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theilen ergiebt sich die Berücksichtigung mancher Materien, welche bisher fehlerhafter Weise übergangen wurden, wie z. B. die Verbindlichkeiten ex delicto, quasi ex contractu u. s. m.“ Aehnlich, nur mit mehreren Ausstellungen, urtheilt Schulze, welcher auch namentlich den streng juristischen Charakter des Heffter'schen Buches gebührend betont.

Heffter hält sich grundsäßlich an das wirkliche geltende Recht, wie es geschichtlich gegeben ist, ohne sich jedoch der Philosophic gegenüber negirend zu verhalten; Hegel hat auf seine Anschauungen einen nicht unbedeutenden Einfluß ausgeübt und hier darf nicht unerwähnt bleiben, daß, wie Heffter in der Vorrede zur ersten Ausgabe berichtet. Gans bei ihm den Gedanken anregte, eine gemeinfame Bearbeitung des Völkerrechts zu unternehmen. Er wählte den Krieg und überließ mir den Frieden..." Daß der frühzeitige Tod Gans' dieses Vorhaben vereitelte, ist gewiß zu bedauern, obschon gerade das Kriegs- und Neutralitätsrecht von Heffter besonders meisterhaft behandelt ist.

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Gerügt kann freilich Einzelnes werden, mitunter manches Wesentliche, so namentlich die Art und Weise, wie Heffter den Begriff des Völkerrechts selbst auffaßt: er erkennt nicht ausschließlich darin das Recht der Staaten unter einander, als der Gesammtheiten; auch die Organe des Völkerrechts, Staatshäupter und deren Familien, Gesandte, auch endlich die Einzelnen sind ihm Subjecte des Völkerrechts. In seinem Plane geht Heffter von der Eintheilung in Friedens- und Kriegsrecht aus, und die Verhältnisse im Friedensrechte gruppirt er nach dem privatrechtlichen Schema; einen dritten Haupttheil, Buch III, bildet die Lehre von den Formen des völkerrechtlichen Verkehrs, oder die Staatenpraris in auswärtigen Angelegenheiten sowohl im Kriege wie im Frieden." Darin ist das Gesandtenrecht abgehandelt. Troy der Kritik, die ihm wegen dieser Systematisirung zu Theil wurde, hat Heffter sein System und die Anordnung der Materien auch in seinen letzten Ausgaben unverändert belassen. 2)

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Ueberhaupt hat er nicht viel geändert; er hat sich begnügt, manches hinzuzufügen: so einen ganzen Abschnitt von den „besonderen Anstalten für den Rechts- und socialen Verkehr der Staaten und Völker": Cartells wegen der Sicherheits- und Justizpflege, internationale Post- und Telegraphenverbin= dungen, Vereinbarungen für die Gesundheitspflege, internationale Fürsorge für Gewerbe, Anstalten für Handels-, Schifffahrts- und sonstigen allgemeinen Verkehr."

Um so willkommener find die Geffecken'schen Anmerkungen in den von ihm besorgten Ausgaben: Deutsch 1881, Französisch 1883. Geffden, der bekanntlich, bevor er einen Lehrstuhl auf der neu entstandenen Universität Straßburg innehatte, mehrere Jahre lang mit Auszeichnung die Hansestädte als Geschäftsträger und Minister in Berlin und London vertreten hatte, war besonders befähigt, das vortreffliche Werk in mehreren Partien zu verjüngen; was er auch im Ganzen mit richtigem Tacte gethan hat. Doch darf man bedauern, daß er glaubte einige Paragraphen eliminiren zu dürfen. Uebrigens diffentirt Geffden mehrfach. Dies ist insbesondere der Fall in Beziehung auf die Anordnung des Stoffes. Geffcken schlägt etwa folgende vor: 1. Buch: die

Subjecte des Völkerrechts. 2. Buch: die Verhältnisse der Staaten zu einander in ihren friedlichen Beziehungen. 3. Buch: der Streit der Staaten. 3)

Heffter, geb. zu Schweinit am 30. April 1796, gest. zu Berlin am 5. Januar 1880, erhielt seine Gymnasialbildung auf der Fürstenschule in Grimma, und studirte in Leipzig und Berlin. Praktisch arbeitete er in Jüterbog, dann am Kammergericht, ferner am Kölnischen Appellationsgerichtshofe, endlich als Rath am Düsseldorfer Landgericht. Er wurde 1823 Professor in Bonn, 1830 in Halle, 1833 in Berlin. Er war Mitglied des Rheinischen Kassationshofes, dann Obertribunalsrath; 1849-1852 war er Mitglied der Preußischen Ersten Kammer, und wieder seit 1863 Kronsyndicus im Herrenhause.

1) Mohl, S. 394.

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2) Gegen obige Anordnung, welche der juristischen Anschauung und Gewöhnung sehr nahe liegt, haben sich manche Stimmen erklärt . . . Die kunstvollste Methodik wird jedoch in der Ausführung immer wieder auf die obigen Kategorien zurückführen oder daran erinnern. Der Verfasser hat sie nicht aus Bequemlichkeit oder Angewöhnung festgehalten." Note zu § 4. Ueber einzelne Mängel der Heffterschen Darstellung sind, außer Bulmerincq und Kaltenborn, insbesondere die maß- und pietätvollen Bemerkungen von Hermann Schulze zu vergleichen. 3) S. 8-9.

§ 114. Bluntschl i.

Literatur: Zahlreiche Nekrologe, u. a. Schulze und Rolin im Annuaire Bd. VI, und meine Notice sur M. Bluntschli, Revue de droit international, XIII. von Holzendorff, in den Zeit- und Streitfragen 1881. Aus meinem Leben (Autobiographie und Auszüge aus dem Tagebuche Bluntschli's, herausgegeben von Dr. Rudolf Seyerlen). 3 Bde. Nördlingen 1884.

Wie Klüber, wie Heffter, hat sich auch Bluntschli erst in seinen späteren Lebensjahren der Gesammtdarstellung des Völkerrechts zugewandt. Ja er war beinahe ein Sechziger, als er im September 1867 seinem Freunde Franz Lieber jenen jugendliche Frische athmenden Brief schrieb, welcher der ersten Auflage des,, Modernen Völkerrechts der civilisirten Staaten" als Vorwort dient, und worin erklärt wird,,,daß das Recht eine lebendige Ordnung in der Menschheit, nicht eine todte außer der Menschheit sei, daß nur das lebendige und nicht das todte Recht befähigt sei, mit den Völkern zu leben und fortzuschreiten.“... „Am wenigsten“, heißt es weiter,,,paßt jener falsche Gedanke eines an sich todten Rechts zu einer Darstellung des Völkerrechts, das überall noch nicht zu festem Abschluß gekommen, sondern noch in mächtiger unaufhaltsamer Bewegung begriffen ist. Das Recht des natürlichen Wachsthums der Völker und Staaten, das Recht der Entwicklung der Menschheit, das Recht des fortschreitenden Lebens muß von der Wissenschaft unzweideutiger und entschiedener als bisher anerkannt und vertreten werden, wenn dieselbe ihre hohe sittliche und geistige Mission erfüllen soll, ihre leuchtende Fackel auf den Wegen

der Menschheit voran zu tragen. Die Rechtswissenschaft darf daher meines Erachtens nicht blos die schon in früheren Zeiten zur Geltung gelangten Rechtsfäße protocolliren, sondern soll auch die in der Gegenwart wirksame Rechtsüberzeugung neu aussprechen, und durch diese Aussprache ihr Anerkennung und Geltung zu schaffen helfen. Je empfindlicher der Mangel gefeßgeberischer Organe ist, welche für die Fortbildung des Völkerrechts sorgen, um so weniger darf sich die Wissenschaft dieser Aufgabe entziehen."

Das Buch erschien mit dem Datum Nördlingen 1868; eine vom jeßigen Schweizer Gesandten Dr. Lardy besorgte Französische Uebersetzung Paris 1869; neue Ausgaben folgten bald (die dritte Deutsche ist von 1878, die dritte Französische von 1881), sowie neue Ueberseßungen: eine Spanische, mit wichtigen Amerika betreffenden Zusäßen von Covarrubias, Mexico 1871; eine Russische von Dulianizki und Lodijenski unter Kamarowski's Leitung 1877; eine Chinesische von W. A. P. Martin, Präsident des Tung Wen College in Peking (1880).

Auch dieser glänzende Erfolg ist verdient. Dennoch findet man im Bluntschlischen Buche weder die juristische Schärfe, die bei Heffter einen so wohlthuenden Eindruck läßt, noch die Fülle von positivem Material, welche in Martens, in Klüber, in Calvo erfreut. Neben der Trefflichkeit der literarischen Form in den kurzen, im Lapidarstile gefaßten Absätzen, welche wie Gesezesparagraphen auf einander folgen, ist es eben diese ideale, im Briefe an Lieber bekundete Richtung, welche Bluntschli's Werke eine so günstige Aufnahme gesichert hat. Die Vermischung des Gewünschten mit dem Gegebenen ist von ihm mit vollem Bewußtsein durchgeführt; sein Völkerrecht ist ein Völkerrecht der Zukunft ebensosehr, mehr vielleicht als der Gegenwart.

Darin liegt aber selbstverständlich ein Grund, um dieses ausgezeichnete Werk mit steter Vorsicht zu gebrauchen. Ich verkenne auch keineswegs, daß die Bezeichnung Bluntschli's als Positivist sehr gewagt erscheint. Doch gebührt sie ihm mit dem Beisaße des philosophischen und idealistischen.

Vortrefflich ist in Bluntschli's Rechtsbuch insbesondere die Einleitung über, die Bedeutung und die Fortschritte des modernen Völkerrechts". Das ,,Rechtsbuch" begreift neun Bücher: Begründung, Natur und Gränzen des Völkerrechts; Völkerrechtliche Personen; Völkerrechtliche Organe; Die Staatshoheit im Verhältniß zum Land; Die Staatshoheit im Verhältniß zu den Personen; Völkerrechtliche Verträge; Verletzungen des Völkerrechts und Verfahren zur Herstellung desselben; das Kriegsrecht; Recht der Neutralität. Ein Anhang der letzten Auflage enthält die Amerikanischen Kriegsartikel von 1863, den Brüsseler Entwurf von 1874, und den Entwurf eines Reglements für schiedsrichterliches Verfahren, vom völkerrechtlichen Institut ausgearbeitet 1875.

Johann Kaspar Bluntschli, geboren in Zürich 1808, studirte in Berlin und Bonn, war Professor in Zürich, Führer der conservativ-liberalen Partei, Mitglied der Cantons-Regierung, und, da Zürich Vorort war, auch in der eidgenössischen Politik thätig; 1848 1861 Professor in München, seit 1861 in Heidelberg. Er starb am 24. October 1881.

§ 115.

Andere Deutsche und Desterreicher.

Das System des Völkerrechts" von Heinrich Bernhard Oppenheim, (1819-1880, kurze Zeit Docent in Heidelberg, zuletzt in Berlin privatisirend), machte, als es 1845 erschien, ziemliches Aufsehen, wird aber jetzt, obschon es 1866 verbessert neu aufgelegt worden ist, kaum mehr angeführt. In diesem Bändchen (1. Ausg.: 414 Seiten klein 8o, mit weitem Druck) wird, wie schon angedeutet, Hegel's Lehre auf das Völkerrecht angewendet; es soll eigentlich ein philoso= phisches Rechtssystem sein, ist aber, nach Kaltenborn's Urtheil, so,,unsystematisch, unmethodisch, mithin auch unphilosophisch abgefaßt“, daß dieser Rechtshistoriker, wie auch Mohl, es zu den Lehrbüchern des positiven, praktischen Völkerrechts rechnet. Obwohl dieser Grund an sich nicht genügend sein würde, scheint auch sonst der richtige Play für Oppenheim hier zu sein.

Oppenheim will das praktische Recht darstellen, aber mit sorgsamer Aufsuchung von Rechtsprincipien. An richtigen und an geistreichen Anschauungen fehlt es in seinem Buche nicht; manches Neue, Originelle ist darin zu finden, noch mehr Gewagtes, Unhaltbares, Abschweifendes. Die Schreibart ist aphoristisch, pikant, pamphletartig, der Ton ist wegwerfend und dadurch läßt sich wohl zum Theil der momentane Erfolg erklären.

Das Buch zerfällt in einen allgemeinen und einen besonderen Theil. Ersterer handelt von Begriff und Methode des Völkerrechts, Geschichte des Begriffes, Geschichte des positiven Völkerrechts der neueren Zeit, Geschichte der Wissenschaft, Methode, Hülfswissenschaften, Literatur. Im besonderen Theile wird gehandelt von der Souveränetät, dem Staatseigenthum, der Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Gleichheit der Staaten, den Verträgen, dem Gesandtenrechte, dem Kriegsrechte, der Neutralität; endlich von dem internationalen Privatrechte. 1)

Der ausgezeichnete Staatsrechtslehrer Joseph (von) Pözl, geboren 1814, gestorben 1881 als Professor in München, hat durch seinen kurzen, lediglich Rubriken mit spärlichen Literaturangaben und einige kurze Bemerkungen enthaltenden Grundriß zu Vorlesungen über Europäisches Völkerrecht" (Mün= chen 1852, 26 S.) einen wohlthätigen Einfluß auf die Systematik des Völkerrechts ausgeübt.2) Der erste Theil enthält Allgemeine Grundsäße, von den Subjecten des Völkerrechts, den Objecten, den auf dem Völkerrechte beruhenden Rechten im Allgemeinen; der zweite Theil die einzelnen Rechtsverhältnisse, nämlich A) Das ,,materielle" Völkerrecht, worin gehandelt wird 1) von den allgemeinen und besonderen Rechten der Staaten, von der völkerrechtlichen Stellung der Staatenvereine, von der völkerrechtlichen Stellung der Regenten, und ihrer Familien, von der rechtlichen Stellung der völkerrechtlichen Beamten, (Gesandte, Agenten und Commissarien, Consulen), 2) von den Gründen, aus welchen besondere Rechte der Staaten entstehen (Staatsverträge insbesondere);

B) Von den Mitteln und dem Verfahren zur Erledigung völkerrechtlicher Streitigkeiten, (Beilegung durch Verständigung; Retorsion, Repressalien, Embargo, Blockade; Krieg und Neutralität).

Dieses System, hauptsächlich die Trennung des ,,materiellen“ und „, for= mellen" Völkerrechts, war bereits im Wesentlichen 1847 von Kaltenborn (Kritik, S. 294 305) aufgestellt und gerechtfertigt worden. Bulmerincq (Systematik, S. 338f., 1858) hat es theilweise und im Wesentlichen gutgeheißen. Strauch3) und Hermann Schulze1) haben es ihren Grundrissen“ zu Grunde gelegt.

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Neumann's Grundriß des heutigen Europäischen Völkerrechts" erschien 1856, in zweiter Auflage 1877, in dritter 1885. Die zweite Auflage hatte 184 Seiten 8o, die dritte hat X und 204.

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Der gelehrte Verfasser, Freiherr Leopold von Neumann, geboren 1811, Mitglied des Herrenhauses des Desterreichischen Reichsrathes, war über dreißig Jahre Professor des Völkerrechts an der Universität Wien, und ist längst in ehrenvoller Weise bekannt, hauptsächlich durch das Handbuch des Consulat wesens" und die Sammlung der Desterreichischen Verträge. Man sieht somit, daß sein den bescheidenen Titel,,Grundriß“ führendes Handbuch die Frucht reicher Erfahrung ist, sowohl im Lehren als in der Handhabung der Staatsangelegenheiten.

Die Darstellung ist elegant, durch zahlreiche historische Thatsachen erläutert. Controversen, Citate, Literaturangaben sind ausgeschlossen. Zwei Anhänge sind, in der 3. Ausgabe, den,, Grundzügen des Gesandtschaftsrechts" und dem Berliner Frieden vom 13. Juli 1878 gewidmet. Der Plan ist übersichtlich, wenn auch vom Standpunkte strenger Systematik nicht zu billigen (was Neumann in der Vorrede selbst zugiebt): Einleitung, Begründung des Begriffes des Völkerrechts; Recht des Friedens: Personenrecht, Sachenrecht, Obliga= tionenrecht; Recht des Krieges, mit Neutralität, Postliminium, Frieden.

Das kleine Buch entspricht vollkommen seiner Aufgabe, welche sein soll ,,das heutige Völkerrecht der gesitteten Staaten darzustellen, die leitenden Grundsäge desselben mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Praxis und die Anforderungen der Wissenschaft auseinanderzusetzen."

Eine Polnische Uebersetzung von Gustav Roszkowski, Professor in Lemberg, ist 1883 erschienen.

Ein junger, im Jahre 1871 zu früh gestorbener, Desterreichischer Justizbeamter, Alphons von Domin Petrushevecz, der sich als »employé à la cour impériale royale de première instance à Vienne« bezeichnet, hat im Jahre 1861 ein » Précis d'un code du droit international« in 236 Articles herausgegeben, von denen die 175 ersten das Völkerrecht, die übrigen das Internationale Privatrecht betreffen. Dieser Versuch auf einer Bahn, wo sich nachher Bluntschli und Field hervorgethan haben, ist bemerkenswerth. Domin ist kein Systematiker. Er unterscheidet Friedensrecht und Kriegsrecht; sonst macht er feine weiteren Abschnitte und Theile.

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