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nung für das Völkerrecht schlägt Pölik,,praktisches Staatenrecht" vor, weil es nicht von den im philosophischen Sinne genommenen Völkern selber geübt wird, sondern von den Regierungen, und zwar der im Europäischen und Amerikanischen Staatensystem bestehenden Reiche und Staaten, weshalb auch seit der Anerkennung der politischen Selbständigkeit der Nord-Amerikanischen Staaten die Benennung,,Europäisches Völkerrecht“ zu eng gewesen sei. Für die Sehung des Epitheton,,praktisch“ statt „positiv“ wird angeführt, daß es keinen Codex positiver Rechte und Geseße giebt... Dieses praktische Völkerrecht sei eigentlich nur ein Abstractum der allgemeinen Grundsäße und politischen Formen aus den in dem wirklichen Verkehre der Europäischen und Amerikanischen Reiche und Staaten seit den drei lezten Jahrhunderten vorgekommenen Verträgen und politischen Vorgängen.““).

1) Saalfeld gab gleich im selben Jahre 1809 neben dem bereits erwähnten Grundrisse den ersten Band des »Recueil historique des lois constitutionelles et des règlements généraux d'administration publiés en France depuis le commencement de la Révolution jusqu'à présenta; 1810 den 2. Band, außerdem ein »Essai sur l'importance commerciale et politique des trois villes libres et hanséatiques de Lübeck, Brême et Hambourg, und die „Geschichte des Portugiesischen Colonialwesens in Ostindien“; 1812, die „Geschichte des Holländischen Colonialwesens in Ostindien“, und das „Handbuch des Westfälischen Staatsrechts"; 1813 1814, das ,,Staatsrecht von Frankreich"; in den folgenden Jahren mehrere geschichtliche Werke (,,Geschichte Napoleon Buonapartes"; „Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit"; Fortsegung der Pütter'schen „Gelehrten-Geschichte“, Göttingen (1820) u. a. m.; auch einen Grundriß zu Vorlesungen über Politik 1821).

2) Bulmerincq, S. 153.

3) Ueber Schmalz als Kantischen Naturrechtsschriftsteller: Bulmerincq, S. 79. 4) Die biographischen und literarischen Sammelwerke pflegen Schmelzing zu übergehen. Man hat von ihm ein „Staatsrecht des Königreichs Bayern“, Grundlinien der Physiologie des Staats oder der sogenannten Staatswissenschaft und Politik“, ,,Betrachtungen über den Begriff und die Wirksamkeit der Landstände, nach den Principien des allgemeinen und natürlichen Staatsrechts“, u. a. m.

5) Ueber Pölisals Rechtsphilosophen: Bulmerincq, S. 96; Kaltenborn, S. 137. 6) Bulmerincq, S. 168.

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§ 112. Klüber.

Literatur: Mohl, Geschichte und Literatur, Bd. I, S. 393, Bd. II, S. 473.
Kaltenborn, Kritik, S. 175. Bulmerincq, Systematik, S. 157.

Eisenhart, in der Allgemeinen Deutschen Biographie.

Klüber's unübertroffene und fast unbegreifliche" Kenntniß der staatsrechtlichen Literatur, seine,,Hegemonie im Deutschen Bundesrechte" find allbekannt. Meister war er ebenfalls im Völkerrechte; doch war hier, Dank

hauptsächlich Martens, weniger zu schaffen, daher die Bedeutung Klüber's auf diesem Gebiete eine verhältnißmäßig minder hervorragende genannt werden muß. Immerhin hat er seine Zeitgenossen und unmittelbaren Vorgänger verdunkelt, was man namentlich in Beziehung auf Schmelzing bedauern darf. Klüber's ,,Völkerrecht", zuerst erschienen Stuttgart 1819 als » Droit des gens moderne de l'Europe, par Jean-Louis Klüber, avec un supplément contenant une bibliothèque du droit des gens«, erschien in Deutscher Sprache 1821 als „Europäisches Völkerrecht", in Griechischer Sprache (von Klonaras) 1822, Russisch (von Lyslow) 1828; eine neuere Deutsche Ausgabe hat der mehr begabte als fleißige Professor Karl Eduard Morstadt (geb. 1815, gest. 1850) besorgt, die erst nach seinem Tode 1851 erschienen ist. Die lette Französische Ausgabe hat 1874 der Elsässer August Ott, Nationalöconom und Publicist, veranstaltet.

Vielfach ist das Klüber'sche Völkerrecht academischen Vorlesungen zu Grunde gelegt worden, auch auf nicht Deutschen Hochschulen, so während langer Jahre und noch 1884 in Brüssel, wo der besonders als Civilist namhafte Aegidius Arng (1812-1884) ein kurzes, aber inhaltreiches Compendium wesentlich nach Klüber herausgegeben hat, worin die Belgischen Verhältnisse sorgfältig berücksichtigt sind (»Programme du cours de droit des gens fait à l'université de Bruxelles« 1882). 1)

Dieses dauernde Ansehen ist wohl verdient. Klüber's Völkerrecht, eine Frucht des reifen Alters, reichster Erfahrung, bewundernswürdiger Belesenheit, ist freilich in systematischer Hinsicht mangelhaft; 2) doch ist der Plan übersichtlich.

Nach einem,,Vorbereitenden Titel", worin abgehandelt werden Begriff, Abtheilung, Quellen, verwandte und Hülfswissenschaften, Culturgeschichte und Literatur des Völkerrechts, folgt als erster Theil die Lehre von den Staaten überhaupt (Begriff, Souveränetätsverhältnisse, Vereinigung der Staaten) und von den Europäischen Staaten insbesondere; dann, als zweiter Theil, die Lehre von den Rechten der Europäischen Staaten unter sich, wobei die noch von Arnh beibehaltene Eintheilung der Rechte in unbedingte (absolute) und bedingte (hypothetische) zu Grunde gelegt wird. Unter der Rubrik der bedingten Rechte wird gehandelt,,von den Hechten in Absicht auf friedliche Verhältnisse (Recht des Staatseigenthums, Recht der Verträge, Recht der Unterhandlungen, insonderheit durch Gesandte); als bedingte Rechte,,in Absicht auf feindliche Verhältnisse" gelten das Recht des Krieges, das Recht der Neutralität, das Recht des Friedens.

Die Schreibart ist einfach, bestimmt, ächt juridisch. Eine Fülle von Literaturangaben und von geschichtlichen Nachweisen findet man in den zahlreichen Anmerkungen.

Die Tendenz Klüber's, welche vom abstracten philosophischen Standpunkte aus etwas absprechend beurtheilt zu werden pflegt, giebt sich am Besten in einigen Citaten kund, die ich der Morstadt'schen Ausgabe entnehme. Sein Ver

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hältniß zum natürlichen Völkerrecht charakterisirt Klüber in einer seiner Vorreden dahin, daß das natürliche Völkerrecht einem System des unter den Staaten durch ausdrückliche oder stillschweigende Verträge festgesetzten Rechtes zur Grundlage dienen soll". Es füllt die Lücken aus, die nur zu oft in einem Systeme des positiven Völkerrechts sich zeigen, und so weit ist sein Gebrauch wesentlich. Ueberdies dient es demselben System als Bindemittel, indem nach ihm die Grundsäße geordnet und an einander gereihet werden..." Quellen des Völkerrechts der Europäischen Staaten sind für Klüber die Verträge, worunter er auch als stillschweigende Vereinbarung das Gewohnheitsrecht subsumirt; die Analogie, die nur subsidiarisch, wenn es an unzweifelhaften vertragmäßigen Bestimmungen fehlt, anwendbar ist; und das natürliche Völkerrecht, in dem dem Obigen entsprechenden Sinne, daß,,so oft weder Verträge noch Analogie über das Rechtsverhältniß unter unabhängigen Staaten hinlängliche Bestimmung liefern, dieselbe aus dem natürlichen Völkerrechte genommen werden muß."

Ueber seine Methode äußert sich Klüber wie folgt: In dem Lehrvortrage des Völkerrechts der Europäischen Staaten sind die Grundsätze, nach einem einfachen systematischen Plan, aus Verträgen (ausdrücklichen und stillschweigenden), aus der Analogie und aus der Natur der wechselseitigen Staatenverhältnisse kurz, bestimmt und leicht faßlich zu entwickeln, und aus der Geschichte, so weit möglich zu erläutern: beides ohne Vorurtheil, Hypothesensucht, Partei- und Sectengeist, ohne Mißbrauch rationaler Formen und metaphysischer Speculationen. Die dogmatisch-historische Lehrmethode verdient den Vorzug vor der blos dogmatischen, mehr noch aber vor der blos historischen, und am meisten vor der blos raisonnirenden. Reine Wahrheitsliebe, Unbefangenheit, Nüchternheit des Urtheils, verbunden mit edler, anständiger Freimüthigkeit, müssen überall vorherrschen. Controversen und Erläuterungen durch merkwürdige Staatsvorfälle bleiben hauptsächlich dem mündlichen Vortrag vorbehalten."

Dieses Programm, daß dem bekannten Charakter des trefflichen Staatsgelehrten so vollkommen entspricht, hat er auch genau befolgt. In knapper, aber stets klarer Form giebt das Buch von mäßigem Umfang sehr viel3): man darf sagen, daß es den Gegenstand erschöpft.

Klüber war, als er das Europäische Völkerrecht herausgab, wirklicher Geheimer Legationsrath im Preußischen auswärtigen Amte, und stand auf dem Höhepunkte seines Ruhmes. Bei den leitenden Staatsmännern nicht nur Deutschlands, sondern auch des größeren Theils von Europa galt er als der Erste unter den Kennern und Schriftstellern des öffentlichen Rechts. Man hörte auf ihn in den maßgebenden politischen Kreisen. In den Deutschen Staatsverhältnissen galt sicherlich keiner mehr als er. Es gab keinen Staatsmann, der nicht seine „Acten des Wiener Congresses" (1815f.), keinen Deutschen Staatsgelehrten, der nicht sein öffentliches Recht des Teutschen Bundes" (1817) u. f. w. (Staatsrecht des Rheinbundes 1808 u. a.), keinen mo

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dernen Historiker, der nicht seine Uebersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Congresses" (1816) gekannt und benußt hätte.“4)

Als Sohn eines Cantonarchivars mitten in den Actenstücken aufgewachsen, hatte er stets die genaueste Kenntniß der Praxis mit theoretischer Gelehrsam= keit und literarischem Fleiße verbunden; vielfach war er seit mehr als zwanzig Jahren mit diplomatischen Arbeiten und Staatsgeschäften betraut worden; er hatte dem Wiener Congresse als Privatmann beigewohnt; als er 1816 in Petersburg auf Mission weilte, hatte ihn Alexander als Jurisconsulte de l'empereur, außerhalb aller Staatsbehörden, und als Leiter einer diplomatischen Schule behalten wollen. Das ihm angetragene Finanzministerium in Baden hatte Klüber ebenfalls abgelehnt. Die Preußische Anstellung hatte er, wohl zum Theil der alten Freundschaft mit Hardenberg wegen, angenommen. 1818 hatte er Hardenberg auf den Aachener Congreß begleitet.

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Das Ende dieser glänzenden Laufbahn ist bekannt genug. Kaum war Hardenberg todt, fingen von Seiten des Preußischen Ministeriums die Verfolgungen gegen Klüber an. Sein,,Oeffentliches Recht des Teutschen Bundes“, in 2. Auflage 1822 erschienen, gab dazu den Anlaß oder Vorwand. Das Ergebniß einer ungefähr dreivierteljährigen Untersuchung zu Berlin, während berufsmäßiger Abwesenheit des Verfassers, war eine Verurtheilung desselben zu demüthigender und ehrwidriger, sowohl amtlicher, als auch publicistisch- literarischer Stellung desselben, mit Anführung von Entscheidungsgründen, auf sieben beschriebenen Folioseiten . . .“5) Klüber bat sofort um Dienstentlassung, die ihm 1824 ertheilt wurde. Er lebte von nun an in Frankfurt a. M. als Privatmann, „stets beschäftigt mit literarischen Arbeiten oder mit Gutachten in besonders wichtigen Rechtsangelegenheiten.“’6)

Klüber starb in Frankfurt a. M. 1837. Ueber seine Jugend ist zu be= merken: Er war geboren zu Tann in Unterfranken 1762, studirte in Erlangen, Gießen, Leipzig; habilitirte sich in Erlangen, wo er 1786 außerordentlicher, 1787 ordentlicher Professor wurde. Von 1795 ab war er im Berliner auswärtigen Amte thätig. 1804 trat er in Badische Dienste; von 1807 ab lehrte er mit Beibehaltung seiner amtlichen Stellung in Heidelberg.

Mohl urtheilt: „Klüber hat mehr gelesen, wohl mehr gewußt als die meisten seiner Zeitgenossen; er war ein ehrlicher Mann in staatlichen Dingen, freisinnig nach dem Maßstabe seiner Zeit: allein es haben manche Andere richtiger und tiefer gedacht als er; er war kein urkräftiger, schöpferischer Geist."7)

1) Ueber Arn's Programm, s. Bulmerincq in Schmoller's Jahrbuch 1883, 633 (261), und unten, § 121.

2) Ueber Klüber's Systematik: Kaltenborn, S. 175. Bulmerincq, S. 157. 3) Die ersten Französischen und Deutschen Auflagen bilden zwei Bände im Ganzen von 624 Seiten, trok Noten und Bibliothek; die Morstadt'sche Ausgabe einen Octavband von 482 Seiten; die lezte Ott'sche einen Duodezband von 573 Seiten, troß der nicht immer proportionnirten Zusäße.

4) Eisenhart, in der Allgemeinen Deutschen Biographie.

5) Klüber, Vorwort zur 3. Auflage des „Deffentlichen Rechts" 13. April 1831. 6) Eisenhart (a. a. D.).

7) Mohl, S 487. Mohl fügt hinzu: „Er ist selbst völlig irregegangen in Wichtigem." Dies bezieht sich aber nicht, wie mir scheint, auf die völkerrechtlichen Leistun= gen Klüber's. Auf die Systematik dürfte man es beziehen, dies hat aber Mohl nicht gethan.

§ 113. Heffter.

Literatur: Nekrologe in der Revue de droit international, Bd. XII; im Annuaire de l'Institut de droit international, Bd. V (von Schulze). 2., in der Kaltenborn, Kritik, S. 207 (mit einer Kritik des Oppenheim'schen Buches verbunden). Bulmerincq, Systematik, Mohl, Geschichte und Literatur, Bd. I, S. 394.

Allgemeinen Deutschen Biographie.

S. 201.

Als im Jahre 1844 der bereits auf verschiedenen Gebieten der Rechtswissenschaft, wie auch in der höheren und höchsten Praxis rühmlich bekannte Berliner Professor August Wilhelm Heffter sein,,Europäisches Völkerrecht der Gegenwart auf den bisherigen Grundlagen" veröffentlichte, waren allerdings wichtige Monographien von Miruss, von Gagern, Pütter, Hälschner, Fallati theils eben erschienen, theils im Begriffe zu erscheinen, allein von Gesammtdarstellungen des Völkerrechts war seit Saalfeld's Handbuche nichts ausgearbeitet worden, und Deutschland hatte kein neues Werk aufzuweisen, welches mit denen von Wheaton und Manning hätte verglichen werden können.

Von Heffter's Buche sind bis 1881 sieben Deutsche Ausgaben veranstaltet worden; vier Französische (1857 vom 1863 verstorbenem Jules Bergson; zuleßt 1883 von Geffen besorgt); dann auch Griechische (Kyriakou 1860), Polnische (Rzesinski und Rydzowski 1864), Spanische (Lizarragua 1875), Russische (Freiherr von Laube 1880); auch eine Ungarische Bearbeitung von Apathy (1878). Dieser Erfolg, der jetzt noch andauert, ist vollkommen gerechtfertigt.

,,Heffter's Lehrbuch“, schrieb Mohl wenige Jahre nach dessen Erscheinen, „ist vom juristischen Standpunkte aus weitaus das Beste, welches in irgend einer Sprache im Völkerrecht besteht."1) Mohl rühmt den richtigen Umfang, die einfache übersichtliche Eintheilung des Stoffes, die Gleichmäßigkeit der An= lage, die flare, geschmackvolle, ohne Ziererei wissenschaftliche Sprache, die Einhaltung des rechten Maaßes in den Nachweisungen der Literatur und einzelner schlagender Beispiele. Was den Inhalt betrifft, so ist der ächt juristische Charakter des Buches beim ersten Blick zu erkennen. Es kann wohl Keinem der Eindruck entgehen, daß hier ein gewiegter, vielfach durchgebildeter Rechtsgelehrter spricht.... Die Gesammtrichtung ist mit gesundem Sinne auf das Praktische gerichtet. Aus der Bekanntschaft des Verfassers mit anderen Rechts

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