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7) Ueber Burlamaqui's Familie vergleiche man Galiffe, Notices généalogiques, Bd. I. Ein Filippo Burlamacchi, aus einem anderen Zweige deffelben Geschlechts, war Zeuge und sogar Schreiber des Teftaments von Alb. Gentilis. Vgl. sowohl für Burlamaqui als für De Felice, A. de Montet, Dictionnaire des Genevois et des Vaudois. Ueber De Felice ist ein guter Artikel von Maron in der Biographie Michaud.

Unter den Ausgaben des De Felice hebe ich hervor die Pariser von 1830, Leçons de droit de la nature et des gens par M. le professeur de Félice, in 2 Bänden, 8o, deren erster den Untertitel führt »Droit de la naturea, der zweite den Untertitel »Droit des gens«<.

8) Vicat hat ein brauchbares »Vocabularium juris civilis« verfaßt, Schriften von Caepolla, Harpprecht u. A., und namentlich Bynkershoek herausgegeben, die Rechte von San Remo gegenüber Genua vertheidigt, und sich auch in den Gebieten des Kirchenrechts, des Lehrrechts und des Schweizerischen (Bernischen) Rechts hervor gethan.

Nur äußerst wenig auf das Völkerrecht Bezügliches findet man im übrigens ganz anspruchslosen Werkchen eines anderen Waadtländischen Juristen: »Le droit naturel, d'un père à son fils« (Yverdon 1769) von Jean Georges Pillichody (1715-1783).

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Troß seinem glänzenden Erfolge hatte Pufendorf von Anfang an, wie bereits erwähnt, zwar nicht zahlreiche, wohl aber tüchtige Gegner.

Die einen folgten mehr oder minder vollständig den Fußstapfen des Grotius. Sie erscheinen als die Träger der Grotianischen Ueberlieferung; ihre Lehre wird namentlich von Wolff erneuert, verjüngt und zu größtem Ansehen gebracht.

Die Andern sind in der positiven Richtung weiter gegangen als Grotius, weiter auch als Zouch. Sie haben das positive Element, im Gegensate zum naturrechtlichen, vorwiegend zur Geltung gebracht. Sie erscheinen somit als Vorläufer, wenn nicht schon als Vertreter des Positivismus des XVIII. und XIX. Jahrhunderts. Eine eigentliche Continuität scheint kaum nachweisbar; Moser ist unabhängig von Rachel und Textor, und ebensowenig läßt sich eine directe Einwirkung dieser Schriftsteller auf Bynkershoek behaupten; eher dürften Leibnik, Pufendorf's beständiger Gegner, und Ludewig mit denselben in Verbindung gebracht werden, aber auch dies nur theilweise und relativ. 1)

Die Vertreter dieser Richtung, die man als Widerstand und Reaction gegen das Naturrecht bezeichnen kann, haben ihre Lehre vorzüglich in Monographien verfochten. Hier soll nur von zweien, Rachel und Tertor, die Rede sein; ihr geringer Erfolg läßt sich schon daraus ersehen, daß Ersterer nur zwei Ausgaben, Letterer nur eine hatte. Es scheint, als habe die anfangs kräftige Opposition schon nach wenigen Jahren verstummen müssen, was vielleicht dem Einflusse des Thomasius zugeschrieben werden muß. Auch ist nicht zu übersehen, daß vor den großen Sammlungen der Verträge, die erst mit Leibnitz beginnen und besonders in Holland in den ersten Decaden des achtzehnten Jahrhunderts zu Stande kamen, eine eigentliche, wirklich positive Wissenschaft des Völkerrechts nicht möglich war.

Pufendorf's bedeutendster Gegner ist der Holsteiner Samuel Rachel, ein tüchtiger Rechtslehrer, der auch practischer Diplomat war; 1628 geboren, gestorben 1691; Professor in Helmstädt 1658, in Kiel 1665; Herzoglich Holstein-Gottorp'scher Rath und Gesandter bei den Nymweger Friedensverhandlungen; 1680 Amtmann in Eiderstädt.

Er schrieb »De jure naturae et gentium dissertationes duae« 1676 (2. Aufl. 1696). Die erste Abhandlung ist de jure naturae, de virtute morali, de bona indole; die zweite de jure gentium. 2)

Für Rachel ist jus gentium: »Jus plurium liberarum gentium, pacto sive placito expressim aut tacite initum, quo utilitatis gratia sibi invicem obligantur.« Also das Recht, wodurch ganze Völker oder Staaten gegen einander verpflichtet werden, gegründet auf ausdrückliche oder stillschweigende Verträge, nicht auf Geseze, da kein gemeinsamer Oberherr ist; nicht zu verwechseln mit dem Naturrechte und ebensowenig mit dem verschiedenen Völkern gemeinsamen Rechte. Rachel verwirft die Unterscheidung von jus gentium primaevum und secundarium, dagegen theilt er das Völkerrecht ein in allgememeines, commune, und besonderes, proprium. Letzteres besteht zwischen zwei oder doch nur wenigen Völkern und beruht fast durchaus auf ausdrücklicher Verabredung. Ersteres ist dasjenige Völkerrecht, dessen sich die meisten Völker unter einander bedienen: Grundlage ist hier vorwiegend stillschweigende Vereinbarung, auch Gebrauch und Vermuthung. Das allgemeine Völkerrecht wird auch in einem vorzüglichen Sinne Völkerrecht genannt.

In mehreren Paragraphen (§§ 84 - 118) wird der Beweis der Existenz und Nothwendigkeit des Völkerrechts geführt, gegen Hobbes und vorzüglich gegen Pufendorf. Zum Schlusse erklärt Rachel, derjenige handle underantwortlich, der das Völkerrecht umstoßen will, anstatt es den Regenten_anzupreisen: es wäre zu wünschen, daß durch Einverständniß der Völker ein Collegium feciale errichtet würde, dessen Entscheidung sich alle Staaten bei Entstehung öffentlicher Streitigkeiten unter ihnen unterwerfen würden (§§ 119 bis 121).

Johann Wolfgang Tertor, geboren 1637, war, als er 1680 die »Synopsis juris gentium« herausgab, seit 1673 Professor der Rechte in Heidel

berg; vorher (1666) war er in gleicher Eigenschaft in Altdorf, und früher hatte er als Kammergerichtsrath in Speyer practicirt und war seines Vaters Nachfolger im Amte eines Directors der gräflich Hohenlohe'schen Kanzlei in Neuenstein gewesen. Seine juristische Bildung hatte er in Jena und Straßburg erhalten. Von Heidelberg ging er als Protosyndicus nach Frankfurt am Main, wo er in dieser Eigenschaft 1701 starb. 3) Er war ein gelehrter Mann; sein Gedächtniß soll so vorzüglich gewesen sein, daß er das Corpus juris bei nahe auswendig wußte. 4)

Die „Synopsis“, zu Basel erschienen, beträgt 147 Seiten Quart (auf zwei Spalten nebst Inder). Sie sollte nach Tertor's eigener Erklärung und nach dem Titel allein das Völkerrecht enthalten; doch finden sich auch allgemeine naturrechtliche Materien, auch solche, die zum allgemeinen und zum speciellen Staatsrechte gehören; auch Römisches Recht wird herangezogen. Textor hat den Vorwurf, den man ihm wegen dieser Einmischungen machen könnte, vor= gesehen und sich, zum Theil mit Hinweisung auf den Vorgang des Grotius, zu rechtfertigen gesucht. 5)

Zu loben ist die Fülle von gut gewählten Belegen aus der neueren Geschichte.

1) Die Richtung Rachel's und Textor's charakterisirt Heffter, im Gegensaße zu den reinen Positivisten, dahin, daß deren Anhänger „zwar in dem Völkerwillen allein den Grund eines practischen Rechts finden, denselben jedoch nicht blos in äußeren Manifestationen suchen, sondern in der Nothwendigkeit der Dinge, in den Standpunkten und Verhältnissen, worin die Nationen zu einander treten, als von selbst gegeben entdecken, somit zwar kein absolut verbindliches jus naturale, wohl aber die naturalis ratio der Personen, Dinge und Verhältnisse, oder auch überhaupt das Wollen der Gerechtigkeit, in den Willen der Nationen eingeschlossen betrachten.“ Heffter, § 10. Kaltenborn wirft Rachel, Textor, Dürr (1671), Uffelmann (1674), Werlhof (1688), Pompejus (1688), 3entgraf (1678, 1684), mit Selden und Zouch zusammen, unter der Rubrik: „Die positive Richtung nach Grotius." Bynkershoek erwähnt Grotius und Pufendorf als »ii qui familiam ducunt«, er nennt Thomasius »sani judicii homo«, citirt auch Zouch mehrmals. Er war achtzehn Jahre alt, als Rachel starb, achtundzwanzig beim Tode Tertor's. 2) Guter Auszug bei Ompteda, S. 277 f. Von Rachel werden noch citirt: De justitia universali, De morte voluntaria 1669, De duellis 1670.

3) Tertor's Familie blieb in angesehener Stellung in Frankfurt; irre ich nicht, so war dessen Enkel der bekannte Stadtschultheiß Johann Wolfgang Tertor (1693 -1771), Goethe's Großvater.

4) Pütter, Literatur des Deutschen Staatsrechts 1, § 155. Von Textor find noch verschiedene wichtige Werke: Jus publicum Caesareum 1697, Tractatus de jure publico statuum Imperii Romano-Germanici 1701, Disputationes academicae juris publici et privati 1698.

5) Die Kapitelüberschriften bei Ompteda, S. 290. Tertor handelt De jure conubiorum, de procreatione et educatione liberorum, de defensione sui contra

vim, de religione in Deum et theologia naturali, de obsequio erga parentes et patriam; auch, wie übrigens schon Grotius, De jure sepulchrorum; dann de rebus publicis earumque juribus, de legibus imperiorum fundamentalibus, de magistratibus, praemiis et poenis etc. Wirklich völkerrechtlichen Inhalts sind nur zwanzig von den dreißig Kapiteln der Synopsis.

Viertes Kapitel.

Wolff und die Grotianische Ueberlieferung.

§ 97.

Grotianer in den Niederlanden und in Deutschland.

Literatur: Hogendorp, De juris gentium studio in patria nostra post Hugonem Grotium. Amsterdam 1856; hauptsächlich S. 22, 53, 61. teda, S. 288, 297, 300, 319.

Omp:

Daß in Holland die Lehren des Grotius stets Anhänger hatten, erhellt aus dem in den vorhergehenden Abschnitten Gesagten zur Genüge.

Die namhafteren Niederländischen Jünger, Lobredner und Vertheidiger des Grotius find theilweise im § 88 genannt. Ich erinnere besonders an Graswindel, Gronovius, Willem van der Muelen, W. de Groot.1)

Eine wichtige Stelle unter denen, die dem Grotius treu blieben, gebührt dem Leydener Professor Philipp Reinhard Vitriarius, welcher 1647 in Oppenheim geboren, Boecler's Schüler in Straßburg war, 1675 in Genf Professor wurde; einige Jahre später kam er nach Leyden und starb daselbst 1720.

Die Institutiones juris naturae et gentium, ad methodum Hugonis Grotii conscriptae« von Vitriarius erschienen zu Leyden 1692. Mehrere Auflagen find theils von ihm, theils von seinem Sohne veranstaltet worden: 1695, 1704, 1711, 1718, 1719, 1726, 1734. Das Buch wurde auch mehrfach annotirt und commentirt, 2) und hat beinahe die Berühmtheit der Institutiones juris publici Romano-Germanici erlangt. Im Ganzen ist es ein Grotianisches Compendium, abgefaßt für den Prinzen Christian Ludwig von Brandenburg, der Schüler des Vitriarius war. Vitriarius selbst sagt, er habe befolgt »Hugonis Grotii opus divinum, libros, capita, paragraphos, attamen non servili vel caeca quadam subjectione, verum at liber in libera republica, quaelis est haec nostra literarum.« Die abweichenden Ansichten, die er sich

erlaubt hat, notirte er als Randbemerkungen. Es ist indessen bemerkenswerth, daß er schon in Beziehung auf den Begriff selbst des Jus gentium dissentirt, von welchem er sich eine weniger klare Vorstellung macht, als die Grotianische war. Daraus entspringt manches Mißverständniß. Dennoch ist Vitriarius das Lob nicht zu versagen, daß er, wie Hogendorp sagt, »ea quae apud Grotium saepe diffusa sunt et dispersa, in compendium accurate redegerit, inprimis quod Grotium explicare ex Grotio conatus sit.« Daher ist das Compendium jetzt noch brauchbar.

Des Vitriarius Sohn, Johann Jakob, 1679-1745, lehrte in Leyden und in Utrecht.

Ein Schüler dieses jüngeren Vitriarius, Gerhard Noest, der Schöffenpräsident der Stadt Purmerend (Provinz Holland) war, hat im Jahre 1753, zu Ämsterdam, ein wichtiges, außerhalb der Niederlande wenig bekanntes Buch veröffentlicht, dessen Titel den Inhalt ausführlich bezeichnet: »Het Algemeen Staatsrecht gebruikelijk in tijden van vrede en in den oorlog, opgehelderd uit de reden en uit het recht der natuur en der volken; volgens de orde en de schikkingen van des Heeren Hugo de Groots Recht des Oorlogs en Vredes, en toegepast op de voornaamste gebeurtenissen in de oude en nieuwe historien te vinden, in't byzonder op de geschiedenissen der Vereenigde Nederlanden, doormengd met velerlei staatkundige aanmerkingen en regelen aangaande het burgerlijk bestiera. Noest will die Grotianische Lehre darstellen, erläutern, und theils bestärken, theils auch bekämpfen, mit Hilfe anderer angesehener Natur- und Völkerrechtslehrer, wie Pufendorf, Barbeyrac, Heineccius, Bynkershoek, und unter Heranziehung von Beispielen aus der neueren Geschichte Europas.

Im Völkerrechtlichen begnügt er sich meistens damit, Grotius anzuführen, zu paraphrasiren. Indessen polemisirt er gegen Pufendorf und Barbeyrac, be= treffend das Verhältniß des Völkerrechts zum Naturrecht und das Gewohnheits-Völkerrecht, ohne daß seine eigene Lehre als eine deutliche und selbst= bewußte erscheine. In Erörterung der einzelnen Theile des Völkerrechts ist Noest besser als in den allgemeinen und Grundbegriffen. Sein Hauptzweck war, wie er selbst angiebt, seinen Landsleuten die Lehren des Völker- und Naturrechts und des allgemeinen Staatsrechts in der Landessprache zugänglich zu machen.

Noch kann als Niederländischer Grotianer Friedr. Wilhelm Pestel (1724 ---1805) genannt werden, obschon er in Rinteln geboren und daselbst bis 1763 Professor war, auch in dieser Eigenschaft 1756 seine »Prolegomena juris naturae et gentium« veröffentlichte; seine Hauptwirksamkeit gehört aber der Universität Leyden an, wo er 42 Jahre lang lehrte und den Grotius, nach Meermans Zeugnisse, jucunda gravitate explicirte. Pestels Vorlesungen über Völkerrecht werden auch von Bilderdijck als trefflich geschildert.

Pestel hat seine Theorie des Völkerrechts in akademischen Reden bekannt gemacht, beim Antritte des Lehramts in Leyden und bei Ablegung des Recto

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