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Mittlerweile hatten sich die andern 3 Corps der II. Armee bei der Festung Neisse concentrirt; alle Festungen Ober-Schlesiens: Neisse, Glatz, Cosel und Glogau waren bereits armirt und im vollen Vertheidigungszustande; um Schweidnitz waren zudem neue Befestigungen aufgeworfen worden.

Gestützt auf diese Festungen und auf das der Vertheidigung günstige Terrain bei Neisse selbst, glaubte der Kronprinz nun den Widerstand gegen einen Angriff der kaiserl. Nord-Armee versuchen zu können.

Doch dieser Angriff erfolgte nicht, denn die Politik Österreichs hatte, wie wir wissen, ihre Kriegs-Action von dem langsamen und unsicheren Gang der Dinge am deutschen Bundestage abhängig gemacht, und die letzten entscheidenden Worte wurden hier erst am 14. Juni gesprochen.

Es stand weiters, wie gleichfalls aus dem Vorigen bekannt ist, nach der dem Kriege gegen Preussen gegebenen politischen Anlage und nach den falschen militärischen Voraussetzungen, auf die der ganze Kriegsplan basirt war, der Einmarsch in Preusseu nicht in der Absicht des österreichischen Hauptquartiers.

So blieb denn der preussischen Armee die Initiative der Operationen, oder vielmehr dieselbe wurde durch den freiwilligen Entschluss auf der anderen Seite, sich passiv zu verhalten, förmlich genöthigt, die Initiative zu ergreifen.

Fassen wir die Lage zusammen, in der sich die Heere Preussens einerseits und Österreichs mit den deutschen Südstaaten anderseits zur Zeit des 15. Juni befanden, so ergibt sich Folgendes:

Die Haupt-Armee Preussens')

stand längs der sächsischen und österreichischen Grenze in einer Front-Ausdehnung von etwa 47 Meilen, und zwar:

Die Elbe-Armee (1, Armee-Corps), deren Commando endlich General der Infanterie Herwarth von Bittenfeld übernahm, auf beiden Ufern der Elbe bei Torgan (38 Bataillons, 26 Escadrons und 144 Geschütze). 39.084 Mann Infanterie, 4060 Mann Cavallerie, 5696 Mann Artillerie und Pionniere:

Summa: 48.840 Mann.

Mit dem I. Reserve-Armee-Corps, das nach Sachsen nachzurücken bestimmt war 2), zählte die Elbe-Armee: 62 Bataillons, 50 Escadrons und 198 Geschütze, oder

1) Siehe deren vollständige Ordre de bataille in der Beilage zum Vl. Abschnitte Nr. 1.

2) Das Corps war noch in der Formation begriffen und stand in Berlin. Es hatte zu zählen: 24 Bataillons, 24 Escadrons und 54 Geschütze, oder: 19.800 Mann Infanterie, 3580 Mann Cavallerie und 1508 Mann Artillerie und Pionniere, in Summa 24.888 Mann.

58.884 Mann Infanterie, 7640 Mann Cavallerie und 7204 Mann Artillerie und Pionniere:

Summa: 73.728 Mann.

Die I. Armee unter dem Prinzen Friedrich Carl (3 Armee-Corps und 1 Cavallerie-Corps) zwischen Görlitz und Löwenberg: 72 Bataillons, 74 Escadrons und 300 Geschütze, oder

74.056 Mann Infanterie, 11.560 Mann Cavallerie, 11.404 Mann Artillerie und Pionniere:

Summa: 97.020 Mann..

Die II. Armee unter dem Kronprinzen (4 Armee-Corps und 1 Cavallerie-Division) stand mit 3 Armee-Corps (das Garde-Corps war noch in der Fahrt nach Brieg begriffen) bei Neisse und hinter dem gleichnamigen Flusse.

Das Hauptquartier des Kronprinzen war am 10. Juni von Schloss Fürstenstein gleichfalls nach Neisse verlegt worden.

Die II. Armee zählte: 95 Bataillons, 86 Escadrons und 348 Geschütze (darunter das Detachement des Generals Knobelsdorff mit 3 Bataillons, 4 Escadrons und 6 Geschützen) oder

97.710 Mann Infanterie, 13.454 Mann Cavallerie, 13.682 Mann Artillerie und Pionniere:

Summa: 124.846 Mann.

Ausserdem stand bei Gleiwitz das Detachement des Generals Graf Stolberg: 6 Bataillons, 8 Escadrons und 4 Geschütze, oder

5194 Mann Infanterie, 1250 Mann Cavallerie, 96 Mann Artillerie und Pionniere (Landwehr-Truppen):

Summa: 6540 Mann.

Die 3 in erster Linie gegen Sachsen und Österreich aufgestellten preussischen Armeen hatten somit, einschliesslich des I. Reserve-ArmeeCorps, einen streitbaren Stand von:

230.650 Mann Infanterie, 32.654 Mann Cavallerie, 32.290 Mann Artillerie und Pionniere:

Zusammen: 295.594 Mann, 846 Geschütze;

und ohne das I. Reserve-Corps:

210.850 Mann Infanterie, 29.074 Mann Cavallerie, 30.782 Mann Artillerie und Pionniere:

Zusammen: 270.706 Mann, 792 Geschütze.

Von der kaiserl. österreichischen Nord-Armee1) standen mit 15. Juni dagegen:

Die Haupt-Armee unter Feldzeugmeister von Benedek (6 ArmeeCorps und 4 Cavallerie-Divisionen) in Mähren in dem Rayon von Olmütz, Littau, Landskron und Brünn.

1) Siehe deren Ordre de Bataille in der Beilage zum VI. Abschnitte Nr. 2.

Dieselbe zählte 161 Bataillons, 119 Escadrons und 632 Geschütze, oder 148,414 Mann Infanterie, 17.219 Mann Cavallerie und 20.983 Mann Artillerie und Pionniere:

Zusammen 186.616 Mann 1).

Die Truppen in Böhmen unter G. d. C Graf Clam-Gallas (1 Armee-Corps und 1 Cavallerie-Division) in Prag, Teplitz, Josephstadt und Turnau.

28 Bataillons, 32 Escadrons und 96 Geschütze, oder

26.828 Mann Infanterie, 4877 Mann Cavallerie und 2284 Mann Artillerie und Pionniere:

Zusammen: 33.989 Mann 2).

Daher im Ganzen:

189 Bataillons, 151 Escadrons und 728 Geschütze oder

175.242 Mann Infanterie, 22.096 Mann Cavallerie und 23.267 Mann Artillerie und Pionniere:

Totale: 220.605 Mann.

Hiezu 30.000 Mann sächsischer Truppen.

Im Westen des preussischen Staates hatten 3 einzelne bei Altona, Minden und Wetzlar stehende preussische Divisionen unter dem Oberbefehl des Generals der Infanterie Vogel von Falckenstein, später Main (West-) Armee genannt — die Bestimmung, Hannover und Kurhessen zu occupiren, falls sich diese Staaten nicht an Preussen anschliessen würden. Diese Armee war zur Zeit etwa 50.000 Mann stark.

Sie hatte eventuell gegenüber:

Das hannoversche Corps

die kurhessische Division
die nassauische Brigade

Dann:

20.000 Mann,

6.000 "
5.000

31.000 Mann 3).

Das VIII. Bundes-Armee-Corps (zu formiren aus den Grossherzogthümern Hessen und Baden und dem Königreiche

Württemberg)

50.000 Mann 4).

.

Das VII. Bundes-Armee-Corps (Bayern). 40.000

[blocks in formation]

Zusammen 121.000 Mann.

Nach Abschlag der Stabs- und technischen Truppen, 7 Bataillons der Brigade

Prochaska, 2 Escadrons des 8. Kürassier-Regiments.

2) Ohne der Brigade Kalik und 2 Escadrons Windischgrätz-Dragoner,

3) Alle 3 Contingente waren aber noch gar nicht mobilisirt.

4) Noch nicht mobilisirt.

5) Die bayrische Armee erst in der Mobilisirung begriffen.

Bei nur einigermassen grösserer Entschiedenheit der Regierungen aller dieser Staaten hätten die eben aufgezählten, rund 120.000 Mann starken Streitkräfte bereits vollkommen mobil und operationsfähig sein und ein gewaltiges Veto gegen die auf Hannover und Kurhessen gerichteten Plane Preussens einlegen können.

Doch diese 120.000 Mann waren für die grosse Aufgabe, die ihnen das Geschick gestellt, nicht vorbereitet.

VII. Abschnitt.

Occupation von Hannover und Kurhessen.
(15. bis 28. Juni) 1).

Die preussischen Streitkräfte standen mit über 260.000 Mann gegen Sachsen und Österreich, und mit ungefähr 50.000 Mann Streitbaren zur Action zunächst gegen Hannover und Kurhessen bereit, als am 14. Juni am deutschen Bundestage zu Frankfurt die Abstimmung über den Antrag Österreichs auf Mobilmachung der Bundes-Contingente gegen Preussen erfolgte.

Die preussische Regierung ging nun, ohne Zeitverlust und mit ausserordentlicher Energie, zuerst gegen Hannover, Kurhessen und Sachsen vor. Am 15. Juni richtete dieselbe Sommationen an die genannten drei Staaten.

Diese Sommationen enthielten die Aufforderung zum Abschlusse eines Bündnisses mit Preussen unter den Bedingungen:

1. Dass die Truppen sofort auf den Friedensstand vom 1. März d. J. gesetzt würden.

2. Dass die Regierungen der Berufung des deutschen Parlaments zustimmten und die Wahlen dazu ausschrieben, sobald dies von Preussen geschehen würde.

3. Dass Preussen dagegen den betreffenden Souveränen ihr Gebiet und ihre Souveränetätsrechte nach Massgabe der Reformvorschläge vom 14. d. M. gewährleisten würde.

Die Entscheidung wurde im Verlaufe des Tages selbst erbeten.

Sollte diese nicht oder ablehnend erfolgen, so würde Preussen die betreffenden Länder als im Kriegszustande gegen sich befindlich betrachten.

Die Antworten lauteten insgesammt ablehnend, und es erfolgte sonach noch am Abende desselben Tages die Kriegserklärung an Hannover, Kurhessen und Sachsen, an Österreich hingegen erst am 21. Juni, — sei es, dass Preussen die zwischen den verschiedenen Kriegserklärungen liegende Frist zur Ausführung seiner gegen die erwähnten Staaten gerichteten Annexionsabsichten

1) Wir konnten die Operationen der ausserösterreichischen Heerestheile nur in übersichtlicher Weise darstellen und müssen die Leser bezüglich der näheren Details auf die Specialgeschichten dieser Heere verweisen.

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