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wagen, wie Bene. Wenn auch ja einmal das Mas der Ehrfurcht, das ein freies, unabhängiges Volk einem fremden Fürsten schuldig ist, nicht gehörig beachtet worden, was ist tadelnswerther, die Ver kürzung, oder Ueberschreitung jenes Maßes? Liegt nicht etwas Großes darin, daß Frankreich einen König, dessen siegreiche Fahnen noch innerhalb des Landes wehten, zu liebkosen verschmäht? Hätte, als Napoleon zu den Zeiten seines Glanzes die Staaten seiner Bundesfreunde durchreiste, der Beitungsschreiber irgend einer Residenz zu sagen gewagt: der Kaiser von Frankreich habe die Ehre gehabt, mit dem König zu speisen; beim Himmel, alle deutschen Höfe wären blaß geworden, und man hätte, um Gott zu versöhnen, einen allge. meinen Bet- und Bußtag im Lande ausgeschrie. ben. Also die Preußen, die wären eine „civilisirte Nation", weil sie 1806, am Abend des Einzugs Napoleon's in Berlin, die Stadt aufs Prächtigste erleuchtet batten? (Die Nachwelt wird dieses als ein Ammenmährchen belächeln!) Also die Deuts schen wären civilisirter,“ als die Franzosen, weil fie, wenn es dem König von Frankreich_gelüftete, von Paris nach Petersburg zu reisen, sie mit der Superlativität der Unterthänigkeit von ihm spre chen, und weil ihre Tagesblätter ein genaues Register darüber führen würden, wo Allerhöchft Dieselben jede Nacht zu schlafen, um wie viel Ubr in's Bett zu steigen geruht haben, und wie viel Bferde auf jeder Station von der Seine bis an

die Newa zu Allerhöchst Deren Dienste gebraucht wörden wären? Ein Volk, das fremden Herr schern nicht geringere Ehrfurcht, als seinen eigenen, bezeigt, verräth hierdurch, daß es in seinem Für ften nicht den Vater des Vaterlandes liebe, fon. dern nur die Fürstlichkeit in ihm abergläubisch fürchte. Es gibt deutsche Blätter, die nie von dem Vielen, was in englischen Hochherziges und Herrliches enthalten ist, auch nur ein einziges Wort mittheilen; aber von den Schmerzen und Erleichterungen der jeßt verstorbenen Königin von England uns Monate lang täglich die genauesten Berichte lieferten. Es gibt deutsche Blätter, die vierzehn hinter einander folgende Tage von einer todten Prinzessin und von den Lichtern sprechen, die bei ihrer Bahre gebrannt, und wie viel Ellen schwarzes Tuch zum Trauerbehänge verbraucht worden; aber von den leuchtend en großen Ge danken, die durch die französische Deputirtenfam. mer blißen und gewittergleich ganz Frankreich er, frischen, mäuschenstill schweigen. Es gibt deutsche Blätter, die von jeder Feuersbrunst in Konstan. tinopel so genaue Nachrichten haben, als hätten deren Herausgeber dabei die Sprißen geleitet; aber den Nauch in ihrem eigenen Vaterlande nie, mals wahruchmen. Das deutsche Volk schmieget und windet sich, als wäre es der Hofmarschall Kalb bei allen Fürsten Europens. Es ist ein gemeines Wesen unter uns, aber kein Ge meinwesen.

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Der heilige Bund. Der Fürst von Leyen hat zu Aachen eine Denkschrift eingereicht, in welcher er eine Entschädigung für seine ver lørnen landesherrlichen Einkünfte anspricht. Er ruft darin die Monarchen, als Stifter und Beförderer des heiligen Bundes, auf, welcher wolle, daß der Glaube an Recht und Gerechtigkeit die Herzen der ganzen Christenheit belebe, daß der rohen Gewalt Mißbrauch gegen Schwächere aufhöre und die Gerechtigkeit allein herrsche. Man kann vor der Tiefe des heiligen Bundes voller Ehrfurcht und Bewunderung sinnend stehen; aber ein menschenfreundliches, besorgtes Herz läßt sich dennoch von der Furcht überschleichen, wie leicht ein einziger Fehltritt, eine schmale, fußbreite Abweichung von der wahren Deutung der Uebereinfunft, Staaten und Völker in einen jammervollen Abgrund stürzen könne. Bliebe die Auslegung de, Vertrages immer den Fürsten, die ihn geschlossen allein überlassen, dann wäre nichts zu fürchten, als deren Sterblichkeit. Aber den ungetreuen Dol. metschern ihres Willens hat man endlich mißtrauen gelernt. Die Zukunft wird es lehren, welche Dinge nicht alle, im Namen des heiligen Bündnisses, gefordert, bewilligt, oder verjagt werden. Keiner, auch noch so voll des billigen Argwohns gegen die Verfrrechungen irdischer Machthaber, verkennt das schöne Feuer, das in dem Gemüthe Alegander's loderte und das die Menschheit läutern würde, wäre dieser Fürst nicht einige Jahr.

hunderte zu früh geboren. Warum ließ er gesche. hen, daß die stille, reine Quelle feines Herzens zu einem Strome fortgeriffen worden, der nun alle europäische Höfe durchfließt, wo auch das klarste Wasser getrübt werden muß, weil es dort nicht Izur Stillung des Durstes gebraucht, sondern nur als eine schnellere Straße, die zu selbstsüchtigem Biele führt, befahren wird? Warum wurden so viele Regierungen zum Beitritt des heiligen Bundes zugelassen? Alexander's einsames Bei spiel hätte der Welt mehr gefruchtet, als der lör. mende Troß seiner Glaubensheuchler.

Bedarf die Tugend eines Bundes? Sie ver trägt ihn nicht einmal. Worin aber bestehen die Grundsäße, von welchen der Fürst von Leyen Erfaß für seine verlorne jährliche Rente erwartet? Welche Gerechtigkeit ist es, wozu die Theilnehmer des heiligen Bündnisses sich verpflichteten? Die himmlische kann es nicht seyn, denn die Verwaltung dieser wird kein schwacher Mensch zu übernehmen sich erkühnen. Die göttliche Gerechtigkeit ist es nicht, denn diese, die ausgleichende, zerstört, um zu schaffen, nimmt, um zu geben, raubt, un zu bezahlen. Die menschliche, welche nichts vers mag, als den Besiß zu heiligen und das Beste. hende zu schonen, ist's, die man anzugeloben den Willen gehabt haben konnte. Aber diese Gerech tigkeit, wenn sie weiter, als über die Verhältnisse der Einzelnen, wenn sie über die der Völker und Staaten sich erstreckt, ist unheilbringender

als die schnödeste Willkür. Sie hält die Staaten in ihrer Entwickelung auf, sie zertritt die jungen Keime der bürgerli chen Freiheit und schmiedet das Sch) i ck. fal unsterblicher Völker au vergängliche Fürstengeschlechter fest. Der heilige Bund ist ein goldener Becher, der gemeinschaftliches. Eigenthum aller europäischen Regierungen ist unð deu jeder Berechtigte, sobald ihn dürftet, mit dem Getränke, nach welchem ihm gelüftet, aufüllen wird.

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„Alles für, Nichts durch das Volk“ fagen die Schlauen. Das heißt, in's Aufrichtigs überscht: Nicht am Gelde und Gute ist uns gelegen, sondern nur daran, daß wir herrschen. Wer aber ist der gefährlichste Feind der bürgerlichen Freiheit? Nicht der niedrige Mensch, der nur nachh Reichthum und sinnlichen Genüffen ftrebt, denu dieser läßt sich abfinden und hat die Macht, sich zum Volke zu wenden, bettelt auf dem Markte, wie er früher in den Palästen gebettelt. Der gefährlichste Feind der Freiheit ist der Herrschjüch

ge; denn selbst das Gute thut er nur mit Willfür. Nicht Mirabeau, ein Süßtling und ein bestech. licher Mensch, sondern Robespierre, der den Neich thum verachtete, ward der Tyrann seines Vaters Jandes.

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