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Auch die Füsiliere in Aulnay erhielten am 23. Dezember, und zwar hier zum ersten Male, Granatfeuer aus der vorgeschobenen Batterie bei Drancy. Diese artilleristischen Vorbereitungen und sonstige Anzeichen*) schienen auf neue Ausfallsabsichten für den 24. Dezember hinzudeuten. Auch sonst war, und zwar nicht bloß bei der 2. Garde-Infanterie- Division, die Meinung verbreitet, die Franzosen würden gerade den 24. Dezember für einen Ausfall benutzen.**)

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Am Abend des 23. fehrte das I. Bataillon von Blanc Mesnil, das II. von Bourget wo die Vorposten vom Regiment Alexander übernommen worden waren nach Gonesse zurück. Letzterer Ort sollte nach Divisionsbefehl vom 23. Dezember in Zukunft von zwei Bataillonen, und zwar des Regiments, besetzt werden. Demgemäß wurde der Regimentsstab durch Brigadebefehl vom 23. Dezember bis auf Weiteres von Aulnay nach Gonesse verlegt.

Für den 24. Dezember wurden aus dem oben angeführten Grunde besondere Vertheidigungsvorbereitungen getroffen. Von früh 7 Uhr ab stand die Division zum dritten Male in vier Tagen -gefechtsbereit. Noch in der Nacht war an das II. Bataillon der Befehl ergangen, früh 51⁄2 Uhr abermals nach Bourget zu rücken. Da Hauptmann v. Tippelskirch auf kurze Zeit und Lieutenant der Reserve v. Bernhardi — lezterer hatte sich am 23. auf Feldwache in Bourget die Füße so erfroren, daß später Zehenamputation nöthig wurde in Gonesse krank zurückblieben, so führte Lieutenant v. Lüttwiß, jüngster Offizier des Bataillons, die 5. Kompagnie nach Bourget. In lezterem Ort trat dann Lieutenant v. Poncet, von der Verletzung am 21. hergestellt, wieder zum Bataillon.

Nach Blanc Mesnil rückte abermals das I. Bataillon als Verstärkung und erhielt hier für den Tag Alarmquartiere.

Außerdem hatte noch das XII. Armeekorps zur Unterstüßung der 2. GardeInfanterie-Division für den 24. sechs Bataillone und acht Batterien bereitgestellt, wovon zwei Batterien auf dem Bahnhofe von Sévran aufgestellt wurden.

Indeß, troy aller alarmirenden Anzeichen, blieb der Feind vor Bourget ruhig; Aulnay gegenüber begnügten sich die Franzosen mit einer abermaligen mehrstündigen Beschießung***) aus der vorgeschobenen Batterie bei Drancy. Daher

*) So heißt es z. B. in der Vorpostenmeldung des Füsilier-Bataillons vom 23. Dezember: „Vorgeschickte Patrouillen melden Grosley Ferme besezt. Von Seiten der Nebenfeldwache Regiments Alexander wird gemeldet, daß gegen Abend fünf Batterien, eine Kompagnie Infanterie, ein Zug Kavallerie sich zwischen Drancy und Bondy aufgestellt haben. Wachtfeuer waren hinter Drancy sichtbar u. s. w. gez. v. Grolman.“

**) Diese Anschauung, die in der Presse vielfach Ausdruck fand, wurde damit begründet, daß die eingeschlossenen Pariser den deutschen Truppen, deren gefühlvolle Anhänglichkeit an Weihnachtsabend und Christbaum französische Zeitungen verspotteten, eine besondere Bescheerung zu bereiten suchen würden.

***) Granaten schlugen u. A. in das von der 9. Kompagnie belegte Alarmhaus, ohne indeß Verluste anzurichten.

24. Dezember 1870.

25. bis 28. De: zember 1870. Regiment

Aulnay.

kehrten die Grenadier-Bataillone am Abend des 24. nach Gonesse zurück und feierten hier ungestört, so gut es die Verhältnisse gestatteten, das Weihnachtsfest.*)

Somit erfolgte auch am 24. der erwartete Ausfall nicht, vielmehr fiel gerade an diesem Tage, nachdem General Ducrot des scharfen Frostes halber von dem geplanten Angriff Abstand genommen, beim Feinde die Entscheidung endgültig in anderem Sinne. An maßgebender Stelle war, in Berücksichtigung der Erfahrungen vom 21. Dezember, die Ueberzeugung durchgedrungen, daß mit dem vorhandenen Truppenmaterial ein gewaltsamer Angriff gegen Bourget unausführbar sei. General Trochu" bemerkt das Generalstabswerk,hatte es aufgegeben, den Kampf um Le Bourget in der bisherigen Weise fortzusehen, der Stimmung der Bevölkerung Rechnung tragend hingegen beschlossen, nunmehr gegen den Ort mit Laufgräben vorzugehen. Das 1. Korps der Armee des Generals Ducrot war hiermit beauftragt worden."

Der Feind entschloß sich sonach zu dem Versuch, Bourget durch eine Art förmlicher Belagerung in Besitz zu bekommen. In welcher Weise dies ausgeführt und durch welche Gegenmaßregeln deutscherseits die Absicht des Feindes bis zum Schluß der Einschließung vereitelt wurde, sei Gegenstand der folgenden Schilderung.

5. Einschließung vom 25. Dezember 1870 bis zur Kapitulation von Paris am 28. Jannar 1871. — Besetzung des Forts d'Aubervilliers.

(Hierzu Plan 12.)

A. 25. Dezember 1870 bis 5. Januar 1871. Regiment in Gonesse—
Aulnay-Pont Jblon. - Vorposten in Aulnay und Bourget.

Der nach dem Gefecht vom 21. Dezember allmählich sich anbahnende Umschwung der kriegerischen Verhältnisse fand unser Regiment nicht mehr unter der in Gonesse und bisherigen Führung. Am 25. Dezember mittags übernahm Oberst v. Sommerfeld durch Parolebefehl das Kommando, nachdem er am Morgen Aulnay besucht und hier Oberstlieutenant v. Grolman, der den erkrankten Regimentsführer im äußeren Dienst vertreten, von seiner Ankunft benachrichtigt hatte. Da Oberstlieutenant v. Bernhardi sich einige Zeit später behufs Heilung seines rheumatischen Leidens nach Reims begab, so trat in der Führung der Bataillone keine Aenderung ein.

*) Die Offiziere der beiden Grenadier-Bataillone versammelten sich zur Festfeier im „blauen Affen“. Hier hatte der neue Regimentskommandeur, Oberst v. Sommerfeld, der eben aus der Gegend von Amiens in Gonesse eingetroffen war, die erste Gelegenheit, den größeren Theil des Offizierkorps kennen zu lernen.

Auch an Festfreuden mangelte es nicht gänzlich. Die Offiziere der 1. Kompagnie hatten für einen Christbaum gesorgt. Bei der 3. Kompagnie war es trotz aller störenden äußeren Einflüsse möglich gemacht worden, in einem Teiche im Park der Glasfabrik in Bourget Karpfen zu fangen und so das in der schlesischen Heimath am Weihnachtsabend übliche Karpfengericht herzustellen.

Ende Dezember

arbeiten der

Franzosen gegen
Bourget.

Mont Avron.

Die Schwierigkeiten der allgemeinen Lage waren in dem Augenblick, als Allgemeine Lage Oberst v. Sommerfeld den Befehl des Regiments übernahm, noch groß, vielleicht 1870. Angriffsdie größten während der Einschließung. Der Frost stieg in der Nacht bis zu sieben, auch acht Grad, so daß laut Meldung der Aufeisungskommandos die Offenhaltung eines Kanals in der Ueberschwemmung nicht mehr sichergestellt werden konnte. Beschießung des Hierzu kam, daß seit dem 22. Dezember der Feind mit dem Bau von Laufgräben gegen Bourget begonnen hatte, die vorwärts der Südspiße des Ortes von der Route de Lille in Richtung auf Drancy ausgehoben wurden. Diese Arbeit, welche die Franzosen mit der ihnen im Festungskrieg eigenen Gewandtheit mit Annäherungsgräben und Batteriestellungen förderten, gestattete, Truppen zu beliebiger Zeit und Stärke Bourget gegenüber unbemerkt zu versammeln. Gleichzeitig wurde, laut Vorpostenmeldung vom 24., der Bau vorgeschobener Batterien bei Drancy und Grosley-Ferme fortgesetzt.

Diesem durch Pioniere und Artillerie ausgeführten Angriff gegenüber regte das Generalkommando des Gardekorps beim Oberkommando die Frage an, ob es nicht angezeigt sei, bei weiterer Annäherung des Feindes an Bourget letteren Ort aufzugeben und eine „Schlachtstellung“ rückwärts der Ueberschwemmung einzunehmen. Der Bescheid des Oberkommandos, d. d. Margency 25. Dezember 1870, lautete:

,,Das Oberkommando stimmt mit dem Königlichen Generalkommando überein, daß Le Bourget bei dem gemeldeten neuesten offensiven Vorgehen des Feindes mit Approchen und schweren Geschützen gegen dasselbe nur unter schweren Verlusten zu halten sein würde, und ertheilt daher zur Räumung von Le Bourget seine Genehmigung. Dem Königlichen Generalkommando wird die Bestimmung des Zeitpunktes, zu welchem diese Räumung erfolgen soll, ganz anheim gegeben, zugleich aber zur geneigten Erwägung Folgendes bemerkt:

Welchen Nutzen die Behauptung von Le Bourget bisher für uns gehabt, bedarf wohl kaum der Erörterung. Dieselbe machte jeden Angriff auf die Inundationsfront unmöglich und verschaffte uns seit dem Gefechte des 30. Oktober beinahe gänzliche Ruhe der Nordfront. Am 21. Dezember wagte der Feind sichtlich nicht, mit seinen Massen in nordöstlicher Richtung vorzugehen, so lange das in seiner linken Flanke liegende Le Bourget in unseren Händen verblieb.

Seine neuesten Anstrengungen, sich in dessen Besitz zu sehen, obgleich er weiß, daß wir hier keine Offensivgedanken haben, zeigen, welchen Werth der Gegner auf diesen Punkt legt, und daß derselbe eine Offensive in dieser oder mehr nordöstlicher Richtung noch nicht aufgegeben hat.

Daher fragt es sich:

1. ob die Behauptung von Le Bourget nicht bis zu dem Zeitpunkt aufrecht erhalten werden könne, wo nach erfolgreicher Beschießung des Avron die Ebene von Bondy und Drancy durch unsere auf dem Plateau von Raincy erbauten Batterien beherrscht wird. Wenn diese letteren Batterien auch nicht im Stande sein werden, die bei Drancy und südlich von Le Bourget im Bau begriffenen feindlichen Batterien zum Schweigen zu bringen, so ist es doch sehr wahrscheinlich,

daß der Feind dann jede Offensive in nördlicher Richtung aufgiebt und sich demgemäß auch wieder von Drancy und Le Bourget zurückzieht.

Das Oberkommando erklärt sich bereit, dem Königlichen Gardekorps eine größere Anzahl schwerer Geschütze zur Verfügung zu stellen, sobald der Angriff auf den Mont Avron beendet ist. Dieselben werden möglicherweise den Feind hinter Drancy und Le Bourget zurückdrängen.“

Gleichzeitig wurde empfohlen, den Bau von Artilleriedeckungen unverzüglich zu beginnen und dieselben zunächst mit Feld-Sechspfündern auszurüsten.

Nachdem durch vorstehenden Erlaß die Möglichkeit in Aussicht gestellt war, den Feind mit gleichen Waffen, d. h. mit schwerem Geschütz, bekämpfen zu können, erwiderte das Generalkommando noch unter dem 25.:

„Bourget wird so lange wie möglich gehalten, und da für den 28. spätestens die Beschießzung von Bondy u. s. w. in Aussicht gestellt ist, bis dahin jedesmal vor Tagesanbruch die Besatzung von Bourget an Infanterie angemessen verstärkt werden.“ Das Schreiben schloß mit den Worten: „Es dürfte abzuwarten sein, welchen Einfluß die Beschießzung der Ebene von Drancy auf die augenblickliche Situation in Le Bourget haben wird, welche, wie sie jetzt ist, auf die Dauer allerdings nicht zu ertragen sein möchte."

In vorstehendem Sinne befahl die Division, in der Annahme, „daß die 3. Brigade wenigstens noch bis zum 29. eine tägliche Verstärkung von Bourget werde stellen können", den Ort bei Tage (von 61⁄2 Uhr früh bis 6 Uhr abends) mit zwei Bataillonen und einer Garde-Schützen-Kompagnie, bei Nacht mit sechs Kompagnien zu besetzen.

Der im vorstehenden Schreiben des Armee - Oberkommandos erwähnte artilleristische Angriff gegen den Mont Avron war von Seiner Majestät dem König, weil die Franzosen durch Besetzung der genannten beherrschenden Stellung die Einschließungsabschnitte zu beiden Seiten der Marne wirksam bedrohten, unter dem 4. Dezember der Maas-Armee übertragen worden. (Vergl. Generalstabswerk Theil II., Seite 766 u. j. w.) Mit der Errichtung *) von 13 schweren Batterien auf den Hochflächen von Raincy und Montfermeil war unverzüglich begonnen und dieser Bau am 26. Dezember, also gerade an dem Tage beendet worden, an welchem die oben angeführten Erlasse der 3. Garde-Infanterie-Brigade zugingen. Von letterer hatten am 25. Dezember zwei Bataillone Alexander Bourget besetzt. Dieserhalb rückte das diesseitige II. Bataillon früh 5 Uhr von Gonesse als Tagesverstärkung nach Blanc Mesnil. Das I. Bataillon blieb in Gonesse, Füsiliere in Aulnay.

In letzterem Ort hatte das Füsilier-Bataillon, wie angegeben, ohne Unterbrechung seit dem 19. Dezember die Vorposten gestellt. Eine Ablösung war geboten, aber nur dadurch zu ermöglichen, daß vom II. Bataillon - troß der Anstrengungen der letzten Tage unmittelbar von Blanc Mesnil aus zwei

worden.

*) Die 2. Garde-Pionier-Kompagnie war hierzu an das XII. Armeekorps abgegeben

Kompagnien (7. und 8.) auf 48 Stunden nach Aulnay zur Beseßung der Vorposten geschickt wurden.*) Der Rest (5. und 6.) rückte abends nach Gonesse zurüð.

In letterem Ort hatte am 25. Dezember in später Nachmittagsstunde eine ernste Feier stattgefunden. Unter Theilnahme der wenigen dort befindlichen Kameraden des I. Bataillons wurde Lieutenant v. Schalscha auf dem französischen Begräbnißplat -- der nördlich der Stadt auf einer Höhe gelegen, und von dem ein Theil während der Einschließung zum Militärkirchhof hergerichtet war gleichzeitig mit anderen in den Lazarethen von Gonesse gestorbenen Soldaten beerdigt.**)

In der Nacht zum folgenden Tage ging dem Regiment der Befehl zu,***) die Bejagung von Bourget am 26. Dezember abermals zu verstärken. Dementsprechend rückte das I. Bataillon früh 5 Uhr von Gonesse nach Bourget. Sonst blieb die Vertheilung des Regiments wie am 25.

In Bourget war am 26. Dezember Waffenstillstand. Es erschienen französische Parlamentäre im Ort, um die Leichen der am 21. Dezember gefallenen Franzosen abzuholen.†)

In Aulnay und Gonesse fand am 26., als am zweiten Weihnachtsfeiertage, Gottesdienst statt.

Am 27. hatte das I. Bataillon Ruhe in Gonesse, Füsiliere ebenso in Aulnay (die Verstärkung in Bourget übernahm aushülfsweise die 4. Brigade), vom II. Bataillon lösten die 5. und 6. Kompagnie von Gonesse aus die 7. und 8. in Aulnay auf Vorposten ab.

*) Bei der 8. war, da Lieutenant v. Heugel für einige Tage die 6. Kompagnie führte, kein Offizier zur Besehung von Feldwache Nr. 8 vorhanden. Es mußte daher vom FüsilierBataillon Lieutenant der Reserve Kirsch zu diesem Zweck zur 8. Kompagnie auf 24 Stunden kommandirt werden. In gleicher Weise mußte das Füsilier-Bataillon am 27. Dezember zur 5. Kompagnie, der Erkrankung des Lieutenants der Reserve v. Bernhardi halber, einen Feldwachtoffizier kommandiren. Schon einige Tage vorher war, anläßlich eines ähnlichen Offiziermangels, der Adjutant des Füsilier-Bataillons, Lieutenant v. Wrochem, freiwillig auf Feldwache gezogen.

**) Auch die Leiche des Lieutenants v. Schalscha wurde im Februar 1871 mit den im Park von Arnouville beerdigten Kameraden zusammen nach Deutschland überführt. (Vergl. lezten Theil.)

***) Die Uebermittelung solcher Befehle in der Nacht war nicht ohne Schwierigkeiten. Es mußte von Quartier zu Quartier geschickt und die Mannschaft geweckt werden, da in Gonesse laut Korpsbefehl Alarm nicht geschlagen werden sollte.

†) Zwischen den Offizieren der Besayung und den französischen Parlamentären, die, der Genfer Konvention entsprechend, durch weiße Binden mit rothem Kreuz kenntlich waren, entwickelte sich bald Verkehr und Unterhaltung. Einem auffallend starken französischen Arzt wurde versichert, er sei nur mitgeschickt worden, um über die Verpflegungsverhältnisse in Paris Sand in die Augen zu streuen u. s. w. Den Franzosen ihrerseits schien die sechs Fuß hohe, auf entsprechender Basis ruhende Figur des Hauptmanns v. Altrock besonderen Eindruck zu machen. Einige Zeit später kam Offizieren des Regiments eine Nummer des in Paris erscheinenden Petit Journal" in die Hände, in welcher es über die Begegnung am 26. Dezember hieß: „Un homme grossier, les épaules larges comme l'arc de l'Étoile, avec des bottes vernies, cet homme était le commandant du

mais quelles bottes,

Bourget."

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