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werden; Tyrannen und Tyrannenmörder zählten zu den Verehrern Platons. Später wandten sich die Akademiker vom politischen Leben ab.

9) Selbst die Möglichkeit einer monarchischen Herrschaft über Hellenen und Perser ward bezweifelt. Aristoteles dachte an eine Art von Personalunion. S. Plut. de fortun. Alex. I, 6: οὐ γὰρ ὡς Ἀριστοτέλης συνεβούλευε αὐτῷ, τοῖς μὲν Ἕλλησιν ἡγεμονικῶς, τοῖς δέ βαρβάροις δεσποτικῶς χρώμενος. καὶ τῶν μὲν ὡς φίλων καὶ οἰκειών ἐπιμελούμενος, τοῖς δὲ ὡς ζώοις ἢ φυτοῖς προσφερομένος.

Drittes Kapitel.

Das Römerthum.

§ 57.

Der Rechtecharakter der Römischen Cultur.

Literatur: v. Jhering, Geist des Römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwickelung. 4. Aufl. 1878. Bd. I. S. 312ff. G. B. Niebuhr, Römische Geschichte. 3 Bde. 1811-1832 (zuleßt von Jsler in 8 Theilen 1873).

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Der

J. Rubino, Untersuchungen über Römische Verfassung und Geschichte. 1839. Th. Mommsen, Römische Geschichte. 3 Bde. 6. Aufl. 1874. selbe, Römisches Staatsrecht. 2 Bde. 2. Aufl. 1876-1877.

Die erste Culturschicht internationaler Beziehungen lieferte der Orient, eine zweite das Hellenenthum.

Die dritte Schichtung aller universalen Culturbestandtheile des antiken Völkerlebens wird durch das Römerthum gebildet. 1) Rom übernahm durch die Eroberung Süditaliens und Siciliens während der Punischen Kriege, sodann ostwärts in seinen Eroberungszügen fortschreitend das Culturerbe der Griechen und der Orientalischen Nationen einschließlich Aegyptens.

Nach ihrer Geistesanlage in Künsten und Wissenschaften, an Beweglichkeit und Erfindungsgabe hinter den Hellenen weit zurückstehend, überragten die Römer doch alle Nationen der alten Welt durch staatliche Organisations= kraft und juristischen Formensinn. Sie sind kurzweg als Rechts- und Staatsvolk zu bezeichnen. Ihre Rechts- und Verfassungsbildung, erst auf königlicher, dann auf republicanischer Grundlage beruhend, durchlief einen Weltherrschaftsprozeß, dessen innerer Aufbau in seiner formalen Vollendung ebenso unerreichbar in seinem Bereiche erscheint, wie die besten Schöpfungen der Griechischen Plastik auf dem ihrigen. Nirgends in der Welt sind die erobern

den Mächte des siegreichen Kriegsschwertes und des den inneren Frieden ordnenden Gesezes in ein so enges Bündniß getreten wie in Rom.

Diese universale, für die internationale Culturgemeinschaft der Folgezeit fortwirkende Bedeutung des Römischen Staatswesens, dessen höchste Machtblüthe zeitlich genommen mit dem Niedergang der Hellenistischen Welt theilweise zusammenfällt), beruht zunächst in der bedeutsamen Wechselwirkung des Griechischen und Römischen Volkgeistes. Werthvolle Nachfrüchte der Rhetorik, der Poesie, Philosophie und Sculptur reiften in dem sogenannten goldenen Zeitalter der Lateinischen Literatur, die sich nach Griechischen Vorbildern aufbaute. Unter dem Einfluß Griechischer Weltanschauungen mildert sich die Altrömische Ausschließlichkeit gegenüber dem Fremdländischen. Fühlten sich Römische Republiken auf sittlichem und rechtlichem Gebiete den Griechen überLegen, so konnten sie deren Vorrang in zahlreichen Hervorbringungen geistiger Art nicht leugnen und nur auf Nachahmungen Bedacht nehmen, ohne je hoffen zu dürfen, die gleiche Stufe zu erreichen. Immerhin haben die Römer durch die Denkmäler ihrer Literatur die Abbilder des Griechischen Geisteslebens räumlich so weit verbreitet, wie es ohne Vermittelung der Römischen Herrschaft den Griechen nicht möglich gewesen sein würde.

Denkt man sich als Anfangspunkt der Römischen Weltherrschaft dieselbe Theilung, die als Endpunkt des späteren Römischen Staatsverfalles nach Theodofius eintrat, die Scheidung nämlich eines östlich-griechischen Staatswesens von einer occidentalischen Herrschaft in Westeuropa ohne vorangegangene Durchdringung der Griechischen und Römischen Cultur, so hätten die Werke des Hellenischen Geistes der Erziehungsaufgabe im mittelalterlichen Verlaufe der Geschichte nicht gerecht werden können.

Daß die Geistescultur der Römer der Griechischen nicht nur nicht ebenbürtig war, sondern, von den staatlichen Verhältnissen abgesehen, der Origi= nalität im Großen und Ganzen überhaupt entbehrte, und deswegen für die Aufnahme Hellenischer Bildung so wohl vorbereitet war, gereichte der Nachwelt zum Vortheil.

Die Lateinische Literatur ist es gewesen, die nach dem Untergange des Römischen Staatswesens die Wiedergeburt der Hellenischen Gedankenwelt ermöglichte und jene Pilgerfahrten zu den Urquellen der Schönheit unter Gelehrten, Forschern und Künstlern anregte, deren Wirkung im späteren Mittelalter hervortreten sollte, indem damit ein neues Zeitalter eingeleitet wurde.

Die welthistorische Bedeutung der Römischen Literatur war aber für das Mittelalter selbst keineswegs durch ihren inneren Gehalt, sondern durch eine Anzahl practischer Bedürfnisse bedingt, denen sie zu genügen im Stande war. Durch ihre Vermittelung gelangte die Europäische Cultur zur Kenntniß des Rechtes, dem nach der Meinung nachgeborener Geschlechter die Eigenschaft innewohnte, Weltrecht gewesen zu sein oder wiederum werden zu können.

Die universale Bedeutung Roms für die Entwickelung allgemeiner internationaler Beziehungen muß daher auf die Grundthatsache zurückgeführt wer=

den, daß seine welterobernde Macht im Stande war, unzählbare Völkerstämme, Bewohner der nordischen Wildnisse und des subtropischen Wüstensaumes, Nachkommen Altägyptischer und Asiatischer Culturvölker, Semitische Monotheisten und Griechische Philosophen, Celtische Hochalpenbewohner und Ba= tavische Seefahrer in den Rahmen einer von den Juristen und Staatsmännern geschaffenen Einheit gemeinsamer Rechtsordnungen einzufügen. Als dieses ungeheure Werk, die Doppelarbeit einerseits der Völkerentwöhnung von uralten Sitten und Rechtsgebräuchen jener Nationen, andererseits der Anpassung aller practisch brauchbaren Elemente des Rechtsverkehrs gelungen war, gab es in Wirklichkeit ein antikes Weltbürgerrecht auf Grundlage Römischer Civilisation, das die Philosophie zwar geträumt, aber niemals zu schaffen im Stande gewesen war. Mochte es auch im staatlich politischen Sinne Angesichts einer alles verschlingenden Despotie geringwerthig erscheinen; im menschheitlichen Sinne war die Einheit der wichtigsten Rechtsvorstellungen ein Gut von unermeßlicher Bedeutung.

Mit diesem Anerkenntniß einer dem Römischen Recht nachzurühmenden Einheitlichkeit und Widerspruchslosigkeit darf man indessen keine falschen Vorstellungen verbinden. Denn zwischen den ältesten, an die Volkssage und die Königsmythen anstreifenden Anfängen des Priesterrechts und den lezten Rechtssammlungen Oströmischer Kaiser liegt eine unvergleichliche Reihe von Entwickelungen, deren Wesen aber gerade durch den inneren Zusammenhang ihrer Bedingungen einer historischen Einheit angenähert wird, so daß sich nirgends die Grundmerkmale der Römischen Rechtsanlage plöglich verleugnen.

Mit der inneren Gleichmäßigkeit der Entwickelung aller Rechtsinstitute stand es wesentlich im Zusammenhang, daß, so lange der Rechtsstoff im Großen und Ganzen noch bildungsfähig war, niemals ein Gefeßgebungs-Organismus allein bei seiner Vervollkommnung, Ergänzung, Reinigung und Verbesserung betheiligt war, wie ehemals etwa die Macht der Priester oder Könige in Orientalischen Staaten oder die Abstimmung der Volksversammlungen in Hellenischen Republiken.

Bis zu dem Zeitpunkte, da die geistigen und materiellen Kräfte der Römer der Erschöpfung verfielen und das Imperatorenthum unter öden Hofceremo= nialien eine Scheinmacht mit fremden Söldnern mühsam aufrecht erhielt, waren es immer mehrere Organe gewesen, die, sich wechselseitig ergänzend und beschränkend, zur Fortbildung des Rechtes, sei es in der Administration der Provinzen, sei es in der Entscheidung einzelner Rechtsfälle, sei es in den Gefeßgebungsacten der Comitien, oder in den Berathungen des Senats zusammenwirkten. Selbst die Cäsaren der ersten Jahrhunderte nach Christus dachten nicht daran, sämmtliche Functionen der Rechtserzeugung in ihren persönlichen Willen zu centralisiren.

Auf solchem Wege gleichzeitigen Zusammenwirkens mehrerer Staatsorgane ward dem Römischen Rechte allseitige Brauchbarkeit und zwar leichte Anwend

barkeit gesichert, die überall darauf beruht, daß die Tragweite der geltend ge machten Normen nicht in die Gebiete abstracter Speculation hinüberreicht, gleichzeitig aber über die kurzsichtige Casuistik des einzelnen Falles hinausgeht.

Wer die besten Theile des Römischen Pandektenrechts und die in ihm bezeugte Methode juristischen Denkens mit der Behandlung verwandter Themata im Talmud, oder in den Schriften Griechischer Rhetoren und Philosophen verglichen, wird auch ohne vorangegangene historische Studien wenigstens einen deutlich merkbaren Eindruck davon gewinnen, wie in den Römischen Juristen jene Macht klarer, practisch brauchbarer Rechtsanschauung sich gleichsam personificirt hatte, die aus dem Volksgeiste selbst abstammte, und sich vor ihnen theils in Volksversammlungen, theils in Gesetzgebungsausschüssen, theils in der Wirksamkeit der Volkstribunen und des Senates, vornehmlich aber in der Prätur unverkennbar geoffenbart hatte.

Die Römischen Juristen standen am Schlußpunct der ihrer legten Arbeit unterworfenen Materie gegenüber dem Verfassungswesen des Staates ungefähr so, wie die Griechische Philosophie zur Zeit des Aristoteles oder seiner Nachfolger Angesichts des von Makedonien herannahenden oder bereits hereingebrochenen Verderbens.

Als Papinian und Ulpian im Anfang des dritten Jahrhunderts n. Chr. ihre ruhmvollen Rechtssprüche ertheilten, konnte man bereits aus den Germanischen Wäldern jenseits der Donau und aus den Steppen Daciens den überwältigenden Kriegsruf der Barbaren weithin vernehmen, keinenfalls aber darüber in Zweifel sein, daß das Römische Volks- und Staatswesen unrettbar vom Imperatorenthum verschlungen worden war. Das öffentliche Recht der Römer hatte unter Caracalla aufgehört zu existiren, als das Römische Privatweltrecht auf dem Gipfel wissenschaftlicher Ausbildung angelangt war und das politische Bürgerrecht keinen Gegenstand des Streites mehr abgeben konnte.

Betrachtet man die historische Gleichzeitigkeit tiefster politischer Erniedrigung des Römischen Gemeinwesens unter kaiserlichen Tyrannen, deren Verworfenheit niemals übertroffen worden ist, und hoher Privatrechtscultur, so kann man nicht im Zweifel sein, daß beide Thatsachen sich wechselseitig bedingten.

Bei den Griechen war der juristische Gedanke zu keiner vollen Selbständigkeit in seinem Dasein gelangt. Alles bewegend, blieb die politische Idee auch Alles beherrschend. In Rom trennte sich staatliche Zweckmäßigkeit und prac= tischer Geschäftsverkehr, indem das Recht der Einzelnen sich begriffsmäßig von dem Nußen der Staatsgesammtheit absonderte.

Das größte Werk der Römischen Rechtsentwickelung bestand somit in der Klärung und Feststellung der Privatrechtssphäre im Verhältniß zum öffentlichen Recht. Dies zu vollbringen war nur eine Nation befähigt, die bei allen ihren Waffenthaten und Eroberungen rechtliche Ueberlieferungen auf das Strengste festhielt. Beherrschend in den Vorstellungskreisen der Römer wirk

ten nämlich jene Thatsachen: Jeder Bürger behielt in den unterworfenen Provinzen sein persönliches Recht soweit, als nicht die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten gewisse Veränderungen nothwendig mit sich brachte. Dem Fremden dagegen, der nach Rom kam, ward soviel an Rechtsfähigkeit zugestanden, als mit der nicht politischen Beurtheilung seiner Interessen und der menschlichen Billigkeit sich vereinbaren ließ.

Zwischen dem vollen Bürgerrecht der Römer und dem rein privaten Rechtsgenuß des Fremden gab es Jahrhunderte hindurch erhebliche Zwischenstufen. Man unterschied Latinisches Recht und Italisches Recht gegenüber dem Provinzialrecht. Schließlich blieb nach dem Verschwinden dieser Zwischengestalten das einheitliche Privatrecht von Unterthanen unter dem Titel eines politisch inhaltlosen Bürgerrechts, eines Privatrechts, ohne sonstige Unterscheidung sprachlicher, nationaler oder religiöser Unterschei dungsmerkmale. Das war das Ergebniß einer Betrachtungsweise, die vornehmlich in der Zeit des Verfalles auf die hervorragendsten Juristen um so mehr anziehend wirken mußte, je weniger ihnen Aussicht geboten war, auf den Gang der öffentlichen Angelegenheiten entscheidend einwirken zu können.

Culturgeschichtlich in seiner Gesammtheit gewürdigt, enthält somit das Römische Recht drei große Massen von Rechtssäßen.

Erstens das Privatrecht, das sich in strengster innerer Gefchloffenheit zu einem einheitlichen System entwickelt hatte und zum Abschluß gerade in der Zeit allgemeinsten Sittenverfalles und trostloser politischer Staatszerrüttung gediehen war: die einzige Ueberlieferung des Volksgeistes, die von der Despotie geachtet und geschont wurde, daher geeignet, unabhängig von bestimmten Staatsformen als entnationalisirtes Rechtssystem überall in seinen Hauptsäßen angenommen und fortgepflanzt zu werden, ein reines Product practischer Rechtskenntniß und juristischer Geschäftserfahrung, ausgestattet mit der An= lage, als internationales Privatrecht von der Wissenschaft schlechthin auch unter räumlich und zeitlich veränderten Verhältnissen der Staatenbildung verwerthet zu werden.

Zweitens das öffentliche Recht mit seinen verschiedenen Verzweigungen. 3war entbehrt auch diese Masse nicht eines gewissen historischen Zusammenhanges mit der Vergangenheit älterer Verfassungsformen. Das Entscheidende aber bleibt dabei, daß es seine Daseinsberechtigung in der Voraussezung kaiserlicher Willkür hat. Man empfindet, daß das Römische Weltreich unfähig war, irgend eine andere Verfassung zu haben als diejenige centrali sirter, uneingeschränkter Kaisermacht, die auch den großen Juristen als Fügung des Verhängnisses erscheinen mußte. Aber es ist von vornherein klar, daß dieser Verfassung keinerlei Nachahmungswürdigkeit an sich innewohnte. Eben dies begriff man früher nicht. Die kaiserliche Idee und die Anziehungskraft des Cäsarismus waren es gerade, wodurch die Römische Jurisprudenz befähigt ward, die Zerstörung des Römischen Reiches selbst zu überleben. Irr

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