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obgleich gerade Sachsen alle Ursache haben mußte, sich an Preußen zu lehnen. — Von dem wunderlichen Manne, der in Cassel residirte und von dort aus sein Land regierte, ließ sich ebenfalls erwarten, daß irgend etwas Absonderliches durch ihn geschehen werde, und sollte es auch nur deshalb sein, um dem allgemeinen Wunsche der Bevölke= rung entgegentreten und eigensinnig eine von ihm für richtig gehaltene Maßregel durchsehen zu können.

Hannover dagegen verfuhr in einer für Jedermann unerklärlichen Weise. Abgesehen von der Gefahr, welche ihm als dem von Preußen ganz eingeschlossenen Nachbar im Falle eines Krieges drohen mußte, hatte die Regierung noch obendrein unterm 15. Mai eine vollständige Neutralität zugesichert. Die Bevölkerung Preußens und der Hauptstadt Berlin vernahm deshalb mit großer Genugthuung die Kunde von dem königlichen Befehle, der nach Ablauf der gestellten vierundzwanzigstündigen Bedenkzeit an die Commandirenden der betreffenden preußischen Armeecorps ergangen war und der den sofortigen Einmarsch preußischer Heeresmassen in die drei Staaten Hannover, Sachsen und Kurhessen anordnete.

Berlin war schon in voller Gährung während der letzten acht Tage gewesen. Unaufhörlich strömten die Einberufenen herbei, von allen Seiten führten die Eisenbahnen das kampfbereite Volk in Massen heran, die Heerstraßen bedeckten sich mit Wagen und Karren, über das Steinpflaster donnerten die Hufschläge zahlreicher Pferdetransporte; geschmückt mit grünen Reisern, singend und jubelnd rückten die Gerufenen in die Hauptstadt. Wer diese Zeit durchlebt, wer gesehen hat, mit welcher Freude und Hingebung die Männer jedes Standes, Ranges und Alters zu den Fahnen eilten, der wird sich sagen müssen: daß ein solches Volk keinen Feind zu fürchten hat, wenn es so einmüthig zusammensteht, wie es in den denkwürdigen Tagen des Jahres 1866 geschehen ist. Jeder beeilte sich, Etwas zu thun für das allgemeine Beste, die Verwundetenpflege organisirte sich, Beiträge flossen von allen Seiten, Verbindungen entstanden zur Annahme von Lieferungen aller Art, und wer nicht mit vollen Händen geben konnte, der reichte wenigstens sein Brod oder eine Flasche Bier durch das Fenster eines Eisenbahnwagens den abfahrenden Kriegern zu. Noch war der Krieg nicht losgebrochen, noch schwiegen die Donner des Geschüßes, und schon war der Enthusiasmus da für die Sache, deren zukünftige Größe man nur unbestimmt ahnte. Schwer schied es sich von Weib und Kind, aber die Männer sagten sich: daß es ein hohes Gut sei, welches errungen werden müsse, und wenn in der ersten Zeit eine ernste, feierliche Stimmung vorherrschend war, so zeigt das gerade, wie tief die preußische Nation es empfand, daß sie großen Stunden entgegenschritt und daß die Freude erst ausbrechen dürfe, wenn sich Jeder flar gemacht, um welche Preise gestritten wurde.

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Der Königstein.

Drittes Kapitel.

Einmarsch in Sachsen. Sprengung der Brücken bei Riesa und Chemniz durch die Sachsen. Die in Berlin gearbeitete Brücke. Besetzung von Dresden. Stimmung daselbst. Besetzung von Leipzig. Vorgänge daselbst. Prinz Friedrich Karl gegen die böhmische Gränze. Der Königstein. Einmarsch in Hannover. Beseßung Hannovers. Rückzug der hannoverschen Truppen. Vollständige Besetzung des Landes und Vorgänge in Stade. Einmarsch in Kurhessen. Besetzung Kassels. Entkommen der hessischen Armee. Gefangenschaft des Kurfürsten. Resultate für Preußen. Die preußische Armee zur Offensive bereit. Flüchtiger Blick auf die Streitkräfte derselben. Die Heerführer und die Stellungen derselben. Ungefähre Stärke der Desterreicher. Ansicht über den Operationsplan Benedek's.

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ast zu gleicher Zeit brachen die drei bis an den Rand der zu beseßenden Länder vorgeschobenen preußischen Heersäulen auf und seßten ihre Colonnen gegen die Gränzen in Bewegung. Prinz Friedrich Karl und General Herwarth von Bittenfeld, Ersterer von Osten, der Zweite von Norden her operirend, überschritten am Morgen des 16. Juni die sächsische Gränze. Wieder ein erwartungsvoller Augenblick! Man sah jede Stunde der Nachricht von einem Zusammenstoße zwischen preußischen und sächsischen Truppen entgegen; das sächsische Land, unglücklich in seiner geographischen Lage, als Schlachtfeld für jeden großen Kampf in Deutschland ausersehen, schien auch jetzt

wieder bestimmt, in seinen schönen Gauen die Wuth des Krieges austoben zu lassen. Es gab drei Punkte, von denen aus die Sachsen, im Vereine mit Desterreich, den Preußen gefährlich werden konnten: Freiberg, Chemnitz und Dippoldiswalde, einer energischen Vertheidigung Dresdens gar nicht zu gedenken. Aber eben so wenig, als die Truppen des Kaiserstaates Anstalt zu machen schienen, einen Stoß gegen die preußischen Gränzen

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zu versuchen, eben so gering waren die Vertheidigungsversuche der sächsischen Armee. In der Nacht vom 15. zum 16. Juni sahen die in Riesa und Meißen und in der Umgegend beider Ortschaften wohnenden sächsischen Unterthanen ein seltsames Gewimmel an den Elbbrücken, welche an diesen Stellen über den Fluß führen. Mit stummem Grauen waren die Bewohner Zeuge der nächtlichen Arbeiten; sie ahnten wohl, daß irgend etwas geschehen werde, was mit der militärischen Bewegung in Zusammenhang stehe, konnten sich aber keinen Begriff machen von der nuglosen Zerstörung, die hier in's Werk gerichtet ward und die thatsächlich nur dem Lande, nicht dem Feinde Schaden brachte. Nach wenigen Stunden geräuschvoller Arbeit wurde es den Verblüfften klar, daß eine Zerstörung beabsichtigt und ausgeführt war, welche zwar als vollständig unnöthig ver

dammt werden konnte, von der sächsischen Regierung jedoch angeordnet ward, umes hat so den Anschein doch Etwas gethan zu haben, den Feind aufzuhalten, denn die Elbbrücken flogen gesprengt in die Luft und brannten zum großen Theil nieder. Freilich gelang dies nur bei Meißen ziemlich vollständig. Die Brücke von Riesa konnte nur theilweise vernichtet werden.

Das ganze Feuerwerk, nach dessen Beendigung die sächsischen Pioniere eiligst wieder abzogen, blieb ohne allen nachtheiligen Einfluß auf die vorrückenden Preußen. Der General Herwarth ließ sofort Pontonbrücken über die Elbe schlagen, und mit einem Erstaunen, welches an Größe noch das in Folge der Zerstörungsarbeiten an den Tag gelegte überbot, sahen die sächsischen Einwohner einige Wagen herbeikommen, auf denen vielerlei Balkenwerk geschichtet lag. Preußische Pioniere und Zimmerleute saßen unter diesem Holzwerke und bewegten sich bald wie ein Bienenschwarm emsig auf der Straße, am Flußufer, auf den Trümmern der gesprengten Brücke. Sie holten die Holzvorräthe herbei und aus diesem Chaos sezte sich urplößlich eine neue Brücke zusammen, die wunderbar schön zur alten vernichteten paßte. Man hatte in Berlin den kleinlichen Gewaltact der Sachsen vorausgesehen und sich auf eine schnelle Wiederherstellung der wichtigen Brücke vorbereitet, indem schon nach genauer Zeichnung, unter Angabe aller Breiten, Längen und Höhen in Berlin eine neue Brücke gezimmert worden war; fertig zum Auflegen hatte man sie auf Wagen herbeigeführt und während die Pontons die preußische Armee über die Elbe führten, ließen die Arbeiter an der Brücke keine Minute unbenutzt verstreichen. Auf den Dämmen der gleichfalls zerstörten Eisenbahnen sah man die Arbeiter der preußischen Feldeisenbahn - Abtheilung emsig den Schaden wieder herstellen. Das hatte Prinz Friedrich Karl also angeordnet, und als die Pontonbrücken fertig, die Verbindung der Eisenbahn nach Löbau wieder hergestellt war, da zweigten sich die beiden Heeresabtheilungen in langgestreckten Ausläufern von einander. Der Prinz führte seine Truppen über Bauzen, Bischofswerda und Zittau der böhmischen Gränze entgegen, der General Herwarth ging gerade auf die sächsische Hauptstadt los.

Am 18. Juni, dem denkwürdigen Tage der Schlacht von Bellealliance, woselbst Preußens Männer schon einmal das Schicksal Europa's entschieden, zog Herwarth von Bittenfeld in die Residenz Dresden ein. — Diese Stadt hat Ursache, vor dem preußischen Namen in Furcht zu gerathen. Sie litt einst schwer unter der eisernen Hand des großen Friedrich, dessen Kugeln in die Mauern schmetterten und die stolzen Dächer auf das Pflaster schleuderten. Damals wie heute war die Stadt Dresden ein Herd mannichfacher Intriguen gegen das preußische Vorwärtsstreben gewesen, und nach langen Jahren hatte im Kampfe wider den gemeinsamen Feind, zu dessen Niederwerfung Europa drei Jahrzehnte brauchte, die Stadt Dresden auf's Neue von den verbündeten Truppen als ein feindlicher Ort angesehen werden müssen — weil Sachsen zu dem Unterdrücker hielt.

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Es ist ein hartes Loos, welches dem Lande durch seine Lenker bereitet ward zu allen Zeiten, wenn es sich um große Fragen handelte; und so konnte es denn nicht Wunder nehmen, daß auch im Jahre 1866 die Regierung Sachsens wider den preußischen Geist ankämpfte, der sie nunmehr in Gestalt eines Heeres von kampfbereiten Söhnen aus

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ihrer Ruhe aufscheuchte und mit dem braven sächsischen Heere, welches in schmerzlicher Pflichterfüllung dem Rufe seines Kriegsherrn Folge leisten mußte, in die böhmischen Berge drängte, woselbst die Vereinigung mit den österreichischen Truppen stattfand.

Die Sprengung der Brücken konnte nur gerechtfertigt werden, wenn ein Angriff der Preußen so lange aufzuhalten war, bis österreichische Hülfe herannahte, um Dresden zu sichern. Da aber durchaus keine Anstalten hierzu gemacht wurden, erschien das

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