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Groschen-Bibliothek

der

Deutschen Classiker

für alle Stände.

(,,Bildung macht fret!")

Hundertsechsunddreißigstes Bändchen,

Ludwig Börne.

Erster Theil.

Hildburgbauien:

Druck som Bibliograpbischen Inffitut.

New York. Herrmann 3. Meyer,

Staatsbibliothek
MÜNCHEN

Fragmente.

Wahrheiten.

Ein französischer Minister, selbst wenn er in

Amtssachen einem Bürger schreibt, unterzeichnet: Ich habe die Ehre zu verbleiben“. Der König selbst, in seinen Ordonnanzen, nennt auch den lez ten seiner Unterthanen Herr, selbst wenn er ihn feast. Er verordnet: Dem Herrn N. wird wegen häufiger Preßvergehen das Patent als Buch. händler cutzogen. Aber jeder Amtssekretär, im kleinsten deutschen Städtchen, defretirt: Hat sich der Johann Christoph Peter unfehlbar morgen früh zehn Uhr auf der Amtsstube einzufinden, um die ihm gnädigst bewilligte Gratifikation, gegen Bescheinigung, in Empfang zu nehmen". Der

Deutsche ist nur gegen Vornehmere höflich; wie eine Sphinx fichelt er freundlich nach Oben, und gebraucht nach Unteu die Krallen. Er führt über feine Courtoisie italienische Buchhalterei; bat er eine Schmeichhelei gescht, schreibt er schnell eine Grobheit in's Haben Jeder Regierungs Kanzelist, jeder Bube von Polizei. Kommissär hält sich für einen Statthalter Gottes auf Erden, und ist von Gottes Gnaden ein Gro bian.

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Wer lange leben will, der bleibe in Deutsch. land, besuche im Sommer die Bäder und lese im Winter die Protokolle der Ständeversammlungen. Wer aber Herz genug hat, die Breite des L. bens feiner Länge vorzuziehen, der komme nach Paris. Jeder Gedanke blühet hier schnell zur Em. pfindung hinauf, jede Empfindung reift schnell zum Genusse hinan, Geist, Herz und Sinn suchen und finden sich keine Mauer einer traurigen Psychologie hält sie getrennt. Wenn man in Deutschland das Leben destilliren muß, um zu etwas Feu rigem, Erquicklichem zu kommen, muß man es hier mit Wasser verdünnen, es für den täglichen Ge brauch trinkbar zu machen. Paris ist der Tele graph der Vergangenheit, das Mikroskop der Ge. genwart und das Fernrohr der Zukunft.

Die Freiheit, für die man kämpft, ist eine Geliebte, um die man sich bewirbt; die Freiheit, die man bat, ist eine Gattin, die uns unbestritten bleibt Glauben Sie, daß ein braver Mann sein Weib nicht liebt, weil sein Herz still und friedlich ist? Laßt sie ihm untreu scheinen, wie wird seine Brust vochen; laßt sie krank werden, und wäre es tief im Winter der Ehe, Ihr werdet sehen, daß der Greis noch Liebesthränen hat, und dem ge. retteten alten Mütterchen weinend um den Hals ällt, wie in den schönen Tagen der heißen Bewerbung! Laßt dem fetten Amerikaner Einen an seine Freiheit tasten, und Ihr werdet sehen, wie er die Feder wegwirft und nach dem Schwerte greift, wie ein katalonischer Jüngling!

Die Geheimnisse der Politik und die Brabanter Spißen werden unter der Erde geklöp. pelt; denn die freie Luft zerrisse das überfeine Ge spinnst, und das Erzeugniß so vieler Tage, ío vie ler Hände, so vielen Geldes?

Und der Gebrauch?

Ein Schleier?
Die Schönheit verliert,

was die Häßlichkeit gewinnt. Und der Nußen? Ein Windstoß hebt den Schleier auf, und eine einzige Minute zerstört die Täuschung einer langen Woche. Und die Lehre ? Verwebt Euren

Flachs zu Leinwand für das Volk; die hält

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