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Geschichte des Feldzuges 1800 in Italien.

Nach östreichischen Originalquellen bearbeitet

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Karl Mras, k. k. Hauptmann.

Fünfter Abschnitt. *)

Von dem Traktate nach der Schlacht bei Marengo,
Bisi,
Bis zu dem Wiederausbruch der Feindseligkeiten.
ཉི་ཟླ་ཐཱ་

Zeitraum vom 16. Juni bis 24. November.

I.

Vorfälle in den Festungen. Marsch der östreichischen Ars mee hinter den Mincio. Aufstellung beider Theile. Dros hende Lage von Tirol.-Allgemeiner Waffenstillstand. Friedensunterhandlungen in Paris.

Der

er Knoten aller Verwirrungen in den Zweigen der östreichischen Operazionen war nun durchgehauen, und

* Der erste Abschnitt dieser Geschichte des Feldzu: ges 1800 in Italien, ist in der östreichischen militärischen Zeitschrift Jahrgang, 1822 im VII. Hefte, Seiten, 16

55,
der zweite im VIII. Hefte, S. 173-200,.
IX. Hefte S. 283–313, und im X. Hefte S. 80-107,
- der dritte im XI. Hefte S. 165—203, und im
XII. Hefte S. 239-292, der vierte Abschnitt
endlich im Jahrgange 1823, VII. Hefte S. 3—27, im
VIII. Hefte S. 119-155, und im IX, Hefte auf den
Seiten 235-272, abgedruckt.

es erwachte die Hoffnung, in ein annehmlicheres stras tegisches Verhältniß gegen den Feind zu kommen. Die Freiheit der Operazionen war nicht mehr gehemmt. Alle Aussichten für die Zukunft, und alle Erwartungen des Staates, waren neuerdings an die Möglichkeit einer glücklichen Kriegswendung gebunden. Die Stellung hins ter dem Mincio, auf beiden Flügeln durch eine Festung gedeckt, gewährte der Armee die Mittel, die Verstär Eungen aus dem Innern abzuwarten. Dort sollten sich auch die verschiedenen Armeetheile sammeln. Dort, gès trennt von dem Feinde durch das Land zwischen der Chiesa und dem Mincio, und den Unterstüßungen aus den Erblanden näher gestellt, konnte sich die Armee ers holen, sich mit allem Nothwendigen ausrüsten, und sich schlagfertig machen, wenn das Wohl des Staats einen neuen Kampf erfordern, sollte.

Die schleunigste Erfüllung des Traktats war jest Das erste Augenmerk des östreichischen Feldherrn. Der General der Kavallerie Baron Me l as sandte wegen der Übergabe der verschiedenen Plätze mehrere Offiziere seis nes Generalstabes ab. Es war leicht zu ermessen, daß ein solcher Ausgang der Dinge die entfernten Kommans danten der Festungen überraschen mußte. Tortona, Alessandria, Mailand, Turin, Pizzighettone, Urona und Piacenza sollten bis am 20. Juni übergeben seyn. Wir wollen nun die Begebenheiten in diesen Plägen, bis zu ihrer Übergabe an die Franzosen, in einer Reis henfolge erzählen.

Gen. Graf Brigido, Kommandant von Tortona, hatte während der Schlacht bei Marengo das Fliehen des französischen Gepäckes bemerkt, und zwei Kleine Kolonnen an die Scrivia entfendet, um nach

Möglichkeit die Unordnung zu vermehren. Bei dieser Gelegenheit fielen ihm mehrere Feinde in die Hände, und am 15. Juni gelang es ihm, durch einen Ausfall auf Rivalta di Scrivia, einen Kaffawagen mit 18,000 Lire und 6 Monturswagen zu erbeuten, und 6o Ges fangene zu machen. Am 16. theilte Dupont, Chef des Generalstabs der französischen Reserve-Armee, dem Gen. Brigido die Nachricht von dem Abschlüsse des Traks tats von Alessandria mit, und verlangte die Räumung der Festung. Ganz überrascht von diesem Anfinnen, erklärte Brigido: „daß von seiner Behörde ihm nichts hierwegen eröffnet worden wäre. Indessen wolle er einen seiner Offiziere ins Hauptquartier nach Alessandria sens den, um sich Verhaltungsbefehle zu erbitten.” — Dieß wurde ihm zugestanden. Hauptmann Graf Scherffenberg von Reisky ward hierzu erwählt. — Melas zergliederte in einem Echreiten dem Gen. Brigido das Geschehene, die Nothwendigkeit seines gefaßten Entschlusses, und. forderte diesen Vertrag nicht zu zerstören, damit nicht noch besondere Nachtheile der Armee und dem Staate hierdurch erwüchsen. Gleich nach dem Abschlusse des Traktats hatte Melas den Gen. Franz Graf St. Ju lien zum Kommissär ernannt, und ihm den Major Stwrtnik von der Artillerie und einen Verpflegsoffizier beigegeben, um die Konvenzion ins Werk zu sehen. Auf dessen Weisung übergab am 18. Juni. Gen. Briz gido Tortona, und schloß sich der ersten Kolonne der nach Mantua marschirenden Östreicher an.

eine

In dem Kastell von Mailand hatte der östs reichische Gen. Nicoletti, - wie wir wissen, Übereinkunft mit GL. Murat getroffen: daß die Stadt, mit der Bedingung, verschont werde, wenn die Franzo

sen keine Werke von dieser Seite gegen das Kastell aufführen würden. Doch in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni hatten die Franzosen alle Eingänge jener Gassen, welche vom Kastell in die Stadt führen, mit Aufwürfen von Faschinen, gegen fünf Schuh hoch, verram= meln, und hinter dieselben mit Erde gefüllte Fässer wälzen lassen. Nicoletti fandte am nächsten Morgen einen Offizier nach Mailand, mit der Erklärung, daß er die Stadt mit Bomben bewerfen würde, wenn nicht auf der Stelle diese Aufwürfe zerstört würden. Monnier, der zu dieser Zeit die Umzinglung des Kastells befehligte, bedeutete diesem Offizier, daß die Antwort unverzüglich hierauf nachfolgen würde. Indessen verző-, gerte sich dieses Versprechen bis zwei Uhr Nachmittags. Bonaparte, der von Monnier in die Kenntniß der Dinge gefeßt wurde, und der um jeden Preis das Mailänder Kastell gern in Besitz gehabt hätte, da ihm der Zwang mißfiel, den dieses Schloß allen dortigen Bewegungen auflegte, sandte den Generaladjutant Girard zum Gen. Nicoletti. Diesem übergab Girard, im Beiseyn mehrerer Stabsoffiziere, ein Schreiben des GL. Mons nier, worin derselbe sich auf die bekannte französische Rechtlichkeit berief, und erklärte: daß diese Aufwürfe bei weitem zu keinen Schanzen dienten, sondern bloß gemacht wurden, um das Volk abzuhalten, auf dieser Seite gegen das Kastell zu schleichen. Gen. Nico

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letti antwortete: daß er keinen Zweifel in die Rechtlichkeit der Franzosen sege; nur wolle er strenge auf die mit Murat getroffene Übereinkunft halten. Er verlange daher wiederholt, daß die Verrammlung der Gasfen um so gewisser zerstört werde, als er im Weige= rungsfalle ohne Nachsicht die Stadt beschießen würde.

Diese Erklärung gab Gen. Nicoletti schriftlich dem Generaladjutanten mit. Indessen hatte dieser sein Ge= schäft noch nicht geendigt. Er bat um die Erlaubniß, mit dem Kommandanten allein zu sprechen, indem er Dinge von äußerster Wichtigkeit zu überbringen hätte, Nicoletti nahm keinen Anstand, seine Umgebung zu entfernen. Kaum waren sie allein, als Girard das Wort nahm. „Er sey," so sagte er, „kein gewöhnlicher Unterhändler, sondern von dem ersten Konsul gesendet, ihm eine ehrenvolle Kapitulazion vorzuschlagen, da er ohnehin keine Aussicht mehr habe, auf Entfat hoffen zu können." Nun erzählte er, wie die Franzosen zu Pavia einen ganzen Artilleriepark erbeutet, den Po passirt, und Piacenza besetzt hätten; wie die östreichs ische Armee ringsum eingeschlossen wäre; wie Lecourbe mit einer starken Kolonne durch Tirol gerade nach Ves rona rücke, und wie auf solche Art ihm (Nicoletti) alle Hoffnung eines Entsaßes benommen sey. „General !” sagte er,,,Sie sind sich in einem elenden Kastell, wie „dieses hier, was wir nur zu gut kennen, ganz allein ohne Hilfe überlassen. Selbst auf Ihre Besaßung „können Sie nicht zählen, da sie meistens aus Piemon= „tesern und Franzosen besteht, die gegen ihre Landsleute nicht fechten werden. Schonen Sie daher so viel Menschenblut, General! und nehmen Sie eine ehrenvolle „Kapitulazion vom Konsul felbst an. Diese Ehre ist Nie„manden noch widerfahren."—„Ich habe den Auftrag," fagte er endlich, „Sie wiederholt zu versichern, daß "Sie von dem Konsul nicht nur die glänzendste Kapis „tulazion erhalten, sondern, daß er Sie überdieß dafür „glücklich zu machen wissen werde." Der greise Kommandant, der mit äußerer Ruhe die Beredsamkeit

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