Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Auslieferung der Verbrecher vom 24. Januar 1874 (RGBI. S. 113 bis 119). Nach Art. I wird ausgeliefert wegen:

1. Todtschlags und Mordes, einschließlich Kindesmordes; 2. vorsätzlicher Abtreibung der Leibesfrucht; 3. Ausseßung oder vorsäßlicher Verlassung eines Kindes; 4. Raubes, Unterdrückung, Verwechselung oder Unterschiebung eines Kindes; 5. Entführung einer minderjährigen Person; 6. vorsäßlicher und rechtswidriger Beraubung der persönlichen Freiheit eines Menschen, sei es, daß sich eine Privatperson oder ein öffentlicher Beamter derselben schuldig macht; 7. mehrfacher Ehe; 8. Nothzucht: 9. Kuppelei mit minderjährigen Personen des einen oder anderen Geschlechts in denjenigen Fällen, in welchen dieselben durch die Landesgesetzgebung der vertragenden Theile mit Strafe bedroht ist; 10. vorsäglicher Mißhandlung oder Verlegung eines Menschen, welche eine unheilbare oder voraussichtlich unheilbare Krankheit oder Entstellung oder den Verlust des unbeschränkten Gebrauchs eines Organs oder, ohne den Vorsatz zu tödten – den Tod zur Folge gehabt hat; 11–23, wörtlich wie oben 2, 16–32.

Direktes Ersuchen an die Schweizerischen Behörden um vorläufige Festnahme zulässig; Dauer der vorläufigen Festhaltung höchstens 20 Tage. Blaubuch S. 61 Ziff. 42.

13. Spanien.

Auslieferungsvertrag vom 2. Mai 1878 (RGBl. S. 213). Unmittelbares Ersuchen um vorläufige Festnahme zulässig; Dauer der Festhaltung 2-3 Monat. Blaubuch S. 62 Ziff. 44.

14. Transvaal.

In Gemäßheit des Art. 31 des Freundschafts- und Handelsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Südafrikanischen Republik vom 22. Januar 1885 (RGB. 1886, S. 209-230) wird Seitens der Republik bis zum Inkrafttreten einer besonderen Vereinbarung, unter Zusicherung der Gegenseitigkeit, die Auslieferung nach Maßgabe der Seitens der Republik mit anderen Staaten abgeschlof= senen bezüglichen Verträge gewährt.

Gesuche mit Haftbefehl und Zeugenaussagen gehen an den Justizminister. Blaubuch S. 62 Ziff. 45.

15. Uruguay.

Auslieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem orientalischen Freistaat Uruguay vom 12. Februar 1880 (RGBI. 1883, S. 287-301).

Die strafbaren Handlungen, wegen welcher nach Art. 1, 1—34 die Auslieferung zulässig ist, sind dieselben wie sub Belgien.

Antrag auf vorläufige Festnahme nur im diplomatischen Wege zulässig; Dauer der Festhaltung höchstens 90 Tage.

Ohne besonderen Vertrag liefern Dänemark und Serbien im diplomatischen Wege gleichfalls aus. Vgl. Blaubuch S. 48 u. 62.

Folgende Entscheidungen aus der Praxis kommen für die Frage der Auslieferung noch in Betracht:

I. Die Erklärung einer ausländischen Regierung, daß sie mit der Verfolgung eines von ihr wegen eines bestimmten Delicts bereits ausgelieferten Verbrechers wegen eines anderen Staats einverstanden sei, ist einer Auslieferung an Bedeutung und Wirkung gleich.

II. Der Ausgelieferte hat kein Recht, die Nichtbefolgung gewisser Förmlichkeiten bei dem Auslieferungsverfahren zu rügen.

IV. Straff. ReichsG. 10. febr. 1891, Goltd. Arch. Bd. 39 S. 65.

III. Der Staat, an welchen die Auslieferung erfolgt, erlangt gegenüber dem ausliefernden Staat Strafbefugniß nur wegen des Delicts, welches als justa causa der Auslieferung von Leßterem anerkannt wird.

Goltd. Arch. Bd. 37 S. 247 not. 30.

Vergleiche hierzu auch oben die Entscheidung zu Amerika und Niederlande.

16. Am 25. Juli 1890 hat das Deutsche Reich mit dem Kongostaate einen Vertrag über die Auslieferung der Verbrecher und die Gewährung sonstiger Rechtshülfe in Straffachen zwischen den deutschen Schußgebieten in Afrika und dem Gebiete des Kongostaates (RGBl. S. 91) abgeschlossen.

II. Jm Besonderen.
§ 57.

Berfahren in fog. Leichensachen.

[ocr errors]

v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, Berlin 1884, §§ 109-111. - Löwe, Die Strafprozessordnung, Berlin 1892, Kommentar zu §§ 87, 90, 157. Motive S. 164. Dalcke, Strafrecht und Strafprozess, Berlin 1893, Not. 11 u. 12 zu § 89 StrPOrdg. Zur Geschichte der gerichtlichen Sektion. Friedrichs Blätter für gerichtl. Medizin, Bd. 45 S. 101. Altersbestimmung von Leichen auf Grund des Ossificationsproz. Friedrich's Blätter für gerichtl. Medizin, Bd. 45 S. 210. mann, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, Stuttgart.

Strass

Beim Eintritt eines Todesfalls kommt in Betracht die Bestimmung des § 157 StrPrOrdg.:

„Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass Jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an den Amtsrichter verpflichtet.

Die Beerdigung darf nur auf Grund einer schriftlichen Genehmigung der Staatsanwaltschaft oder des Amtsrichters erfolgen."

1. Beim Eingange einer solchen Anzeige, zu welcher die Polizei- und Gemeindebehörden bei gewissen Todesfällen verpflichtet sind, hat die StAschaft auf Grund der Anzeige und sonstiger Wissenschaft zu prüfen und zu entscheiden, ob es einer gerichtlichen Thatbestands= erhebung und näheren Ermittlung der Todesart bedarf, oder ob einfach die Beerdigung ohne Weiteres zu gestatten ist.

2. Aufklärung kann sich die StAschaft auch hier (vgl. § 35) auf jede ihr geeignet scheinende Weise verschaffen, z. B. durch Leichenöffnung, Leichenschau, Besichtigung, selbständige Erhebungen und Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen. Behufs Besichtigung

oder Oeffnung einer schon beerdigten Leiche ist ihre Ausgrabung gestattet.

Unnöthig ist jede weitere Aufklärung, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung vollkommen ausgeschlossen, also z. B. der Tod durch Blizschlag, Ertrinken beim Baden oder Selbstmord zweifellos herbeigeführt ist. Hier ist einfach zu verfügen:

1. Beerdig. Erlaub.

2. Zur Blattsamml.

Nothwendig ist dagegen eine Aufklärung, insbesondere unter Mitwirkung der Gerichtsärzte (oben § 42), unbedingt, wo Verleßungen am Körper, örtliche Verhältnisse oder sonstige Umstände (z. B. verschiedene Fußspuren am Thatorte, zerrissene Kleider, Verlust des Geldes oder an Werthgegenständen, plößlicher Tod eines ganz ge= sunden Menschen, bloße Gerüchte oder bestimmte Beschuldigungen, Auffindung des Leichnams eines Unbekannten oder neugeborenen Kindes § 90 a. a. D.) auf eine gewaltsame Vernichtung des menschlichen Lebens hinweisen. Bei Verdacht der Vergiftung vgl. § 91 a. a. D.).

3. Ist ein Verdächtiger nicht vorhanden, so geht der Antrag an das Amtsgericht mittelst folgender Verfügung:

Eilt sehr!

Urschr. an das Königl. Amtsgericht, Abth. hier mit dem Antrage erg., zur Feststellung der Todesursache die Leichenöffnung vorzunehmen und Beerdigungserlaubniß demnächst zu ertheilen.

Gleichzeitig hat die StAschaft (vgl. oben §§ 35, 36) für die Entdeckung des Thäters, Beschlagnahme der zur That gebrauchten Werkzeuge, Ermittlung von Ueberführungsstücken (Gift in der Flasche, Munition, Waffen) entweder selbst oder durch die Hülfs= beamten unverzüglich Sorge zu tragen. Die Identität des chemisch zu untersuchenden Stoffes ist durch Siegel und Aufschrift genau fest= zustellen; ein Theil desselben ist für etwaige weitere Untersuchung stets zurückzubehalten.

4. Wird ein Verdächtiger ermittelt oder ist er von vornherein vorhanden, so ist in der Regel das Amtsgericht zu umgehen und der Antrag auf Eröffnung und Führung der Voruntersuchung (vgl § 71) direkt beim Untersuchungsrichter zu stellen.

5. Genaue Abschrift des Obductionsprotokolles erhält die Königl. Regierung, in Berlin das Königl. Polizei-Präsidium. Die Verfügung dazu_wird „sogleich nach Eingang der Verhandlungen“ von der StAschaft erlassen.

Allgem. Verfüg. v. 6. März 1840 (JMBI. S. 99) u. v. 29. October 1847 (JMBI. S. 321)

u. v. 27. October 1889 (JMBI. S. 253).

6. Endlich kann eine Ermittlung erforderlich erscheinen beim Eintritt eines Todesfalles durch fahrlässiges Verschulden eines Dritten, sowie beim Auffinden der Leiche eines Unbekannten. Bei Fahr

lässigkeitsvergehen kann von Leichenöffnung Abstand genommen werden, wenn der Eintritt des Todes (beim Ueberfahren durch Wagen, Erfassen und Umdrehen durch Maschine, Unglücksfall auf der Eisenbahn oder im Betriebe) durch Augenzeugen unmittelbar und sicher festgestellt ist. Beim Auffinden der Leiche eines Unbekannten. (im Walde, Wasser) wird eine Besichtigung schon deshalb nicht umgangen werden können, weil die Ermittlung bestimmter Merkmale durch den Sachverständigen die Feststellung der Persönlichkeit des Ver= storbenen erleichtert. Hier ist zu verfügen:

Eilt sehr!

Urschr. an den Königl. Kreisphysikus Herrn Dr. N. zur gefälligen Besichtigung der Leiche und Ermittlung besonderer Merkmale, welche zur Feststellung der Persönlichkeit des Verstorbenen dienen können.

Giebt die Besichtigung Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung, so ist Leichenöffnung, wie oben, zu beantragen. Giebt sie solche Anhaltspunkte nicht, dagegen hinsichtlich der Persönlichkeit, so wird Beerdigungserlaubniß, wie oben, ertheilt.

7. Ist auch durch die Besichtigung die Persönlichkeit des Verstorbenen nicht zu ermitteln, so bleibt nur eine öffentliche Bekannt= machung (vgl. oben § 55) durch die Intelligenzblätter der Provinz“ wie sie durch § 156 Abs. 2 Crim.Ordg. vorgeschrieben ist,

in folgender Weise:

1. Ins.

"

Deffentliche Bekanntmachung.

Am 19. d. M. ist in der 2c. bei 2c. der Leichnam eines Unbekannten angeschwemmt (aufgefunden) worden, welcher mit dunklem Haupthaar und gleichem Vollbart versehen, 180 cm lang und etwa 30 Jahr alt war; der Anzug war von grauer Farbe, Halstuch roth. Im Taschentuche fanden sich die Buchstaben A. B., ebenso im Siegelringe am Zeigefinger der rechten Hand.

Um Mittheilung über die Persönlichkeit des Verstorbenen wird zu den Akten III J. 164/95 mit dem Hinzufügen ersucht, daß das Tuch und der Ring bet der Polizeiverwaltung (Amtsvorsteher, Bürgermeister-Amt) zu 2c. aufbewahrt. und dort auf Verlangen vorgezeigt werden.

in

N. den 2c.

Der Erste Staatsanwalt.

a) den öffentlichen Anzeiger des Regierungs-Amtsblattes (oben § 55 Ziffer 5), b) folgende Zeitungen: 1. 2c.

2. Abschrift der Bekanntmachung geht an

a) Polizei-Verwaltung zu 2c. und 2c.

b) Königl. Gensd.Station zu 2c. und 2c.

3. Nach 3 Wochen.

Erfolgt die Ermittlung nicht, so ist der Versuch zu erneuern, bei gleicher Erfolglosigkeit aber Abstand zu nehmen, die etwa asservirten. Gegenstände zurückzugeben und Verfahren einzustellen.

8. In allen Fällen, wo amtliche Ermittlung über den Todesfall.

stattgefunden hat, ist die zuständige Ortspolizeibehörde behufs Mittheilung an das Standesamt zu benachrichtigen.

§ 58 Abs. 2 Ges. über die Beurkundung des Personenstandes 2c. v. 6. februar 1875 (RGBI. S. 23) und Allgem. Verfüg. des Min. des Inn. und der Justiz vom 21. Juni 1874 (JMBI. 1875 S. 157). Diese Nachricht soll enthalten: Ort, Tag und Stunde des erfolgten Todes, Vor- und Famliennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Geburtsort des Verstorbenen.

Allgem. Verfüg. vom 4. Mai 1878, betr. die bei amtlich ermittelten Todesfällen den Standesbeamten zu machenden Mittheilungen (JMBI. S. 75) und § 59 des cit. Ges. vom 6. Febr. 1875.

Ueber Obduktion der Leichname von Miltärpersonen und der Zuständigkeit des Miltärgerichts vgl. oben § 25 am Schluß.

Ueber Beiseiteschaffen" eines Leichnams: ReichsGer. 17. Jan. 1896, Entsch. Bd. 28 S. 119.

§ 58.

Verfahren in Brandsachen.

Weingart, Handbuch für das Untersuchen von Brandstiftungen. Zum Gebrauch für Juristen und Versicherungsbeamte, Leipzig. — Brandstiftungen aus Eigennutz in geistiger Gesundheit. Friedrichs Blätter für gerichtl. Medizin. Bd. 45 S. 32. Fragebogen für Brandstiftungs-Untersuehungen, entworfen von Dr. Medem. 1888. - Gesetz über das Mobiliar-Feuerversicherungswesen v. 8. Mai 1837 (GS. S. 102), erläutert von Dr. Delius: die preussischen Strafgesetze, Berlin 1894 S. 257. Chuchul, Die gerichtliche Polizei, Cassel 1891. S. 34 ff. zum Strafgesetzbuch, 4. Aufl. §§ 265 u. 306 Not. 2.

Olshausen, Kommentar

1. Nach der Cirk.Verfüg. des Ministers des Innern v. 31. Juli 1850 haben zunächst die Polizeibehörden bei jeder Feuersbrunst sofort die Entstehung derselben zu untersuchen und demnächst in allen Fällen die Verhandlungen selbst, oder die Ergebnisse derselben der StAschaft kurz mitzutheilen. Durch die CirkVerfüg. v. 18. Mai 1880, I, 2564, ist von den Polizeibehörden nochmals „möglichste Schnelligkeit und Energie bei der Ermittelung“ eingeschärft.

Auch die Gensdarmerie ist zur Anzeige verpflichtet. Die Dienstinstruktion (vgl. oben § 50 Ziff. 8) schreibt dies ausdrücklich vor, außerdem hat der Minister des Innern bestimmt:

„Bei wichtigen und schweren Verbrechen haben die Gensdarmen der Staatsanwaltschaft direct Anzeige zugehen zu lassen.“

CirkVerfüg. des Min. d. Jnn. v. 7. Aug. 1880 i. f. (oben § 50 Ziff. 7).

Endlich kommt die Thätigkeit der Hülfsbeamten noch in Betracht. Vgl. auch § 59 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 (GS. S. 661).

2. Bei solcher Unterstüßung, die durch besondere Instruktion (vgl. oben § 49 Ziffer 8 noch erhöht werden kann, muß es jeder StAschaft gelingen, von dem begründeten Verdacht einer Brandstiftung umgehend Kenntniß zu erhalten und die weiteren, unverzüglich zu ergreifenden Maßnahmen zu treffen.

« ZurückWeiter »