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Die vielfachen Reibungen und Zusammenstöße, welche bald genug das Doppelwachtsystem der beiden Großmächte mit sich führte, bilden eine Geschichte für sich. Wir sehen die Einigkeit immer mehr schwinden. Schon 1865 droht der Conflict in offenen Bruch überzugehen, da legen sich die Blätter darüber hin, welche den Gasteiner Vertrag enthalten, aber sie sind lose und leicht aufeinandergeschichtet, der Hauch der Zwietracht weht sie hinweg, und schon im Januar des folgenden Jahres erklärt Graf Bismarck : „Preußen behält sich die Freiheit seiner Entschließungen und Verbindungen nach andern Seiten hin, mit Rücksicht auf seine Interessen, vor, falls Desterreich in der SchleswigHolsteinischen Angelegenheit nicht Hand in Hand mit Preußen gehen will.“

Während sich so im Norden Europa's der Zündstoff für einen großen Brand häufte, blickte Desterreich mit Besorgniß auf den Süden. Italien, der Todfeind, der oft genug niedergeworfene, aber nicht erdrückte Gegner, regte sich von Neuem. Daß die Actionspartei Italiens den richtigen Augenblick gekommen sah, ihre glühenden Wünsche: Losreißung von Desterreich, erfüllt zu wissen, sobald Preußen und Desterreich sich im Kriege einander entgegenstanden, ist dem Unbefangensten klar. Eine andere Frage ist es ob Desterreich zu jener Zeit, im Januar 1866, bereits ein Bündniß Italiens mit Preußen voraussetzen durfte? Man scheint im österreichischen Cabinet diese Frage bejaht zu haben, denn seit der Erklärung des Grafen Bismarck, welcher eine Conseilsigung, unter dem Vorsiße des Königs zu Berlin am 28. Februar gehalten, noch größeren Nachdruck zu geben schien, folgen die Verwicklungen einander mit Blizesschnelle, bis sie endlich durch das Schwert gelöst werden.

Am 10. März traten zu Wien die in Kriegs-Angelegenheiten maßgebenden Persönlichkeiten zur Berathung zusammen. Noch waren die Stimmen getheilt. Die Kriegspartei drängte zum raschen Handeln, und um ihren Plan besser unterstützt zu sehen, jede Einwendung unmöglich zu machen, die Schwankenden zu befestigen, die Verzagten zu ermuthigen, hatte man aus Italien einen Mann in diesen Kriegsrath berufen, auf dessen Energie, Erfahrung und Glück die meisten Oesterreicher vertrauten. Es war der Feldzeugmeister Benedek, dessen Namen die Schlachtfelder Ungarns und Italiens zu einer Berühmtheit erhoben hatten. Besonders glänzte in dem Ruhmesdiademe des Feldzeugmeisters der Tag von Solferino, wo er, den rechten Flügel der österreichischen Armee commandirend, die Angriffe der Piemontesen bei San Martino sehr geschickt und glücklich vereitelte.

Der Wiener Kriegsrath stellte den Feldzug gegen Italien und Preußen zugleich als Grundlage seiner Verhandlungen hin.

Wenn in der Geschichte ein fortwährendes Wiederkehren der Verhältnisse, Personen und Begebenheiten dem denkenden Beschauer leicht erkennbar wird, wenn er bald darüber nicht mehr im Zweifel sein kann, daß, nur unter anderen Namen und Dimen

sionen, die Ereignisse stets so wieder auf der Oberfläche erscheinen, wie sie vor Menschenaltern einst vorüberzogen an den Blicken unserer Ahnen, dann muß es desto unbegreiflicher erscheinen, daß die Staatsmänner Desterreichs aus der Vergangenheit und deren Lehren so wenig Nußen für Gegenwart und Zukunft gezogen haben.

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In der That hat Desterreich stets dieselben Fehler begangen, und unter diesen steht einer obenan, es ist die schon oft bestrafte „Geringschäßung des Feindes." Man werfe nur einen Blick auf die Geschichte der Kriege seit dem unheilvollsten Ausbruche, dem dreißigjährigen Kampfe, der Deutschland verwüstete. Als Gustav Adolf's Landung in Wien bekannt wurde, sagte der Kaiser Ferdinand: Hoaben halt a kloans Feindli weiter kriegt,“ und als der Heldenkönig reißend schnell vorwärts drang, wollte der Kaiser an die Erfolge gar nicht glauben. Er feierte den Tod Gustav Adolf's durch ein Te Deum und ließ den größten seiner eigenen Feldherren, Wallenstein, ermorden, weil er ihm zu hoch gestiegen und scheinbar überflüssig war. Geringschäßend blickte Leopold der Erste auf die Türken so lange, bis sie vor Wien standen und der flüchtende Kaiser bei seinem Einsteigen in den Wagen, der ihn aus der bedrohten Stadt führen sollte, von einem Bauersmann die ziemlich unehrerbietigen Worte hören mußte: „Großprahlerischer Leupold, jetzt kannst Du nix Besseres thun, als ausreißen." In den Kriegen gegen Ludwig XIV. offenbart sich dieselbe Sorglosigkeit, die nur durch einen Mann, wie es Prinz Eugen eben war, den die Geringschätzung Ludwig's in das kaiserliche Lager getrieben hatte, gut gemacht werden konnte. Kurfürst Friedrich Wilhelm der Große hing mit seltener Gewissenhaftigkeit dem Kaiser an, den er als seinen höchsten Herrn betrachtete, und daher war das Verhältniß ein leidliches, aber es läßt sich nicht allzu schwer beweisen, daß eine vollständige Unterschätzung der in Preußen schlummernden Kräfte den Kaiser bewog, seine Zustimmung für die Umwandlung des Kurhutes Brandenburg in die preußische Königskrone zu geben.

Bedarf es noch der Erwähnung der vielfachen Unbill, welche Friedrich Wilhelm I. durch Oesterreich erlitt? Wer kennt nicht das Wort des Vaters, der, gereizt durch neue Angriffe, in prophetischer Anwandlung die Schulter des großen Sohnes Friedrichs II. berührend, ausrief: „Hier steht Einer, der mich rächen wird.“ Nun endlich dieser Rächer? Der „Markgraf von Brandenburg" mit der „Potsdamer Wachtparade", der Flötenbläser und wie alle die sonderbaren Benennungen heißen, mit denen der große König in den Kreisen der Wiener Hofburg geehrt wurde der König, von dem die Tonangeber in der Kaiserstadt behaupteten: „Er dürfe nicht ein Land verlangen, denn es komme ihm nur zu, als Reichs-Erzkämmerer dem Kaiser das Waschbecken zu halten. - Als aber die preußischen Husaren im Jahre 1742 dicht an Wiens Thore streiften, da wurden die Herren doch andern Glaubens, und der Zankapfel Schlesien blieb in den Händen der „Potsdamer Wachtparade“ und ihres „Commandeurs.“

Ganz dieselbe Geringschäßung war während der Kriege gegen die französische Revolutions-Armee vorherrschend, die in den Mainzer Kalendern schon vor Beginn des Feldzuges von der kaiserlichen Armee verspeist wurde; derselbe Dünkel Napoleon gegenüber.

Dieser Hochmuth begleitete die Lenker des Staates auf ihren Wegen durch die Irrgärten der Diplomatie und wurde nicht verbannt, als auch die ungarische Bewegung für Desterreich höchst gefahrvoll zu werden drohte, bis russische Hülfe den wankenden Thron stüßte.

In gleicher Weise stolz urtheilte man über den Ausgang des französisch-italienischen Krieges, und als am zehnten März 1866 die Berathungen begannen, zweifelten die maßgebenden Herren wiederum keinen Augenblick, daß Oesterreich den beiden Gegnern Preußen und Italien, vollständig gewachsen sei, zumal da man auf den energischen Beistand der Reichsarmee zählen durfte. In Italien so wurde beschlossen sollte nur eine Defensivstellung innerhalb des Festungs-Vierecks genommen werden. Man fürchtete die italienische Armee durchaus nicht, und mit der preußischen glaubte man schnell fertig werden zu können. Welch' eine Menge von Berechnungen, nach denen Preußen unmöglich mit imposanter Macht in das Felt rücken konnte! welch' eine künst= liche Selbsttäuschung über den eigenen Zustand! welch ein blindes Vertrauen auf die Hülfe der Bundesarmeen!

Bis hierher hatte Preußen sich in vollständig abwartender Stellung befunden. Es hatte den Versicherungen Desterreichs noch Glauben geschenkt, dessen Vorschlag: „bis zum 25. April abrüsten zu wollen," nur eine Falle für Preußen sein sollte, denn man ersah aus den scheinbar gegen Italien vorgenommenen Rüstungen, daß es sich im entscheidenden Augenblicke doch nur um ein Vorgehen gegen Preußen handeln werde. Die Schienenwege, welche Desterreich nach allen Richtungen durchkreuzen, konnten mit Leichtigkeit von Italien aus bis zur böhmischen Gränze die kriegsgerüsteten Truppen . des Kaiserstaates den Preußen entgegenführen.

Da taucht eine neue, seltsame Erscheinung am politischen Himmel auf. In Bamberg bildet sich eine Conföderation? Neun Staaten tagen dort. — Eine Coalition gegen Preußen ist vorhanden — allmälig tritt eine größere Rührigkeit bei den Rüstungen der Mittelstaaten hervor, und Ende März ruft König Wilhelm die Verstärkungen seiner Armee zusammen. Doch ist das Heer nur auf eine erhöhte Friedensstärke gebracht sieben Festungen sind armirt.

Noch immer zaudert der edle König. Er hofft, die Besonnenheit werde zurückkehren. Der ersehnte 25. April erscheint — Desterreichs Abrüstung ist nicht vollzogen worden, und in den Mittelstaaten betreibt man die Vorbereitungen zum Kriege zwar unter dem Schleier des Geheimnisses, aber mit desto größerem Eifer.

Von nun an jagen sich die Begebenheiten. Unruhiges Gebahren in den Kanzleien, erhöhte Thätigkeiten in den Kriegs-Werkstätten, Kopfschütteln der Hofbeamten, Notenwechsel und Reisen der Diplomaten, Verhandlungen zwischen den neutralen Mächten

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Noch ein Mal scheint
Frankreich, England

aber ungestört durch dieses Getreibe die Formirung der Armeen auf den äußersten Fall hin. Endlich spricht König Wilhelm das Wort aus: „Meine Armee soll mobil sein!" und sie wird es. Am 6. und 7. Mai ertönte dieser königliche Ruf und in kaum 14 Tagen stehen 490,000 preußische Männer in Waffen da. es, als könne der eherne Tritt der Kriegsfurie gehemmt werden. und Rußland bereiten den Congreß vor. - Desterreich, Preußen und Italien sollen eingeladen werden, am grünen Tisch des Conferenzsaales mit der Feder in der Hand den Streit zu schlichten. Italien und Preußen erklären sich bereit, dem Rufe zu folgen aber Desterreich vereitelt die Bemühungen, es will das Schwert nicht wieder in die Scheide stoßen, und gleichsam als Antwort auf die friedlichen Vorschläge erscheint ein Armeebefehl Benedek's, bereits datirt vom 12. Mai 1866 aus Wien, in welchem der Feldzeugmeister der Armee Desterreichs fund thut:

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Die Preußen antworteten darauf mit der Concentration ihrer Armeen, und gegen Ende Mai standen die nöthigen Heeresmassen bereits an den Landesgränzen. Alle ihre Bewegungen waren trefflich geleitet und herrlich von Statten gegangen. Ein Musterbild von Präcision, Ordnung, Willfährigkeit und Schnelligkeit hatte diese ausziehende Armee geliefert.

Zweites Kapitel.

Bundessizung vom 1. Juni zu Frankfurt a. M. Oesterreich bringt die schleswig-holsteinische Frage an den Bund. Befehl zur Einberufung der Stände an Gablenz. Protest Preußens. Einrücken Manteuffel's in Holstein. Rückzug des Gablenz’schen Corps. Kriegsrath in Berlin. Aufregung in Frankfurt und Antrag Desterreichs auf Erecution des Bundes gegen Preußen. Abstimmung. Bedenkzeit von 24 Stunden für Sachsen, Kurhessen und Hannover. Abweisung der Vorschläge durch die drei Staaten. Der 15. Juni. Stimmung in Preußen, in Berlin.

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nter so ernsten Anzeichen und Vorbereitungen ging man dem Junimonat des
Jahres entgegen. Der erste Tag dieses Monats sollte schon verhängnißvoll
werden.

In der Bundestagssißung zu Frankfurt erhob sich der Vertreter Oesterreichs, und indem er die Lösung der schleswig-Holsteinischen Frage der Entscheidung des Bundes übergab, zerriß er im Namen seiner Regierung den Vertrag von Gastein und streute dessen Feßen auf die Situngstafel. -Ein Moment bangen Schweigens und ängstlicher Besorgniß trat heran. Die Mitglieder der Bundesversammlung mußten sich sagen, daß diesem Gewaltschritte die übrigen folgen würden, daß aber auch der Angegriffene, Preußen, nicht die Hände in den Schooß legen, sondern den Bruch eines auf gegenseitiges Vertrauen geschlossenen Vertrages nicht ungeahndet lassen werde.

Vielleicht hat die Langmuth Preußens seine Gegner kühn gemacht zu ihrem eigenen Verderben, denn da der Vertreter preußischer Rechte beim Bundestage sich begnügte, gegen den Vertragsbruch Oesterreichs nur eine feierliche Verwahrung einzulegen, glaubte man ohne Zweifel, die Angelegenheit, welche die Schicksale ganzer Völkerstämme in sich schloß, werde durch einige, von den bereits aufgepflanzten österreichischen Bajonnetten unterstüßte diplomatische Schachzüge geordnet werden. Man sah den Tag von Olmüz sich wiederholen. Desterreich handelte jegt ziemlich energisch. Fast zugleich mit dem Antrage, die Herzogthümerfrage durch den Bund entscheiden zu lassen, ging an den Statthalter Desterreichs in Holstein, den Feldmarschalllieutenant von Gablenz, der Befehl ab: Auf den 11. Juni die holsteinischen Stände nach Itzehoe zu berufen, damit die Stimmen der Bevölkerung über das zukünftige Geschick des Landes entscheiden sollten.

Offener Bruch war also vorhanden. Dem Wiener Frieden von 1864, dem Vertrage von Gastein zuwider, hatte Desterreich eigenmächtig gehandelt, hatte den Mitbesizer und Mithelfer, den anderen Souverain, Preußen, bei Seite geschoben, ihm nicht

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