219, 220, Abs. 3 des § 221, 225, 226, 229, 234, Abs. 2 u. 3 des § 239, 249-252, 255, 265, 268 Nr. 2, 270, 272, 306 bis 308, 312, 313, 315, 322—324, 334, Abs. 2 des § 340, 344, 345, 349, 351; außerdem können vor die Schwurgerichte gelangen: Verbrechen gegen §§ 80-86, 92, 169, 207, 208, 235, 236, 273.

Ferner gehören vor die Schwurgerichte die Verbrechen gegen: a) §§ 209 u. 212 der Reichskonkursordnung vom 10. Februar 1877 (RGBI. S. 351);

b) § 2 des Reichsges., betr. Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Vieheinfuhrverbote, vom 21. Mai 1878 (RGBI. S. 95); abgeändert durch Ges. vom 1. Mai 1894 (RGBI. S. 405, 409);

c) §§ 6, 7 u. 10 des Reichsges. gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen, vom 9. Juni 1884 (RGBI. S. 61); hierzu Bekanntmachung vom 16. April 1891 (RGBI. S. 105) und Urth. ReichsG. 28. März 1896, Entsch. Bd. 28 S. 292;

d) §§ 1 u. 2 des Reichsges., betr. die Bestrafung der Sklavenraubes und des Menschenhandels, vom 28. Juli 1895 (RGBI. S. 425). 2. In denjenigen Sachen, welche zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören, kann Voruntersuchung beantragt werden, § 176 Abs. 2 a. a. D.

Unzulässig ist dieselbe in den zur Zuständigkeit der Schöffen= gerichte gehörenden Straffachen (Abs. 3 § 176 u. Art. 36 Geschäftsanw. a. a. D.), zulässig dagegen auch hier im Falle der Verbindung. Die wesentlichen Punkte, welche der Antrag auf Voruntersuchung enthalten soll, bezeichnet § 177 a. a. D.

3. Beispiele. A.

Haft! (Frist bis 2c.)
III, 3094.

N., den 2c.

Urschr. nebst den angeschl. Verhandl. an den Herrn Untersuchungsrichter

mit dem Antrage ergebenst:

hier

gegen den Kaufmann Feodor M., zur Zeit in Untersuchungshaft hier, eine Voruntersuchung eröffnen und führen, auch Fortdauer der Untersuchungshaft beschließen zu wollen.

Ich erhebe die öffentliche Klage gegen ihn dahin:

im Jahre 1896 zu B. in rechtswidriger Absicht durch drei verschiedene selbstständige Handlungen

a) den am 15. Februar ausgestellten, von einem Kaufmann Fr. N. angenommenen Wechsel über 250 Mark,

b) den am 20. Februar ausgestellten, von einem Landwirth Theod. L. angenommenen Wechsel über 3000 Mark,

c) den am 25. Februar ausgestellten, von einem Rentier A. H. angenommenen Wechsel über 3500 Mark,

also Privaturkunden, welche zum Beweise von Rechten und Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit sind, durch Beifügung der drei Annahme-Erklärungen verfälscht und von denselben durch Weiterbegebung zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht, und zwar,

in der Absicht, sich einen Vermögensvortheil zu verschaffen,

durch dieselben Handlungen auch im Jahre 1896 zu B. in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, das Vermögen

a) des Banquiers A. M.,
b) des Commissionärs B. N.,

c) des Gasthofbesizers C. D.

dadurch um etwa 250 bezw. 3000 bezw. 3500 Mark beschädigt zu haben, daß er durch Unterdrückung der wahren Thatsache:

er selbst habe die 3 Accepte, ohne Wissen und Willen der bezeichneten Personen, geschrieben,

einen Irrthum erweckte und unterhielt,

und zwar:

als wiederholt rückfälliger Betrüger.

Verbrechen nach §§ 267, 268, 263, 264, 74, 73 RStrGB.

Notet. 3 Wochen.

Beispiel B: Urschriftlich 2c. . . .

Der Erste Staatsanwalt.

Ich erhebe die öffentliche Klage gegen den 2c. dahin und zwar

I. gegen A. Y.

im Jahre 1895 zu A. als Schuldner, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, bezw. über dessen Vermögen das Concursverfahren durch Beschluß des Kön. Amtsgerichts hierselbst vom 9. Mai eröffnet ist, in der Absicht seine Gläubiger zu benachtheiligen,

a) das ihm gehörige Haus Nr. 3 der X-Straße auf den Rentner A. L. durch notariellen Vertrag vom 15. Aug. d. J. für 31 000 Mk. übertragen, b) die Summe von 5000 Mk. aus dem Geschäft entnommen und als Einlage an den Banquier A. X. zu New-York gesandt,

c) seine Handelsbücher so geführt und verändert zu haben, daß sie keine Uebersicht des Vermögens gewähren,

also durch ein und dieselbe Handlung

Vermögensstücke bei Seite geschafft zu haben.

II. gegen A. L:

am gleichen Orte und zu gleicher Zeit dem Thäter A. Y. zur Begehung des sub. Ia. vorbezeichneten Verbrechens durch Rath und That wiffentlich Hülfe geleistet zu haben.

Verbrechen nach § 209 Nr. 1 und 4 KonkOrdg. vom 10. Februar 1877 (RGBL. S. 351) und 49 RStrGB.

Zugleich wird der Erlaß eines Haftbefehls gegen beide Beschuldigte beantragt, da Fluchtverdacht gesetzlich, bei A. Y. auch thatsächlich begründet ist.

Der Erste Staatsanwalt.

4. Die Führung der Voruntersuchung, nicht auch die (stets vom Untersuchungsrichter zu verfügende) Eröffnung derselben,

Beschl. des OLG. Colmar v. 30. April 1892, W. 26/92, Goltd. Arch. Bd. 40 S. 182.

kann auch einem Amtsrichter durch Beschluß des Landgerichts übertragen werden, wenn die StAschaft darauf anträgt § 183 a. a. D. Beispiel. Urschr. nebst den angeschlossenen Verhandlungen an den

Herrn Untersuchungsrichter hier

mit dem Antrage ergebenst:

a) gegen den Kaufmann A. B. zu X. die Voruntersuchung zu eröffnen, sodann b) die Sache weiter zu geben an die

Strafkammer hier,

bei welcher ergebenst beantragt wird:

Die Führung der Voruntersuchung dem Kön. Amtsgericht zu N. zu übertragen.

Ich erhebe nämlich die öffentliche Klage gegen B. dahin:

am 15. März 1896 zu X. den Arbeiter Friedr. M. vorsäglich körperlich mißhandelt zu haben,

und zwar:

a) mittelst eines Messers,

b) indem durch die Körperverlegung der Tod des Verlegten verursucht worden.
Verbrechen nach §§ 226, 223, 223 a RStGB.

Der Erlaß und die Vollstreckung eines Haftbefehls wird gleichzeitig beantragt.
Not. 14 Tage!

Der Erste Staatsanwalt.

5. Einen Haftbefehl darf der Untersuchungsrichter aus eigener Initiative erlassen, nicht aber ohne zuvorige Zustimmung der StAschaft aufheben (Abs. 2 § 124 a. a. D.), selbst nicht gegen Sicherheitsleistung. Versagt die StAschaft ihre Zustimmung, so hat der Untersuchungsrichter den Beschluß der Strafkammer einzuholen, falls er auf seiner Absicht beharrt.

6. Von Localterminen (Einnahme des Augenscheins, Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen an Ort und Stelle) ist die StAschaft zu benachrichtigen. (§ 191 a. a. D.) Zur Theilnahme ist die Erlaubniß des Ersten Staatsanwalts erforderlich (oben § 6).

7. Aus der Praris find hier folgende Entscheidungen bemerkenswerth:

a) Der Amtsricher, der im vorbereitenden Verfahren um Aufnahme einzelner Beweise requirirt wird, erlangt dadurch nicht die Eigenschaft eines Untersuchungsrichters.

ReichsG. 30. Oktober 1880, Rechtspr. Bd. 2 S. 409.

und zwar selbst dann nicht, wenn die von ihm vorgenommenen Untersuchungsacte die ganze Beweisaufnahme erschöpfen.

ReichsG. 16. Mai 1885, Rechtspr. Bd. 7 S. 302.

b) Der Richter, welcher mit der Ausführung einer in der Hauptverhandlung beschlossenen Augenscheinseinnahme beauftragt wird, führt keine Voruntersuchung und ist deshalb nicht als Untersuchungsrichter im Sinne des § 23 StrPrOrdg. anzusehen. ReichsG. 20. Oktober 1880, Rechtspr. Bd. 2 S. 360. c) Durch die aushülfsweise Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen (Be= schluß über Ladung von Sachverständigen) wird der Richter noch nicht zum Untersuchungsrichter im Sinne des § 23.

ReichsG. 10. Juni 1880, Rechtspr. Bd. 2 S. 51.

d) Der Richter, welcher eine Voruntersuchung eröffnet, Zeugen und Angeklagte zu laden und Acten beizulegen verfügt, im übrigen aber in der Voruntersuchung keine Beweis acte aufgenommen hat, ist nicht Untersuchungsrichter im Sinne des § 23.

II. Straff. ReichsG. 21. März 1881, Rechtspr. Bd. 3 S. 155.

e) Es ist keine Führung der Voruntersuchung, wenn sich die Thätigkeit des Untersuchungsrichters darauf beschränkt, die Voruntersuchung zu eröffnen und die Fortdauer der Haft des Beschuldigten zu beschließen.

ReichsG. 17. Oktober 1884, Rechtspr. Bd. 6 S. 633.

Ebensowenig ist es eine solche, wenn er nur den Schluß der Voruntersuchung und die Benachrichtigung des Angeschuldigten von demselben anordnet. ReichsG. 15. Januar 1891, Entsch. Bd. 21 S. 285.

§ 72.

Ausdehnung der Voruntersuchung.

§§ 188 ff. StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253). — Löwe, Kommentar, S. 493.

Strafrecht u. Strafprozess, S. 122.

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1. Während der Voruntersuchung, deren Eröffnung nur in den wenigen Fällen des § 178 a. a. D. durch Beschluß des Landgerichts (nicht des Untersuchungsrichters!) abgelehnt werden kann, ist die StAschaft mit der Sache nicht mehr befaßt; nach § 194 a. a. D. kann sie indeß jederzeit die Acten einfordern und von dem Stande der Voruntersuchung Kenntniß nehmen. In der Praris wird regelmäßig mündliche Besprechung vorgezogen!

2. Neu hervortretende Umstände, welche von den Hülfsbeamten 2c. angezeigt werden, können die Vornahme selbständiger Erhebungen neben dem Untersuchungsrichter nothwendig oder wenigstens angebracht erscheinen lassen, um eine hinreichende Grundlage für Ausdehnung der Voruntersuchung zu gewinnen.

3. So können, während die Voruntersuchung wegen Betrugs 2c. geführt wird, weitere Anzeigen oder Erhebungen den Verdacht der Thäterschaft des Beschuldigten in Bezug auf die weiteren Strafthaten als begründet erscheinen lassen. Hier ist zu verfügen:

IV, 493.

Urschr. nebst 3 Anl. an den Herrn Untersuchungsrichter hier

mit dem Antrage ergebenst:

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