Der Feldzug des Jahres 1809 in Süddeutschland. (Mit Karten und Plänen.) Nach österreichischen Originalquellen. (Fortsetzung.) Dritter Abschnitt. Vom Rückzug aus Bayern bis zur Schlacht bei Aspern. (Hiezu Tafel No. 31, Übersichtskarte der Gegend von Ingolstadt bis Pressburg, und No. 32, Specialkarte der Umgebungen von Linz und Ebelsberg.) Nachdem es einmal beschlossen und wohl auch kaum zu vermeiden war, den Flankenmarsch durch den um jene Zeit noch tief verschneiten Böhmerwald zu machen, wo Geschütz und jedes Armeefuhrwerk auf zahllose Hindernisse stiess und nur eine einzige Strasse benützt werden konnte, lag vor Allem die Nothwendigkeit auf der Hand, die treffliche Defensivstellung bei Cham zu erreichen, anderseits aber auch den Gegner zu hindern, die südlichen Defiléen des Böhmerwaldes von Straubing aus nicht vor den Österreichern zu gewinnen. Die höchste Marschbeschleunigung that somit Noth, und eben desshalb vermochte der Generalissimus die Wünsche seines tapfern Heeres für eine Schlacht unter den Mauern von Regensburg nicht zu berücksichtigen. Er musste vorzugsweise dahin streben, das Missliche seiner Lage auf ein Minimum zu beschränken und die Armee ohne weitern Verlust nach Österreich zurückzuführen. Dass ihm diese schwere Aufgabe gelang, dankte er ebensowohl seiner hohen Einsicht, als dem vortrefflichen Geiste und dem ehrenhaften Sinne der Truppen, welche ihre Achtung für die Fahnenehre selbst dort nicht verleugneten, wo das Ungemach jeder Art auf sie einstürmte. Die hohe Verehrung und kindliche Anhänglichkeit dieses Heeres an den gefeierten Führer ist überhaupt eine überraschende und wohlthätig auf das Soldatengemüth wirkende Erscheinung. Sie war am 24. April noch ganz dieselbe, wie am Tage, wo man jubelnd und voll Siegeszuversicht den Inn überschritten hatte; Officiere und Mannschaft belebte ein edler Stolz, und obgleich die Führung im Detail gar Manches zu wünschen übrig liess, so trat doch allenthalben jene staunenswerthe Zuversicht zu Tage, die durch das Verlangen nach Vergeltung wachgerufen wird und jederzeit zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Auf eine solche Armee kann man in allen Fällen zählen 1). 1) Man hat oft die Frage angeregt: Ob der Generalissimus nicht besser gethan hätte, nach dem Tage von Eggmühl auf die feindliche Hauptoperationslinie zu marschiren? Diese Ansicht wurde sogar durch einzelne erleuchtete Militärs vertreten, welche meinten: „man hätte die Monarchie ihren eigenen Kräften überlassen, den Gegner täuschen, und rasch bis an den Rhein vorgehen sollen. Dadurch hätte Deutschland einen An Österr. militär. Zeitschrift. 1863. XIV. (3. Bd.) 6 Das I. Armeecorps war von Hemau direct auf Burglengfeld dirigirt worden. Der betreffende Befehl erreichte den General der Cavallerie Grafen Bellegarde zu haltspunkt zum Aufstand gewonnen, und dazu sei nach der Schlacht am 22. der rechte Zeitpunkt gewesen. Hiller habe mit seinen drei Corps den Rücken des Generalissimus decken können und sei ohnehin nicht stark genug gewesen Napoleon in der Fronte aufzuhalten.“ Uns scheint eine solche Ansicht höchst gewagt, und wir möchten fragen: „Durfte und konnte der Generalissimus so etwas unternehmen?! War er darin ganz unabhängig? Blieb es nicht seine heiligste Pflicht, das Vaterland zu schützen und mit Hiller sobald als möglich sich wieder zu vereinigen, nicht aber getrennte Operationen herbeizuführen? Konnte und durfte man endlich mit 78.000 Mann, ohne Basis und ohne gesicherte Verpflegung, einen solchen Hunnenzug wagen? So etwas konnte nur die blind in den Tag hinein docirende Kriegspartei vorschlagen und verfechten, die beständig von Beistand träumte, wo durchaus keiner war, die auf gar keine vernünftigen Vorstellungen achtete, die nicht einsehen wollte, dass die Grundbedingung jedweder Operation die baldigste Vereinigung der getrennten Kräfte sei. Die Geschichte wird dem Generalissimus die Anerkennung nicht versagen dürfen, dass er mit kluger Beseitigung alles Abenteuerlichen, seine Schiffe nicht hinter sich verbrannte, sondern dem hochsinnigen Grundsatz treu blieb „mit Ehren unterzugehen“. Manche Kritiker haben die gewagte Meinung aufgestellt: „Man hätte selbst von Cham wieder vorgehen, den Marschall Davoust zurückwerfen, die Donau überschreiten und wenigstens dem gegen Wien marschirenden Feind in den Rücken fallen sollen". Auch dies bedingte nicht nur ein Preisgeben der eigenen Verbindung, sondern sogar eine neue Schlacht, für welche man ohne die anrückenden Verstärkungen nicht stark genug war. Und diese Schlacht, wobei die Monarchie auf dem Spiele stand, konnte selbst mit dem günstigsten Ausgang keinen strategischen Gewinn bringen; im entgegengesetzten Falle war die Armee verloren, Böhmen dem Feind überliefert, die Vereinigung mit Hiller aber keineswegs erzielt. Napoleon, im Besitz von Passau und Straubing, konnte eine solche Schlacht entweder zwischen Isar und Inn, oder zwischen Inn und Traun annehmen, u. z. während ein Theil seiner Kräfte dem FML. Hiller nachging, also sich Wien näherte. Ein Anderes war es, wenn auch die Armee von Innerösterreich für diesen Zweck hätte beigezogen werden können was zu jener Zeit keineswegs anging. Da der strategische Gesammtzweck ausschliessend in der Vereinigung aller Kräfte und der Sicherung von Wien bestand, so musste man sich dorthin wenden, und wenn es nicht anging bei Linz, Mauthhausen oder Mautern wieder das rechte Donauufer zu gewinnen, so musste solches in letzter Instanz bei Wien geschehen. Der Feldherr darf niemals Alles auf eine Karte setzen, sonst heisst er ein verzweifelter Spieler, und ein solcher war der Generalissimus zu keiner Zeit. Napoleon hatte allerdings die kürzere Linie nach Wien, aber man war zu der Erwartung berechtigt, dass sich diese Stadt einige Tage halten würde, bis der Generalissimus zur Stelle sei; um mehr als etliche Tage handelte es sich ja nicht. Zudem hatte ja Hiller damals noch 40.000 Mann und konnte sich durch Landwehren verstärken. Aber das misslungene Unternehmen, noch vor dem Gegner bei Wien anzukommen, hat dem Generalissimus den Tadel aller Jener zugezogen, welche weder die geographische Beschaffenheit des Kriegsschauplatzes, noch viel weniger die eigenthümlichen Verhältnisse, in denen sich der Feldherr befand, zu würdigen geneigt sind, welche endlich die ganze und so überaus günstige Lage des französischen Heeres völlig übersahen, die, mit einem Wort, dem talentvollen Pelet nachbeten und in abgöttischer Verehrung für den Unterdrücker jedes Rechtes, jeder Freiheit sich überboten. Selbst die vermeinte Leichtigkeit eines Rückzuges von Regensburg am rechten Donauufer über Straubing und Passau hatte grosse Schwierigkeiten und Gefahren. Einmal liessen sich 78.000 Mann im Donauthal in solcher Weise nicht bewegen, und zum Andern hätte das I. Armeecorps einen vereinzelten Rückzug durch Südböhmen machen müssen. Endlich dachte ja der französische Kaiser darauf vor, indem er gewissermassen vom Etterzhausen an der Naab während seines Marsches auf Regensburg. Er ging daher noch am 23. bis Burglengfeld, während der Kanonendonner von Stadtamhof vernehmlich an sein Ohr schlug. Das III. Armee- und I. Reserve corps waren am 23. bis Nittenau, das IV. nur bis Kirn marschirt; blos die Division Saint Julien vom III. Armeecorps eilte voraus, um die Position bei Cham vorläufig zu besetzen. Da das II. Armeecorps von Regensburg noch nicht zum Heere gestossen war, so musste das IV. für den nächsten Tag bis Nittenau die Nachhut übernehmen. Der FZM. Kollowrat hatte um 10 Uhr Abends (am 23.) seinen Marsch in bester Ordnung von Stadtamhof über Regenstauf nach Nittenau angetreten. GM. Graf Crenneville rückte sogar erst vor Tag am 24. mit der Nachhut von dort ab. Der Feind war noch während der Nacht über die Donau gegangen. Um 5 Uhr Früh am 24. setzte der Generalissimus den Marsch mit dem III. Armeeund I. Reservecorps bis Cham fort. Das erstere übernahm sogleich die Bewachung des Regen. Das IV. Armeecorps erreichte, ohne im mindesten belästigt zu werden, Bruck, das I. Schwandorf und Schwarzenfeld. Das mittlerweile nachgerückte II. Corps traf gegen Mittag zu Nittenau, der GM. Graf Crenneville in Kirn ein. Am 25. wurde die Armee bei Cham vereinigt; das Hauptquartier kam nach Schloss Katzenberg. In der Position hinter dem Regen stand der rechte Flügel (I. Armeecorps) bei Kloster Schönthal an der Schwarzach, um die Strasse über Rötz und Waldmünchen zu sichern, die Nachhut bei Bruck, von wo GM. Crenne ville nach Cham gezogen worden war. Das III. Armeecorps lagerte an der Strasse nach Rötz, das II. im Centrum und hinter ihm das I. Reservecorps, das IV. weiter links an der Strasse nach Furt. Dadurch blieben die Verbindungen mit Klattau und Pilsen gedeckt. FML. Graf Klenau hatte den Weg von Kirn bis Nittenau fast in beständigem Gefecht zurückgelegt. Als GM. Crenneville mit der letzten Abtheilung über dem Regen war, brannte man die Brücke bei Nittenau ab und trat um 4 Uhr Nachmittags am 25. den Marsch auf Cham an, nur leicht verfolgt durch etwa 3000 Mann der Division Gudin. Marschall Davoust selbst stand mit einer Division zu Regenstauf, eine andere bei Zeitlarn, so dass sein ganzes Corps sich zwischen Regensburg und Nittenau echellonirt hatte. Der Generalissimus, obschon in dem Glauben, dass ihm die ganze französische Armee folge, hatte nichtsdestoweniger in den drei Tagen vom 23. bis 25. nur die 17 Wegstunden von Regensburg bis Cham zurückgelegt, also sehr kleine Märsche gemacht. Jene 54.000 Mann, die er von Regensburg direct dorthin führte, waren wohl durch Schlachten, Märsche und spärliche Verpflegung angegriffen, bewahrten aber trotz allen Ungemachs und Wirrsals jederzeit den besten Geist, und Alles war frohen Muthes, sobald es sich um Kampf und Gefahr handelte. Das I. Armee corps, noch bei 25.000 Mann, welche bis dahin noch gar nicht gelitten, stach, was die äussere Erscheinung betrifft, von den übrigen freilich auffallend ab. Die zuversicht Schlachtfeld bei Eggmühl hinweg das Corps unter Massena auf Straubing sandte. Von Stadtamhof blieb somit der einzig sichere Weg nur die Strasse über Klattau und Budweis, von wo man sich nach Belieben auf Linz, Mauthhausen oder Mautern wenden konnte. Dies als Abfertigung für verkehrte Vorschläge. liche Stimmung jedoch war bei allen gleich, das unbedingte Vertrauen auf den erlauchten Führer ganz dasselbe. Man sehnte sich, in der starken Stellung bei Cham angegriffen zu werden, und noch weit lieber würde man es gesehen haben, wenn man offensiv gehandelt hätte. Die auf sanften Höhen hinter dem Regen fortlaufende Position war ziemlich stark; ihre Fronte deckte der in sumpfigem Wiesenthale ziehende Fluss, beide Flügel lehnten sich an steile Abfälle. Das Geschützfeuer aus der Stellung musste beherrschend wirken. In der linken Flanke war Schloss Reuting mit 2 Bataillons Deutschmeister besetzt; die rechte Flanke an der Strasse nach Pilsen durch das I. Armeecorps bei Schönthal vollkommen gesichert, und durch dieses Corps auch eine Reserve für die eigentliche Position erzielt. Mit nahezu 80.000 Streitern hätte man sich hier unbedenklich gegen Napoleon wehren können. Dieser hatte jedoch etwas dergleichen gar nicht im Sinne. Nur Davoust sollte mit drei Infanterie divisionen und einiger leichter Reiterei mehr beobachtend als wirklich drängend gegen den Regen folgen und weit mehr darauf bedacht bleiben, Nachzügler und Fuhrwerke aufzugreifen als etwas Ernstliches zu unternehmen. Seit 23. Abends in der Karthause zu Prüll, von wo noch alle betreffenden Befehle erflossen, hatte der französische Kaiser, in gewohnter Art, alle Vor- und Nachtheile abgewogen, und mit der ihn auszeichnenden prägnanten Verstandesschärfe und seinem sicheren Blick das fernere Handeln bestimmt. Ihm war nicht unbekannt, dass die Ausläufer des Böhmerwaldes gegen Westen bis nahe an den Regen streichen und bei ihrer rauhen Beschaffenheit der Kriegführung unzählige Hindernisse bieten. Die Linie von Regensburg über Pilsen und Budweis auf Wien beschrieb einen Bogen, und man hätte durch ein dünnbevölkertes Land ziehen müssen, in welchem die vorausgehende österreichische Armee nicht nur Alles vollends aufzehrte, sondern auch, bei den ohnehin so schlechten Communicationen, die grössten Marschhindernisse schaffen konnte. Wenn Napoleon dem Generalissimus nachging, so gab er die Donau nebst der bayerischen Ebene, als der wahren Operationslinie auf, überlieferte selbe vielleicht sogar dem FML. Hiller und hinderte keineswegs die Vereinigung der getrennten österreichischen Flügel, etwa bei Passau oder Linz. Es musste aber sein erstes strategisches Object bleiben, den Gegner von der Operationslinie im eigentlichen Donauthal zu verdrängen oder fern zu halten; denn dort hatte man nicht nur die kürzere Linie nach Wien, sondern auch ein gesegnetes Land, wo die Heerverpflegung ungemein erleichtert wurde. Er durfte es nicht darauf ankommen lassen, dass der Generalissimus, indem er die Reichsstrasse wieder gewann und in, der Fronte ihm entgegen trat, die Siegesfrüchte von Eggmühl in Frage stellte. Bei einer Operation auf das linke Donauufer und gegen das Böhmerwaldgebirge, wo alle Aufstellungen zu Gunsten der Österreicher waren, hätte man den Generalissimus gewissermassen von selbst wieder an die Donau gedrängt und ihm die einzige Linie überlassen, auf welcher er Wien und die Monarchie zu retten im Stande war. Das strategische Moment blieb also für den französischen Kaiser, unter allen Umständen, der rasche Marsch mit sämmtlichen Heerkräften auf Wien. Ein unvermuthetes Erscheinen vor der Kaiserstadt, welche ohnehin keine eigentliche Festung war, und wo, wie er wusste, die Vertheidigungsanstalten nur erst begonnen hatten, konnte nur unberechenbare Folgen nach sich ziehen. Mit dem Besitze von Wien |