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Nach Wiedereingang der Acten und Feststellung der Identität des Verfolgten ist die sogleich nöthige, erste Verfügung:

1. Rücknahme des Steckbriefes, Bl. Act.

2. Nachr. von Erledigung an

a) die daselbst Benachrichtigten,

b) das Strafregister zu

3. Antrag auf Verlängerung der Haftfrist um 1 Woche, also bis . . .

Ist der Beschuldigte geständig oder seine Thäterschaft durch die bisherigen Ermittlungen hinreichend nachgewiesen, so kann die Erhebung der Anklage erfolgen (§ 34); andernfalls haben Ermittlungen und Vernehmungen nach §§ 38 ff., 36, 35 geeignetenfalls auch Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung (§ 71) einzutreten.

8. Gelingt die Festnahme des Verfolgten nicht, so tritt bei Wiedervorlage der Acten eine nochmalige Nachfrage im letzten Wohnorte des Gesuchten, bei seinen Verwandten und beim Bezirks-Commando ein, falls er sich in Militärverhältnissen befindet. Erfolgt troßdem und troß wiederholter Nachfrage die Ermittlung nicht, so ist kurz vor Ablauf der Verjährung zu prüfen, ob solche eintreten darf oder die Erneuerung des Steckbriefes zu verfügen ist.

Nach Eintritt der Verjährung ist jedenfalls die Rücknahme des Steckbriefes unverzüglich zu verfügen.

$ 65.

Ueber die Behandlung der Steckbriefe gegen Wehrpflichtige vgl.

§ 56.
Die Auslieferung.

Hetzer, Deutsche Auslieferungsverträge, Berlin 1883. - v. Marck, Die Staatsanwaltschaft, 1884, S. 277 ff. — Dalcke, Strafvollstreckung und Gefängnissverwaltung, Berlin 1889, S. 44. — Müller, Der Ausgelieferte vor Gericht, Annalen des D. Reichs für Gesetze, Verw. u. Statistik von Hirth (20 S. 565). Rechtsgrundsätze des Reichsgerichts in Auslieferungssachen. Zeitschr. für internat. Privat- und Strafrecht, herausgegeben von Böhm, Bd. 1 S. 176. — Delius, Die Auslieferung flüchtiger Verbrecher aus fremden Ländern nach dem Königreiche Preussen, Berlin 1890. Delius: Inwieweit ist Strafverfolgung und Strafvollstreckung gegenüber Ausgelieferten nach den Auslieferungsverträgen des Reichs und der einzelnen Bundesstaaten zulässig? Goltd. Arch. Bd. 39 S. 112-128. Fuld, Auslief. von politischen Verbrechern. Unsere Zeit (1891 S. 79). Fuld, Aburtheilung eines Ausgelieferten und ihre Schranken. Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt (16 S. 211). Lammasch, Die Frage der Staatsangehörigkeit im Rechte der Auslieferung, Arch. für öffentl. Recht, Freiburg (I S. 309). Müller, Die Preussische Justizverwaltung, Berlin 1892, S. 1161 ff. — Kurtz, Hilfsbuch für Strafvollzug, Rechtshilfe und Auslieferungsangelegenheiten, 1893. Assmann, Die Verfolgung, Festnahme und Auslieferung der nach dem Auslande geflüchteten Verbrecher. Mühlheim a. R. — Olshausen, Kommentar zum StrGB. 4. Aufl., not. 1—3 zu § 9.

Für die Auslieferung flüchtiger Verbrecher ist der Inhalt der besonders abgeschlossenen Verträge maßgebend. Danach wird nur wegen ganz bestimmt bezeichneter Verbrechen, unter Festhaltung des Verbrechers während der im Vertrage festgeseßten Zeit und nach Erfüllung gewisser Förmlichkeiten bei Ueberreichung der nothwendigen Urkunden ausgeliefert. Die Vorausseßungen für die Auslieferung eines Verbrechers zum Zwecke der Herbeiführung seiner Bestrafung sind in den einzelnen Fällen und Ländern ganz verschieden. Dem

gemäß ist in jedem einzelnen Falle die Durchsicht des in Betracht kommenden Vertrages geboten, ebenso des sog. Blaubuches, welches eine Zusammenstellung der in Betracht kommenden Vorschriften enthält, Berlin 1895. Vergl. auch JMBI. 1889, S. 8-30 und die Allgem. Verfüg. v. 22. April 1893 (JMBI. S. 124).

Auslieferungsverträge bestehen mit:

1. Amerika.

Der zwischen Preußen und anderen Staaten des deutschen Bundes einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits wegen der in gewissen Fällen zu gewährenden Auslieferung der vor der Justiz flüchtigen Verbrecher abgeschlossene Vertrag vom 16. Juni 1852 (GS. 1853 S. 645) nebst Additional-Artikel vom 16. November 1852 (S. 1853 S. 650), welcher nach Art. 3 des Vertrages zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 22. Februar 1868 (BGS. S. 228) auf alle Staaten des Norddeutschen Bundes ausgedehnt ist. Nach Art. 1 werden ausgeliefert alle Individuen, welche beschuldigt sind:

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Verbrechen des Mordes, oder eines Angriffs in mörderischer Absicht, oder des Seeraubes, oder der Brandstiftung, oder des Raubes, der Fälschung oder des Ausgebens falscher Dokumente, oder der Verfertigung oder Verbreitung falschen Geldes sei es gemünztes oder Papiergeld oder des Defects oder Unterschlagung öffentlicher Gelder, innerhalb der Gerichtsbarkeit eines der beiden Theile begangen zu haben in dem Gebiete des anderen Theils eine Zuflucht suchen oder dort aufgefunden werden: mit der Beschränkung jedoch, daß dies nur auf solche Beweise für die Strafbarkeit geschehen soll, welche nach den Gesehen des Ortes, wo der Flüchtling oder das so beschuldigte Individuum aufgefunden wird, dessen Verhaftung und Stellung vor Gericht rechtfertigen würden, wenn das Verbrechen oder Vergehen dort begangen wäre.

Dauer der vorläufigen Festhaltung 3 bis 4 Wochen. Die für die Ueberführung des Verfolgten wesentlichen Beweisverhandlungen sind in beglaubigter Abschrift im diplomatischen Wege vorzulegen. Näheres im Blaubuch S. 63 Ziff. 47.

Ein wegen Verbrechens gegen §§ 348, 349, 350, 351 RStrGB. von den Vereinigten Staaten von Nordamerika Ausgelieferter kann, wenn die erschwerenden Umstände des § 349 bezw. § 351 verneint werden, wegen Vergehens gegen §§ 348, 350 bestraft werden.

Der Ausdruck „Verbrechen“ in dem Auslieferungsvertrage zwischen Preußen und anderen Staaten des deutschen Bundes mit den Vereinigten Staaten bezeichnet allgemein strafbare Handlungen und schließt Vergehen“ ein.

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I. Straff. ReichsG. 28. März 1895, Entsch. Bd. 27 S. 126.

Der völkerrechtliche Grundsaß der Spezialität der Auslieferung, wonach die Verfolgung des Ausgelieferten wegen anderer Strafthaten, als derjenigen, welche den Anlaß zur Auslieferung gegeben hat, regelmäßig unstatthaft ist, findet auch für den Auslieferungsvertrag vom 16. Juni 1852 mit den Vereinigten Staaten statt. Hierdurch wird aber die Bestrafung nicht ausgeschlossen, wenn die That sich demnächst nicht gerade in derjenigen rechtlichen Beschaffen

heit, welche ihr in dem Auslieferungs-Ersuchen beigelegt ist, wohl aber in an -
derer Richtung als strafbar erweist (Eröffnung des Hauptverfahrens war aus
§§ 267, 268, Verurtheilung aber aus §§ 271, 272 RStrGB. erfolgt).
IV. Straff. ReichsG. 12. Novbr. 1895, Entsch. Bd. 27 S. 414.

Muster einer vorläufigen Festnahme per Telegramm 2c.
J. 1686/90.
1. Telegramm:

Generalconsul

New-York.

S. den 2c.

Ersuche um Herbeiführung der vorläufigen Festnahme des Häuslersohns Robert Friedrich Wilhelm G. zu Gonzales, Texas, bis März d. I. wohnhaft zu F., geb. in F. 20. Mai 1869, Statur klein, unterseßt, blondes, leichtgekräuseltes Kopf- und Barthaar, bis März hier, kleiner Schnurbart, graues Jagdjaquet mit grünen Aufschlägen, Reitstiefeln, blaue Reithosen getragen, Kleidung vielleicht mitgenommen.

Dem G. wird zur Last gelegt, am 5. November 1890 bei der L.-Baude im R.-Gebirge den Gräflichen Revierjäger G. hinterlistig durch einen Kugelschuß getödtet, also einen Mord begangen zu haben. Haftbefehl vom Amtsgericht F. ist heute erlassen.

Nach einem hier angehaltenen Briefe wohnt G. beim Farmer Paul S. zu Gonzales, Texas, Nordamerika; ist vielleicht gewarnt und führt jekt böhmischen Namen.

S. geboren 18. Juli 1865 in F. Beiname: Thal-Karlssohn. Auskunft wird auch Friedrich Hermann H. Beiname: Lange-Müllsker, geboren 1. September 1861 zu F. oder auch Ernst S. Beiname: Liebla Langers, geboren 9. Juli 1867 zu F., sämmtlich jezt Gonzales, ertheilen.

Auslieferungsantrag ist gleichzeitig eingereicht.

Erster Staatsanwalt.

2. Uebersendung einer Abschrift der Depesche an den Herrn Justizminister.

Bericht

des Ersten Staatsanwalts, betreffend die Auslieferung des Häuslersohns Wilhelm G. aus F., gegenwärtig zu Gonzales in Texas.

Euer Excellenz

verfehle ich nicht, Abschrift der soeben an den General-
Consul in New-York abgelassenen Depesche um vorläufige
Festnahme des nebenstehend bezeichneten G. beifolgend zur
hochgeneigten Einsichtnahme und mit der Bitte ehrer-
bietigst vorzulegen:

die Auslieferung genehmigen zu wollen.

Zur näheren Begründung dieser Bitte darf ich Folgendes vorzutragen mir gestatten.

Am 5. November 1890 ist der Gräfliche Revierjäger

W. im Gebirge bei bei der L.-Baude hinterlistig ange-
schoffen und kurz darauf verstorben.

Die zur Ergreifung des Mörders unablässig fort-
gesezten Ermittelungen blieben erfolglos, wie ich in

さら

meinen Berichten vom 8. November und 3. Dezember v. J. anzuzeigen mir gestattet habe.

In Folge der am 12. Juli d. J. stattgefundenen ferneren Ermordung des Gräflichen Revierjägers K. zu R. ist seit Anfang August d. 3. der Kriminal-Commissar Sch. aus Berlin in hiesiger Gegend mit der Ermittelung des Thäters beschäftigt. Von Anfang an nahm er einen Zusammenhang der beiden Verbrechen hinsichtlich der Thäterschaft an und hat deshalb seine Ermittelungen auf den Fall W. gleichmäßig ausgedehnt.

An der Hand der eigenthümlich geformten Kugel, welche W.'s Tod herbeigeführt hat und bei der Leichenöffnung gefunden ist, hat der Commissar nach wochenlangen Nachforschungen bet sämmtlichen Büchsenmachern in hiesiger Gegend die ersten Anhaltspunkte für die Thäterschaft des G. gewonnen und sogar die Büchsflinte aufgefunden, welche zur That benutt ist und zur Zeit der That im Besiß des G. gewesen, nachher aber sogleich in unauffälliger Weise verändert, und an einen Bekannten übertragen ist.

Im März d. J. hat sich G. heimlich nach Amerika begeben, auch wurde früher bereits ermittelt, daß er zur Zeit der That im Holze verweilt hat.

Bei dieser Feststellung hat das Amtsgericht F. einen Haftbefehl wegen Mordes gegen G. um so mehr erlassen, als beim Postamte N. ein Warnungsbrief beschlagnahmt und hierher übersandt ist, dessen Aufgabe anscheinend der eigene Vater veranlaßt hat.

Um etwaige weitere Warnungen zurückzuhalten, habe ich bereits die Beschlagnahme aller an den Beschuldigten gerichteten Briefe und Telegramme beim Postamte Emden — welches die nach Amerika gerichteten Sendungen durchLaufen angeordnet, immerhin aber es auch für unbedingt erforderlich gehalten, sogleich den Antrag auf vorläufige Festnahme des Thäters an den Herrn General-Consul zu richten, um demnächstige Auslieferung zu ermöglichen.

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Die Kosten derselben werden nicht gering sein; trozdem halte ich die Auslieferung im vorliegenden Falle für geboten.

Es handelt sich hier nicht blos um das schwere Verbrechen des Mordes, sondern auch um ein solches Verbrechen, welches großes Aufsehen und eine ungemeine Beunruhigung der Bevölkerung, wie namentlich der gräflichen Forstbeamten hervorgerufen hat. Die That wurde überdies verübt Vormittags gegen 111⁄4 Uhr in der Nähe der L.-Baude und der sonst belebten Verkehrsstraße; der That ist nicht lange darauf eine weitere hinterlistige Tödtung des Revierjägers K. bei R. gefolgt und es ist überdies ein Zettel an einem Baume gefunden worden, welcher das Verschwinden eines weiteren Beamten in Aussicht stellt.

Vei dieser Sachlage erscheint mir die Herbeiführung der Auslieferung zum Zwecke der Sühnung des schweren Verbrechens, ohne Rücksicht auf die entstehenden Kosten, im öffentlichen Interesse geboten.

Eine schriftliche Bestätigung des Telegramms habe ich zugleich an den Herrn Generalconsul zu New-York abgehen lassen.

Die zur Begründung des an sich zulässigen Auslieferungsantrages erforders lichen Dokumente und Verhandlungen werde ich nicht ermangeln, nebst den Acten unverzüglich folgen zu lassen, sobald der schon erlaffene Haftbefehl vorschriftsmäßig ausgestellt ist.

Krobitsch.

Der Erste Staatsanwalt.

9

3. Gleicher Bericht abschriftlich dem Herrn Ober-Staatsanwalt mit folgendem Bericht:

Bericht

des Ersten Staatsanwalts,

betr. wie oben:

Euer Hochwohlgeboren

verfehle ich nicht, Abschrift des an den Herrn Justiz-
minister soeben abgesandten Berichtes beifolgend zur
hochgeneigten Kenntnißnahme gehorsamst vorzulegen.

Der Erste Staatsanwalt.

4. Auch diesem Berichte ist Abschrift des Telegramms beizulegen. 5. Dasselbe ist nochmals abzuschreiben nnd mit folgendem Schreiben an den Herrn Generalconsul für Deutschland,

abzusenden:

New-York

In der Strafsache, betreffend die Ermordung des 2c. beehre ich mich Abschrift der heute abgelassenen Depesche beifolgend zur gefälligen Kenntnißnißnahme und mit folgendem Hinzufügen ergebenst zu übersenden. Der gräfliche Revierjäger W. ist am 5. November 1890 bei der L.-Baude (im R.-Gebirge) Vormittags gegen 11 Uhr durch einen Wilddieb hinterlistig angeschoffen und in der folgenden Nacht verstorben. Die nach dem Mörder unablässig fortgesetzten Ermittelungen blieben lange Zeit erfolglos; an der Hand der vorgefundenen, in ihrer Form eigenthümlichen Kugel ist es jezt geglückt, dem Thäter auf die Spur zu kommen. Hiernach ist der in der Anlage bezeichnete G. der Mörder.

Dem Herrn Justizminister habe ich solgleich besondere Anzeige erstattet und erfolgt der Antrag auf Auslieferung unverzüglich nach.

G. hat sich möglicherweise einen anderen Namen beigelegt, er wird indeß unter Zuhülfenahme der übrigen aus F. stammenden, in Gonzales wohnhaften und bereits bezeichneten Personen unschwer zu ermitteln sein.

6. Nach 3 Wochen. 2. Belgien.

Der Königliche Erste Staatsanwalt.

Auslieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Belgien vom 24. Dezember 1874 (RGBI. 1875 S. 73—87). Jn Art. I verpflichten sich die hohen vertragenden Theile, die Personen auszuliefern, welche wegen einer der nachstehend aufgezählten strafbaren, im Gebiete des ersuchenden Staates begangenen und daselbst strafbaren Handlungen, sei es als Thäter oder Theilnehmer, verurtheilt oder in Anklagezustand versezt oder zur gerichtlichen Untersuchung gezogen worden sind, nämlich:

1. wegen Todtschlags, Mordes, Giftmordes, Elternmordes, Kindesmordes; 2. wegen vorsäglicher Abtreibung der Leibesfrucht;

3. wegen Aussehung eines Kindes unter sieben Jahren oder vorsäglicher Verlassung eines solchen in hülfloser Lage;

4. wegen Raubes oder Verheimlichung eines Kindes unter sieben Jahren, wegen Entführung, Unterdrückung, Verwechselung und Unterschiebung eines Kindes;

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