Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

§ 67.

Das objective Berfahren.

§§ 94, 477-480 StrPrOrdg. v. 1. Febr. 1877 (RGBl. S. 253). Amtsanwälte v. 28. Aug. 1879 (JMBI. S. 260).

Art. 84 Geschäftsanweisung für die v. Marck, Die Staatsanwaltschaft (Berlin 1884) S. 236. Dalcke, Strafrecht u. Strafprozess, S. 93, 94, 239, 240, 551, 552, 710-712, 754, 765, 768. Löwe, Kommentar (1892) S. 342, 877-382. Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 90-93.

I. Das sogenannte objektive Verfahren bezweckt die Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung einzelner Gegenstände, wenn ein Beschuldigter nicht vorhanden ist. Dasselbe gilt von jedem anderen thatsächlichen Hinderniß gegen die Verfolgung des Thäters, wenn also der Beschuldigte wohl bekannt, indeß geisteskrank, strafunmündig, verstorben oder in unbekannte Welttheile geflüchtet ist oder aber nicht ausgeliefert werden kann. Auch da, wo die Verfolgung des Thäters durch Verjährung oder den Mangel eines Strafantrages ausgeschlossen ist, erscheint das objektive Verfahren ebenso statthaft, wie gegen eine im Inlande verbreitete ausländische Zeitung.

II. Folgende Fälle der Einziehung kommen hier in Betracht: 1. falsche Münzen, vgl. oben § 59;

2. bei Zoll- und Steuer-Delikten, vgl. oben §§ 44, 45, 65.. Die Einziehung von Spielkarten, welche den erforderlichen Stempel nicht besigen, bestimmt § 10 RG. betr. den Spielkartenstempel vom 3. Juli 1878 (RGBI. S. 133).

3. nach dem Reichsstrafgesetzbuch §§ 40-42, 152, 295;

Jagdgeräthschaften, bezüglich welcher nur feststeht, daß sie demnächst zu Jagdvergehen werden benutzt werden, können nicht ohne Weiteres, sondern nur dann eingezogen werden, wenn solche Absicht äußerlich in entsprechenden Handlungen unzweifelhaft bestätigt wird.

1. Straff. ReichsG. 20. Mai 1895, Entsch. Bd. 27 S. 243. Vgl. auch Beschl. des OLG Breslau v. 4. Juli 1890, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 363, und Urth. des OLG. Tassel v. 20. August 1890 (S. 13/90) Goltd. Arch. Bd. 38 S. 362 u. Not. 2. § 296a, § 360 Nr. 1, 2, 4, 5, 6 u. 14, § 367 Nr. 7-9, 369 Nr. 2.

4. nach § 7 des Gefeßes über die Schonzeiten des Wildes vom 26. Februar 1870 (GS. S. 120);

5. nach §§ 21, 22, 25, 26, 43 u. 45 des Gefeßes, betr. das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompo= fitionen und dramatischen Werken, vom 11. Juni 1870 (RGBI. S. 339);

6. nach § 16 des Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, vom 9. Januar 1876 (RGBl. S. 4);

7. nach § 9 des Gefeßes, betr. den Schuß der Photographieen gegen unbefugte Nachbildung, vom 10. Januar 1876 (RGBl. S. 8); 8. nach § 14 des Gesezes, betr. das Urheberrecht an Muster und Modellen, vom 11. Januar 1876 (RGBl. S. 11);

9. nach § 15 des Gesezes, betr. den Verkehr mit Nahrungs

mitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 14. Mai 1879 (RGBI. S. 145);

10. nach § 3 Abs. 2 u. 3 des Gesezes, betr. die Küstenfracht= fahrt, vom 22. Mai 1881 (RGBl. S. 97);

11. nach § 2 Abs. 2 des Gefeßes, betr. die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee 2c., vom 30. April 1884 (RGBl. S. 48); 12. nach § 6 Abs. 2 des Geseßes, betr. den Verkehr mit blei= und zinkhaltigen Gegenständen, vom 25. Juni 1887 (RGBL. S. 273);

13. nach § 13 Abs. 2 des Gefeßes, betr. die Verwendung von gesundheitsschädlichen Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 5. Juli 1887 (RGBI. S. 277);

14. nach § 5 Abf. 4 des Gefeßes, betr. den Verkehr mit Ersaßmitteln für Butter, vom 12. Juli 1887 (RGBl. S. 376);

15. nach § 7 des Gefeßes, betr. den Schuß von Vögeln, vom 22. März 1888 (RGBI. S. 111);

16. nach § 9 des Gefeßes, betr. die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen, vom 19. Mai 1891 (RGBl. S. 109).

Die in einem früheren Strafurtheile entschiedene Ablehnung eines staatsanwaltlichen Antrages, als Nebenstrafe gegen bestimmte Angeklagte auf Einziehung zu erkennen, steht dem späteren Antrage auf Einziehung im objectiven Verfahren nicht entgegen, wenn es sich um eine im öffentlichen Intereffe vorgeschriebene, sicherheitspolizeiliche Anordnung (wie Confiscation falschen Geldes oder Einziehung des Gewehrs nach § 9 a. a. D.) handelt.

Entsch. Bd. 27 S. 352.

Zu diesem Reichsgeset ist noch ergangen: Bekanntmachung vom 22. Juni 1893 (RGBI. S. 674), vom 23. Juli 1893 (RGBl. S. 227) und v. 8. Mai 1895 (RGBI. S. 232); ferner die Verordnung vom 20. Dezbr. 1892 (RGBI. S. 1055). Vgl. auch § 116 sub. IV Ziff. 5.

III. Der Antrag auf Einziehung ist schriftlich, den Erfordernissen einer Anklageschrift entsprechend, bei dem Gerichte einzureichen, welches für den Fall der Verfolgung einer bestimmten Person zuständig sein würde.

Beispiel.

1. Erped. an die Strafk. des hiesigen Kön. Landgerichts.

Am 2c., als der Kön. Förster N. aus X. in dem, dem Kön. Forstfiscus ge= hörenden X-Walde patrouillirte, bemerkte er an einer Waldblöße im Schlage N. N. einen Menschen, welcher am Boden kniete und mit den Händen arbeitete. Lautlos näher pirschend bemerkte er, daß der Mensch einen Rehbock am Boden liegen hatte und ihn ausweidete. Im Begriff, heranzuspringen und den Fremden zu fassen, trat er auf einen trockenen Zweig: der Fremde hörte dies und entsprang sofort in den Wald, ohne daß ihn der Förster faffen oder ermitteln konnte.

Bei der Rückkehr sah er, daß der Bock erlegt und eine Büchse an einem Baume aufgehängt war.

16

Diese Büchse gehört offenbar dem Fremden, welcher im Kön. Walde ge= wildert hat.

Auf Grund der §§ 292, 293, 295 RStrGB. und der §§ 477 ff. StrPrOrdg. ersuche ich um Anberaumung eines Termines, in welchem die Einziehung beantragt werden wird.

Als Zeuge wird der Kön. Förster N. N. zu X. geladen werden.

S. den 2c.

2. Nach 1 Woche.

In gleicher Weise wird verfahren mit Fischneßen und sonstigen Geräthen.

IV. Die Verhandlung und Entscheidung erfolgt alsdann in öffentlicher Verhandlung (§ 478 a. a. D.), zu welcher auch etwaige Interessenten zu laden sind,

die Strafklage (Antrag der StAschaft) ist ihnen nicht zuzustellen.
ReichsG. 26. Mai 1893, Entsch. Bd. 24 S. 197.

durch ihr Nichterscheinen wird das Verfahren und die Urtheilsfällung nicht aufgehalten.

Ist das Urtheil in Abwesenheit dieser Interessenten verkündet, so ist ihnen dasselbe zuzustellen.

ReichsG. 26. Januar 1885, Rechtspr. Bd. VII S. 53.
V. Richterliche Prüfung.

Bei der Entscheidung der Frage, ob die Einziehung eines durch ein Delict hervorgebrachten oder zur Begehung eines solchen gebrauchten oder bestimmten Gegenstandes auszusprechen ist, greifen gemäß § 40 a. a. D. 3weckmäßigkeitsgründe Plak; kommt dagegen der strafbare Inhalt einer Schrift, Abbildung oder Darstellung in Betracht, so muß gemäß § 41 a. a. D. die Unbrauchbarmachung der vorhandenen Exemplare angeordnet werden, sobald die im § 42 a. a. D. bes stimmten Voraussetzungen für Einleitung des objectiven Strafverfahrens ge= geben sind.

ReichsG. 31. Januar 1896, Entsch. Bd. 28 S. 123.

VI. Ueber Beschlagnahme des Vermögens vgl. § 66 Ziff. 2, 3. Ueber spätere Verfügung nach Einziehung vgl. § 115.

Die Einziehung eines gestohlenen Bildes bei dem späteren gutgläubigen Be-fizer (auf Grund der §§ 40—42 RStrGB.) ist nicht zulässig. ReichsG. 8. März 1894, Entsch. Bd. 25 S. 165.

Vierter Theil.

Entschließung über Erhebung der öffentlichen Klage.

§ 68.

Einstellung des Vorverfahrens.

§§ 158, 168, 169 StrPrOrdg. v. 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253). - v. Marck, Die Staatsanwaltschaft Berlin 1884, S. 315 ff. — Löwe, Kommentar (1892) S. 458 u. 469.

- Art. 35 Geschäftsanweisung

für die Amtsanwälte v. 28. August 1879 (JMB1. S. 260).

1. Ueber die Dauer eines Ermittelungsverfahrens besteht keine gefeßliche Vorschrift. Offenbar ist hier der Grund maßgebend

gewesen, daß die Erforschung des Sachverhalts in dem einen Falle mehr Schwierigkeiten hervorrufen wird wie in dem anderen Falle. Auch ist der Gesichtspunkt nicht außer Acht zu lassen, daß das Vorverfahren die Sicherung der Beweismittel für die Hauptverhandlung bezweckt; wie weit dabei die Ermittelungen auszudehnen sind, bleibt allein dem Leiter des Verfahrens, also der StAfchaft und ihrem pflichtschuldigen Ermessen überlassen. (Vgl. oben § 16). Schneller Abschluß des Vorverfahrens liegt im Interesse des Dezernenten!

2. Einer übermäßigen Ausdehnung des Verfahrens treten von selbst entgegen:

a) die kurzen Fristen in Haftsachen,

b) die vorgeschriebene Beschleunigung der Preßstrafsachen (§ 61), insbesondere nach einer Beschlagnahme (§ 26 Preßgesez und oben § 62 3iff. 1), in Aufsehen erregenden Sachen (§ 60) und bei Eisenbahn-Unfällen (§ 13);

c) die 8 tägige Frist bei Schließung eines politischen Vereins durch die Polizeibehörde.

Abs. 4 § 16 der Verordg. über die Verhütung 2c. v. 11. März 1850. Vgl. Urth. ReichsG. 18. Sept. 1893, Entsch. Bd. 24 S. 245.

Ueber den Begriff der öffentlichen Angelegenheiten vgl. Groschuff, die preußischen Nebengesete S. 43.

Ferner: Urtheil Kammergericht vom 12. Januar 1891, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 465, vom 28. März 1892, das. 39 S. 452, vom 7. März 1895, das. 42 S. 442. Ortspolizeilich genehmigte Kriegervereine bedürfen zur Abhaltung von Trauerparaden ortspolizeilicher Genehmigung nicht. Kammergericht 27. October 1890, Goltd. Arch. Bd. 38 S. 386. Begriff der „Versammlung" im Sinne des § 12 Vereinsgesetz Urtheil Kammergericht vom 8. Dezbr. 1890 (S. 628/90) und Reichsgericht 6. Dezbr. 1895, Entsch. Bd. 28 S. 66.

d) die Restenverzeichnisse.

In dieselben wird jeder Dezernent eingetragen, welcher in einer Sonstigen Straffache nicht binnen 3 Monaten die öffentliche Klage erhoben, Einstellung der Ermittelungen verfügt oder Haftbefehl bean= tragt hat.

3. Bieten nun die angestellten Ermittelungen keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erfolgt Einstellung des Verfahrens; dabei ist der Antragsteller unter Angabe der Gründe (nicht zu lang und nicht zu kurz!) zu bescheiden.

Als Gründe zeigt die Praxis:

A. Das Vorhandensein eines Strafausschließungsgrundes: freiwilliger Rücktritt, Geisteskrankheit oder Bewußtlosigkeit, Nothstand, Nothwehr, Mangel des erforderlichen Alters oder Strafantrages, Verjährung, rechtzeitige Löschung bei Brandstiftungen im Falle der §§ 46, 51-55, 61, 66, 310 RStrGB.

Beispiele der Berfügung und Bescheidung oben in § 33.

B. Die Rücknahme des erforderlichen Strafantrages.

Hier ist stets zu prüfen, ob die Rücknahme (Vgl. § 29) auch zulässig ist. Das RStrGB. bestimmt in

§ 64: Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urtheils zulässig. Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine der vorbezeichneten Personen (etc. Thäter oder Theilnehmer) hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge.

Ueber das Erforderniß des Strafantrages und die Zulässigkeit der Rücknahme s. oben § 29. Wegen der Kosten verordnet StrPrOrdg. in § 502: Erfolgt eine Einstellung des Verfahrens wegen Zurücknahme desjenigen Antrages, durch welchen dasselbe bedingt war, so hat der Antragsteller die Kosten zu tragen.

In einem solchen Falle ist einfach zu verfügen:

1. Der zur Verfolgung erforderliche Antrag ist in zulässiger Weise zurückgezogen, daher

2. Einstellung des Verfahrens.
3. Kostenrechnung aufstellen.

4. Uebersendung an den 2c.

5. Nachr. von Einstell. dem Beschuldigten (wenn er gerichtlich vernommen oder verhaftet war).

6. Rückgabe des Affervats. (Vgl. § 116.)

7. Wegl. bis 1907.

S. den 2c.

C. Irgend ein Strafgeseß ist nicht verlegt.

Beispiel (vgl. sub F).

... wird Ihnen hiermit eröffnet, daß 2c., weil der Beschuldigte lediglich versucht hat, nach Ihnen zu stechen. Der Versuch der Körperverlegung ist indeß nicht strafbar, demgemäß ist das Verfahren eingestellt worden.

Ebenso bei kaufmännischen Geschäften, wenn einfach die Bezahlung der Lieferung später nicht erfolgt: Verweisung auf den Weg des Civilprozesses. D. Abwesenheit des Thäters (falls nicht Steckbrief (§ 55) erlassen wird).

...

eröffnet, daß ich die Erhebung der öffentlichen Klage ablehne und das Verfahren vielmehr eingestellt habe, weil der Beschuldigte schon vor Erstattung Ihrer Anzeige nach Amerika geflüchtet ist, von wo er nach den bestehenden Bestimmungen wegen dieser Körperverleßung nicht ausgeliefert wird. In seiner Abwesenheit kann nach dem Geseß nicht verhandelt werden, die Acten sind daher zurückgelegt.

E. Mangel eines öffentlichen Interesses bei Beleidigung und Körperverlegung. (Vgl. oben § 33.)

F. Mangel genügenden Beweises.

Die Anträge der StAschaft auf Einleitung von Untersuchungen müssen einer sorgfältigen Prüfung in Bezug auf den zu erwartenden Ausgang unterliegen.

« ZurückWeiter »