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9. Bei Fälschungen oder Nachahmungen von Reichskassenscheinen und Reichsbanknoten sind bei Feststellung der Fälschung und Erstattung der Mittheilungen vorstehende Bestimmungen mit der Maßgabe zu beachten, daß für die Münzdirektion die Königl. PreuBische Hauptverwaltung der Staatsschulden (Berlin, SW. Oranienstr. 94) bezw. das Reichsbank-Direktorium (Berlin, W. Jägerstr. 34) eintritt, welche auch bei der Eröffnung eines Hauptverfahrens sogleich zu benachrichtigen und demnächst nach der Rechtskraft mit der Urtheilsformel zu versehen ist.

Abs. 2 Ziff. 18 Allgem. Verfüg. v. 25. Aug. 1879 (JMBI. S. 251), Allgem. Verfüg. v. 6. Juni 1876 (JMBI. S. 119) und v. 20. März 1877 (JMBI. S. 54).

10. Beim Vorkommen anderer falscher Geldzeichen, namentlich falscher Zinscoupons von Rentenbriefen vgl. noch die Allgem. Verfüg. v. 19. April 1862 (JMBI. S. 142) und v. 11. Januar 1869 (JMBI. S. 15). An die Stelle der Regierung tritt in Berlin als empfangberech= tigte Behörde überall das Kön. Polizei-Präsidium.

11. Zur Ermittlung der Echtheit oder Unechtheit eines Schriftstücks, sowie zur Ermittlung des Urhebers desselben kann eine Schriftvergleichung unter Zuziehung von Sachverständigen (vgl. § 42) vorgenommen werden (§ 93 StrPrOrdg.). Das Gutachten derselben, wenn es allein steht, ist aber erfahrungsmäßig nicht ausreichend für eine Verurtheilung; viel beweiskräftiger hat sich hier, wie bei allen Fälschungen, das Verfahren gezeigt, welches Dr. Paul Jeserich (in Berlin C. 2, Gerichtschemiker und vereideter Sachverständiger bei den Kön. Gerichten und Hauptsteuer-Aemtern, Inhaber des Sonnenscheinschen Laboratoriums) durch chemische, mikrophotographische und mikroskopische Untersuchung einschlägt.

12. Für die technische Untersuchung der Nahrungsmittel auf Fälschung besteht in größeren Orten regelmäßig eine öffentliche An= stalt; in Ermangelung einer solchen und eines sonstigen geeigneten Sachverständigen kann auch ein Apotheker die Untersuchung ausführen. Vgl. hierzu: Landger. Dir. Reiffel, Das Nahrungsmittelgeseß und die Rechtsprechung. Goltd. Arch. Bd. 39 S. 109.

§ 60.

Verfahren bei Aufsehen erregenden Verbrechen.

v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, S. 229, 230. — Dalcke, Strafrecht und Strafprozess, 1893, S. 781.

1. In allen aufsehen erregenden Sachen ist besondere und schleunige Berichterstattung geboten; es fragt sich daher zunächst, was unter aufsehenerregenden Verbrechen zu verstehen ist? Der Begriff ergiebt sich aus nachstehenden Verfügungen:

Ueber erhebliche oder besonderes Aufsehen erregende Verbrechen muß von dem Staatsanwalt dem Oberstaatsanwalt und von diesem dem Minister sofort eine vorläufige Anzeige gemacht werden.

§ 15 Allgem. Verfüg. v. 13. Novbr. 1849 (JMBI. S. 460).

Da auf diesem Wege die Nachricht von solchen Verbrechen häufig verspätet an den Justizminister gelangt, so wird mit Aufhebung jener Vorschrift hierdurch anderweit angeordnet, daß die Staatsanwälte fortan über Verbrechen der vorbezeichneten Art in allen Fällen sogleich unmittelbar an den Justiz minister Anzeige zu erstatten haben. Gleichzeitig haben dieselben an den ihnen vorgesezten Oberstaatsanwalt Bericht zu erstatten und darin zu bemerken, daß dem Justizminister Anzeige gemacht worden sei. Der Justizminister erwartet von den Staatsanwälten, daß sie die Anzeigen nach Möglichkeit beschleunigen werden. Allgem. Verfüg. v. 9. August 1853 (JMBI. S. 302).

Eine Verfügung des Oberstaatsanwalts beim Kammergericht vom 29. August 1881 dehnt die Anzeigepflicht auf Strafthaten aus, welche, wenngleich sie ein Verbrechen nicht darstellen, als außergewöhnliche oder besonderes Aufsehen erregende erscheinen, insbesondere in politischer, socialer oder internationaler Beziehung.

2. In der Praris rechnet man zu aufsehenerregenden Verbrechen:

a) alle Kapital-Verbrechen,

b) hoch- und landesverrätherische Unternehmen,

c) jede Strafthat eines Abgeordneten (vgl. oben § 20), d) Vergehen oder Verbrechen eines Beamten,

e) alle Vergehen gegen §§ 128, 129 RStrGB.

Vgl. Urth. 17. Oct. 1893, Entsch. Bd. 24 S. 328.

Es können aber auch einfache Vergehen, z. B. Körperverlegungen zwischen Militär- und Civilpersonen, Preßvergehen (vgl. § 61), Angriff auf einen Beamten und Herausforderungen zum Zweikampfe als aufsehenerregende Strafthaten angesehen werden.

Die Berichterstattung bei Strafthat und Verhaftung eines Reichstagsabgeordneten ist noch besonders angeordnet durch die Allgem. Ver= füg. vom 14. Dezember 1882 (vgl. oben § 20).

In jedem zu ihrer Kenntniß gelangendem Falle eines gegen den Kaiser oder das Reich gerichteten hoch- oder landesverrätherischen Unternehmens (§ 136 Nr. 1 Ger. Verfass.Ges., §§ 80 ff. RStrGB., §§ 1 u. 3 Gef. gegen den Verrath militärischer Geheimnisse vom 3. Juli 1893 (RGBI. S. 205) hat die StAschaft sofort dem OberReichsanwalt Mittheilung zu machen;

Cirk.Verfüg. v. 3. Mai 1886, I, 1486.

gleichzeitig auch dem Herrn Reichkanzler (Adresse: Reichs-Justiz-Amt) und dem Herrn Justizminister.

Cirk.Verfüg. v. 17. februar 1887, I, 574.

Abschrift erhält nach allgemeiner Gepflogenheit der vorgesezte Oberstaatsanwalt.

3. Beispiele für die Berichterstattung.

Beispiel A.

1. Bericht an den Herrn Staats- und Justizminister.

Bericht des Ersten Staats

awalts, betr. ein Aufsehen erregendes Verbrechen. Allgem. Derfüg. v. 9. Aug. 1853.

N., den 2c.

Euer Excellenz

verfehle ich nicht, hierdurch ehrerb. anzuzeigen, daß ich heute auf Grund persönlich vorgenommener Erhebungen, zu welchen ich durch eine mündliche Anzeige veranlaßt wurde, die öffentliche Klage gegen den katholischen Pfarrer N. zu X. wegen wiederholten Verbrechens gegen § 176Nr. 3 RStrGB. beim Untersuchungsrichter erhoben und zugleich den Erlaß eines Haftbefehls beantragt habe.

Sobald derselbe vollstreckt ist, werde ich nicht ermangeln, weiteren Bericht ehrerbietigst zu erstatten.

Der Erste Staatsanwalt.

2. Abschr. geht an den Herrn Oberstaatsanwalt mittelst Berichts („gehorsamst“ statt ehrerbietigst“, „Hochwohll." statt Excellenz") und Zusaş: Dem Herrn Justizminister ist gleichlautender Bericht erstattet.

3. Nach 3 Tagen.

"

Der Erste Staatsanwalt.

Ueber den Begriff der „unzüchtigen Handlung“ vgl. ReichsG. 23. Dezbr. 1895, Entsch. Bd. 28 S. 77.

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1. Bericht an den Herrn Staats- und Justizminister. Bericht des Ersten Staatsanwalts, betr. ein Aufsehen erregendes Verbrechen. Allgem. Verfüg. v. 9. Aug. 1853.

S., den 2c.

Euer Excellenz

verfehle ich nicht, folgenden Bericht ehrerbietigst zu erstatten:

Am Morgen des 5. d. M. sah der Hülfsförster B. auf seinem Patrouillengange im Forstrevier bei S. (bei N.) einen fremden Menschen mit Gewehr. Den augenscheinlichen Wilderer ließ er, hinter einem Baume stehend, auf sich zukommen und rief ihm dann: „Halt!“ zu. Der Wilderer machte sofort Kehrt und lief schleunigst davon. Der Förster ergriff ihn troßdem nach langer Verfolgung; bei dem nun entstehenden Handgemenge fielen Beide zu Boden und zwar der Wilddieb auf den Förster. Den Versuch, das Jagdmeffer gegen den Förster zu gebrauchen, vereitelte dieser durch Ergreifen und Wegwerfen desselben; immerhin hat der Förster, namentlich durch Schläge mit dem Gewehr, so erhebliche Ver-legungen an den Händen und am Kopf davongetragen, daß die Gefahr für sein Leben noch nicht beseitigt ist.

Der Wilddieb entfloh schließlich, durch eine Schußwunde an der Seite ungefährlich verlegt; auf Grund

der vom Förster gegebenen Beschreibung ist er indeß in der Person des 41 jährigen Bergmanns Lorenz G. aus H. ermittelt. Sogleich verhaftet, hat er bei der gerichtlichen Vernehmung unbefugtes Jagen, den Angriff auf den Förster und die Thätlichkeiten gegen denselben eingeräumt.

Eröffnung der Voruntersuchung aus den §§ 292, 293, 117, 118, 211, 43, 73, 74 RStrGB., sowie Fortdauer der Untersuchungshaft ist sogleich beantragt. Nach Abschluß derselben werde ich nicht verfehlen, weiteren Bericht ehrerbietigst zu erstatten.

Der Erste Staatsanwalt.

2. Gleicher Bericht dem Herrn Oberstaatsanwalt, nur „gehorsamst“ statt „ehr= erbietigst" und Zusaß am Schluß:

Dem Herrn Justizminister ist gleichlautender Bericht erstattet worden.

3. Nach 2 Wochen.

Der Erste Staatsanwalt.

1. Erneuter Bericht an den Herrn Justizminister. Zweiter Bericht des Ersten Staatsanwalts, betreffend die Untersuchungssache wider den Bergmann Lorenz G. wegen Mordversuchs, Jagdvergehens und Körperverlegung, begangen gegen den Königl. Hülfsjäger B. zu S. (bei N.)

Euer Excellenz

S., den 2c.

verfehle ich nicht, im Anschluß an meinen Bericht vom 9. d. M. hierdurch ehrerbietigst anzuzeigen, daß ich am heutigen Tage, nach Abschluß der Voruntersuchung, Anklage auf Grund der schon angeführten geseßlichen Bestimmungen erhoben und die Verweisung der Sache vor das Kön. Schwurgericht S. beantragt habe.

Sobald dieser Beschluß gefaßt und Hauptverhandlungstermin angeseßt ist, werde ich nicht ermangeln, unverzüglich weiteren Bericht zu erstatten.

Der Erste Staatsanwalt.

2. Uebersendung einer Abschrift der Anklage an den Herrn Oberstaatsanwalt. Zweiter Bericht . . . . wie

oben!

Euer Hochwohlgeboren

beehre ich mich im Anschluß an meinen Bericht vom 9. d. M. Abschrift der heute erhobenen Anklage beifolgend zur hochgeneigten Einsichtnahme geh. vorzulegen.

Sobald der Beschluß über Eröffnung des Hauptverfahrens ergangen und Hauptverhandlungstermin an gesezt ist, werde ich nicht ermangeln, weiteren Bericht unverzüglich zu erstatten.

Der Erste Staatsanwalt.

3. Am 29. cr.

1. Bericht an den Herrn Justizminister.

Eilt!

Dritter Bericht des Ersten

Staatsanwalts, betr. . . . . wie oben!

S., den 2c.

Euer Excellenz

verfehle ich nicht, im Anschluß an meinen Bericht vom 19. Mai d. J. hierdurch ehrerbietigst anzuzeigen, daß das Hauptverfahren, entsprechend der Anklageschrift, von der Strafkammer eröffnet und Hauptverhandlungstermin auf Mittwoch, den 26. d. M., vor dem Königl. Schwurgerichte hier anberaumt worden ist.

Das Resultat desselben werde ich nicht ermangeln, unverzüglich anzuzeigen.

Der Erste Staatsanwalt.

2. Gleicher Bericht dem Herrn Oberstaatsanwalt mit Aenderung wie oben und Zusatz:

Dem Herrn Justizminister ist gleichlautender Bericht erstattet worden.

Der Erste Staatsanwalt.

S. den 2c.

1. Bericht an den Herrn Justizminister.

Eilt!

Vierter Bericht des Ersten
Staatsanwalts, betr. die
Untersuchungssache wider

den 2c.... begangen
(wie im zweiten Bericht!)]

Euer Excellenz

verfehle ich nicht, im Anschluß an meinen Bericht vom 4. d. M. hierdurch ehrerbietigst anzuzeigen, daß der Angeklagte in der heutigen Hauptverhandlung der ihm zur Last gelegten Strafthaten für überführt erklärt und deshalb zu einer Gesammtzuchthausstrafe von 8 Jahren und 1 Monat verurtheilt ist; zugleich sind ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf 8 Jahre aberkannt, auch ist auf Einziehung. der bei der That gebrauchten Gegenstände erkannt.

Sobald dies Urtheil Rechtskraft erlangt hat, werde ich weiteren Bericht unverzüglich erstatten.

Der Erste Staatsanwalt.

2. Gleicher Bericht geht an den Herrn Ober-Staatsanwalt mit Aenderung und Zufaz:

Dem Herrn Justizminister ist gleichlautender Bericht erstattet worden.

Der Erste Staatsanwalt.

3. Am 4. Juli (Acten und Bericht.)

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