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behörden, d. h. Steuer-, Zoll- und ähnliche Behörden befugt, indeß dürfen nur Geldstrafen, sowie eine verwirkte Einziehung festgesezt werden. Der Inhalt des Strafbescheides und seine Präjudiz ist ebenso, wie bei der polizeilichen Strafverfügung (vgl. § 64), nur kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht bei dem Gericht ange= bracht werden.

2. Die Festsetzung des Strafbescheides bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle gebührt in erster Linie regelmäßig den Verwaltungsbehörden; denselben sind daher etwaige Anzeigen von der StAfchaft zu übersenden, falls nicht Zusammenhang mit einer anderen Strafsache, Haft des Beschuldigten, Verzicht der Verwaltungsbehörde oder des Beschuldigten vorliegt (Art. 71 Nr. 1-4 a. a. D.).

3. Die in einem vollstreckbaren Strafbescheide festgesette Geldstrafe ist vom Gericht nach Anhörung der StAschaft in den zuläs= sigen Fällen in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln, falls die Geld= strafe nicht beizutreiben ist (§ 463 a. a. D.).

In Steuer strafsachen (also bei Defraudationen der Branntwein-, Braumalz-, Tabacks- und Weinmost-, sowie der Mahl- und Schlachtsteuer) darf die einer Geldbusse zu substituirende Freiheitsstrafe die Dauer eines Jahres nicht übersteigen, wenn der Angeschuldigte noch nicht wegen eines gleichartigen Vergehens vorbestraft ist.

Beim ersten Rückfalle darf sie bis zu 2, bei weiteren Rückfällen bis zu 4 Jahren betragen.

Allerh. Tab. Ordre v. 23. Januar 1838 (GS. S. 92).

Bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollbestimmungen darf die im Unvermögensfalle eintretende Freiheitsstrafe im ersten Falle der Kontrebande oder Defraudation die Dauer von einem halben Jahre, beim ersten Rückfalle in eins dieser Vergehen ein und bei jedem ferneren Rückfalle die Dauer von 2 Jahren nicht übersteigen.

§ 162 Dereinszollges. v. 1. Juli 1869 (BGBl. S. 317). Ebenso § 39 Ges. wegen Erhebung der Brausteuer v. 31. Mai 1872 (GS. S. 153).

Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafen erfolgt durch den erkennenden Amtsrichter, nicht durch die StAschaft des Landgerichts.

Allgem. Verfüg. v. 10. April 1885, I, 1460, mitgetheilt durch Oberstaatsanwalt Cöln am 17. dess. M.

Nr. 2260.

Die Umwandlung einer Geldstrafe, die wegen Stempel= hinterziehung erkannt ist, in eine Freiheitsstrafe findet nicht statt.

§ 25 Ges. v. 1. Juli 1881 (RGBI. S. 185).

4. Jm Uebrigen wird die StAschaft nur mit der Sache befaßt, wenn die Entscheidung des ordentlichen Gerichts angerufen und der Strafbescheid nicht zurückgenommen wird; Einreichung einer An= klageschrift oder Eröffnung des Hauptverfahrens ist nicht erforderlich (§ 462 a. a. D.). Wiedereinsehung in den vorigen Stand_zu= Lässig, wie bei der versäumten Antragsfrist im § 64. Die Entfaltung selbständiger Thätigkeit, insbesondere die Anstelluung weiterer Ermitt=

Krobiksch.

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lungen, hat aber weder für die StAschaft, noch für das Gericht ausgeschlossen werden sollen.

Motive zu § 388 des Entwurfs, jeßt § 462. Protokolle der Commission S. 699 u. 1063, 1064. III. Straff. ReichsG. 23. febr. 1888, Rechtspr. Bd. 10 S. 181.

5. Die gerichtliche Entscheidung ergeht wie im Verfahren bei erhobener Anklage. Ein Hinweis auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt findet aber nicht statt:

Die Vorschrift des § 264 StrPrOrdg. findet keine Anwendung, wenn der Richter den Angeklagten aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkte verurtheilen will, als dies die Verwaltungsbehörde in dem Bescheide gethan hat.

II. Straff. ReichsG. 9. October 1883, Rechtspr. Bd. 5 S. 586.

Formfehler im Strafbescheide sind ohne Bedeutung für das gerichtliche Verfahren.

Das Urtheil des Gerichts muß erfolgen, auch wenn im Strafbescheid Beweismittel nicht bezeichnet sind. Auch sonstige Formfehler begründen keine Revision gegen das ergangene Urtheil.

III. Straff. ReichsG. 2. Juli 1885 u. 23. febr. 1888, Rechtspr. Bd. 7 bezw. 10 S. 462 bez. 181.

6. Besonders geregelt ist der Fall, wo die StAschaft den an fie gerichteten Antrag auf Verfolgung (§ 464 a. a. D.) ablehnt: hier darf die Verwaltungsbehörde selbst die Anklage erheben und einen besonderen Vertreter bestellen, während die StAschaft die gerichtlich angeordneten Ladungen zu bewirken hat und in der Hauptverhandlung vertreten sein muß.

Schließt sich die Verwaltungsbehörde, analog dem Nebenkläger (§ 82), der Verfolgung an (§§ 466-469 a. a. D.), so sind ihr Urtheil und alle sonstigen Entscheidungen zuzustellen, auch wenn sie bei deren Verkündung vertreten gewesen ist. Zur Anbringung von Revisionsanträgen und zur Gegenerklärung auf solche steht der Verwaltungsbehörde eine Frist von einem Monat zu. Die Anfechtung der vor ihrem Anschluß ergangenen Entscheidung steht ihr auch dann zu, wenn für die StAschaft die Frist zur Anfechtung abgelaufen ist. Beschl, ReichsG. v. 4. Dezbr. 1891 (JMBI. 1892 S. 66). Vgl. auch Urth. KammerG. v. 29. Dezbr. 1892, S 709/92, Goltd. Arch. Bd. 40 S. 360.

B. Besonderes. Die Fälle, in welchen die administrativen Strafbescheide noch praktisch hervortreten, betreffen in der Hauptsache folgende Gefeße:

1. das Gesetz wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergehen, vom 23. Januar 1838 (GS. S. 78);

§ 33: Die Untersuchung und Entscheidung steht in den Fällen... der Zoll- oder Steuerbehörde ausschliesslich zu. Gegen den Strafbescheid (§ 45) hat er Rekurs an die nächste vorgesetzte Finanzbehörde oder Berufung auf gerichtliche Entscheidung (§ 46).

2. das Gesetz, betr. die Erhebung einer Abgabe an Salz, vom 12. October 1867 (BGBl. S. 41);

§ 18: Die Feststellung, Untersuchung und Entscheidung der Salzabgabedefraudation erfolgt nach den Bestimmungen über Zuwiderhandlung gegen die Zollgesetze. (Vgl. sub 1.)

3. das Gesetz, die Besteuerung des Tabacks betreffend, v. 26. Mai 1868 (BGBl. S. 319), enthält in § 12 wörtlich dieselbe Bestimmung wie vorstehend im § 18;

4. das Gesetz wegen Besteuerung des Braumalzes in verschiedenen zum Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten und Gebietstheilen, vom 4. Juli 1868 (BGBl. S. 375);

§ 37: ... Wegen des Verfahrens bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes kommen die Anordnungen des Zollstrafgesetzes zur Anwendung.

5. das Gefeß, betr. die Besteuerung des Branntweins in verschiedenen zum Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten und Ge= bietstheilen, vom 8. Juli 1868 (BGBl. S. 384) bringt in § 68 diefelbe Vorschrift wie vorstehend im § 37;

6. das Gesez, betr. die Wechselstempelsteuer im Norddeutschen Bunde, vom 10. Juni 1869 (BGBl. S. 193);

§ 18: In Betreff der Feststellung, Untersuchung und Entscheidung der Wechselstempelhinterziehung etc. kommen die Vorschriften zur Anwendung, nach welchen sich das Verfahren wegen Vergehen gegen die Zollgesetze... bestimmt.

Des Nachweises eines Vorsages oder einer Fahrlässigkeit bedarf es nicht bei der Wechselstempelsteuer.

Urth. ReichsG. 20. Novbr. 1882, Entsch. Bd. 7 S. 240.

7. das Vereinszollgefeß vom 1. Juli 1869 (BGBl. S. 317); § 165: Hinsichtlich des Strafverfahrens verbleibt es bei den Bestimmungen der Landesgesetze.

8. das Gefeß über das Postwesen vom 28. October 1871 (RGBl. S. 347);

Nach Entdeckung einer Porto- oder Post-Defraudation eröffnet die Oberpostdirection „mittelst besonderer Verfügung“ die Höhe der verwirkten Geldstrafe; erfolgt keine Zahlung, so tritt Untersuchung und Straf bescheid ein, falls nicht gerichtliche Entscheidung Seitens der Postbehörde oder des Beschuldigten vorgezogen wird. Der postlichen Untersuchung folgt ein Strafbescheid, gegen welchen dem Beschuldigten entweder Berufung an das Gericht oder Rekurs an die der Oberpostdirection vorgesetzten Behörde zusteht. Die Widerspruchsfrist beträgt hier 10 Tage.

§§ 32, 34-36 a. a. O.

Der Thatbestand einer nach § 27 strafbaren Portodefraudation erfordert weder einen Vorsak, noch eine Fahrlässigkeit.

IV. Straff. ReichsG. 19. März 1889, Goltd. Arch. Bd. 37 S. 182.

9. das Geset wegen Erhebung der Brausteuer vom 31. Mai 1872 (RGBI. S. 153), enthält im § 41 wörtlich die Bestimmung des § 68 sub Nr. 5;

10. die Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 (RGBl. G. 409);

Bei Entweichungen eines Schiffsmannes oder gröblicher Verletzung seiner Dienstpflichten in den Fällen der §§ 81 Abs. 1, 84, 93, 99 Seemannsordg. erfolgt die Untersuchung und Entscheidung durch das Seeamt. Nach Abschluss der Untersuchung erhält der Beschuldigte einen mit Gründen versehenen Bescheid. Wird eine Strafe (bis zu 20 ev. 50 M.) festgesetzt, so ist die Dauer der für den Fall des Unvermögens an Stelle der Geldstrafe tretenden Haft zu bestimmen. Gegen den Bescheid kann der Beschuldigte binnen 10 Tagen auf gerichtliche Entscheidung antragen; indess ist der Bescheid in Betreff der Beitreibung der Geldstrafe vorläufig vollstreckbar.

§ 101 a. a. .

Dieselben Vorschriften finden Anwendung nach § 8 des Gesetzes, betr. die Verpflichtung deutscher Kauffahrteischiffe zur Mitnahme hülfsbedürftiger Seeleute, v. 27. Dezbr. 1872 (RGBl. S. 432), wenn ein deutsches Kauffahrteischiff solche Rückbeförderung grundlos weigert. Als Strafe wird Geldstrafe bis zu 50 M. oder Haft angedroht.

11. das Gesez vom 3. Juli 1876 (GS. S. 247), betr. die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen und einige Abänderungen des Gefeßes wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820 (GS. S. 147);

Die Regierung ist befugt, eine Geldstrafe vorläufig festzusetzen (§ 27). Die Widerspruchsfrist beträgt eine Woche (§ 459 Abs. 2 StrPrOrdg.). Die Regierung kann indess von der Verhängung einer Geldstrafe Abstand nehmen, alsdann tritt das gerichtliche Verfahren, regelmässig mit Antrag auf Erlass eines Strafbefehls (Beispiel B des § 63) ein. Ist der Beschuldigte in Haft oder hat derselbe in Preussen keinen Wohnsitz, so erfolgt direct das Einschreiten des Gerichts, ebenso wie beim Zusammenhange mit einer anderen Strafsache. Die zum Gewerbebetriebe im Umherziehen mitgeführten Gegenstände, soweit es zur Sicherheit der Steuer, Strafe und der Kosten oder zum Beweise der strafbaren Handlung erforderlich ist, dürfen in jedem Falle beschlagnahmt werden (§ 29).

12. das Gesez, betr. Abänderung des Gefeßes wegen Erhebung. der Reichsstempelabgaben vom 1. Juli 1881, in der Fassung des Gefeßes vom 29. Mai 1885 (RGBl. S. 171), läßt nach § 35 gleichfalls Strafbescheid zu;

Bei Vergehen gegen § 286 RStrGB. ist zu prüfen, ob ein Zusammentreffen mit einem Vergehen gegen §. 25 des Ges. v. 1. Juli 1881 vorliegt. Nach § 35 dieses Ges. findet hinsichtlich des administrativen Strafverfahrens wegen der Zuwiderhandlung gegen dieses Geseß die Vorschrift in § 18 des Ges. v. 10. Juli 1869, betr. die Wechselstempelsteuer Anwendung. Gemäß § 18 des Wechselstempelsteuerges. sollen in Betreff der Feststellung, Untersuchung und Entscheidung der Wechselstempelhinterziehung. die Vorschriften zur Anwendung kommen, nach welchen sich das Verfahren wegen Vergehen gegen die Zollgeseße bestimmt. Der hiernach und nach § 165 Vereinszollges. v. 1. Juli 1869 auch für das Verfahren bei Zuwiderhand

Tungen gegen das Gef. v. 1. Juli 1881 maßgebende § 33 des Ges. wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergehen v. 23. Januar 1838 (GS. S. 78) schließt aber das administrative Strafverfahren aus und überträgt die Untersuchung und Entscheidung der Zollvergehen den Gerichten, wenn die Zollvergehen mit anderen Verbrechen zusammentreffen. Im Falle des Zusammentreffens eines Vergehens gegen § 286 mit einer Zuwiderhandlung gegen § 25 sind mithin ausschließlich die Gerichte zur Untersuchung und Entscheidung über leştere Zuwiderhandlung zuständig.

Die Konkurrenz des Vergehens aus § 286 mit dem Vergehen aus § 25 des Ges. v. 1. Juli 1881 ist je nach den Umständen des Falles eine ideale oder reale (ReichsG. 9. Juni 1884, Entsch. 11 S. 9 u. v. 10. Novbr. 1887, Entsch. 16 S. 301). Im Falle der Idealkonkurrenz ist die Strafe lediglich aus § 286 festzusehen (cit. Urth. 10. Novbr. 1887); gleichwohl wird es sich empfehlen, auch in diesem Falle die Anklage ausdrücklich auf die ideal kon= kurrirende Steuerhinterziehung mit zu richten, weil lettere bei Bemessung der aus § 286 festzuseßenden Strafe nicht unbeachtet bleiben darf.

Verfüg. des Oberstaatsanwalts zu Töln v. 28. febr. 1893, Nr. 1533.

13. das Gefeß, betr. die Zuwiderhandlnngen gegen die öfterreichisch-ungarischen Zollgesete, vom 17. Juli 1881 (RGBl. S. 247), läßt in § 7 gleichfalls Strafbescheid zu;

14. das Gefeß, die Besteuerung des Zuckers betreffend, vom 9. Juli 1887 (RGBI. S. 308); das administrative Strafverfahren wird in § 59 gestattet;

15. das Einkommensteuergeseß vom 24. Juni 1891 (GS. S. 175) verordnet in

§ 70 Abs. 2: Die Untersuchung und Entscheidung in Betreff der in den §§ 66 und 68 bezeichneten strafbaren Handlungen steht dem Gericht zu, wenn nicht der Beschuldigte die von der Regierung vorläufig festgesetzte Geldstrafe nebst den durch das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten binnen einer ihm bekannt gemachten Frist freiwillig zahlt.

Ueber den Verzicht auf die vorläufige Straffestsetzung in Einkommensteuersachen vgl. auch Urth. des ReichsG. v. 10. November 1893 (JMBI. S. 357);

16. das Gewerbesteuergeseß vom 24. Juni 1891 (GS. S. 205) bestimmt in § 73 Abs. 2 wörtlich wie vorstehend in § 70;

17. das Reichsstempelgeseß vom 27. April 1894 (RGBl. S. 381) läßt nach § 36 das administrative Strafverfahren gleichfalls zu; 18. das Gefeß zum Schuße der Waarenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 (RGBI. S. 441) verordnet in § 17 bei einer

Einfuhr oder Durchfuhr ausländischer Waaren, welche mit einer deutschen Firma oder Ortsbezeichnung widerrechtlich versehen sind, Strafbescheid neben Beschlagnahme (vgl. § 45);

19. das Gesetz, betr. die Branntweinsteuer, vom 24. Juni 1887, und Abänderungen vom 16. Juni 1895 (RGBl. S. 253 bezw. G. 265);

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