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und verwandelte die Niederlage, die der Marschall Gouvion St. Cyr bey Polozk`erlitten, in einen entfcheidenden Sieg. Endlich erschien das merkwürdige 29te Bülletin, ein seltenes Blatt in der Geschichte, wie französische Lobredner es nannten, am 3. December in Molodetschno geschrieben. Es öffnete auch den verblendetsten Anhängern Napoleons die Augen.

Zwar rühmte auch dieses noch die angeblichen Siege, selbst an der Berezina, aber die gänzliche AufLösung und Vernichtung der Armec wurde darin eins gestanden. Das furchtbare Gemählde der gräßlichen Leis den und Qualen, welche der Vernichtung dieses ges waltigen Heeres vorausgingen, wurde darin verschleyert. Nur aus den Berichten der Ruffen, aus den Aussagen der Entkommenen, aus den Erzählungen der Ein wohner jener Gegenden, durch welche der Rückzüg ging, ließe sich ein treues Bild des nahmenlosen Elendes der Unglücklichen entwerfen, die der ungemessene Ehrgeiz eines Mannes dem Verderben geweiht hatte. Jedes menschliche Herz müßte davon mit Schauder ers füllt werden, denn das Schwert der Sieger, im Verein mit Hunger, Frost, Hirnbrand und andern Seuchen, raffte binnen wenigen Wochen einige Hunderts tausende hinweg.

Nach allen militärischen Berechnungen hätte Nas poleon selbst gefangen werden müssen. Doch sein oft erprobtes Glück hatte ihn auch hier nicht verlassen; er entkam glücklich, verließ am 5. December die Armee, und langte am 18. zu Paris an. Die Möglichkeit der Rückkehr verdankte er unstreitig den überre ften des von Dudinot befehligten, und des 9ten Corps unter dem Marschall Victor, die von der Dúna her sich mit dem Rest des großen Heeres vereinigt hatten.”

Vor allen zeichneten sich durch Tapferkeit und Ausdauer die braven Schweizer und Bayern aus. Ohne fie wäre der Übergang über die Berezina nicht mög= lich geworden, und ohne die unerschrockene Führung des Nachtrabs unter Graf von Wrede hätten schwerlich die Überreste der Armee den Niemen erreicht.

Napoleon hatte den Oberbefehl über die Trümmer seines Heeres dem König von Neapel übergeben. Dieser suchte dieselben in den festen Stellungen an der Weichsel wieder aufzustellen. Nach großen Verlusten hatte er Wilna verlassen, war über den Niemen zurückgegangen, und befahl nun auch den Rückzug des zehnten Armee-Corps unter Marschall Macdonald, das während des Feldzuges Curland beseßt gehalten hatte und bis vor Riga gedrungen war. Bey diesem Corps standen die preußischen Hülfstruppen unter dem General von Vork.

Jeßt aber traten die merkwürdigen Ereignisse ein, welche beweisen, daß zwey Mächte, die bisher als Verbündete auf Frankreichs Seite gestanden, und durch seine' drohende Übermacht gezwungen, Hülfsvölker gegeben hatten, nicht länger diesen ungerechten und ver derblichen Krieg fortseßen wollten.

Den ersten Beweis davon gab die Capitulation, welche der General von Vork am 30. December 1812 mit den russischen Befehlshabern in der Mühle von Poschernu abschloß. Nach derselben trennten sich die preußischen Truppen, welche den Nachtrab des Macs donaldschen Corps gebildet hatten, von der franzőfischen Armee, und stellten sich, als ein neutrales Corps, in dem Theile von Ostpreußen auf, der durch den Rückzug der französischen Armee in die Gewalt der Russen gekommen war. Frankreich nannte diese

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Handlung entehrenden Verrath, der König von Preus ßen, dessen Residenz noch vom eilften Armee-Corps unter dem Marschall Augereau, besetzt war, deffen Staaten größtentheils noch in der Gewalt der Franzosen sich befanden, mißbilligte sie öffentlich. Doch die Folge lehrte, daß der General von Vork nicht eigenmächtig verfahren war, nicht feine Pflicht verlegt hatte. Ohne den Schritt, den er that, wären die preußischen Truppen zur Deckung der eilig fliehenden Fran= zosen ausgeopfert worden, da sie ringsum von Russen umgeben waren.

Der Rückzug der Franzosen, und das Vorrücken der Russen bis an die untere Weichsel, und über diese hinaus, geschah in großer Schnelle.

Ein Tagsbefehl des Fürsten von Neufchatel vom 20. December wies den zersprengten Truppen der ver schiedenen Corps die Festungen und Städte an der Weichsel zu Sammelplägen an. Nur der Stab und die drey Divisionen Heudelet, Marchant und Claparede sollten in Königsberg bleiben. Aber schon am 1. Januar wurde Königsberg vom König von Neapel verlassen, und am 4. auch vom Marschall Macdonald, der sich mit dem Nachtrabe unter Ner vereinigt hatte, geräumt. Der russische Vortrab des Grafen von Wittgenstein rückte schon am 5. in der Nacht daselbst ein.

Am 10. Januar war das französische Hauptquar= tier bereits bis Posen zurück verlegt. Der König von Neapel übergab dort den Befehl über die Armee dem Vicekönig von Italien, und eilte mit geschwächter Gesundheit nach Italien zurück. Der Vicekönig suchte die Überreste der verschiedenen Armee-Corps hier zu sammeln und wieder zu organisiren. Es gelang ihm eine nicht ganz unbedeutende Macht zusammenzubringen.

Jedoch wurde die französische Division, die neben den Preußen das 1ote Corps gebildet hatte, nach Danzig hineingeworfen, um die Besaßung dieser wichtigen Festung zu verstärken. Seit dem Rückzuge vom. Niemen und von Königsberg hatten mehrere bedeutende Ge fechte, bey Tapiau, Mehlsack, Bromberg und in der Gegend von Danzig den französischen Truppen noch bedeutenden Verlust verursacht.

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Indessen die große französische Armee die erwähn= ten Unfälle erlitten hatte, war das österreichische Hülfs= Corps und das 7te Armee-Corps, aus den Sachsen und der Division Dürütte bestehend, von ihr ganz abe gesondert gewesen. Als Napoleon gegen die Dúna, und später nach Moskwa vordrang, hatte er bem Prinzen von Schwarzenberg, der auch den Oberbefehl über das 7te, von General Reynier geführte Corps erhalten hatte, den Auftrag gegeben, das Großherzogthum Warschau gegen die Armee des General Tormassow, mit welcher sich später auch die aus der Moldau kommende Donau-Armee vereinigte, zu beschüßen. Zugleich sollte er Napoleons Heer gegen Unternehmungen in seinem Rücken sicher stellen. Die Sachsen hatten bey mehreren sehr hißigen Gefechten schwere Verluste erlitten, überall aber Muth und Ausdauer bewiesen. Das öfterreichische Corps hatte, um seinen Auftrag zu erfüllen, sehr beschwerliche Märsche gemacht und im August, nach eis nem hißigen Treffen, den General Tormassow bis Luzk in Vollhynien zurückgedrängt. Als aber der Admiral Tschitschagoff die Donau-Armee herbeygeführt, diese mit Tormassows Corps vereinigt, und den Befehl über beyde übernommen hatte, konnte der Prinz von Schwarzenberg nicht verhindern, daß derselbe im November nach Minsk vordrang, indem ein Theil seiner Macht

unter dem General Sacken feine Bewegungen aufhielt. Wäre es dem Admiral Tschitschagoff möglich gewesen, seine Vereinigung von Minsk aus früh und vollkommen genug mit der Armee des Grafen von Wittgenstein zu bewirken, so würde der Feldzug von 1812 wahrschein= lich noch viel größere Folgen gehabt haben. Denn der Übergang des französischen. Heeres über die Berezina und Napoleons Rückkehr wäre fast unmöglich gewesen!

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Der Fürst von Schwarzenberg war mit seinem Corps bis Slonim vorgerückt gewesen, wurde aber durch den Angriff des Sackenschen Corps in seinem Rücken genöthigt zurückzugehn. Die Nachrichten von der rückgängigen Bewegung der großen Armée, von der Räumung von Wilna und Slonim, bestimmten ihn nach Bialystock sich zu wenden. General Reynier kam mit seinen Truppen am 9. Januar in Warschau an. Im Januar standen die Österreicher bey Pultusk. Um 7. Februar wurde Warschau, nach einer abgeschlossenen Convention, von den östreichischen Truppen geräumt, und an demselben Tage noch von den Rüffen beseßt. Die Sachsen unter Reynier zogen sich nach Kalisch zurück, das östreichische Corps aber, von dem der F. M. L. Frimont, nach Abgang des Prinzen von Schwarzenberg, den O berbefehl erhielt, ging nach Gallizien. Seitdem über die Convention, die Räumung Warschau's betreffend, unterhandelt wurde, hatten keine Feindseligkeiten zwischen den Russen und Österreichern mehr Statt gefunden. Bey unbefangnen Beobachtern mußte auch dieses Verhältniß Hoffnungen erregen, die später in Erfüllung gingen.

Nach der Vernichtung und Flucht der großen französischen Armee hatten die sämmtlichen russischen Heere unter Kutusow, Wittgenstein und Tschitschagoff

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