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Die Ereignisse vom 5. bis zum 8. Juni, von der Schlacht von Magenta bis zum Gefecht von Melegnano.

(Siehe die Übersichtskarte Tafel No. 3 im I. Bande des Jahrganges 1861.)

Graf Gyulai beabsichtigt die Schlacht am 5. zu erneuern.

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Die österreichische Armee war aus ihren Positionen vom 4. verdrängt; die Brücken auf der Route Novara-Milano waren frei; der Ticino war überschritten; der Zweck der grossen Umgehung zeigte sich somit erfüllt. Dessen ungeachtet hatte Graf Gyulai bei Abbiategrasso mit seinen Reserven sich vereinigt. Wenn er sich hier entschliessen wollte, hinter dem Canal von Abbiategrasso Stand zu halten, so behielt er eine vortheilhafte Flankenstellung, durch welche er das Vorrücken der Alliirten nach Mailand verzögern und sie zu einer neuen Schlacht zwingen konnte.

In dieser Flankenstellung gegen die Mailänderstrasse blieben Gyulai's Rückzugslinien gegen Pavia und Piacenza offen, und da derselbe für den 5. darauf rechnen konnte, alle seine Corps, nämlich das I., II., III., V., VII. und VIII., mithin seine ganze Kraft, mit Ausnahme des als Reserve verbleibenden IX. Corps, vereinigt zu haben, so ist es wahrscheinlich, dass der erste Gedanke Gyulai's dahin ging, den Kampf für den nächsten Tag wieder aufzunehmen.

Die schon einmal angeführte Rechtfertigung in der Darmstädter Militärzeitung bestätigt es, dass für den Kampf am 5. schon alle Detaildispositionen getroffen waren, als ein neuer Zwischenfall Gyulai zu dem Aufgeben seiner Projecte zwang. Das I. und II. Corps hatten nämlich in der Nacht vom 4. auf den 5. ihre Stellung bei Corbetta verlassen, um sich weiter gegen Bareggio zurück zu ziehen, und am 5. um 3 Uhr des Morgens, den Marsch gegen Mailand fortgesetzt.

Es wäre dem Grafen Gyulai, bei Entwickelung einer ausnahmsweisen Energie wohl möglich gewesen, die beiden Corps seines rechten Flügels wieder zurück zu führen, aber er konnte auf ihre Wirksamkeit doch nicht mehr rechnen, da sie in den Kämpfen zu Robecchetta Marcallo, Casa nuova und in dem Handgemenge in Magenta zu grosse Verluste erlitten hatten, um den Kampf zu erneuern. Es blieben demselben zwar die Corps von Zobel, Schwarzenberg, Stadion und Benedek, aber auch das ganze III. Corps und die Hälfte des VII. hatten am 4. sehr viel gelitten. Von den 80.000 Mann, aus welchen diese vier Corps zur Zeit bestanden 1), gehörten bei 25.000 Mann, welche am vorhergehenden Tage allen Fatiguen ausgesetzt waren, zu der

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Division Reischach und den Brigaden des Fürsten Schwarzenberg. Es blieben also nur bei 55.000 Mann frischer Truppen für einen zu erneuernden Kampf.

Die Lage der französischen Truppen am 5. Juni.

Vergleichen wir, welche Streitkräfte die alliirte Armee entgegenstellen konnte: Am Morgen des 5. war es dem Kaiser möglich, 14 Infanteridivisionen mit 110.000 Mann in runder Zahl 1), und darunter 9 Divisionen frischer Truppen, in den Kampf zu bringen, nämlich:

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Ausserdem konnte das 1. Corps leicht activen Antheil am Gefechte nehmen. Seine 3 Divisionen, am 4. Abends von Orlengo abgerückt, waren einen Theil der Nacht marschirt und am 5. Morgens zu S. Martino vereinigt, wohin der Marschall Baraguey d' Hilliers schon um 11 Uhr des vorhergehenden Abends sein Hauptquartier vorgelegt hatte, Von S. Martino aus war es dem 1. Corps um so leichter möglich das Schlachtfeld zu erreichen, als es auch eine am 5. Morgens, oberhalb der steinernen Brücke geschlagene Schiffbrücke zum Flussübergange benützen konnte.

Die Streitkräfte für den 5. waren daher bei beiden Armeen:

Der Kaiser: 110.000 Mann, darunter 75.000 Mann frischer Truppen und 20.000 Mann Reserve.

Der Graf Gyulai: 80.000 Mann, darunter 55.000 Mann frischer Truppen und keine Reserve.

Der österreichische General that daher gut, den Kampf aufzugeben und an das schnelle Zurückziehen seiner Corps zu denken. Der Rückzug wurde beschlossen; Fürst Schwarzenberg erhielt den Befehl, denselben vor Robecco zu decken.

Der Rückzug der Österreicher am 5. Juni.

Am 5. um 4 Uhr Morgens rückte die Brigade Hartung (der Division Martini) energisch zum Angriff auf Ponte Vecchio vor. Das Regiment Grossherzog von Hessen No. 14 stiess bald auf die französischen, durch die Brigade Bataille gebildeten Vorposten (der Division Trochù), eröffnete das Feuer aber erst, als es sich auf Pistolenertrag den Tirailleurs des 19. Jägerbataillons genähert hatte. Der Kampf wurde lebhaft. In dem Berichte des Grafen Gyulai über die Schlacht von Magenta heisst es: „Dies war die letzte Anstrengung des braven Regiments, welchem bei Magenta 25 Officiere

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Von diesem Effectivstande die Verluste abgeschlagen, bleiben 112.147 Mann.

verwundet wurden und welches 1 Stabsofficier und 9 Hauptleute verlor, ohne ein einziges Mal im Angriffe zu stocken oder im Rückzuge wankend zu werden."

Das 19. Jägerbataillon überflügelte die Linie der Österreicher und griff sie lebhaft mit dem Bajonnete an, während das 43. Regiment in Angriffscolonnen den Jägern folgte. Hinter diesem Regimente folgten nach und nach das 44. Regiment und die ganze zweite Brigade.

Die österreichischen Truppen wurden auf dem Raume von 4 Kilometer durch die ganze Division Trochu zurückgedrückt, welche von Robecco bis Ponte Vecchio echellonirt war. Zu Robecco angekommen, nahm die Arrièregarde der Brigade Hartung eine letzte Aufstellung am Eingange des Ortes, verschwand aber, nachdem sie das 1. Bataillon des 43. mit mehreren Kartätschensalven empfangen und sich darauf mit dem Gros seiner Brigade vereinigt hatte.

Als General Trochù die Höhen von Carpenzago erreicht und sich überzeugt hatte, dass die österreichische Armee im vollen Rückzuge begriffen sei, führte er seine Truppen nach Ponte Vecchio zurück.

Er hatte einen Verlust von 229 Mann an Todten und Verwundeten erlitten, darunter 13 Officiere.

Stellung der beiden Armeen am 8. Abends.

Die österreichische Armee war in zwei Hauptmassen getrennt. Das VIII. Corps, das I. und. II. verbindend und unterstützend, besetzte Binasco mit dem Hauptquartier, während das III., V. und VII. Corps, zu Gudo Visconti, Morimondo und Fallavecchia, dem Feinde näher, bivouakirten. Die Cavalleriedivision deckte die rechte Flanke der sich zurückziehenden Colonnen zu Gudo Gambareno.

Die Corps der Alliirten blieben an diesem Tage mit der Front gegen Südost ganz um Magenta vereinigt. Das kaiserliche Hauptquartier war zu S. Martino, wo die Cavalleriedivisionen Desvaux und Partouneaux lagerten.

Räumung von Pavia am 6. Juni.

Am 6. befehligte Graf Gyulai das III. und. V. Corps nach Pavia, mit dem Auftrage, alles bewegliche Material vor der gänzlichen Räumung von dort wegzuführen.

Das I. und II. Corps setzten ihren Rückmarsch in Eile fort, und sind zu Torre Vecchia, der Armee gegen Lodi und die Addalinie vorausgehend.

Das VII. Corps ist zu Siciano und Gualdrasco, auf der Route von Mailand nach Pavia, während das VIII. Corps die ganze Armee durch die Besetzung von Landriano und Melegnano deckt, über welche Punkte die Alliirten von Mailand aus, den Rückzug beunruhigen könnten.

Der Kaiser lässt auf den Flügeln Recognoscirungen mit starken Abtheilungen

unternehmen.

Durch diese Recognoscirungen will er einerseits Nachrichten vom Feinde auf der Südseite; andererseits hofft er dem General Urban, der noch in der Richtung gegen Monza angezeigt wird, den Rückzug abzuschneiden. Auch soll durch sie Mailand geschützt und der Eintritt der Alliirten vorbereitet werden.

Das 3. und 4. Corps gehen nach Abbiategrasso, welches sie geräumt finden und wo sie erfahren, dass der Feind sich gegen Pavia und Lodi zurückgezogen habe.

Das 2. Corps, die Armee des Königs und die Cavalleriedivision Desvaux rücken gleichzeitig nach Rho und Garbagnate, wo diese Colonnen, zur Verfolgung Urban's, Detachements weiter vor entsenden.

Bewegung des Generals Urban.

General Urban, der sich mit seinen 3 Brigaden am 2. Juni noch zu Varese befand, war in einer schwierigen Lage. Von der einen Seite hatte er Garibaldi zurückzuhalten, der vom Gebirge herabkam und dessen Detachements sich bereits in der Richtung von Castelletto zeigten; andererseits hatte er Kenntniss erhalten, dass die französischen Colonnen am Ticino heraufziehen, wesshalb er den rechten Flügel der zweiten Armee zu decken und sich mit den in Magenta befindlichen Truppen des Grafen Clam-Gallas in Verbindung zu halten hatte. Seine Lage verschlimmerte sich noch am 3., nachdem, wie er durch seine Recognoscirungsabtheilungen in Erfahrung gebracht, die Alliirten bei Turbigo eine Brücke über den Fluss geworfen hatten und die Division Cordon des I. Corps in Eile dahin vorrückte. Er blieb lange unschlüssig und entschied sich dann doch nur für eine halbe Massregel. Nachdem er das eben eingetroffene 19. Jägerbataillon der Brigade Schaffgotsche einverleibt hatte, liess er diese Brigade und jene des Generals Augustin Nachmittags nach Gallarate abrücken, während General Rupprecht zur Beobachtung der Alpenjäger in Varese zurückbleiben musste. Am 3. Abends detachirte er von Gallarate das Bataillon Zobel nach Ferno und Vizzola, um sich mit der Brigade Řeznitschek (vom Corps Clam-Gallas) in Verbindung zu setzen.

So postirt, wartete er.

Am 4. erhielt er vom Commandirenden aus Abbiategrasso eine Depesche (ohne angegebene Stunde), welche ihm von Neuem vorschrieb, „ohne die Überwachung des obern Ticino aus dem Auge zu verlieren, seine Bewegungen von nun an mit jener der Hauptarmee in Verbindung zu bringen".

Graf Gyulai schrieb weiter:

„Ich gebe dem FML. Grafen Clam-Gallas den Befehl, Turbigo mit 2 Divisionen anzugreifen, und setze ihn in Kenntniss, dass Euer Excellenz zu dem Erfolge dieser Operation beitragen können. Die Entfernung, in welcher sich ihre Division von dem Corps befindet, erlaubt ihnen nicht, gleich in Verbindung mit ihm zu treten. Auch muss ich Euer Excellenz in Kenntniss setzen, dass der Angriff auf Turbigo für heute nur dann stattfinden soll, wenn der Graf Clam nicht auf überlegene Streitkräfte stösst; im Gegenfalle hat er sich in seine erste Aufstellung bei Magenta und gegen seine Reserven zurück zu ziehen. Dies wäre dann für Euer Excellenz der günstigste Augenblick gegen den Feind, wenn er vorrücken sollte, eine kräftige Diversion in dessen Flanke zu unternehmen" 1).

1) Der Depesche des Grafen Gyulai an General Urban wörtlich entnommen.

Beiläufig zur selben Stunde liess der zu Ferno sich befindliche Commandant des Bataillons Zobel dem General Urban mittheilen, dass man vom Thurme in Lonate Pozzuolo gegen Cuggiano 1) fechten sehe, aber keine Nachrichten erhalten könne, und dass die Streifpatrullen nicht bis zum I. Corps zu gelangen vermögen. In Folge dessen ging Urban mit seinen beiden Brigaden zuerst nach Busto Arsicio, dann allmählich auf der Strasse von Boscate nach Vanzaghello, Magnano und Bienate.

Ohne den Ausgang der Gefechtsleitung bei Cuggiano zu kennen und die Alliirten mit Macht in Turbigo und Castano wissend, wagte Urban nicht weiter vorzugehen, und statt die Verbindung mit dem Grafen Clam-Gallas anzustreben, blieb er in seiner Stellung.

So verfloss der 4. Juni. Erst am 5. Früh entschloss sich Urban gegen Castano und Turbigo vorzurücken. Aber, dem erstern Orte sich nähernd, sah die Brigade Schaffgotsche bedeutende feindliche Kräfte sich entwickeln: es waren die Truppen des Königs, die eben den Canal überschritten hatten und gegen Magenta im Vorrücken begriffen waren.

Erst jetzt, bei der Anwesenheit piemontesischer Truppen auf lombardischem Boden, erkannte Urban, der seit 30 Stunden keine Nachrichten über die Armee hatte, den Ernst seiner Lage. Er fürchtete, isolirt wie er war, abgeschnitten und gefangen zu werden, beeilte sich desshalb in der Richtung von Olona nach Castegnate zu gelangen. Gleichzeitig gab Rupprecht den Befehl, die zu Somma und Varese gelassenen Truppen, die ersteren nach Gallarate und Castagnate, die letzteren nach Tradate zurück zu ziehen. In Castegnate angekommen, entsendete er zur Einholung von Nachrichten Officiere nach Monza und Mailand, und zu demselben Zwecke Streifparteien in seine Front und Flanken. Am 6. wusste er ohne Zweifel, dass Mailand und Monza von den österreichischen Truppen geräumt seien, dass die Armee im vollen Rückzuge sich befinde, und dass die Insurrection allenthalben auszubrechen drohe.

Sich nunmehr auf seine eigenen Kräfte beschränkt sehend, suchte Urban den Alliirten zuvor zu kommen, die wenigstens seine Verfolgung nicht ver

säumten.

Auf Befehl des Kaisers nämlich, der die schwierige Lage der Division Urban erfahren hatte, liess der Marschall Mac-Mahon 2) gegen 6 Uhr Abends 2 Escadronen des 7. Chasseurregiments, das algierische Tirailleurregiment und die 2. Division des 2. Corps (General Decaen) 3) aus Rho, mit 2 Batterien nach Garbagnate aufbrechen. Die Armee des Königs ging gleichzeitig nach San Lorenzo und Garbagnate, während auch General Desvaux mit seiner Cavalleriedivision herbeieilte.

Selbst Garibaldi, welcher durch diese grossen Ereignisse aus einer schwierigen. Lage befreit wurde, rückte von Varese rasch gegen Como und Lecco. Aber General Rupprecht war in Doppelmärschen aufgebrochen, so dass am 6., als die Spitzen der

1) Dies war das Geplänkel der algierischen Tirailleurs mit den Vortruppen des I. Corps, was die französischen Truppen zu voreilig bis Buffalora führte.

2) In Folge der Schlacht von Magenta erhielten die Generale Mac-Mahon und Regnaud de SaintJean d'Angely die Marschalls würde und Mac-Mahon ausserdem den Titel Herzog von Magenta. 3) Der General Decaen, zum Divisionsgeneral ernannt, erhielt das Commando der Division Espinasse.

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