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Temperament zu dem bewegten Kriegsleben hingezogen und mit ihren Leidensgefährten bald kameradschaftlich oder noch inniger verbunden fühlten; so kann dies doch die einfache und allen Erzählungen zu Grunde liegende Wahrheit nicht im Geringsten schmälern, und es kann nur in einem verschrobenen Kopfe, der kein Verständniss für die Individualisirung des Kriegslebens besitzt, noch der Zweifel darüber auftauchen, ob das Institut der Marketenderinnen wirklich ein gutes genannt werden könne oder nicht.

Diesen Leuten ist es ein Horreur, wenn sich um die lustig schäckernde Marketenderin am Marsche ein Knäuel von Soldaten bildet und die Colonne in ihrer geometrischen Regelmässigkeit gestört wird.

Doch solche Kumpane sterben wohl aus, und wenn sie nicht aussterben, so mögen sie immer leben bleiben!

nun

Sie kümmern uns auch bei unserem Thema gar nicht, sondern es ist uns weit wichtiger zu wissen, warum eine Marketenderin so nützliche Dienste leisten könne, wenn auch die Verpflegsmagazine ihre Schuldigkeit thun und das Kriegstheater selbst Ressourcen gewährt.

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Der eine Grund Theilung der Arbeit macht es wohl begreiflich, dass Jemand, der sich die Marketenderei zur Lebensbeschäftigung gemacht hat, Mittel und Wege findet, die Soldaten mit den verschiedenen Bedürfnissen zu versehen, wenn dieselben überhaupt zu haben sind; wie dies aber angehe, wenn das Land, ringsum ausgesogen, fast nicht das Geringste mehr zu bieten scheint, wird uns durch die Theilung der Arbeit nicht allein begreiflich.

Eine zweite Ursache kommt hinzu, und die ist, dass die Marketenderin ein Weib ist, denn Marketender sind mehr Raritäten, entbehren jeder Kriegsthümlichkeit und kommen nur bei grösseren Unternehmungen zur Sprache.

Dadurch, dass die Marketenderin ein Weib ist, steht sie schon unter dem Schutze des Soldaten, so dass es sich auch der Roheste nicht erlauben würde, derselben eine Unbilde zuzufügen; weiters kommt ihr das Capital zu Statten, welches Mutter Natur dem ganzen weiblichen Geschlechte verlieh und vermittelst dessen sie selbst aus starren nackten Felsen einen Quell hervorzuzaubern vermögen.

Doch ich muss mich genauer ausdrücken, um Missverständnisse zu vermeiden; - die Schlauheit ist es, die ich meine, jene einschmeichelnde Schlauheit, die, vom natürlichen Scharf- und Späherblick des Weibes begleitet, sie selten eine Fehlbitte machen lässt.

Ist überhaupt noch auf Weit und Breit etwas zu bekommen, so findet es die Marketenderin und bringt es im Triumphe den Soldaten, ohne für die gehabte Schwierigkeit eine andere Anerkennung als die ihrer Geschicklichkeit und Pfiffigkeit zu beanspruchen; sie begnügt sich mit wenig Gewinn, da ihr die Aufregung des Lebens und ihre Beschäftigung Befriedigung gewährt.

Bewundernswerth ist auch die Schnelligkeit, mit welcher sich die Marketenderinnen organisiren; es scheint beinahe, als wäre beständig ein Corps derselben geheim in Bereitschaft, um auf das erste Zeichen zu den Truppen stossen zu können, mit denen sie fast ausschliesslich auf Grundlage eines nicht verbrieften „contrat social" in bester Harmonie leben, ohne dass ein Richter nöthig wäre.

Man braucht sich nicht viel um sie zu kümmern; wenn man sie nur nicht stört und ihnen erlaubt, einen kleinen freien Platz auf den vorhandenen Wägen entweder

mit ihren Habseligkeiten oder zeitweise auch mit ihrer eigenen Person in Beschlag zu nehmen, so sind sie schon zufrieden.

Nur in einem Lande, wo der militärische Geist alle Schichten der Bevölkerung durchdringt, kann es angezeigt und zweckmässig sein, die Marketenderinnen militärisch zu organisiren; bei uns aber würde ein derartiger Versuch vollkommen Fiasco machen und zur Unzufriedenheit der Soldaten Anlass geben.

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Man überlasse es demnach vollkommen der Truppe, sich ihre Marketenderinnen wo und wie immer sowohl zu wählen als auch zu entlassen, und kümmere sich weiter nicht viel darum, als dass man eben die Augen offen hält; will man ein Übriges thun, so gestehe man den Marketenderinnen principiell den Anspruch auf Quartier am Marsche und Unterkunft bei der lagernden Truppe zu, damit es nicht Zeloten einfallen könne, dieselben ohne besondere Veranlassung zu vertreiben, oder Puritaner von Bauern der Marketenderin als „herumziehender Weibsperson" die Aufnahme in's Haus verweigern - was schliesslich gewöhnlich damit endet, dass der Ritter der Dame die Gallische Schädellehre am Bauer studirt und ihn um manche phrenologische Beule willkürlich bereichert.

Bildet die Marketenderin die Poesie des Marketenderthums schon durch die vollkommen zwangs- und scheinbar regellose Weise, nach der sie selbst gebahrt und auch wieder behandelt wird; so ist der Marketender die Prosa in leibhafter Gestalt, denn hier muss sich das Gesetz in's Mittel legen, müssen die Vorgesetzten schützend oder strafend einschreiten.

Der Natur der Sache nach ist es nur die viel verbreitete aber kleine Wirthschaft, mit der sich die Marketenderin befassen kann; erfordert aber das Geschäft schon Ross und Wagen und beansprucht es entferntere Bezugsquellen und grössere Capitalien, so muss der Marketender kommen, der die Truppen in ihren Lagern und Bivouacs heimsucht und ihnen da für schweres Geld seine ziemlich schlechte, aber doch seltene Waare verkauft.

Ist Alles ausverkauft, was meist nur eine Zeit von einigen Stunden dauert, so bespannt er wieder seinen Wagen und fährt nach der nächsten Ortschaft, wo es ihm möglich ist die geforderten Artikel wieder beizuschaffen; an seine Stelle kommt nun ein anderer Marketender, oder auch keiner, so dass manchen Tag Alles in Hülle und Fülle vorhanden ist, während am nächsten Tage manchmal selbst nicht das schärfste Auge die ölzweigbringende Taube in der Gestalt eines Marketenders am Horizonte entdecken kann.

„Heute Überfluss und morgen Mangel" scheint Etwas zu sein, womit sich die Soldatenphilosophie als mit etwas Natürlichem abfindet.

Wäre es aber nicht besser, den Mangel auf möglichst seltene Fälle zu beschränken, um dort, wo es Noth thut, gleichmässig die Dienstleistung eines Marketenders benützen zu können, der gute Waare preiswürdig verkauft?

Doch hierüber später, wenn wir das bisher übliche Marketenderwesen etwas näher beleuchtet haben werden.

Die Fälle werden wohl nur höchst vereinzelt da stehen wenn sie überhaupt stattfinden dass ein wohlhabenderer Bürger sich mit der Marketenderei beschäftigt. Haus und Hof, Weib und Kinder hinter sich lassen und unter den oft sehr wunderlichen Kriegsleuten herumziehen, ist im Allgemeinen für einen ehrsamen

Bürgersmann, der das Todtschlagen und Prügeln für sein Leben nicht leiden kann, sehr wenig einladend; er bleibt lieber zu Hause hinter dem Ofen und erzählt der versammelten Familie von den Gräuelthaten, die im letzten Kriege vorgefallen und wie da so Mancher, der sich auf die Strasse hinauswagte, nie mehr nach Hause wieder kehrte.

Dagegen gibt es überall ein leichtes Völkchen voll Unternehmungsgeist, welches wenig oder nichts zu verlieren hat und für das die Gefahr wenig Abschreckendes besitzt, wenn nur dabei viel verdient werden kann.

Ein Mensch dieses Schlages verwerthet sein Hab und Gut oder borgt sich das nöthige Geld zu enormen Zinsen und kauft sich hiefür Ross und Wagen; hat er erst dies, so genügen wenige Gulden, um sich den zum Beginn seines Geschäftes nöthigen Wein, Branntwein, Käse und Speck etc. anzuschaffen, und nun kann er in die Welt hinausziehen mit der Hoffnung, dass, wenn er halbwegs Glück habe, in kurzer Zeit Ross und Wagen ausgezahlt und noch ein weiteres Sümmchen Geldes erspart sein werde.

Erwägt man dies, so zeigt es sich, dass ein Marketender im Felde wenigstens 200 Percent und auch darüber an seinen Artikeln verdienen müsse, wenn es für ihn der Mühe werth sein soll ein Geschäft zu treiben, welches nur kurze Zeit währt und mit einem bedeutenden Risico verbunden ist.

Bei diesem Risico kommt auch sehr der Factor zur Sprache, dass der Marketender unter keinen besonderen Schutz gestellt, sondern fast ausschliesslich der Discretion der Soldaten anheim gegeben ist, die manchmal besondern Credit verlangen etc., wesshalb er selbst in den regelmässigsten Fällen auf einen bestimmten Verlust zählen muss, den er natürlich als kluger Verkäufer auf die redlichen Zahler repartirt.

Da ist es denn auch kein Wunder, dass man beim Marketender Alles sehr theuer zahlen muss, und man kann sich dagegen nicht helfen, weil er nahezu unbeschränkter Monopolist ist, den man zu billigeren Preisen nicht zwingen kann; da er erstens nicht überwacht werden könnte, und zweitens es ihm freisteht wegzugehen, in welchem Falle man gar Nichts hätte.

Viel ärger ist es aber, dass man sich der guten Qualität der Artikel gar nicht versichern kann, denn man ist erstens ohnehin nicht aufgelegt Anstände zu machen, und dann hälfe es auch nicht viel, denn bei der Unregelmässigkeit in der Ankunft der Marketender und der Hast, mit welcher gewöhnlich die Mannschaft über das Mitgebrachte berfällt, ist meist Alles verkauft und sogar meist schon verzehrt, ehe der Arzt und der Inspectionsofficier zur Besichtigung herbeikommen.

Nicht unberücksichtigt kann es ferner bleiben, dass bei der Nachsicht, mit welcher die Marketender polizeilich überwacht werden, das Einschleichen von Spionen sehr befördert wird.

Zu allem dem ist das Institut der Marketender nur in so lange ein wirklich die Feldverpflegung unterstützendes, als die Truppen nicht sehr gedrängt aufgestellt sind, und die nächste Umgebung auf einige Stunden Entfernung hinreichende Ressourcen bietet, da der Marketender als kleiner Krämer nicht im Stande ist, entferntere Bezugsquellen oder gar die Ressourcen der Hinterländer direct zu benützen.

Gerade da also, wo der Marketender am nützlichsten wäre, lässt er uns im Stich, und fragen wir um die letzte Ursache dieser Erscheinung, so ist es Mangel an dem nöthigen Betriebscapital und der nöthigen Organisation.

Aufrichtig gesagt, wollte mir das letzte Wort gar nicht recht über die Lippen; ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich ein ganz unbeliebtes Thema mit diesem einzigen Worte angeschlagen habe, und dass von diesem Momente an mir das Misstrauen auf dem Fusse folge.

Meine Hoffnung ist nur noch darauf gesetzt, dass es meine Leser einsehen werden, wie wenig identisch das Wort „Organisation" bei mir mit „spanischen Stiefeln sei, und wie sehr ich es mir zur Pflicht mache, dem Worte seine ursprüngliche Bedeutung zu wahren, die an einen lebendigen und an keinen todten Organismus mahnt.

Nur wer die Augen nicht offen hat, kann es in Abrede stellen, dass sich der Zeitgeist in seinen Hauptumrissen in allen Verhältnissen getreulich reflectire; mögen dieselben politischer, socialer, industrieller, mercantilischer oder militärischer Natur sein -üherall macht sich dermalen die Tendenz nach Massenbildungen geltend.

Kleine Staaten werden von den grossen absorbirt, in den verschiedenen Schichten der Gesellschaft machen sich zur Geltendmachung der Standesinteressen corporative Tendenzen geltend, der kleine Gewerbtreibende wird von dem Grossen verdrängt, die grossen Handelsgesellschaften beschränken schon bedeutend die Thätigkeit des Einzelnen, und im Kriege schliesslich ist das Massenwesen in aller und jeder Beziehung in einer früher kaum geahnten Weise bereits zur Geltung gekommen.

Je grösser aber die Massen sind, die sich an einem bestimmten Zwecke betheiligen, desto nöthiger wird eine gehörige Organisation; das Geheimniss, eine solche Organisation aber lebensfähig zu machen, liegt darin, dass mit derselben dem Individualismus möglichst Rechnung getragen werde, dass nicht desswegen Alles gleich übertüncht wird, weil es so am leichtesten geht und am einfachsten aussieht.

Eine solche Einfachheit aber ist der Natur blos abgeschwindelt und selbst ganz widernatürlich; die Natur ist wohl einfach in ihren Mitteln und einfach in ihren Zwecken; in der Verwendungsweise ihrer Mittel jedoch ist sie ein solches Wunderwerk von Tausend sich mannigfach durchkreuzenden Kräften, dass wir im Begreifen derselben kaum noch am Anfangspunkte stehen.

Das aber, was bei der Natur das Besondere und für uns das Wichtigste ist, besteht darin, dass sich bei jedem natürlichen Ganzen die aufbauenden Kräfte von selbst in die ausgleichenden verwandeln, vermittelst deren jeder schädliche Einfluss ausgeglichen und abgewendet wird, so dass die aufbauenden Kräfte auch die erhaltenden werden.

Nur wenn eine Organisation das zu erhalten vermag, was sie geschaffen, ist sie eine natürliche; aus diesem Grunde aber muss sie bereits in sich die ausgleichenden Elemente bergen, da sie sonst bein ersten Stoss in Trümmer gehen

müsste.

Eine solche Organisation kann sich aber der Natur der Sache nach nur auf grosse Grundzüge beschränken, welche das Wesen und die Tendenz der Organi

sation in jener Weise kennzeichnen, dass sich jeder verständige Mensch - auch ohne bibelfest zu sein in den verschiedenen Fällen richtig orientiren und so handeln könne, wie es für den gewünschten Zweck den jeweiligen Verhältnissen am

besten entspricht.

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Dies schliesst aber die nothwendige Bedingung ein, dass man das Selfgovernment in limitirten Grenzen nicht nur gestatte, sondern sogar aufmuntere.

- es ist

Ein Muskel, der nicht geübt wird, bleibt schwach und ungeschickt; daher wohl nicht zu verwundern und kein giltiger Einwurf gegen meine Behauptung, wenn das Selfgovernment manchmal nicht die erwünschten Folgen hatte.

Diese kleine Excursion, welche ich hier von meinem Thema gemacht habe, mögen mir meine Leser freundlichst zu Gute halten; ich musste es thun, um damit zu zeigen, dass wenn ich gewisse Massregeln nur en bloc behandle, ich dieselben auch nur so durchgeführt haben möchte.

Die Detailarbeit muss wohl jeder durchführen, der eine Sache in's Leben rufen will aber nur für sich oder in camera caritatis den Massregeln selbst darf man diese Detailarbeit nicht einmal ansehen man muss aber in praxi es fühlen,

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dass sie gemacht und Alles gründlich durchdacht wurde.

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Mit diesem Grundsatze, so wie mit dem, dass von zwei Übeln stets das kleinere vorgezogen zu werden verdiene", könnte man nach meiner Ansicht viel Mühe, Ärger und Unannehmlichkeiten, viel Geld und Papier ersparen.

Doch nun zur Sache:

In gleicher Weise, wie fast in allen Gewerben der kleine Gewerbsmann von dem grösseren verdrängt wird, so möchte ich auch bezüglich der Marketenderei dieselbe an einen einzigen Unternehmer überlassen, dabei jedoch die eigentlichen Marketenderinnen in der bereits besprochenen Weise bei den Truppen belassen. Meine Gründe für diesen Vorschlag sind einfach folgende:

Das Einkommen des Marketenders theilt sich

a) in die Rente des Anlagscapitals, welche sehr hoch ist, weil diese Rente das Anlagscapital in einigen Monaten auch amortisiren muss;

b) in den Unternehmergewinn als Entgelt des Risicos und der Gefahren;

c) in den eigentlichen Arbeitsgewinn.

Den eigentlichen specifischen Gewinnst bildet jedoch blos b, weil c dem Hilfspersonale beim Unternehmen zufallen würde, oder weil sich der Marketender diese Quote auch auf eine andere Weise verdienen könnte.

Denken wir uns nun, dass von 500 Marketendern jeder nur 200 fl. gewinnen will, so ist dies für den Einzelnen höchst wenig, macht aber in Summa 100.000 f. Ein solcher Gewinn ist aber selbst für einen grossen Capitalisten bedeutend genug, und es würde sich derselbe sicher auch mit der Hälfte begnügen, wenn das Risico vermindert würde; anderseits könnte aber auch die Quote a herabgemindert werden, wenn man es dahin bringen könnte, dass das Anlagscapital nicht auch amortisirt werden müsste.

Ist man daher im Stande, den beiden letztgenannten Bedingungen zu genügen, so ist der Unternehmer in der Lage, seine Waare billiger zu verkaufen, und weil er ein grosser Geschäftsmann mit weitverzweigten Connexionen und Credit ist, kann er

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