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20. das Gefeß, betr. die Erbschaftssteuer, vom 31. Juli 1895 (RGBI. S. 412).

C. Zur Festsetung der Stempelstrafen gegen Beamte ist der Präsident des Landgerichts zuständig; über den Rekurs entscheidet unmittelbar der Justizminister.

§ 28 Ges. betr. die Abänd. v. Best. des Disciplinarges. v. 9. April 1879 (GS. S. 345).

Diese Bestimmung erstreckt sich auch auf die Stempelkontraven= tionen der Notare in der Rheinprovinz.

Tab.Ordre v. 28. Oct. 1836, betr. Abänderung des § 22 Stempelges. v. 7. März 1822, ferner Ges. v. 28. Mai 1874, betr. Gleichstellung der Notare 2c. u. § 28 des gen. Ges. v. 9. April 1879.

§ 66.

Verfahren gegen Abwesende, insbesondere flüchtige Wehrpflichtige.

§§ 318-337 und §§ 470-476 StrPrOrdg. Löwe, Kommentar 1892, S. 687 u. S. 872. — v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, S. 405-409. Gesetz, betr. die Beförderung von Auswanderern, v. 7. Mai 1853 (GS. S. 729). Allgem. Verfüg. des Justizministers v. 6. April 1880, betr. das Strafverfahren gegen Abwesende, welche sich der Wehrpflicht entzogen haben (JMBl. S. 72), sowie die angeschlossenen Verfügungen des Kriegsministers v. 23. Febr. 1880 und des Ministers des Innern v. 21. März 1880. Die Beschlagnahme des Vermögens im heutigen Strafrecht, Delius in Goltd. Arch. Bd. 37 S. 117. Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch 4. Aufl., Not. 14-16 zu § 140.

Ein wesentliches Erforderniß im deutschen Strafprozeß ist die mündliche Haupt- Verhandlung; demgemäß ist der Regel nach auch die Anwesenheit des Angeklagten in dieser Verhandlung geboten. I. Die Ausnahme enthält:

§ 319: Gegen den Abwesenden kann eine Hauptverhandlung nur dann stattfinden, wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende That nur mit Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung mit einander, bedroht ist.

Für das Verfahren kommen die Vorschriften der § 320 bis 326 zur Anwendung.

1. Voraussetzung ist sonach öffentliche Ladung (in einer beglaubigten Abschrift) an der Gerichtstafel bis zum Lage der Verhandlung nach Form. Nr. 348, falls Aufenthalt unbekannt oder Zustellung im Auslande unausführbar oder voraussichtlich erfolglos ist.

Ausserdem ist ein Auszug der Ladung in das für amtliche Bekanntmachungen des betreffenden Bezirks bestimmte Blatt und nach Ermessen des Gerichts auch in ein anderes Blatt dreimal einzurücken. Zwischen dem Tage der Hauptverhandlung und dem Tage der letzten Bekanntmachung muss eine Frist von mindestens einem Monat liegen. 2. Den Inhalt der Ladung bestimmt § 321 a. a. D. Vertheidiger ist zulässig (§§ 322, 328), Zeugen und Sachverständige können eidlich gehört (§ 328) und die im Deutschen Reiche befindlichen, zum Vermögen des Angeschuldigten gehörigen Gegenstände unter der Vorausseßung des § 325 oder § 332 mit Beschlag belegt werden (Gerichtsbeschluß!).

3. Die Beschlagnahme des Vermögens im heutigen Strafrecht ist, wie Delius a. a. D. zutreffend zusammenstellt, in der Regel nur zulässig bei Abwesenheit des Beschuldigten:

1. als Sicherungsmittel für die Urtheilsvollstreckung d. h. die Beitreibung der Geldstrafe und Kosten, §§ 325, 326 StrPrOrdg., welche nach § 480 Anwendung finden auf § 140 Nr. 3;

2. als Mittel, den Angeschuldigten zur Gestellung vor Gericht zu veranlassen, §§ 332-335;

3. bei Hoch- und Landesverrath als Mittel, um zu verhüten, daß der Ange= schuldigte gleichartige politische Unternehmungen durch sein Vermögen unterstüße. § 93 RStrGB.

4. Die Zustellung des Urtheils erfolgt durch einen zweiwöchentlichen Aushang an der Gerichtstafel des Gerichts erster Instanz (§§ 323 u. 40 Abs. 2).

II. Dieses Verfahren findet nicht bloß Anwendung auf diejenigen Personen, welche nach Begehung einer strafbaren Handlung das Inland verlassen haben, sondern auch auf diejenigen, welche erst durch das Verlassen der Heimath, durch die Auswanderung eine besondere Strafthat begehen.

1. Das hierbei in Betracht kommende Gesez vom 7. Mai 1853 bestraft unbefugtes Angebot der Ertheilung von Auskunft über die Beförderung von Auswanderern; hierunter fällt ebenso die Vermittelung von Verträgen mit Deutschen, wie mit allen europäischen Auswanderern.

§ 1, 10 a. a. O. u. Urth. des KammerG. v. 20. Mai 1889 (S. 232 de 1889) Goltd. Arch. Bd. 37 S. 461.

2. Nach Art. 11 der Verfassungs-Urkunde für den Preuß. Staat vom 31. Januar 1850 kann die Freiheit der Auswanderung in Bezug auf die Wehrpflicht beschränkt werden. Dementsprechend be= stimmt § 27 der Deutschen Wehrordnung:

1. Die Entlassung aus der Reichsangehörigkeit (Genehmigung zur Auswanderung) darf nicht ertheilt werden:

Wehrpflichtigen, welche sich in dem Alter vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 25. Lebensjahre befinden, bevor sie ein Zeugniss der Ersatzcommission darüber beigebracht haben, dass sie die Entlassung nicht blos in der Absicht nachsuchen, um sich der Dienstpflicht im Heere oder in der Marine zu entziehen.

6. Ueber Bestrafung der unerlaubten Auswanderung Militärpflichtiger siehe StrGB. § 140.

3. Nach dem Schlußsaß dieses § ist auch der Versuch strafbar. Ein solcher kann schon angenommen werden, wenn ein Wehrpflichtiger mit einem Auswanderungsagenten einen Beförderungsvertrag nach dem Auslande abgeschlossen und die Reise dorthin angetreten hat; lezteres ist anzunehmen, wenn der Wehrpflichtige mit Billet versehen, den Bahnzug oder Perron betreten hat.

Vgl. auch Urth. ReichsG. v. 20. Novbr. 1880, Entsch. Bd. 3 S. 136.

4. Bei Eingang der Anzeige ist bei der Staatsanwaltschaft zu prüfen:

A. Die örtliche Zuständigkeit. Vgl. oben § 17 und § 471 StrPrOrdg.:

Für das Verfahren, ist dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Angeklagte seinen letzten Wohnsitz oder persönlichen Aufenthalt im Deutschen Reiche gehabt hat.

a) Den Begriff für gewöhnlichen Aufenthalt faßt das OberlandesGericht München (8. April 1881, Samml. 1 S. 424) dahin, daß auch hier ein längeres Verweilen am betreffenden Orte zu verstehen sei.

Goltd. Arch. Bd. 38 S. 221 Not. 1.

b) Ueber die Zuständigkeit gegen einen im Auslande geborenen Deutschen spricht sich der Beschluß des Oberlandes-Gerichts Celle vom 5. Mai 1890 wie folgt aus:

Bezüglich des nach § 140 RStrGB. Angeschuldigten T. hat sich ergeben, daß seine früher in H., Aushebungsbezirk N., wohnhaft gewesenen Eltern als Deutsche ihren Wohnsiz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Petersburg gehabt haben, daß der Angeschuldigte daselbst geboren ist, und daß Nichts dafür vorliegt, daß er selbst je seinen Wohnsiz oder Aufenthalt im Deutschen Reiche genommen hat. Nun schreibt zwar der § 12 des Mil.-Ges. vom 2. Mai 1874 vor, daß solche Militärpflichtige in demjenigen Aushebungsbezirke des InLandes gestellungspflichtig sind, in welchem die Eltern oder Familienhäupter ihren lezten Wohnsiz hatten, aber der § 471 StrPrOrdg., welcher für das gerichtliche Verfahren gegen Abwesende, welche sich der Wehrpflicht entzogen haben, die gerichtliche Zuständigkeit regelt, bestimmt die Zuständigkeit lediglich danach, wo im Deutschen Reiche der leßte Wohnsiß des Angeschuldigten selbst gewesen ist. Gerade dazu bestimmt, die Zuständigkeitsfrage zu regeln, kann § 471 aus jener Bestimmung des Mil.-Ges. nicht dahin ergänzt werden, daß für einen Fall vorliegender Art die Zuständigkeit nach dem leßten Wohnorte der Eltern im Deutschen Reiche zu bestimmen sei.

Goltd. Arch. Bd. 38 S. 220.

3. Hat der anzuklagende Wehrpflichtige niemals im Deutschen Reiche einen Wohnsiz gehabt, so ist auf § 9 StrPrOrdg. zurückzugreifen.

Beschl. OLG. Dresden v. 2. Juli 1885, Anm. 7 S. 292. Goltd. Arch. Bd. 38 S. 220 Not. 1.

B. Die Erklärung der mit der Controle der Wehrpflichtigen betrauten Behörde.

a) Diese Erklärung stellt aus in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 1 u. 3: der Civilvorsigende der Ersaßcommission, in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2 und des § 360 Nr. 3: das Landwehr-Bezirks - Commando.

=

Allgem. Verfüg. v. 6. April 1880, siehe oben.

b) Voraussetzung der Strafbarkeit ist die Thatsache, daß der Ausgewanderte noch Deutscher Reichsangehöriger ist.

Nach dem Urth. (III. Straff.) RG. vom 1. Februar 1895 (Entsch. Bd. 26 S. 427) läuft die im § 21 des Ges. vom 1. Juni 1870 (RGBl. S. 355) vorgesehene zehnjährige Frist nicht erst vom Tage der Großjährigkeit des Ausgewanderten, sondern unbedingt schon vom Zeitpunkte der Auswanderung an. Daraus ergiebt sich, daß Personen, welche vor Erreichung des wehrpflichtigen Alters sich ununterbrochen zehn Jahre lang im Auslande aufgehalten haben, ohne ihre Eintragung in die Konsulats-Matrikeln zu bewirken, nicht mehr Reichsangehörige sind, somit gar nicht wehrpflichtig werden.

Auch bei Minderjährigen bewirkt lediglich die Thatsache des ununterbrochenen Aufenthaltes im Auslande den Verlust der Staatsangehörigkeit ReichsG. 28. Novbr. 1895, Entsch. Bd. 28 S. 25.

Die Herbeiführung einer desfalsigen Feststellung liegt der mit der Controle der Wehrpflichtigen betrauten Behörde ob.

5. Die Erhebung der Anklage erfolgt, wenn den Erfordernissen unter 4 genügt ist, wie folgt:

Anklageschrift

der

Kön. Staatsanwaltschaft in Sachen IV., J. 875/95.

1. Der Müllergesell Hans Friedrich A., geb. am 12. Juli 1876 zu 2c. Kreis 2c., zuletzt wohnhaft in X., hiesigen Landgerichtsbezirks, luth., unvermögend, nicht bestraft;

2. Der Stellmacher Aug. Carl B., geb. 2c. 3. Der Bergmann 2c.

werden angeklagt:

in noch nicht rechtsverjährter Zeit als Wehrpflichtige in der Absicht, sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen, bezw. nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten zu haben.

Vergehen nach § 140 Nr. 1 RStrGB.

Als Beweismittel dienen die angeschlossenen Verhandlungen, insbesondere die Erklärung des Kön. Landraths zu N. als Civilvorsitzenden der Ersaßcommission, vom 2c. (Bl. act.)

Zuständig ist die Strafkammer hiesigen Kön. Landgerichts.

N. den 2c.

Mit der Anklageschrift kann auch ein Antrag auf Vermögensbeschlagnahme verbunden werden, §§ 480, 325, 326 StrPrOrdg.

6. Die Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt ohne weitere Prüfung des Sachverhalts, sobald die Erklärung der Kontrol= behörde den Erfordernissen des § 472 a. a. D. entspricht.

Vgl. auch Beschl. des OLG. Posen v. 23. Septbr. 1891 (W. 115/91) und Goltd. Arch. Bd. 39 S. 365.

7. Nach Eingang der Akten ist hinsichtlich der Ladung zu verfügen:

1. Lad. des 2c. zulegt wohnhaft zu 2c. (und der übrigen Angeklagten) nach Form. Nr. 353 im Anzeiger des Regierungsamtsblattes, mit dem ausdrücklichen Ersuchen, solche dreimal so einzurücken, daß zwischen dem Tage der lezten Bekanntmachung und dem Tage der Hauptverhandlung eine Frist von mindestens einem Monat liegt.

2. Begl. Abschrift der Lad. an die Gerichtstafel bis zum Tage der Hauptverhandlung anzuheften.

3. Reprod. zum (etwa 14 Tage vor Verhandlung zur Controle).

N. den 2c.

8. Die Hauptverhandlung und Zustellung des Urtheils erfolgt, wie oben (unter I) dargestellt. Die Verurtheilung des Abwesenden tritt auf Grund der Erklärung der Controlbehörde ein, wenn die vorgeschriebenen Förmlichkeiten beobachtet und neue Umstände gegen dieselbe nicht hervorgetreten sind.

9. Nach Rechtskraft des Urtheils tritt Mittheilung an die Polizeibehörde, Uebersendung der Strafnachricht und Zählkarte, sowie Einziehung der Geldstrafe und Kosten ein wie §§ 95 und 99 dargestellt. Der Erlaß eines Steckbriefes ist zulässig, die Bekannt= machung ist aber auf den Anzeiger des Regierungs- Amtsblattes zu beschränken.

Verfüg. der Vorstandsbeamten des Königl. OLG. Cöln v. 20. März 1884 Nr. 1869.

Das Central-Polizeiblatt in Berlin nimmt solche Steckbriefe überhaupt nicht auf (vgl. § 55).

10. Die Unterbrechung der Verjährung der Strafvollstreckung gegen sämmtliche wegen Entziehung der Wehrpflicht verurtheilte Personen hat in Zeiträumen von 2 zu 2 Jahren zu erfolgen. Dabei ist als rechtlicher Gesichtspunkt festzuhalten, daß die Verjährung der Strafverfolgung erst mit dem Ende der Wehrpflicht der Betheiligten

eintritt.

Allgem. Verfüg. v. 23. Dezbr. 1872 u. 13. Jan. 1874, 1, 34; in Erinnerung gebracht durch OberstaatsAnwalt Cöln am 3. Novbr. 1888 Nr. 7812.

11. Ergiebt sich demnächst bei Ergreifung eines verurtheilten Militärpflichtigen, daß derselbe amerikanischer Bürger geworden ist, so greift die Allgem. Verfüg. vom 5. Juli 1868, I, 2739, Play:

Bei Abschluß der zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Vereinigten Staaten von Nordamerika über die Staatsangehörigkeit der Ausgewanderten verabredeten Vertrages vom 22. Februar 1868 (BGBl. S. 228) hat die Absicht vorgewaltet, daß die durch die Auswanderung verwirkte Strafe bei einer Rückkehr des Betreffenden in die frühere Heimath in Gemäßheit des Art. II nicht zur Vollstreckung gebracht werden soll, wenn er in dem anderen Staate das Heimathsrecht in Gemäßheit des Art. I erworben hat.

Demgemäß ist überall, wo rechtskräftige Verurtheilungen dieser Art gegen solche Personen vorliegen, von Amtswegen über den Erlaß der erkannten Strafe und Kosten im Gnadenwege an den Justizminister zu berichten, und werden diese Anträge zur Abkürzung und Vereinfachung der Sache tabellenartig zusammengefaßt werden können, falls die Zahl der Fälle groß genug ist, um eine tas bellarische Form der Berichterstattung zu rechtfertigen.

Auf Anweisung des Justizministers vom 8. Februar 1894 ist vorstehende Verfügung durch den Ober-Staatsanwalt in Cöln unterm 14. Februar 1894 Nr. 1290 nochmals in Erinnerung gebracht.

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Ist die Naturalisation in den Vereinigten Staaten erfolgt und beruht auch ein ununterbrochener fünfjähriger Aufenthalt in jenem Staatsgebiete außer Zweifel, so ist eine Bestrafung wegen Hinterziehung der deutschen Militärpflicht ausgeschlossen.

ReichsG. 20. Januar 1896, Entsch. Bd. 28 S. 187.

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