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Umbraust vom Donner der Schlacht, zwischen den Irennenden Gehöften haltend, blickt Moltke in die vom Dampf der Geschütze erfüllte Gegend. Er weiß, daß von dorther die Entscheidung kommen wird, kommen muß. Für ihn giebt es keinen Zweifel an dem Gelingen des großen Werkes mehr. Seine Augen auf den kleinen Plan richtend, den

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er in den Händen hält, dann wieder in die Ferne schauend, zählt er die Sefunden ab, die nach dem Kalkül des großen Rechners verrinnen, bis der Kronprinz mit den Seinen in das Gefecht eingreifen wird.

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einen Moment schiebe dich auseinander, du Höhenzug mit den grünen Kuppen und waldigen Abhängen dort unten links von der Stelle, wo im Feuer die 7. Division ausharrt, ein Blick nur um zu erkennen, ob die ersehnte Hülfe der II. Armee herannaht. Umsonst die Berge wanken noch nicht, wenn auch die Muthigsten in den beiden kämpfenden Armeen vor Anstrengung, Erwartung und Erschöpfung ein leichtes Zittern beschleicht; die Natur hüllt den Himmel in düster graue Farbe, und die Kraft der Gläser, mit denen die Officiere das Herannahen der Hülfe beobachten wollen, ist gebrochen. Seit dem frühen Morgen im Feuer, hat die Armee unter dem Kugelschauer des Feindes ihr Brod gegessen die Sorge um das Gelingen des Tagewerkes vertreibt jede Anforderung der Natur, sie macht nur die Kehlen trocken und

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jagt fieberhaft schnell das Blut durch die Adern.

„Noch keine Nachricht ob der Kronprinz da ist?" so fliegt die Frage von Bataillon zu Bataillon. „Keine!" die ausgesendeten Adjutanten sind noch nicht zurück, die Truppen müssen also nicht nahe bei den Kämpfenden sein. „So müssen wir noch ausharren,“ sagen die braven Leute, und „Feuer!" heißt es in den Batterien, „Feuer!“ in den Reihen der Infanterie aber schon wird der Geschüßdonner schwächer, ja es ist so, die Ermattung muß beginnen, Uebermenschliches ist geleistet — der Feind hat droben in seinen Stellungen nicht zu weichen, nicht wieder vorzugehen brauchen er feuert ohne Unterlaß. Nur Herwarth dringt vores ist ein Pulsschlag, ein Zeichen des Gelingens. Die Reserven sind bereits in den Kampf gezogen. Es ist nahe halb zwei Uhr, Tausende von Todten und Verwundeten decken den Boden, und keiner der Kämpfenden hat dem Andern ein Stück dieses Bodens abgerungen; verbissen in den Kampf, gleich wüthenden Löwen sich gegenseitig die Tazen in das Fleisch hauend, ringen die Armeen mit einander.

Zuweilen stürmt ein Bataillon mit dem rasenden Muthe, der die Schranken durchbrechen will, in den Feind, dann kommt es zerschossen, dem Tode reichliche Beute hinterlassent, wieder heraus. Ein solches naht dort ohne Officiere, nur ein. Feldwebel

führt es.

„Wohin?" donnert ihm eine Stimme entgegen. Es ist der König, der inmitten der gegeneinander arbeitenden Feuerlinie hält.

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Alle Officiere verloren! kein Widerstand mehr möglich, Majestät!" lautet die Antwort.

Der König erkundigt sich schnell. Alle Officiere sind todt oder auf dem Verbandplate.

Der Herr von Preußen steigt aus dem Sattel.

"Front!" kommandirt er. Mit diesem Worte kehrt der Muth zurück. Das Bataillon rangirt der König selbst. Vordermann wird genommen, und dann schickt

er es zurück in die Gefechtslinie.

Ein Trainknecht schneidet dort am Karren Brod.

Hast Du nichts zu essen?"

fragt der König den Reitknecht, der hinter ihm sich befindet. Der König ist seit halb fünf Uhr im Sattel, er hat keinen Bissen im Munde gehabt; die Soldaten haben doch ein wenig Brod verschlungen.

„Majestät, ich habe nur eine Feldflasche mit Wein bei mir.“ - „Gieb mir einen Becher und frage den Mann dort am Karren, ob er mir ein Stück Brod geben will.“ Ein Stück Brod ist viel in solchem Augenblicke. Der Reitknecht bringt das Brod, er schenkt dem Könige Wein in den Becher, und das Brod in den Wein tauchend, reitet der König einige Schritte weiter. Es hat ihn gewiß gelabt. Er aß das Brod am Tage von Königgrät wenn auch nicht mit Thränen, doch sicher mit

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schweren Sorgen. „Hast Du Geld bei Dir, so gieb dem Mann einen Thaler,“ sagt der König und wendet sein Antlig dem Toben des Gefechtes zu.

In diesem Augenblicke erscheint drüben in den Reihen der Feinde auf dem rechten Flügel der Generalfeldzeugmeister Benedek. Er weiß schon mehr als die Preußen. Eine Ordonnanz berichtet ihm, daß preußische Truppen gegen den rechten Flügel der Kaiserlichen avanciren. Benedek beordert den Prinzen von Holstein, mit der Reserve-Kavallerie sich bereit zu halten. Er ist voller Gelassenheit, sein scharfes Gesicht zeigt vollständige Ruhe. Mit Hurrah begrüßen ihn die Truppen; seit dem Beginne des Feldzuges ist es heut' das erste Mal, daß nach fast fünfftündigem Kampfe die Preußen noch nicht vorgedrungen sind.

Eine wilde Schaar von Ungarn und Serben umringt den gefeierten Feldherrn, den man noch immer für den sicheren Helfer ansieht.

„Keine Batterie wird fortgezogen! Es dauert noch kurze Zeit

dann werde ich

sie alle brauchen," sagt der Feldherr, eine Bewegung im Sattel machend und leicht die Cigarre aus dem Munde seines Adjutanten nehmend, um sich die seinige wieder damit anzuzünden.

Diese Ruhe kann nicht gemacht sein. Der Feldherr muß die Gewißheit des Sieges haben. Da fallen mit jauchzendem Rufe die Instrumente ein, sie spielen das „Gott erhalte Franz den Kaiser“; die Hüte der Jäger wirbeln mit ihren Hahnenfedern in die Luft, „Hurrah für Benedek!" Der Sieg wird heut' errungen sein, ehe die Nacht hereinbricht, „Hurrah! Hurrah!“

Aber eine leichte Wolke zicht über des Feldherrn eiserne Gesichtszüge. „Wartet -wartet bis morgen, Kinder; jetzt noch nicht — noch nicht," sagt er, und reitet im Galopp von dannen; hat ihn die Verzweiflung jetzt schon erfaßt? sieht er, was dort herandringt aus der Ferne gegen seine Bataillone und Batterien?

Auf preußischer Seite geht die Brigade Schimmelmann mit geschlossenen Gliedern über die Bistrit. Es ist ein viertel auf zwei Uhr. Der König Wilhelm befindet sich mit seinem Stabe wieder auf den Höhen von Chlum.

Da wird sein Blick plötzlich freier, der Ernst seiner Züge mildert sich, — Alles folgt den Bewegungen des Königs die Fernröhre an das Auge gedrückt, nach links ge=

richtet ja

ja, dort hinten bei Horzenowes, Maslowed, die im Rauch der Geschüße und des Brandes liegen, geht Etwas vor. Keine Täuschung? nein dort über dem Rücken der Höhen schweben kleine Wolken — es ist Nebel - nein, von unsichtbarer Gewalt emporgeschnellt schießt ein neues Wölkchen auf wieder eines und dann folgen schnell hintereinander mehrere.

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Das ist Geschützdampf - dort feuert man, daß sind preußische Geschüße

Kronprinz der Kronprinz! oh

-

der

es ist ein großer, erhabener Moment, gleich

denen, welche die gewaltigsten Ereignisse mit sich führten; gleich dem Rufe „Land! Land!", welcher einst den großen Entdecker nach gefahrvoller Fahrt über den Ocean entzückte, so pflanzt sich jezt der Ruf: „Der Kronprinz ist da!" wie eine mit rasender Schnelligkeit laufende Flamme von Glied zu Glied fort. Die Ermattung ist vergessen, die Wunden brennen nicht, die alte Kraft durchströmt die Glieder all' der Tausende, die dort unten im heißen Kampfe stehen und den Boden rings um sich mit Geschossen des Feindes pflastern sehen.

Nicht umsonst ist gekämpft worden, die riesigen Opfer sind nicht vergeblich gebracht; das Preußen des großen Kurfürsten, des großen Friedrich wird nicht unterliegen am Tage des 3. Juli — denn nun sagt sich Jedermann: „Die Schlacht wird gewonnen sein, noch ehe die Nacht anbricht."

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„Der Kronprinz ist da!" so jubelt es auf dem linken Flügel bei Benatek, wo die Division Fransecky in gefahrvoller Lage sich befindet.

„Vorwärts!“ das Schnellfeuer hat schon gegen die feindlichen Reiter gewüthet — jezt sieht man ein Regiment an der Lisière des Sadowaer Waldes hervorbrechen es steht im Feuer der Batterie von Chlum — es ist ein Garde-Regiment!

„Der Kronprinz ist da!" so schallt es auf der rechten Flanke der I. Armee. Die Bataillone wiederholen diesen Ruf. Die Generale rangiren ihre Treffen, denn es wird nicht lange währen und der große Sturm beginnt nach stundenlangem Warten in einem Höllenfeuer.

Vom rechten Flügel her hat man seit einer Stunde die Veränderungen am Feuer des Feindes bemerkt die Richtung der Geschüße wird anders, zuweilen wendet der Feind seine Kanonen nach Norden. Das 2. Armeecorps durchzuckte die Kampfeslust mit elektrischen Schlägen. Hurrah! Hurrah! donnert es durch die Reihen. Schon wird auf den gegenüberliegenden Höhen das feindliche Feuer schwächer. „Geschütz heran, so viel zu haben ist!" ruft General Kamecke, „jezt geht es vorwärts!"

Die langen Reihen schütteln sich in ihren Waffen, wohin man sieht, fieberhafte Bewegung, Gedränge und dann ein Zucken in den Gliedern der Bataillone, Ordonnanzen fliegen über das Feld, Wagenkolonnen rasseln.

Ein Reiter jagt die Chaussee nach Sadowa hinunter, die weiter hinten Stehenden wissen das große Ereigniß noch nicht. „Der Kronprinz ist da!" ruft der Reiter den Schaaren zu. Ein ungeheurer Freudenruf pflanzt sich von Peloton zu Peloton. Der Reiter ist Lieutenant von Pelet. Die Verwundeten erheben sich, alle Schwachen belebt dieser Ruf keiner will zurückbleiben.

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Immer schärfer wird das Gefecht im rechten Flügel des Feindes. „Kavallerie muß vor! Bitten Sie den Prinzen um Kavallerie," befiehlt General Kamecke. Pelet galoppirt zum Könige.

„Der Prinz Friedrich Karl wird Kavallerie geben,“ sagt der König. Der Prinz beordert den General Graf Groeben mit den 3. Dragonern und 12. Husaren von dem Reserve-Corps des Prinzen Albrecht. Alles geht vorwärts.

Herwarth's Elb-Armee ist im langsamen Avanciren geblieben. Ohne Aufenthalt mit größtem Nachdrucke gegen die sächsische Stellung!" lautet ein Befehl des Königs. „Problus nehmen." Der Kronprinz ist da, der Feind ist von Josefstadt abgeschnitten, der rechte Flügel muß ihm auch den Rückzug nach Königgrätz sauer machen!

Das Wort ́zündet auch hier auf's Neue. Schmetternd fällt die Musik ein. „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben “, tönt über das Feld durch den Kanonendonner. Mit Hurrah dringen die Brigaden, das 56., 16. und 17. Regiment, das 7. JägerBataillon vereint über das Feld gegen Problus vor. Die Brigade Hiller wirft sich auf Prim. Nieder-Prim greift man mit großer Gewalt an. Das 17. Regiment stürmt die Höhen hinan. Ein schrecklicher Kampf tobt auf der ganzen Linie. Problus wird von Haus zu Haus von den Sachsen vertheidigt.

In Prim schlugen sich das 12. Infanterie- und ein Jäger-Bataillon (Sachsen) mit größter Hartnäckigkeit, aber plößlich tauchten im Süden und Westen Preußen auf, der düstere Mantel des Geschüßdampfes umzog sie bisher. Ein Schrei der Wuth und Ueberraschung entrang sich den Kehlen der Feinde. Zum Knäuel ineinandergepreßt, ringt man in der engen Dorfstraße mit einander; das Krachen der Schüsse, die Splitter und Steinstücke vermehren die Verwirrung und die preußische Artillerie feuert von der Straße her mit Granaten in den Haufen.

Oberst von Bülow hat seine Geschüße herangebracht, die sächsischen Batterien sind nicht mehr mächtig genug, diesem Feuer zu widerstehen. Vorwärts nach dem Ausgange des Dorfes drängt Alles, denn an Halten ist nicht mehr zu denken. Die Zerschmetterten liegen so dicht nebeneinander, daß sie oft das Weitervordringen hemmen.

Da sausen von der andern Seite herüber die Granaten in das Dach des Schulhauses, in wenig Minuten bricht die Flamme hervor und durch den Rauch, die Funken, die stürzenden Balken, tobt die wilde Haß zur Dorfgasse hinaus in den tiefen Kessel hinein, wo man die Schaaren an den Höhen hinaufeilen sieht, verfolgt von den nachstürmenden Feinden, eine sichere Zielscheibe für die preußische Artillerie; aber noch einmal gewinnen die Sachsen, denen jezt vom 8. österreichischen Corps Hülfe kommt, Stellung gegen Stresetit zu, auf dem Höhenrande von Prim: die 2. Brigade und drei Bataillone der 3. Brigade auf dem Plateau, die 4. Brigade in dem Gehölz, die Jäger neben der Batterie Richter.

Hier steht eine Zeit lang wieder das Gefecht und ebenso hartnäckig wird noch bei Problus gekämpft, aber schon hört man von Knesiß herüber die Schüsse der 16. Division Ezel, die gegen Hradek und Charbousiß vordringt.

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