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Linz und Enns.

(Aus den hinterlassenen Papieren weiland Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Karl von

Österreich.)

Die Meinungen waren getheilt über die Frage, welcher von den beiden Punkten Enns oder Linz grössere Vortheile zur Vertheidigung des Donauthales darbiete, folglich befestigt werden sollte. Eine Mehrzahl sprach sich für ersteren aus, und zwei ausgezeichnete Ingenieur-Generale entwarfen Pläne zum Bau einer Festung bei Enns. Doch anstatt ihren Stolz darein zu legen, den Zweck auf die möglichst einfache Art zu erreichen, ging ihrAntrag dahin, einen ausserordentlich grossen Raum mit zahlreichen Werken zu umfassen. Die Ausführung dieser Entwürfe hätte grosse Summen gekostet. Dadurch sah sich die Staatsverwaltung veranlasst, die Sache gänzlich aufzugeben, als ob es nicht möglich wäre, Enns auf eine von der vorgeschlagenen verschiedene Art in Vertheidigungsstand zu setzen - oder sie nicht vermöchte, dem Geniecorps einen einfachern Plan abzufordern, ja sogar im schlimmsten Falle dessen Grundzüge vorzuzeichnen.

Endlich erschien ein Entwurf, welcher auch ausgeführt wurde, Linz durch einen Kreis einzelner Thürme zu befestigen, denen man die nämliche Haltbarkeit zuschrieb, wie zusammenhängenden Werken einer Festung.

Späterhin erhielten die Bauten bei Linz den bescheidenen Namen eines verschanzten Lagers. Freilich war zu ihrer Anlage eine geringere Summe erfordert, als zu dem Bau selbst einer kleinen Festung; allein es ist in jeder Verwaltung, und besonders in jener des Staates immer ein Irrthum, wenn man den Werth einer Auslage nach der Nominalsumme und nicht nach ihrem Resultate berechnet.

Der österreichische Kaiserstaat ist im Westen auf der in sein Innerstes führenden Operationslinie an der Donau von jedem Bollwerk entblösst, und ein verschanztes Lager gewährt seiner Natur nach zu wenig Sicherheit und kann sich nicht lange genug halten, um für ein solches zu gelten.

Bei dem Lager von Linz wird ein ausgedehnter Raum durch eine Linie einzelner Thürme in einer Länge von 21/2 Meilen umfasst. Diese Linie kann nur auf zweierlei Art behauptet werden, und zwar entweder durch die Besetzung mit Truppen der Räume zwischen den Thürmen, oder durch Aufstellung einer Reserve in dem Centralpunkte, um sich von dort aus dem feindlichen Angriff entgegen zu werfen. Allein der Raum zwischen den Thürmen ist so bedeutend, das 96 bis 100.000 Mann kaum hinreichen, ihn zu besetzen.

Welcher Feldherr, der mit solch' einer Macht verfügen kann, wird auf die Thätigkeit verzichten, um sich in ein verschanztes Lager einzuschliessen, und auf dessen Vertheidigung beschränken. Steht ihm aber weniger zu Gebote oder haben die Truppen durch eine Niederlage an Gehalt verloren, so vermag er jene Aufgabe nicht zu lösen.

Österr. militär. Zeitschrift. 1863. XIII. (3. Bd.)

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Was die Verwendung einer Reserve betrifft, so tritt der Umstand-ein, dass der Durchmesser des Rayons eine Meile beträgt. Der Feind wird seinem wahren Angriff mehrere falsche auf ganz entgegengesetzten Punkten vorangehen lassen, oder ihn mit selben begleiten, und die Reserve zur Vereitlung des wahren immer zu spät kommen, sie mag nun, von dem Gegner irregeführt, eine unzweckmässige Bewegung unternommen haben, und selbe wieder abändern müssen oder erst erwarten wollen, dass sich seine Absicht vollständig aufkläre, denn die Haltbarkeit der einzelnen Thürme ist von geringer Dauer.

Die Verhältnisse des Augenblickes werden jedesmal entscheiden, wohin der eigentliche Angriff gerichtet werden soll. Nach dem Plane zu urtheilen, ist der Thurm 5, Elisabeth, der schwächste Punkt des Lagers. Weil ihn der westlich stehende No. 6 wegen zu grosser Entfernung und seiner Stellung auf einer rückwärtigen Höhe nicht flankirt, so kann der Angriff von jener Seite auf den Thurm 5 allein beschränkt werden, wo überdies ein Thal nach dem Innern des Lagers vorbeizieht, in welchem man sich gedeckt nähern kann. Diesem Angriff sollten zugleich zwei scheinbare an den entferntesten und entgegengesetzten Punkten an der obern, dann an der untern Donau vorausgehen und begleiten. Da sich an der obern Donau blos eine einfache durch nichts bestrichene Mauer befindet, so wäre es bei begünstigenden Umständen möglich, den dortigen falschen Angriff in einen wahren zu verwandeln.

Der einzige Vorzug der Thürme besteht darin, dass die auf ihrer Oberfläche aufgestellten 12- und 18pfündigen Kanonen, in Folge der Construction der Laffeten ihr Feuer concentrisch auf den nämlichen Punkt richten können. Allein kein Thurm vermag weder den eigenen Fuss noch seine nächsten Umgebungen zu bestreichen. Die auf dem obern Raume befindlichen Kanonen so wie die Mannschaft sind von jeder Deckung entblösst, und auf einen sehr engen Raum zusammengepresst.

Die Bedienung des Geschützes beruht auf einer genau berechneten und complicirten Combination, welche ganz ohne Wirkung ist, wenn auch nur ein Glied von selber beschädigt wird. Um dies zu bewerkstelligen, fahre man mit 30 oder 36 Feuerschlünden, bestehend aus 6- oder 12-Pfündern und Haubitzen in der Nacht auf den Bereich des Kartätschenschusses vor dem Thurme auf, und beschiesse dessen Oberfläche sobald man sie entdeckt, mit dem heftigsten Kartätschenfeuer und Granatenwürfen. In weniger als einer Stunde wird der eingeengte Raum mit Trümmern von Laffeten, dann Todten und Verwundeten in der Art erfüllt sein, um jede fernere Bedienung des Geschützes, so wie ein Verweilen der Mannschaft auf selbem unmöglich zu machen. Ist auf solche Art der Thurm zum Schweigen gebracht, so ziehen die in Bereitschaft stehenden Colonnen ohne Anstand hei selbem vorbei zum Angriff der rückwärts befindlichen Truppen, oder bei deren Ermanglung zu einer Besetzung von Linz mit den Brücken über die Donau. Von Ausfällen hat man wegen der zu schwachen Besatzung der Thürme dabei nichts zu fürchten, selbst wenn sie sich aus mehreren Thürmen vereinigen sollte.

Beschliesst man den Angriff auf einem Punkte, wo zwei sich wechselseitig flankirende Thürme stehen, so müsste er in der nämlichen Art auf jeden von ihnen und zwar zugleich unternommen werden. Da nur Feldgeschütz erforderlich ist, so kann die nöthige Zahl davon dem Angreifenden nicht fehlen. Vielleicht dürfte der Vertheidiger besonders im Anfang durch seine concentrischen Schüsse einige Geschütze

des Angreifenden demontiren, doch wird ihn das fortgesetzte Feuer der übrigen bald zum Schweigen nöthigen.

So dürfte in kurzer Zeit die ganze Vertheidigungsfähigkeit des Linzer Lagers verloren gehen, ein Fall, welcher bei Festungen nie eintreten kann. Doch sollte erstere auch bedeutend sein, so erscheint es doch immer als ein Irrthum, dass man eine Vertheidigung der Zugänge von Linz der in jeder Hinsicht viel stärkern Linie der Enns vorgezogen hat.

Beide haben eine gleiche Ausdehnung; von Stadt Steyer bis Mauthhausen sind 212 Meilen; das verschanzte Lager bei Linz bildet einen gleich grossen Umkreis. Diesem ist beinahe auf allen Seiten gleich zuzukommen, vor der Linie an der Enns liegt der Fluss, dessen linkes Ufer in einer bedeutenden Strecke zu steil ist, um sich selber nahen zu können.

In dem Rücken des Lagers bei Linz befindet sich das ansehnliche Defilée der Donau, über welches blos eine Brücke bei der Stadt führt hinter der Stellung an der Enns ist ihrer ganzen Länge nach kein Defilée und mehrere Wege zum Rückzug.

Auf dem rechten Ufer des Flusses steht die offene Gegend keiner Bewegung im Wege, so dass die im Mittelpunkte zwischen Enns und Stadt Steyer aufgestellte Truppe an jedem Punkte, auf welchem der Feind über den Fluss setzen wollte, stets eintreffen kann, ehe dieser Übergang vollendet ist. Der Feind darf es nicht wagen, einer bei Enns stehenden Armee Flanke und Rücken preiszugeben, um die Richtung von Budweis zu nehmen. Linz kann er bei überlegenen Kräften maskiren und gegen Enns vordringen, weil ihm dazu die ganz offene Gegend bis an die Gebirge, deren Fuss sich von Salzburg nach Stadt Steyer zieht, zu Gebote steht, und er darauf zählen darf, dass man Linz verlassen wird, sobald seine Vorrückung an der Enns auf eine Überflügelung und auf einen Zug nach dem Innern der Monarchie deutet. Von Linz geht der Rückzug in eine Grenzprovinz; von Enns in den Mittelpunkt des Kaiserstaates. In ersterer Stellung oder bei dem Rückzuge aus selber kann man durch die Umgebung eines Flügels an den Böhmerwald gedrückt, und von dem ganzen Kaiserstaate getrennt werden. An der Enns wird man blos genöthigt, weiter in selben zurückzugehen. Das Hochgebirge auf der einen, so wie die Donau auf der andern Seite, schützen vor Umgehungen. Der Feind ist zu einem Frontalangriff genöthigt und findet hier viel grössere Hindernisse und Schwierigkeiten als bei einer Unternehmung auf das verschanzte Lager von Linz.

Eine genauere Beobachtung der Linie an der Enns liefert folgende Resultate über die Art, wie selbe am zweckmässigsten und zugleich mit den möglichst geringen Auslagen in einen entsprechenden Vertheidigungsstand gesetzt werden kann.

Der wichtigste Punkt jener Linie ist die Stadt Enns, weil durch selbe die Hauptstrasse durchzieht, welche die Richtung der Operationen in dem Donauthal bezeichnet. Enns muss daher zu einer Festung umgeschaffen werden. Diese Stadt erhebt sich auf einem steilen scarpirten Rande und ist von einem alten gemauerten Walle umgeben, daher unzugänglich und sturmfrei. Der Fuss der Anhöhe, auf welcher sie steht, wird im Osten durch die Enns und im Westen durch den Bleibach bespült, dessen Thal mittelst einer Schleuse leicht unter Wasser zu setzen ist, im Norden erstreckt sich eine tiefe, von sumpfigen Stellen rchschnittene Ebene bis

an die Donau, so dass diese drei Seiten vor einem Angriffe geschützt sind, der nur von Süden herkommen kann.

Dort wird das linke Ufer der Enns durch einen nicht sehr breiten Gebirgsrücken begleitet, welcher sie von dem in gleicher Richtung fliessenden Bleibache trennt. Jener Rücken zieht sich nach und nach herabsinkend bis in die Stadt, und durch selbe bis zu ihrer nördlichen Einfassung fort. Auf selben gehört dort, wo er zunächst Enns beherrscht, ein bedeutendes Werk.

Ein zweiter geringerer Rücken folgt dem linken Ufer des Bleibaches, fällt aber an selben herab, ohne Enns zu erreichen. Obwohl er sich desswegen zu keinem fortgesetzten Angriff gegen die Stadt eignet, so begünstigt er doch die Anlage von Batterien, von welchen man den zuerst genannten Rücken in der Flanke beschiessen kann, und muss daher gleichfalls durch ein Werk, jedoch von untergeordneter Art besetzt werden.

Nebstdem gehört noch zu der Befestigung von Enns: ein bastionirter Wall nebst Graben und Glacis zur Einfassung der Stadt, bombenfeste Magazine und Unterkünfte.

Ein Brückenkopf auf dem rechten Ufer der Enns zur Deckung der Brücke über den Fluss. Dieses Werk benöthigt keiner besonderen Stärke, da das rechte Ufer offen ist und von dem linken beherrscht wird.

In dem nämlichen Falle ist ein doppelter Brückenkopf bei Mauthhausen zum Schutze einer Brücke über die Donau, denn ein Angriff auf selben bringt dem Feinde keinen Nutzen und unterliegt bedeutenden Schwierigkeiten auf dem rechten Donauufer wegen des sumpfigen Bodens, so wie auf dem linken, wo er aus Granitfelsen besteht.

Die Befestigung der Linie an der Enns würde durch die Anlegung eines Forts bei Stadt Steyer vervollständigt. Dort am Fusse der Hochgebirge und am Zusammenflusse der Steyer mit der Enns, geht eine Heerstrasse aus der vorwärtigen offeneren Gegend über letztern Fluss, und nimmt die von Altenmarkt aus Steiermark kommende auf.

Von Stadt Steyer zieht sie östlich über Seitenstetten zwischen hohen Bergen fort und eignet sich daher nicht für Operationen mit Armeen; allein Seitenzüge führen sowohl nach dem rechten Eunsufer, als auf die Heerstrasse in dem Donauthale. Zwar wird keine Armee über Stadt Steyer in der Flanke eines Feindes vordringen, der mit Macht an der Enus steht, allein jene Strasse kann das Mittel zu belästigenden Diversionen geben. Daher ist hier auch nur ein Fort hinreichend, welches die Strasse mit dem Übergange über den Fluss beherrscht.

Ist die Linie auf dem rechten Ennsufer durch die Befestigung von Enns und, wenn es noch sein kann, von Stadt Steyer verstärkt, so wird man schwerlich eine zur Vertheidigung bessere Stellung finden können. Sie verdient den Vorzug selbst vor jener mit Recht gepriesenen des Mincio. Erstere ist weniger ausgedehnt, sie bildet eine gerade Linie, indess der Mincio einen schlängelnden Lauf hat, und sowohl mehr als auch leichtere Übergangspunkte darbietet als die Enns. Ein thätiger entschlossener Feldherr kann in einer Centralstellung zwischen Enns und Stadt Steyer dem überlegenen Feinde lange und kräftig die Spitze bieten.

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