Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[ocr errors]

sen, die neugebildeten Schaaren der Westphalen, die Würtemberger, und die sämmtlichen Soldaten der dem Rheinbund angehörenden deutschen Fürsten; selbst Por= tugiesen, die früher aus ihrem Vaterlande listig entführt wurden, und Spanier, die man gezwungen, sich diesen beyzugesellen; die Hülfsheere der Östreicher und Preußen, welche die Furcht vor der Übermacht an diesem Zuge Theil zu nehmen zwang, und endlich die Pohlen, denen man Freyheit und die Unabhängigkeit ihrer Nation verheissen hatte; diese alle gehörten zu dem ungeheuren Heere, dem zahlreichsten vielleicht, das bie Weltgefchichte kennt.

[ocr errors]

Diese unermeßliche Macht, befehligt von einem kühnen, unternehmenden, kriegserfahrnen Feldherrn, der alle Heere der europäischen Völker geschlagen, der in drey Welttheilen gefochten hatte, geleitet von Heerführern, die in zwanzigjährigen Kriegen sich gebildet und Erfahrung erworben, hätte wohl auch die unerschrockensten Gemüther mit Zagen erfüllen können. Aber die russischen Völker, stark durch ihre Zahl, stärker noch durch ihren Muth, ihre Tapferkeit und die feste Anhänglichkeit an alles, was dem Menschen das Heiligste und Theuerste seyn muß, an Freyheit, Ehre, Vaterland und einen geliebten Fürsten, verzagten nicht. Im Vertrauen auf Gott, ihre gerechte Sache und die weisen Anordnungen ihrer Feldherrn, folgten sie ihrem guten vielgeliebten Kaiser getrost und muthig in den furchtbaren Kampf gegen das zu ihrer Unterdrückung beRimmte Heer.

Gerecht war die Sache, für welche Rußland den Krieg nicht scheute. Denn was auch Napoleon in feinen Aufrufen an das Heer, in den Erklärungen seiner Minister Scheinbares darüber vorspiegeln mochte, Fo

wurde doch alles dieses auf das bündigste widerlegt. Doch es bedurfte deffen kaum; denn die gedrückten Völker, die er seine Bundesgenossen nannte, ja die Franzosen selbst, seufzten über die tyrannischen Maaß. regeln, die er unter dem Nahmen des Continental-Systems in allen ihm untergebnen, oder seinem Einflusse folgenden, Ländern eingeführt hatte, und zu deren Aufe rechthaltung er Rußland zwingen zu wollen behauptete.

Unter dem Nahmen des Kontinentalsystems begriff Napoleon eine Reihe von tyrannischen Befehlen, durch welche er den Völkern allen Seehandel raubte, indem er den Verkehr mit England verboth, und sie zum Kriege mit der englischen Nation zwang; durch die er die In dustrie aller Länder vernichtete, indem er ihren Erzeugs nissen den Absah raubte, oder ihr die unentbehrlichen Stoffe entzog; durch welche er, mit der Willkühr des Despoten, unter dem sinnlosen Vorwande, den Engländern zu schaden, die heilig erworbnen EigenthumsRechte der Einzelnen zerstörte, indem er sich der bezahl= ten Waarenvorräthe bemächtigte; durch die er, vermittelst der Continental-Tariffe, Imposte, und Licenzen, den unterdrückten Völkern einen unerschwinglichen Tribut abzwang, und endlich den Charakter derselben verz darb, indem er dem Betruge, der Bestechung, dem Schleichhandel die Thore öffnete.

Ob Napoleon durch dieses sogenannte ContinentalSystem wirklich die brittische Nation zur Nachgiebigkeit gegen seine Forderungen und zum Frieden zwingen zu können glaubte, oder ob er nur unter diesem Vorwande den Wohlstand und die innere Kraft aller Völker zu lähmen, und sich dadurch zum unumschränkten Gebiether vom ganzen europäischen Kontinent zu erheben gedachte, ist mit Gewißheit kaum zu bestimmen. Freylich hätte

man glauben follen, daß die Geschichte, daß die Vorstellungen seiner bedächtigern und unterrichteten Minifter, daß der Gedanke an die unermeßlichen Hülfsmittel der Britten, denen der ganze Welthandel angehört, daß die richtige Würdigung der Anstrengungen, zu welchen Noth und Verzweiflung die Völker führen mußten, ihn von der Nichtigkeit solcher Pläne hätten überzeugen sollen! doch wohin kann nicht Stolz und Übermuth einen von seinem Glück berauschten Fürsten führen?

Seit dem Frieden von Tilsit, in welchem Rußland, in der Hoffnung, daß bald ein allgemeiner Friede zu Stande kommen würde, die Verpflichtung eingegangen war, alle Verhältnisse mit England abzubrechen und seine Häven den brittischen Schiffen zu verschliessen, hatte Napoleon, mit der Willkühr eines unumschränkten Herrschers neue Theile von Deutschland abgerissen und sie dem französischen Reiche einverleibt. Ohne Unterhandlung oder Verabredung mit den übrigen Mächten, hatte er sich der, von ihm selbst anerkannten, freyen Hansestädte und des Fürstenthums Oldenburg, deffen Herzog ein Mitglied des Rheinbundes war, bemächtigt, von dem Königreich Westphalen, das er selbst geschaffen und seinem Bruder gegeben, einen großen Theil wieder abgeriffen, und indem er alle diese Besihungen für französisches Gebieth erklärte, die Gränzen seines Reichs bis an die Ostsee ausgedehnt.

Rußland hatte Vorstellungen dagegen gemacht, die nicht gehört wurden. Bey solchem Verfahren mußte der Kaiser Alexander erwarten, daß Napoleon bald noch einen Schritt weiter gehen, sich Meklenburgs, Pommerns, der preußischen Ostseeküsten und Häven bemächtigen, und so sein Reich bis an die russischen Gränzen ausdehnen würde, die ohnehin schon durch die Errich

tung des Großherzogthums Warschau, durch die militärische Beseßung Danzigs, und die vertragswidrige Zurückbehaltung der preußischen Festungen an der Oder, bedroht waren.

Gründe, gerechte Gründe genug zum Kriege für eine große Macht waren vorhanden, die ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit bedroht sah. Unterhandlungen waren fruchtlos geblieben, denn die von Rußland geforderte Bedingung, daß Preußen zuvor gänzlich gea räumt werden, und die französischen Heere sich hinter die Elbe zurückziehen sollten, wurde von Napoleon, als beleidigend für seine Ehre, stolz verworfen. Keine Entscheidung blieb also übrig als durch die Waffen. Das Schwert mußte entscheiden, ob die Universal-Monarchie auf dem festen Lande Europens sich begründen, oder ob die Unabhängigkeit der Völker bestehen sollte. Wurde Rußland besiegt, so waren die Nationen von Lissabon bis Archangel Sklaven, Werkzeuge der Willkühr des übermüthigen Eroberers. Alle übrigen Regenten, außer Englands König, waren besiegt und zur Nachgiebigkeit gezwungen, alle übrigen Heere was ren niedergeworfen, nur das russische Heer vertheidigte noch das Palladium der Freyheit von Europa.

Der Kampf begann. Napoleon hatte am 9. May St. Cloud verlassen, war am 13. über den Rhein, und am 6. Junius über die Weichsel gegangen. Aus seinem Hauptquartier Wilkowisky erließ er folgenden Aufruf an die Armee:

»Soldaten! der zweyte pohlnische Krieg hat begon»nen! Der erste ward zu Friedland und Tilsit beendigt. »In Tilsit schwur Rußland ewiges Bündniß mit Frank»reich und England Krieg. Es bricht jest seine Schwü

»re! Es will sich über sein sonderbares Betragen auf »keine Weise eher erklären, bis sich die französischen Adler »über den Rhein zurückgezogen, und so unsere Bundes»genossen seiner Willkühr Preis gegeben haben. Ein un»vermeidliches Geschick reißt Rußland mit sich fort! Es >>kann seinem Schicksal nicht entrinnen. Sollte es wohl »glauben, wir sehen aus der Ärt geschlagen? Es läßt »uns die Wahl zwischen Entehrung und Krieg; sie kann »nicht zweifelhaft seyn. Vorwärts also, vorwärts über »den Niemen! Laßt uns den Krieg auf sein Gebiet verseßen. Der zweyte pohlnische Krieg wird für Frankreichs »Waffen glorreich wie der erste seyn; aber der Friede, »den wir schließen werden, wird seine Bürgschaft mit »sich führen, und dem unseeligen Einfluß, den Rußland »seit fünfzig Jahren auf die europäischen Angelegenheis »ten ausübte, ein Ziel seßen.<<

Eine ähnliche stolze Sprache hatte Napoleon in allen frühern Kriegen gegen Oesterreich und Preußen geführt; das Glück hatte sie in Erfüllung gehen lassen. Schwindelnd von diesem Glück, vergaß er, welch ein Schicksal ein Jahrhundert früher Karl XII. bey seinem Vordringen in Rußland gehabt hatte. Stolz auf sein Feldherrntalent, auf seine Siege, vertrauend auf die Gewandtheit, Tapferkeit und blinde Hingebung seiner Heere, glaubte er sich als den Vollstrecker des Schicksals betrachten zu dürfen, und sprach (im zweyten Bülletin ) die merkwürdigen Worte: »Die Besiegten nehmen den »Ton eines Siegers an. Das Verhängniß reißt sie hin; vihr Schicksal gehe in Erfüllung.<<

Ja! das Verhängniß waltete; aber nicht gegen den, der die Rechte seiner Völker, die Unabhängigkeit seines Landes, und mittelbar die Selbstständigkeit und Frey= heit von ganz Europa vertheidigte, sondern gegen den

« ZurückWeiter »