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aur behaupten, zum Glück eines Volkes sey es nöthig, daß es monarchisch regiert werde; daß der Fürst unbeschränkte Gewalt habe; ist dieses aber, dann hat der Fürst nur Pflichten, er hat keine Rechte, Nur das Volk hat Rechte. Weil die Herrschsucht der Kleinen in der Herrschaft der Großen etwas Wünschenswerthes fand, haben sie den Besit der Herrschaft ein Recht genannt. Len besten, edelsten Fürsten war das Regieren nur immer als eine schwere Pflicht erschienen.

Die Carbonari und meine Ohren.

ich nach Mailand fam, herrschte dort eine fichtbare Gährung. Man hatte Nachricht erhalten, daß in Turin eine Revolution ausgebrochen; die Behörden waren argwöhnisch, achtsam, streng; das Gesindel freute sich auf die kommende Ver wirrung, und manche angesehene Bürger fahen wie vergnügte Erben aus, die aus Schuldigkeit ein betrübtes Gesicht machen. Ich hatte in Mai. Land italienische Sprache gefunden, aber keinen italienischen Himmel, Gegenwart, aber keine Ver. gangenheit, und ich beeilte mich, über die Schwelle des Paradieses zu kommen. Nachdem ich mit einem Vetturino auf den folgenden Tag für die Fahrt nach Florenz Abrede getroffen, ging ich in Das Theater Della Scale. Man gab die Oper Othello von Rossini. Da mir die abgöttische Vers ehrung bekannt war, die man in Mailand, wie

in ganz Italien, vor Rossini hegte, mußte meine Verwunderung groß seyn, zu bemerken, daß man im ganzen Saale der Darstellung nicht die ge Man lachte, ringste Aufmerksamkeit schenkte. schwaste, ging in den geräumigen Logen auf und ob, nahm Erfrischungen, und der Himmel weiß, vor wem sich die Sänger und Sängerinnen eigent. lich bemühten. Endlich trat Desdemona auf und. ward mit Beifallklatschen empfangen. Sie ver neigte fich dreimal, zuerst vor der leeren Hof. loge, dann rechts, dann vor dem Parterre. Ich weiß nicht, war die Sängerin beliebt oder die Arie, die sie zu fingen hatte, es trat, sobald sie erschien, die größte Stille ein. Sie fang eine tödtliche Viertelstunde; der Hals war mir wie zugeschnürt, und es ward mir erst leichter, als ich an den Schnörkeln und schnelleren und heftigeren Schritten der Melodie bemerkte, daß die Cavatine dem entscheidenden Augenblicke nahe. Signora Desdemona legte auch bald die Sturmleiter an, um in die Bresche, die sie in das Herz der Zu hörer gesungen, einzudringen und den Beifall zu erobern, Ein tapferer Triller drängte sich vor. da fiel man hörte keinen Athemzug. ein Kanonenschuß. Ich sprang erschrocken von meinem Siße auf; ein dumpfes Gemurmel ent stand im Saale, ich hörte, wie in einer etwas entfernten Loge man sich in das Ohr flüsterte: Bis morgen sind sie hier. Ich fühlte meine Wangen erglühen, meine Augen würden nak,

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eine himmlische Freudigkeit durchfächelte meine Adern, und da mir armen Schelme immer das Herz bis am Munde steht und es nur eines Tro pfens bedarf, es überfließen zu machen; da ich `die jammervolle und lächerliche Gewohnheit habe, faut mit mir selbst zu sprechen plagte mich der Teufel, und ich rief so vernehmlich, daß man es zwei Logen weit hören konnte: Es leben die Carbonari! Es lebe Italien!

Zitto!quiefte ein Sopranstimmchen hinter mir; ein anderer feister Herr sah mich mit Ver wunderung an; eine schöne Dame hielt das Schnupftuch vor den Mund. Doch hatten meine aufrührerischen Reden weniger Eindruck gemacht, als man hätte erwarten sollen, wahrscheinlich, weil man den Sinn der deutschen Worte nicht verstanden. Ich selbst aber hatte sie nur zu gut verstanden, und als der Begeisterung Ueberlegung und Kopfschmerzen folgten, als ich des Drtes, derZeit und der Verhältnisse gedachte, kam große -Bangigkeit über mein Herz. Ich zitterte vor den `ö ko no mischen Gerichten; schon fühlte ich den Scharfrichter das Maß von meinem Halse neh. men, und wollte ich noch so gnädig mit mir ver. fahren, konnte ich mir eine følternde Untersuchung und eine lange Gefangenschaft nicht erlassen, und meine verzagte Hoffnung schmeichelte sich nichts “Größeres, als daß sie mich hier in Mailand be. rhalten und nicht in dem abscheulichen Olmüş einsperren würden, seufzte ich, fäßest du

Ach,

jezt an einem Froschteiche in der Mark Branden. burg, wie viel wohler wäre dir dort, als bei dem füßen Geleier der Signora Desdemona! Wehe, Unglücklicher! Wenn der Akt zu Ende ist, kommt die Wache und holt dich!.. Der Akt ging zu Ende, die Wache kam nicht, und als ich auch den zweiten Akt mit freien Ohren absingen hörte, fing ich an mich zu beruhigen.

Die Oper war geendigt und ein Ballet sollte folgen. In der stillen Zwischenzeit trat ein jun ger Mensch in meine Loge, der zuckst mit Dies sem und Jenem sich unterhielt, und da er mich endlich gewahrte, überrascht ausrief:,,Ach, Sie hier! Er nannte mich bei meinem Namen. Ich erinnerte mich seiner nicht, und da er mir erzählie, daß er mich in N. in verschiedenen Gesellschaften gesprochen, murrte ich zum tausendsten Male über mein schlechtes Gedächtniß für Namen und Ge fichter. Ich wundere mich, fagte der junge Mensch, daß mir Herr S. nichts von Ihrem Hierseyn erzählt hat. Wie! ricf ich, S. ist hier? — „Und das wissen Sie nicht? Dort in der Loge sigt er. Ich will Sie hin führen". Ich, sehr vergnügt, einem meiner älte. sten Freunde zu begegnen, folgte meinem Führer. Kaum hatte ich die Logenthür hinter mir, als mein dienstwilliger Herr verschwand und acht Soldaten sarmatischen Ansehens mich in ihre Mitte nahmen. Sie führten mich in eine Wacht. Atube des Opernhauses. Dort durchsuchte man mit vieler Höflichkeit und Genauigkeit meine Th

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