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rischer Ueberlegenheit im Felde gewürdigt werden müssen und im engsten Zusammenhange stehen mit strenger Manneszucht und willfährigem Gehorsam.

Uebrigens hatten die Fetialen selbst niemals ein Recht, Kriege zu bean= tragen. Sie waren ausführende Organe des Senats und wurden deswegen nicht aus eigener Initiative thätig; nur darum handelte es sich, Beschlüsse der Kriegführung und der Vertragsvereinbarung in Einklang zu halten mit dem religiösen Volksbewußtsein und dem alten Ritual.

Als zu ihrem Collegium gehörig oder mit ihm in Verbindung stehend, erscheint der Pater patratus, dessen besondere Aufgabe es war, Namens des . Volkes den Bundeseid bei Vertragsschlüssen zu leisten, 6) sowie die ceremoniale Figur des Verbenarius, der die an heiligen Orten gepflückten Kräuter als Symbole der Weihe bei sich führte.

Den Inbegriff aller auf den auswärtigen Rechtsverkehr bezüglichen, der Competenz der Fetialen unterstellten Rechtsregeln bezeichnete man als jus fetiale. Die Räthlichkeit der Geheimhaltung der alten Formeln, deren Kenntniß zu diplomatischen Streitigkeiten zwischen dem Senat und den Volkstribunen oder zwischen dem Römischen Volk und auswärtigen Nationen führen konnte, bot wahrscheinlich die Begründung dafür, daß dies Fetialenrecht nicht in die Gesetzgebung der XII Tafeln aufgenommen wurde.

Abgesehen von Kriegserklärungen und Bündnißschlüssen, bezog sich das jus fetiale auf folgende internationale Rechtsverhältnisse:

Erstens, die Handhabung der Auslieferung von Missethätern, die gegen das Völkerrecht gefrevelt hatten (deditio). Daß das Römische Volk als verlegter Theil nicht nur die Herausgabe fremder Staatsangehöriger beanspruchte, sondern auch seinerseits Uebelthäter auswärtigen Nationen preiszugeben bereit war, also für sich die Auslieferungspflicht anerkannte, ist bekannt. Die Fetialen waren es, durch welche die Deditionen bewerkstelligt wurden.7)

Zweitens, die Friedensbewahrung durch Ueberwachung des Vertragsrechts und seiner Stipulationen, so daß wenigstens in ältester Beit die Fetialen Beschwerden einzelner Peregrinen über Rechtsverlegungen entgegennehmen und in geeigneten Fällen auf Genugthuung dringen konnten.

Drittens, die Wahrung des gesandtschaftlichen Herkommens nach beiden Seiten der Verpflichtung und der Berechtigung des Römischen Volkes.

Unter den Magistraturen der internationalen Rechtspflege erschienen zuerst die Recuperatoren.8) Gewiß stammte der Gerichtshof der Recuperatoren aus sehr alter Beit, denn seine Entstehung fällt in die erste sacrale Periode und ist mehr als anderes geeignet, den Rechtscharakter der anfänglichen internationalen Beziehungen aufzuhellen. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß Recuperatoren schon in den latinischen Bundesstreitigkeiten eine Rolle gespielt haben.

Die Ziffer der im einzelnen Fall urtheilenden Personen bewegte sich zwischen drei und fünf. Ueber die Einleitung des Verfahrens darf vorausgesetzt wer den, daß es in den ältesten Zeiten der Senat oder die Consuln waren, die den Zusammentritt solcher internationaler Gerichtshöfe veranlaßten. Als regelmäßiges Organ dieser Justiz mag dann für minder bedeutende Fälle der Fremdenprätor eingetreten sein, nachdem die Prätur als Justizbehörde sich eingebürgert hatte. Doch kann dadurch das Recht des Senates, wo erhebliche völkerrechtliche Interessen bedroht waren, nicht beseitigt worden sein, vielmehr muß es ihm zugestanden haben, die Einleitung des Verfahrens mit Recuperatoren zu Gunsten fremder Nationen zu veranlassen. 9)

Diese Annahme stände wenigstens in Uebereinstimmung mit der alten Vorstellung, wonach willkürliche Rechtsverweigerung gegenüber den Bundesgenoffen dem ganzen Volke zur Nationalverschuldung zugerechnet werden müßte.

Was die Competenz der Recuperatoren anbelangt, so handelt es sich vornehmlich um Rückforderungsklagen vermögensrechtlicher Art zwischen Ange= hörigen verschiedener Nationalitäten oder mehrerer verschiedener Staaten. 10) Die am meisten zutreffende Bezeichnung wäre also die eines ständigen, d. h. ein für allemal competenten Schiedsgerichtshofes, dessen Einsetzung auf voran= gegangener genereller oder specieller Vereinbarung unter den betheiligten Staaten beruhte. Auf Grundlage solcher vorausgegangenen Verständigung schrieb dann das Gesetz oder das Edict vor, wann und in welchen Fällen Recuperatoren wirksam werden sollten. Nach dem einmal geschaffenen Vorbilde derselben mag denn auch das Repetundenverfahren den gemißhandelten Provinzialen aus Billigkeitsgründen zugestanden worden sein. Zwischen Römischen Bürgern fonnte übrigens gleichfalls ein Verfahren vor Recuperatoren eintreten. 11)

Unter den Organen internationaler Rechtspflege darf vielleicht auch des Centumviral gerichtshofes gedacht werden. Ueber seine Zuständigkeit im Einzelnen und sein Verfahren bestehen mancherlei Zweifel unter den Rechtshistorikern. Soviel aber ist gewiß: es handelte sich regelmäßig bei der Thätig= feit dieses Gerichtshofes um das Anerkenntniß, daß gewisse Rechtsverhältnisse von Staatswegen wirksamer geschüßt werden sollten als durch Klagerechte ge= wöhnlicher Art möglich war. 19)

Von verschiedenen Seiten wird angenommen, der Centumviralgerichtshof, der nachmals aus vier Abtheilungen bestand und zur Kaiserzeit noch bis in das IV. Jahrhundert fortdauerte, habe die Beziehungen des civilen und quiritarischen Rechtes in solchen Fällen seiner Entscheidung unterzogen, in denen es an einer ordentlichen anderweitigen Gerichtsbarkeit fehlte. Möglicherweise gehörten Streitfragen des Beuterechts vor sein Forum, gewiß das materielle Notherbenrecht, bei dem auch Fragen aus dem connubium vorkommen mußten.

Als einer zwar nur theilweise hierher gehörenden aber dennoch wichtigsten Corporation muß auch des Senates gedacht werden. Wenigstens wäre dies insofern nöthig, als der Senat nicht nur diplomatische Functionen zu leiten hatte, sondern auch über Beschwerden auswärtiger Nationen entschied.

Seiner Leitung unterstanden die Römischen Feldherren. Ihm hatten sie zu berichten. Aus dem Senate ergingen Instructionen an Gesandte. In seinen Sizungen ward über alle auswärtigen Angelegenheiten, auch über die Bestrafung der socii 13) berathen, über die Bedingungen der Friedensschlüsse, der Bündnisse und über Staatsverträge Beschluß gefaßt. Sein Recht war es, Kriegserklärungen in Erwägung zu ziehen, so daß den Fetialen in diesen Stücken nichts anderes zu thun blieb, als die Wahrung der vorgezeichneten Formen oder gutachtliche Aeußerung von Bedenken. Das Recht der Comitien, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse zu genehmigen, bedeutete wenig mehr als einen Formalact. Der Ueberlegenheit der Römischen Diplomatie über die Leitung auswärtiger Angelegenheiten durch Asiatische Dynastie und Griechische Volksversammlungen entsprach die geistige Ueberlegenheit Römischer Senatoren über jene schwankenden Elemente, auf die sich Roms Gegner bei der Entscheidung über Krieg und Frieden stüßten.

Von der Königszeit beginnend, bis in das zweite Jahrhundert n. Chr. fortdauernd, folgte die zähe und beharrliche Kraft der Römischen Diplomatie den Ueberlieferungen des Senates, obschon die staatsrechtlichen Befugnisse des Senates in dieser Hinsicht mannigfach angezweifelt worden sind. Keinerlei Gesetz hat seine nach Außen repräsentative Stellung geschaffen oder begränzt; keinerlei Volksbeschluß sie sanctionirt. Sie gründete sich auf uraltem Herkommen und erschien so selbstverständlich, daß der Versuch, sie eigenmächtig zu umgehen, bereits in der Königszeit als Usurpation gedeutet und dem Tarquinius zum Frevel angerechnet ward. 14)

Cicero sah im Senat und dem sacralen Recht der Auspicien, worin man zunächst eine weise Einschränkung des auch im Senat nicht fehlenden Parteiwesens erblicken muß, die Grundpfeiler der Römischen Machtstellung nach Innen und Außen. 15)

Mit dem Untergange der Republik mußte sich die Stellung des Senates zu den auswärtigen Angelegenheiten schon deswegen ändern, weil der militärische Oberbefehl in den Händen der Imperatoren ständig concentrirt blieb. Aber diese Aenderungen traten sehr allmälig ein und sind niemals in bestimmten juristischen Formen zum Ausdruck gelangt. 16)

Nachfolger des Senats in der Ausübung der repräsentativen Gewalt gegenüber auswärtigen Nationen ward der Principat. Ueber Krieg und Frieden entschied der Princeps als Höchstcommandirender. Dabei kamen zwei Verhältnisse nebenher in Betracht: die Entlegenheit der Reichsgränzen von Rom bedingte nothwendig, daß die Befehlshaber in weit abgelegenen Provinzen oftmals auf eigene Verantwortlichkeit Feldzüge zu gelegener Zeit selbständig unternahmen oder einstellten; andererseits figurirte der Senat auch in der Kaiserzeit zuweilen als ceremoniale Behörde bei der Erledigung diplomatischer Geschäfte. 17)

Mommsen vermuthet, daß das Recht über Krieg und Frieden bei der ersten Einrichtung des Imperium dem Augustus in der Delegation der Volksgewalt gefeßlich übertragen worden sei, woran sich späterhin bei jedem Thronwechsel die einfache Wiederholung derselben Formel geschlossen habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies der Fall war, denn möglicherweise umfaßte der Begriff des dem Princeps übertragenen Imperium auch denjenigen des Friedensschlusses. Irgend ein practisches Interesse zu genauerer Definition war nicht gegeben, seitdem durch Kriege der späteren Republik die alte Wehrverfassung durchbrochen worden war. Somit fehlte es denn auch an Competenzstreitig= keiten zwischen dem Princeps und dem Senat. Wurden an diesen gelegentlich von den Kaisern selbst Friedensgesandtschaften verwiesen, so mögen dabei rein äußerliche Rücksichten auf Empfangsfeierlichkeiten bestimmend gewesen sein. Staatsrechtlich dachte man sich den Princeps als Inhaber aller in einer Person concentrirten Machtbefugnisse der höchsten Magistraturen.

Als Behörde des internationalen Privatrechts muß der praetor peregrinus angesehen werden.

1) Bei Griechischen Autoren heißen die Fetialen eipqvodizac (Friedensrichter) εἰρηνοφύλακες, σπονδοφόροι, εἰρηνοποιοί. Die Etymologie des Festus leitet das

Wort von ferire ab, andere von fides und foedus.

2) Kaiser Augustus nahm auch die Stellung eines Fetialen ein. Dio C. L, 4. Tac. Ann. III, 64.

3) Sueton, Claud. cap. 25. Auf Inschriften kommen Fetialen, die Männer von hohem Range sind, bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. vor. Madvig (a. a. D.) II, 672.

4) Eine fehlerhafte, etymologische Ableitung giebt Festus: Fetiales a feriendo dicti, apud hos enim belli pacisque faciendae jus est.

5) Ueber ihren Ursprung: Liv. I, 32 (jus ab antiqua gente Aequiculis, quod nunc fetiales habent).

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6) Andere wie Conradi haben ihn als Vorsteher des Fetialen-Collegiums aufgefaßt. Siehe dagegen die Quellenzeugnisse bei Rubino, S. 172 (Not. 2). Auch der pater patratus fand sich bei den alten Latinern (Liv. I, 24. VIII, 39). 7) S. darüber die Beispiele bei Dionys. Hal. II, 37. 51. 72. III, 37. 39. IV, 50. V, 50. Liv. I, 30. XXXVIII, 38. Plut. Num. 12.

Anerkannte Gründe der Auslieferung waren gegeben, wenn Römische Feldherren mit dem Auslande contrahirt hatten und die Bestätigung des Abkommens durch Rom verweigert wurde (wie z. B. im Falle des C. Hostilius Mancinus gegenüber Numantia), wenn auswärtige Staaten schuldhaften Vertragsbruch geltend machen konnten oder in der Person ihrer Gesandten verlegt worden waren (Liv. epitome XV. XXXVIII, 41. Cic. Verr. V, 19); wenn Römische Gesandte ihrerseits fremde Nationen beleidigten (wie im Fall der Fabier gegenüber den Galliern: Liv. V, 36. VI, 1).

8) Festus: Reciperatio est, ut ait Gallus Aelius, quum inter populum et reges nationesque et civitates peregrinas lex convenit, quomodo per reciperatores reddantur res reciperent eaque res privatas inter se persequantur. Die auf das Vorkommen der Recuperatores bezüglichen Quellenzeugnisse s. bei

Padelletti, Rechtsgeschichte (Deutsche Ausgabe) S. 170, Not. 5. Keller, Römis scher Civilprozeß § 8.

9) S. Liv. XXXX, 2; in welchem Falle der Senat (583 u. c.) dem nach Spanien defignirten Prätor den Auftrag giebt, recuperatorische Entscheidungen gegen möglicherweise ersaßpflichtige Magistrate herbeizuführen. Mommsen, Staatsrecht II, 212 sieht in diesem Falle eine Abweichung von der Regel, gleichsam eine extraordinaria cognitio des Senates.

10) Ausführliche Nachweisungen s. bei Voigt, (a. a. D.) II, 160 ff.
11) Beispiele s. bei Padelletti S. 170.

12) S. Cicero de orat. I, c. 38. Keller, Römischer Civilprozeß § 6. Madvig (a. a. D.) II, 229. Jhering, Geist des Römischen Rechts I, S. 223 Mommsen, Staatsrecht II, 220 ff. (der die Einseßung des Centumviralgerichtshofes nach 517 u. c. datirt).

(n. 115).

13) Madvig, Verfassung und Verwaltung des Römischen Staates I, 291.

14) S. Liv. I, 49. Hic enim regum primus traditum a prioribus morem de omnibus senatum consulendi solvit. Domesticis consiliis rempublicam administravit; bellum, pacem, foedera, societates per se ipse cum quibus voluit, injussu populi ac senatus fecit diremitque. S. auch Cicero de rep. II, 9. Dion. Hal. II, 56. (Mit Beziehung auf Romulus).

15) Cic. de republ. II, 10, 17.

16) Mommsen, Römisches Staatsrecht II, 913: „Auf keinem Verwaltungsgebiet ist das Regiment der Princeps weniger in feste, uns erkennbare Formen gefaßt als auf dem der auswärtigen Angelegenheiten sowie der davon unzertrennlichen höchsten militärischen Direction."

17) Instructionswidrige oder eigenmächtige Kriegserklärung fiel unter die Lex Julia Majestatis L. 3. Dig. 48, 4: lege tenetur qui injussu principis bellum gesserit.

§ 61.

Die auswärtigen Beziehungen im Allgemeinen. Literatur: M. Voigt, Jus naturale, aequum et bonum. Bd. II, S. 103 ff. Hirschfeld, Zur Geschichte des Latinischen Rechts. Wien 1879. Madvig, Verfassung und Verwaltung des Römischen Staates, II, 340 ff. Willems, Le Sénat de la République Romaine II, 465 ff.

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Die Summe aller auswärtigen Beziehungen des Römischen Volkes faßte man in der Bezeichnung des jus belli ac pacis zusammen: eine Bezeichnung für die Gesammtheit des Völkerrechtsinhalts, die Grotius von den Römern entlehnte. Soll dies nun heißen: Wo kein Friedensschluß oder Bündniß bestand, galt von Römischer Seite der Kriegszustand?

Die Mehrzahl der Rechtshistoriker nimmt an, daß der Kriegsstand nach rechtlicher Auffassung der Römer als normales Verhältniß der Nationen zu Rom gedacht worden sei. Ob dies schon in ältester Zeit gegenüber dem Latinischen Bunde der Fall war, könnte zweifelhaft erscheinen. Ebenso dürfte

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