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thümlich erblickte man im Römischen Recht selber weniger die archivalische Erhaltung durch das Corpus juris, sondern ein Werk kaiserlicher Weisheit.

Endlich haben wir drittens diejenigen an Umfang geringen Bestandtheile der Römischen Rechtsbildung ins Auge zu fassen, welche als völkerrechtlich im engeren Sinne bezeichnet werden können und sich auf das Verhältniß der Römer zu anderen Mächten beziehen.

1) Als Bildungsfactor der gelehrten Weltbildung moderner Zeiten ist der Orient durch die Hebräische Sprache nur bei Theologen repräsentirt, das Hellenenthum durch den Unterricht im Griechischen für die historisch-linguistischen und philosophischen Studienkreise, das Lateinische als nothwendiger Bestandtheil aller höheren, nicht blos der Gelehrten Bildung repräsentirt, sodaß hier im Allgemeinen nicht der höhere ästhetische und wissenschaftliche Werth, der dem Griechischen zuerkannt werden mußte, sondern die größere zeitliche Nähe der antiken Culturen und deren practische Brauchbarkeit (für Kirchendienst, Staatsamt und Romanische Sprachstudien) entschied.

2) Bei den Griechen taucht der Name „Italien“ zuerst im Zeitalter Alexanders des Großen auf, als Alexander von Epirus bei Pästum landete. Liv. VIII, 17, 10.

§ 58.

Die Entwickelungsepochen in den völkerrechtlichen
Beziehungen der Römer.

Literatur: Die vollständigste Uebersicht über die Literatur der Römischen Rechtsgeschichte giebt A. Rivier (im Anschluß an Savigny's Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter) in seiner Introduction Historique au droit Romain. Nouv. ed. Bruxelles 1881, § 4, § 214 ff. Vornehmlich: Puchta, Cursus der Institutionen I (8. Ausgabe von Krüger, 1875). Rudorff, Römische Rechtsgeschichte. 2. Bd. 1857-1859. Kunge, Institutionen und Geschichte des Römischen Rechts. (2. Ausgabe 1879). Esmarch, Römische Rechtsgeschichte. (2. Ausgabe 1877 ff) v. Jhering, Geist des Römischen Rechts. (Französisch von Meulenaere 1877.) Padelletti, Lehrbuch der Römischen Rechtsgeschichte. (Deutsche Ausgabe von v. Holzendorff, 1879). S. 3. 193. 373 ff. Maynz, Cours de droit Romain. 4. éd. Bruxelles 1876. Willems, Le droit public Romain depuis l'origine de Rome jusqu'à Constantin-le-Grand. 3. éd. Louvain 1874.

Obgleich das Altrömische Recht mannigfache Verwandtschaften mit Griechischen Anschauungen aufweist, ist der Entwickelungsgang der Römischen Rechtserzeugung und Jurisprudenz dennoch ein völlig verschiedener, sogar welt= geschichtlich einzigartiger gewesen. Man kann die Natur des Römischen Rechts der Bildsamkeit der für Werke der Plastik geeigneten Metallmassen vergleichen, deren Vereinigung und Mischung es ermöglicht, die Sprödigkeit und Härte des Stahls gleichzeitig mit der Weichheit des Kupfers zu verschmelzen.

Was den Griechen troß der Fülle ihrer Culturanlagen gefehlt hatte, war den Römern verliehen: Formenstrenge in der Wahrung und Fortbildung ihrer Rechtsgrundsäge, Einseitigkeit eines unbeirrt auf die practischen Bedürfnisse des gesellschaftlichen Lebens gerich= teten Sinnes, ein höheres Maß von Unabhängigkeit der rechtsbildenden Staatsorgane vor den Schwankungen rein politischer Bewegungen. In Griechenland hatten zulezt Religion, Ethik, Recht und Kunst ihren legten Einheitspunkt in den Zweckmäßigkeitsforderungen der freien bürgerlichen Staatsgenossenschaft, also in der Politik gefunden. Anders in Rom. Staat, Behörden und Gesetzgebung folgten einem im Innern des Volkes lebendigen Triebe, die feste, mit altem Herkommen der Väter verwach= sene, auf den Einklang von Sitte und Religion gestüßte Lebensordnung nicht durch gelegentliche Gesezesvorschriften verwirren zu lassen, sondern im engsten Zusammenhang einheitlicher, durch feste Formen gesicherter Rechtsübung zu fichern.

Es ist deshalb ganz richtig, wenn von jeher die Römer als Rechts- und Staatsvolk in aller Kürze charakterisirt worden sind. Ihnen fehlte jener kosmopolitische Zug des Griechischen Geistes, der zwar zu den höchsten Leistungen der Kunst, Wissenschaft und Technik Anregungen mannigfachster Art gab, aber auch nothwendig zur Zersplitterung des staatlichen Lebens führen mußte. Rom bewahrte sich strenge Einheitlichkeit seines Rechts auf allen Stufen seiner Verfassungsbildung. Aus dem Stadtrecht eines Anfangs wenig bedeutenden Burgfleckens ward ein Volksrecht glücklicher Eroberer und schließlich ein Weltrecht, das seine Schöpfer überlebte.

Erst seit der durch Hugo und Savigny erfolgten Begründung der neueren historischen Rechtsschule und im Zusammenhang mit einer kritisch sichtenden Geschichtsschreibung, die, an Niebuhrs Namen anknüpfend, die reinsten und zuverlässigsten Quellen der Historie aufsuchte, gleichzeitig aber auch den inneren Gehalt der alten Römischen Volkssage wissenschaftlich zu verwerthen verstand, hat man begriffen, daß der innere Zusammenhang des Römischen Rechts und aller seiner Bestandtheile aus den von Justinian gesammelten Bruchstücken und Kaisergesehen nicht voll erkannt werden kann, zu seiner Erforschung vielmehr der geschichtliche Prozeß allmäliger Entfaltung des Rechts blosgelegt werden muß. 1)

Die Epochen der Römischen Rechtsgeschichte sind, wenn man von den großen Abschnitten der Verfassungsentwickelung, also vom Untergange republikanischer und monarchischer Staatsformen absieht, nicht leicht abzugränzen. Denn die Allmäligkeit und Unmerklichkeit der juristischen Umbildungsprozesse und Gestaltveränderungen gehört zu den eigenartigen Merkmalen der Römischen Rechtsgeschichte.

Ebenso wenig darf übersehen werden, daß da das Werth-Verhältniß des öffentlichen Rechtes zum Privatrecht und Prozeß zu verschiedenen Zeiten eben

falls ein wesentlich verschiedenes war, ein einheitliches Gesammturtheil über das Römische Recht überhaupt nicht gefällt werden kann.

Für die Zwecke übersichtlicher Vorführung derjenigen Entwickelungen, die den internationalen Charakter des Römischen Rechts näher berühren, muß daher theilweise von denjenigen Ereignissen abgesehen werden, die für die innere civilrechtliche Gestaltung entscheidend geworden sind. Die sichtbarsten und einschneidendsten Abtheilungen der Römischen Rechtsgeschichte sind diejenigen prozessualer Art. Und gerade diese auf dem Boden des Civil- und Strafprozesses wahrnehmbaren Merkzeichen haben für die Beurtheilung völkerrechtlicher Entwickelungen am wenigsten zu besagen.

Der Römischen Cultur lag eine weitaus ältere Italisch-latinische Gesittung zu Grunde, denn Rom war von Hause aus ein minder mächtiges, durch seine Gränzlage vorzugsweise gefährdetes, auf die Treue seiner Genossen angewiesenes Mitglied einer Conföderation. Wir haben uns den Latinischen Bund als eine auf gemeinsamer Abstammung, Sprachgenossenschaft, Religion) und gemeinsamer Gefährdung durch Etruskische und Großgriechische Angriffskräfte beruhende Organisation vorzustellen, innerhalb welcher die Siebenhügelstadt die Aufgabe eines durch die Flußgränze gedeckten Gränzwalles übernommen hatte. Die alten, im Zusammenhange des Latinerbundes entstandenen Grunds fäße des auswärtigen Staatsverkehrs, wie sie Rom auch unter völlig veränderten Umständen bewahrte, können keine anderen sein als diejenigen, die sich unter Mitgliedern eines in kleinen Gemeindebildungen örtlich auseinander gegangenen Stammes herausgebildet und befestigt hatten. 3)

Vieles von dem, was späterhin als nationaler Römischer Bestandtheil der öffentlichen Rechtsordnung erschien, mag daher von Hause aus föderaler Abkunft gewesen sein. Es ist sehr wohl denkbar, daß insbesondere das Vertragsrecht des civilen Verkehrs und die inneren Friedensschlüsse zwischen Patriziern und Plebejern,) die Unverleßlichkeit der Volkstribunen, die Verfehmung der Verfassungsfeinde aus dem latinisch völkerrechtlichen Ideenkreise der Stammes- und Staatsverträge des gemeinsamen Opferdienstes im Ferentinischen Haine und vor allen anderen Dingen aus der gesandtschaftlichen Heiligkeit geschöpft worden sind. Und beinahe undenkbar erscheint es aus Gründen innerer Unwahrscheinlichkeit, daß Rom aus sich selbst die ältesten von Livius bezeugten Regeln des Kriegsrechtes ohne engsten Anschluß und Zusammenhang mit uralten Bundesgenossen geschaffen haben sollte.

Seine Gränzlage nöthigte Rom zu beständiger Waffenbereitschaft, that= kräftiger Waffenübung, fester geordneter Wehr- und Steuerverfassung, häufiger Kriegführung gegen räuberische Anfälle und begründete eben mit diesen Nöthigungen die innere Ueberlegenheit der Römer über andere Latinische Völker, deren Berglage gegen Angriffe besseren Schutz gewährte, also ein Mindermaß persönlicher Kraftentfaltung zuließ.

Die älteste, wesentlich durch Volksüberlieferung bezeugte und gleichsam heroische, dem Homerischen Zeitalter der Griechen entsprechende Epoche des

Römischen Staatswesens hat für das Privatrecht, das sich noch im kindlichen Zustande der Unselbständigkeit befand, nur eine nahezu antiquarische Bedeutung bewahrt, erscheint aber andererseits als das Zeitalter eines vergleichungsweise hoch entwickelten Völkerrechtszustandes. Aus dieser Urzeit der sacralen Rechtsperiode, während welcher das Priesterthum die Einheit von Volk und Staat, von Herkommen, Sitte und Religion begründete, stammen die werthvollsten Zeugnisse, Angesichts derer es unmöglich ist, die Behauptung festzuhalten, es habe den alten vorchristlichen Völkern die Erkenntniß der Völkerrechtsfundamente gefehlt.

An der Gränzscheide neben dem höher civilisirten und weiter vorgeschrittenen Machtgebiete der Etrusker langsam aus verschiedenen Bevölkerungselementen emporgewachsen, eingeengt durch umwohnende Stämme der Latiner, übte Rom Jahrhunderte hindurch Selbstbeschränkung im Verhältniß zu Völkern, die als verwandte in ihrer Gesittung anerkannt waren und überdies durch feststehende Ueberlieferung als vorelterliche gelten mußten, von denen Rom erhebliche Bestandtheile seiner eigenen Cultur abgeleitet zu haben sich stets bewußt blieb. Nirgends wird in den Altrömischen Geschichtserzählungen ein nationaler Gegensatz gegen die Nachbargemeinden betont.

Aus dem Latinerrecht sonderte sich im Verlaufe eigenartiger Verfassungsbedürfnisse zunächst das innere Verfassungsrecht ab, während Familienrecht und äußeres Verkehrsrecht längere Zeit im früheren Zusammenhange geblieben sein mögen. Das war wenigstens bis dahin möglich, wo erfolgreiche Kriege zu Anfangs nur bescheidenen Eroberungen führten, im Zusammenhange mit denen sich auch Grundbesizrechte, ständische Gesellschaftsgliederungen nach den doppelten Antrieben der Vorzugsrechte einzelner Klassen oder allgemeiner Gleichberechtigung in Bewegung sehen und zu besonderen Ausgestaltungen führen mußten.

Das Eintreten ernster Schwankungen in dem alten überlieferten Gewohn heitsrecht bezeugt der Auswanderungszug des Volkes nach dem heiligen Berge und die Zwölftafelgesetzgebung.

In internationaler Beziehung traten erhebliche Veränderungen erst ein, nachdem Rom in Berührungen mit den Galliern getreten und auf Völker gestoßen war, deren Gesittung ein von dem Römisch-latinischen Typus völlig abweichendes Gepräge trug. Solche Berührungen mit durchaus fremdartigen Nationen mehrten sich im Verlaufe des dritten Jahrhunderts v. Chr. Nicht nur Latinische Nachbarvölker und Etrusker, auch Samniten, Großgriechische, Seestädte wie Tarent, Süditalisch- Oskische Stämme waren der Reihe nach in Abhängigkeit von Rom gerathen. Für solche Sieger wie die Römer war der Rahmen des Latinischen Bundes zu enge geworden.

Eine zweite Periode der Römischen Völkerrechtsbeziehungen fällt etwa in den Zeitraum der Punischen Kriege. Wesentliche Veränderungen im Verhältniß zur vorangegangenen Epoche treten unverkennbar hervor, seit

dem 513 Sicilien als erste Provinz erworben und um dieselbe Zeit der praetor peregrinus eingesetzt wurde. 5)

In erster Linie steht die Thatsache, daß Rom, um die Karthaginienfer erfolgreich bekämpfen zu können, genöthigt war, Seestreitkräfte zu organifiren, für deren kriegerische Verwendung in den alten auf den Landkrieg berechneten Rechtsüberlieferungen ein Anknüpfungspunkt nicht gegeben war. Mit höchster Wahrscheinlichkeit ist angenommen worden, daß es Griechische Technik und Griechische Hülfsstreitkräfte gewesen sind, deren Hülfe die ersten Hömischen Seesiege ermöglichte.

Der weitere Verlauf der Punischen Kriege führt dann zum Erwerb der ersten Provinzen. Ihre Verwaltung bewegte sich gleichfalls in Bahnen, die von den Traditionen der ersten Epoche gänzlich fern lagen. 3weierlei war unvermeidlich geworden. In demselben Maße, wie sich die Römer an den ständigen Verkehr mit unterworfenen Provinzialen gewöhnten, schwand ihre aus den alten Bundesverhältnissen herrührende Moderation gegen andere Nationen, wuchs ihr Gefühl politischer Ueberlegenheit und der Gedanke einer darauf zu begründenden Berechtigung zur allgemeinen Hegemonie auch über die Seestaaten.

Der alte staatsrechtliche Begriff der höchsten magistratischen Machtfülle im imperium wandelte sich mehr und mehr um in das internationale Postulat eines dem Römischen Volke gebührenden und von ihm mit allen Mitteln zu erstrebenden imperium mundi, als eines auf den Erdkreis sich erstreckenden Besitzanspruchs.

Dem Wachsthum politischer Macht nach Außen folgt schrittweise die Zersetzung der republicanischen Verfassungsformen, der Verfall der Sitten und die Zerstörung jener religiösen Motive, in deren allgemeiner Verbreitung das alte Völkerrecht seine Grundlage gehabt hatte.

Der Zeitpunkt, wo während dieser zweiten Periode die Kräfte der politischen Machtentfaltung nach Außen und die Rückbildungsprozesse inneren Verfalles sich ins Gleichgewicht seßen, ist schwer zu bestimmen, dürfte aber mit einigem Recht auf das Ende des legten Punischen Krieges und die gleichzeitige Unterjochung Griechenlands zu verlegen sein.

In der Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. gewinnt Rom durch die Einwanderung zahlreicher Griechischer Philosophen, Gelehrten und Künstler, sowie durch den Zustrom asiatischer Bevölkerungselemente das Aussehen einer alle übrigen Hauptstädte der Welt überflügelnden Metropole, in der ähnlich wie in Babylon und Alexandrien eine Misch cultur entsteht: eine politisch rechtlose Menge, zusammengeseht aus zahlreichen Fremden verschiedener Religion und sehr ungleichartiger Bildung, überwuchert die einheimische Bürgerschaft. und erstickt allmälig deren nationale Kraft.

Unter diesen fremben Elementen war das Griechische das einflußreichste. Karneades, der hervorragendste Vertreter der neueren Akademie, hatte bereits durch seine glanzvollen Vorträge in Rom der Skepsis zahlreiche Anhänger gewonnen. 6) Ihm gesellten sich die Anhänger der stoischen und epi

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