Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

V. Abschnitt.

Die militärischen Verhältnisse bei den Verbündeten
Österreichs.

Aus den Phasen, welche der ganze in Rede stehende Conflict am deutschen Bundestage nach und nach angenommen hatte, ist leicht das Verhältniss zu entnehmen, in welchem Österreich zu den Regierungen der übrigen deutschen Staaten stand.

Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, die beiden Hessen, Baden, Nassau hatten stets mit Österreich den Bundesstandpunkt gewahrt, und man durfte wohl vermuthen, dass dieselben auch in der Stunde der Prüfung, wenn der Streit in seinem ganzen Ernste zur Entscheidung heranreifte, Hand in Hand mit Österreich gehen würden.

Bezüglich Sachsens war hierüber fast kein Zweifel möglich.

Dieses kleine, aber thatkräftige Land hatte sich von jeher in den grossen Conflicten Österreichs und Preussens ohne vieles Zögern und Feilschen mit schlagfertiger Begeisterung als die Avantgarde Österreichs hingestellt.

Wenn auch die königlich sächsische Regierung durch politische Rücksichten genöthigt war, ihr Zusammengehen mit Österreich von gewissen Vorbehalten abhängig zu machen, so konnte doch letzteres auf die BundesGenossenschaft Sachsens mit ziemlicher Gewissheit zählen.

Um die letzten Bedenken zu beseitigen, ward Oberstlieutenant Beck, von der General-Adjutantur Sr. Majestät des Kaisers, am 8. Juni nach Dresden entsandt, und das Resultat dieser letzten Verhandlung war, „dass sich die „königlich sächsische Regierung bestimmt zum Kriege gegen Preussen ent,,schlossen erklärte, sobald ein directer Angriff oder auch nur eine Über„schreitung der sächsischen Grenze von Seite Preussens erfolgen, oder ein „diesbezüglicher Bundesbeschluss vorliegen würde.“

Leider nicht so entschieden in ihren Entschlüssen waren die übrigen Regierungen, auf deren thatkräftige Allianz Österreich hoffen musste.

Es machten sich Rücksichten und Strömungen geltend, die der gemeinsamen Sache wenig förderlich sein konnten und hemmend und lähmend in alle Verhältnisse eingriffen.

Dadurch ward das Bündniss, welches, wenn zeitgerecht gepflegt und mit Energie zum Ausdrucke gebracht mit entscheidendem Gewichte

in die Wagschale hätte fallen müssen, zu einer wenig willenskräftigen und für alle Theile verhängnissvollen Haltung verurtheilt.

Noch in den Sitzungen der bayrischen Kammer am 8. und 9. Juni erklärte der Staatsminister v. d. Pfordten: Bayern würde diejenige der beiden Grossmächte bekämpfen, welche zuerst zu den Waffen griffe.

Eine gedrückte, unentschiedene Stimmung beherrschte überhaupt die massgebenden Kreise Münchens.

Äusserungen, wie der Wunsch, dass es trotz Rüstungen und Kriegslärm zu Nichts komme, dass Bayern, wenn nicht mit Österreich, so doch auch nicht gegen dasselbe sein werde, waren aus dem Munde der einfluss

reichsten Personen zu hören.

Die Mobilisirung der bayrischen Armee ward indess doch am 10. Mai angeordnet.

Es ward festgestellt, die bayrischen Truppen in einem Armee-Corps zu 4 Divisionen unter Commando des FM. Prinzen Carl aufzustellen. Bei Schweinfurt, Bamberg und Augsburg (bei letzterer Stadt für 2 Divisionen) sollten Lager errichtet werden.

Diese Aufstellung ward damit motivirt, dass sie die volle Ausnützung des bayrischen Eisenbahnnetzes für spätere Truppenbewegungen, sei es nach rechts gegen die obere oder mittlere Elbe, oder nach links gegen Westphalen und die Rheinlande, begünstige.

Württemberg, Hessen-Darmstadt, Baden u. s. w. folgten in ihren Kriegs-Vorbereitungen mehr oder minder dem tonangebenden Beispiele

Bayerns.

Baden arbeitete nach Kräften, sich selbst möglichst von jedem Conflicte fern zu halten, nachdem es in seinem Versuche, auf der Bamberger Conferenz den ganzen Süden und Westen Deutschlands zu neutralisiren, gescheitert war.

Um die einzelnen, so disparaten Theile, welche das 8. Bundes-ArmeeCorps formiren sollten, sobald als thunlich zu vereinigen, designirte Se. Majestät der Kaiser den k. k. FML. Prinzen Alexander von Hessen zur Übernahme des Commando's über dieselben.

Baden erhob nun selbst gegen diese Wahl Bedenken, und Prinz Alexander konnte die ihm zugedachte Stellung erst übernehmen, nachdem er seines österreichischen Fahneneides entbunden worden war.

Prinz Wilhelm von Baden und auch Prinz Friedrich von Württemberg traten nur ungerne von ihrer eigenen Bewerbung um diesen Commando-Posten zurück.

Die Haltung Badens ward erst nach einem Anfangs Juni vom Grossherzoge am sächsischen Hofe zu Pillnitz abgestatteten Besuche eine decidirte. Der Grossherzog gab noch von Pillnitz die ersten Befehle zur Vorbereitung der Mobilisirung, und es schien nun, dass weder verwandtschaftliche

noch anderweitige Rücksichten ihn mehr abhalten würden, sich gegen Preussen zu erklären.

Am 1. Juni vereinigten sich zu München Militär-Abgeordnete der südlichen und südwestlichen Staaten, unter dem Vorsitze des königl. bayrischen General-Lieutenants v. d. Tann, zu einer Conferenz, in welcher beschlossen ward, dass sämmtliche Streitkräfte der betheiligten Staaten bis 15. Juni marschbereit und entsprechend concentrirt zu sein hätten.

Die mobilen Streitkräfte (ausser den Festungs- und anderen Besatzungen) wurden wie folgt angegeben:

Bayern: 40 Bataillons, 60 Escadrons, 200 Geschütze, mit ungefähr 46.000 Mann, die im Laufe einiger Wochen successive noch um 16 Bataillons 14.000 Mann vermehrt werden konnten.

Württemberg (binnen 14 Tagen): 15 Bataillons, 15 Escadrons, 48 Geschütze, ungefähr 20.000 Mann, die binnen 6 Wochen noch durch 5 Bataillons, 4 Escadrons und 8 Geschütze vermehrt werden konnten.

Baden (binnen 14 Tagen): 13 Bataillons, 12 Escadrons, 24 Geschütze, ungefähr 12.000 Mann (bei Carlsruhe und Bruchsal).

Grossherzogthum Hessen: 9 Bataillons, 8 Escadrons, 24 Geschütze, 12,700 Mann (standen bereits in der Linie Worms-Darmstadt-Offenbach).

Nassau (binnen 14 Tagen): 5 Bataillons, 16 Geschütze, 5400 Mann.

Sachsen: 20 Bataillons, 16 Escadrons, 58 Geschütze, 31.600 Mann, bereits bei Dresden concentrirt.

Es wären somit von Seite der eben genannten Staaten binnen 14 Tagen, abgesehen von den später möglichen Verstärkungen, ungefähr 100.000 Mann (ohne die Kurhessen) als VII. und VIII. Bundes-Armee-Corps für Operationen verfügbar gewesen, während sich bei 32.000 Sachsen unmittelbar an die österreichische Nord-Armee anschliessen konnten 1).

1) Protokoll über die Berathungen der von Seite der h. Regierungen des VIII. Armee-Corps, sowie von Sachsen und Nassau auf Einladung der bayrischen Regierung zusammengetretenen Officiere.

Gegenwärtig

München, 1. Juni 1866.

der königl. bayrische General-Lieutenant, General-Adjutant, General-Commandant und Chef des Generalstabes der mobilen Armee Ludwig Freiherr von der Tann, der herzogl. nassauische GM. und General - Adjutant Hieronymus von Ziemiecky,

der grossherzogl. badische GM. und Flügel-Adjutant Wilhelm v. Neubronn, der königl. württembergische GM. und General - Quartiermeister Eduard von Kalée,

Das Ober-Commando über die westdeutsche Armee (VII. und VIII. Bundes-Armee-Corps) übernahm Se. k. Hoheit FM. Prinz Carl von Bayern am 28. Juni, während Prinz Alexander von Hessen den Befehl über das VIII. Bundes-Armee-Corps nicht vor dem 18. Juni antreten konnte, da

der grossherzogl. hessische Oberst Friedrich Becker des Generalstabes, der königl. sächsische Oberst-Lieutenant und Commandant des Cadeten-Corps Alban von Montbé.

Ferner beigegeben:

der königl. bayrische Oberstlieutenant Friedrich Weiss vom General-Quartiermeisterstabe, und

der grossherzogl. badische Major Eduard Krauss vom Generalstabe.

Nachdem der Vorsitzende der Commission, General - Lieutenant Freiherr v. d. Tann, Excellenz, der Commission den allgemeinen Zweck der heutigen Berathungen dargelegt hatte, und die zu erwägenden Verhältnisse besprochen, sowie nach den einzelnen Richtungen präcisirt waren, einigte sich die obenstehende Commission über nachstehende Anträge:

I.

Es stellt sich als dringendes Bedürfniss dar, dass die Contingente des VIII. ArmeeCorps sofort einen gemeinsamen Befehlshaber erhalten, und dass das Ober-Commando über diese Contingente von Seite Bayerns alsdann in's Leben trete, wie solches bereits von den betreffenden hohen Regierungen vereinbart wurde. So lange das IX. ArmeeCorps nicht zusammengezogen ist, wird sich, nach noch zu erfolgenden näheren Vereinbarungen, das Contingent von Nassau dem VIII. Armee-Corps anschliessen.

Als äusserster Termin für den Vollzug dieser Massregeln wurde der 15. Juni 1. J. vorgeschlagen.

II.

Zu dem gleichen Zeitpunkte sollen sämmtliche Contingente der einzelnen Staaten entsprechend concentrirt und an günstig gelegenen, mit dem Eisenbahnnetze in unmittelbarer Verbindung stehenden Punkten marschbereit aufgestellt sein. Ebenso wird beantragt, Nachschübe und die Verstärkungen der einzelnen Contingente, als durch die Verhältnisse unbedingt geboten, möglichst zu beschleunigen.

In Bezug auf den Standpunkt der derzeitigen Kriegsbereitschaft wird erklärt: 1. Von Seite Bayerns.

Ausser den Festungs- etc. Besatzungen ist die bayrische Armee schon im jetzigen Augenblicke in einer Stärke von circa 46.000 Mann vollständig marschbereit und theilweise schon zur Concentrirung auf dem Marsche begriffen.

Zum nächsten Nachweise wird angegeben:

Eintheilung: 4 Infanterie-Divisionen zu je 2 Brigaden, die Brigade zu 4 Linien- und 1 Jäger-Bataillon, hiezu 1 Cavallerie-Regiment à 4 Escadrons, und 2 Batterien zu je 8 Geschützen.

Ausserdem 1 Cavallerie - Reserve-Corps zu 7 Regimentern à 4 Escadrons mit 2 reitenden Batterien à 6 Geschützen.

Eine Artillerie-Reserve in 8 Batterien mit 60 Geschützen und die vollständigen Beigaben an Munitions-Reserven, Géniepark, Verpflegs- und Sanitätsanstalten.

Zur vollständigen Ausrüstung fehlen nur noch die Bespannungen der Hauptspitäler und Hauptverpflegs-Colonnen.

Diese Armee kann in nächster Zeit um 6, nach 3-4 Wochen um 10 Bataillons, d. i. in Summa um 14.000 Mann verstärkt werden.

er das bezügliche Decret erst am 16. desselben Monates vom Könige von Württemberg erhielt.

Bis Mitte Juni war die Mobilisirung der bayrischen Armee in der Hauptsache vollendet.

Concentrirung: Je 1 Division bei Schweinfurt und Bamberg, 2 Brigaden am Lechfelde bei Augsburg, 1 Brigade in München und 1 Brigade in Ingolstadt, Cavallerie- und Artillerie-Reserve im Marsche nach den zwischen Bamberg, Würzburg und Nürnberg vorbereiteten Cantonnirungen.

2. Von Seite Württembergs.

In 14 Tagen können 20.000 Mann in einer Stellung zwischen Ludwigsburg und Heilbronn marschbereit sein.

Zum näheren Nachweise wird angegeben:

1 Division zu 3 Brigaden à 5 Bataillons (hierunter ein Jäger-Bat.),

1 Reiterbrigade zu 3 Regimentern à 5 Escadrons,

6 Batterien mit 48 Geschützen, sowie die nöthigen Beigaben etc.

Nach 6 Wochen kann eine weitere Brigade zu 5 Bataillons, 1 Batterie zu 8 Geschützen (und unter Umständen 4 Escadrons Reiter) noch gestellt werden.

Für die Festungsbesatzung von Ulm erübrigen dann noch 4 Bataillons und 1 Escadron.

3. Von Seite Badens.

In 14 Tagen können 11.000 Mann Infanterie in 13 Bataillons (hierunter 2 Füsilier- und 1 Jäger-Bataillon), 1300 Mann Cavallerie in 3 Regimentern à 4 Escadrons und 24 gezogene Geschütze in 4 Batterien (hierunter 1 reitende) mit den nöthigen Beigaben etc. zwischen Carlsruhe und Bruchsal vereinigt sein.

Nach 4-5 Wochen steht das volle Bundescontingent mit 14.700 Mann Infanterie, 1800 Mann Cavallerie und 38 Geschützen zur Disposition. Hierin ist jedoch die Besatzung Rastatt's begriffen.

4. Von Seite Hessens.

In der Linie Worms, Darmstadt, Offenbach stehen zur Zeit 12.700 Mann in 9 Bataillons, 8 Escadrons und 4 Batterien à 6 Geschützen marschbereit, worunter jedoch das Ersatzcontingent mit circa 2 Bataillons, 2 Escadrons und 1 Batterie Mann zur Zeit noch begriffen ist.

5. Von Seite Sachsens.

[ocr errors]

2300

Zur Zeit stehen bereits 20 Bataillons, 16 Escadrons und 10 Batterien, in Summa 25.000 Mann mit 6600 Pferden und 58 Geschützen, um Dresden concentrirt.

Bei Sayda liegen die Depôts, welche in circa 4 Wochen als eine Brigade

à 5000 Mann zur Verstärkung abrückeu können.

6. Von Seite Nassau's.

In 14 Tagen kann die Brigade, formirt in 5 Bataillons (hierunter 1 Jäger-Bataillon) mit circa 5400 Mann und 16 Geschützen und den nöthigen Beigaben abmarschiren, und es steht dieselbe zur Zeit bei Wiesbaden concentrirt.

In 6-8 Wochen können 1096 Mann Infanterie und 110 Mann Artillerie nachgestellt werden.

Von Seite der Vertreter des VIII. Armee - Corps wurde ferner erklärt: Dass in Folge der in Bruchsal gepflogenen Verhandlungen der Stab dieses Corps bis auf die Ernennung des Corps-Commandanten vollständig vereinbart sei.

III.

In Betreff der Verpflegung wurde unter Bezug auf §. 54 des Bundes-VerpflegsReglements beantragt, dass jedes Contingent stets einen dreitägigen eisernen Bestand

« ZurückWeiter »