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hervor, daß man beim preußischen Oberkommando des 4. Juli zur Entwirrung der Truppenverbände zu bedürfen glaubte, die bei dem Jneinanderfluten der drei Armeen auf der Linie ihres Zusammentreffens auf dem Schlachtfelde entstanden war. „Es ist, wo es sich um eine derartig große Zahl von Kombattanten handelt, damit nicht abgethan, daß es heißt: Die Schlacht ist gewonnen! Der Feind geht. zurück! Jezt alles, was noch laufen kann, hinter ihm her! Es müssen ganz besondere Verhältnisse vorliegen, um eine Verfolgung wie bei Belle-Alliance zu ermöglichen! . . . Die ideale Forderung (der Verfolgung bis zum leßten Hauch von Mann und Roß) ist die Theorie berechtigt aufzustellen, die Wirklichkeit verpflichtet, alles aufzubieten, um fie nach Möglichkeit zu erfüllen, aber unberechtigt bleibt die Erwartung, daß auch jedesmal das Ideal erreicht werden müßte. . . . Auf großartige Verfolgungen wird man bei den Massenheeren unserer Zeit überhaupt nicht rechnen können, wenn 1. ein konzentrischer Angriff die eigenen Armeen durcheinander bringt, 2. der Abzug des Feindes unter dem Schuße einer starken und tapferen Artillerie erfolgt, die ein vortreffliches Schußfeld vor sich hat, 3. die Dunkelheit bereits eintritt, bevor ein neuer geordneter Angriff der Massen angeseßt werden kann, und 4. die weitere Verfolgung sehr bald ein Fluß hemmt, an welchem sich zwei Festungen befinden.“

Die Schlacht bei Königgräß überragt in der Stärke der auf dem Schlachtfelde aufgetretenen Armeen alle Schlachten des neunzehnten Jahrhunderts, sie ist überhaupt die größte der Neuzeit; denn man kann die Gesamtzahl der auf beiden Seiten zum Kampfe ausgezogenen Mannschaften auf 444000 Mann berechnen. Dabei ist preußischerseits auch die Gardelandwehr mit 9200 Mann inbegriffen. Für Leipzig rechnet man auf beiden Seiten zusammen 430 000 Mann. Die Zahl der im Feuer gestandenen Truppen ist bei der preußischen Armee viel geringer als 221000 Mann, denn vom III. Armeecorps kamen nur 5 Batterien, von der 2. Gardedivision nur 3 zur Verwendung; ganz unverwendet blieb die Gardekavalleriebrigade, 3 Infanterie- und 2 Kavalleriebrigaden des I. Corps, die Kavalleriedivision Hartmann und die Füsilierbrigade der Division Ezel. Die Verluste betrugen:

Desterreicher 1113 Offiziere, 28822 Mann tot und verwundet; 202 Offi= ziere, 12677 Mann unverwundet gefangen, 187 Geschüße, 641 Fuhrwerke, 21 Brückenwagen.

Sachsen 59 Offiziere, 1489 Mann tot und verwundet; 3 Offiziere, 87 Mann unverwundet gefangen, 1 Geschüß.

Preußen 359 Offiziere, 8794 Mann tot und verwundet.

Die Gesamtzahl von 39000 Toten und Verwundeten ist im Verhältnis zu der Zahl der Streiter nicht groß. Königgräß gehört daher zu den relativ weniger blutigen Schlachten und steht als solche zwischen Leuthen (1) und

steuerte, nicht minder in seinem militärischen Geschicke." Das scheint sich als Vorwurf geben zu wollen, ist aber das Gegenteil, die höchste Anerkennung der Selbstzucht und Willensstärke. Was soll denn die blinde „Titanen“verehrung, die an dem deutschen Strategen bemängelt“, daß er kein Hannibal oder Julius Cäsar war? Gott sei's gedankt! Das Deutsche Reich hätten die beiden nicht gründen helfen.

Sedan (12), während Zorndorf als blutigste Schlacht der Neuzeit /s, BelleAlliance 1/3 Verlust aller Streitenden aufweist. 1)

Italien hatte noch vor der Entscheidung in Böhmen seinen Bündnisverpflichtungen nachzukommen gesucht, war aber damit nicht glücklich gewesen. Seine 20 Infanteriedivisionen waren in vier Armeecorps aufgeteilt worden, von denen I. (Durando), II. (Cucchiaci), III. (Della Rocca) je 4 Divisionen Infanterie, 72 Geschüße und 1800 Reiter umfaßten, während das IV. (Cialdini) mit 8 Divisionen, 168 Geschüßen, 3600 Reitern mehr als doppelt so stark sein sollte. Die Sollstärke einer Infanteriedivision betrug 10000 Mann, sie wurde jedoch nicht erreicht, man kann das Aufgebot Italiens im Feldzuge nicht höher ale 165000 Mann veranschlagen. Ueber ihren Operationsplan waren die Generale, die bei der Besprechung desselben in Frage kamen, nicht einig. Cialdini stellte ähnlich wie Moltke die Ansicht auf, man solle das Festungsviereck durch den Uebergang über den unteren Po in die sogenannte Polesine links liegen lassen und die österreichische Feldarmee zur Frontveränderung zwingen.) Er erhielt aber das Oberkommando nicht, weil er Bedingungen machte, die der König nicht eingehen konnte. Dieser trat selbst an die Spiße der Armee und machte seinen Minister La Marmora zum Chef des Generalstabs. Da Cialdini großes Ansehen und Popularität besaß, mußte man ihm aber doch ein selbständiges Kommando geben und gelangte. dabei zu einer Teilung der Armee. Die Hauptmacht, die Divisionen Durando, Cucchiari, Della Rocca und die Kavalleriedivision Sonnaz (2400 Reiter), erhielt die Bestimmung, über den Mincio zu gehen und dort in einer geeigneten Stellung zu warten, bis Cialdini über den Po gekommen sei und im Rücken des bei Verona vermuteten Gegners zu operieren vermöge. Die jüngeren Herren, Birio und Govone vor allem, waren gegen die Trennung der Heeresteile, begünstigten jedoch Unternehmungen gegen Istrien und Triest mit den Freiwilligen Garibaldis und der Flotte.

Erzherzog Albrecht verfügte über eine Feldarmee von drei Armeecorps, V. (Fürst Friedrich Liechtenstein, später Feldmarschallleutnant v. Rodich), VII. (Feldmarschallleutnant Baron Maroicic), IX. (Feldmarschallleutnant Hartung), einem Reserve-Kavalleriecorps (Oberst Pulz) und einer Reserve-Infanteriedivision (General v. Rupprecht), zusammen 71600 Mann Infanterie, 3500 Reiter, 168 Geschüße. In Tirol stand General v. Kuhn mit 13200 Mann Infanterie, 140 Reitern, 32 Geschüßen, in Istrien Feldmarschallleutnant Baron Wezlar mit 15700 Mann, 140 Reitern, 24 Geschüßen; die Festungsbesaßungen kann man

1) M. Jähns, Königgräß. Betrachtungen.

2) Moltkes Pläne sind in der sogenannten „Stoß ins Herz - Depesche“ Usedoms vom 17. Juni dargelegt, die La Marmora veröffentlicht hat, um sich für die abfälligen Urteile Preußens über seine Kriegführung zu rächen. Er seyte nicht mit Unrecht voraus, daß die Ausföhnung der beiden Großmächte dadurch erschwert werden würde. Bernhardi hat Usedom allein für die Note verantwortlich machen wollen, der Kern der militärischen Ausführungen kann aber unmöglich anderswoher stammen, als vom preußischen Generalstab. Es ist auch politisch nichts daran auszusehen; daß zwei Gegner bei einem ernsten Kriege und dies war der Krieg von 1866 sich ins Herz stoßen" wollen, ist ganz selbstverständlich.

auf 29000 Mann, 400 Reiter und 16 Feldgeschüße veranschlagen. Generalstabschef der Südarmee war General Freiherr v. John, ein begabter, umsichtiger, mit den Verhältnissen des Kriegsschauplazes bestvertrauter Offizier, der beim Erzherzoge wie beim gesamten Offiziercorps volles Vertrauen genoß. Auch die Corpskommandanten und die Truppen, die in den drei Corps vereinigt waren, durften mit Recht die besten genannt werden, die der Kaiser von Desterreich besaß. Sie waren von jenem Selbstvertrauen beseelt, ohne das es keinen Sieg auf dem Schlachtfelde gibt, und zweifelten keinen Augenblick an ihrer Ueberlegenheit als Kriegsleute über die Welschen. Der Geist der Truppen Radeßkys lebte in ihnen wieder auf. Der Erzherzog war ebenfalls frei von Aengstlichkeit und Zweifel; es war ihm klar, daß er in seinen Entschlüssen rasch sein und die getrennten Armeen des Gegners einzeln aufs Korn nehmen müsse.

La Marmora hat am 6. Juni im Palazzo Pitti zu Florenz dem als preußischen Vertrauensmann in das italienische Hauptquartier entfendeten Theodor v. Bernhardi auseinandergeseßt, 1) daß er nach dem Mincioübergange bis Somma Campagna zu kommen gedenke und dort die Belagerung von Peschiera decken könne. Die Zumutung, die Bernhardi im Namen des preußischen Generalstabs an ihn stellte, mit der italienischen Armee nach Triest vorzugehen, sich mit Hülfe der Flotte dieser Stadt und der Eisenbahn von dort zu bemächtigen, um so eine Basis für neue Operationen zu gewinnen und den Preußen an der Donau die Hand zu bieten, wies er als abenteuerlich zurück. Vom General Türr, dem Vertrauensmann Kossuths, mit dem Bernhardi und der preußische Gesandte am Hofe von Italien ebenso wie mit dem Grafen Theodor Csaky, dem Vertrauensmann des Pester Revolutions comitees, angelegentlich verhandelten, erfuhr er, daß La Marmora nur in dem Falle, als Garibaldi eine Landung in Triest ausführe, dorthin marschieren und den von Moltke gewünschten Marsch an die Donau versuchen werde. Dieser Zusammenhang war wohl auch der Grund für La Marmora, den Freiwilligen Garibaldis, deren unerwartet große Massen 38000 bereits unangenehm zu werden anfingen, eine andere Richtung, die nach Tirol, zu geben. Csaky erörterte vor den preußischen Diplomaten „die Organisation des antiösterreichischen Ungarns", das zur Erhebung vorbereitet sei und nur auf die Geldsendungen warte, mit denen der thatsächliche Ausbruch eingeleitet werden müsse; er wußte zu erzählen, daß man den Herzog v. Leuchtenberg zum König von Ungarn wählen werde, um der ungarischen Sache die Sympathien der russischen Regierung zu gewinnen, daß Franz Deák die Pläne und die Thätigkeit des Pester Comitees wisse, und daß sich beim Beginne der Erhebung der ungarische Reichstag in Debreczin versammeln und die „déchéance" des Hauses Habsburg proklamieren solle. Da sich Graf Bismarck für den Aufstand in Ungarn interessierte und ihn entweder zur Bindung militärischer Kräfte oder als Druck zur Beschleunigung der Friedensannahme zu verwenden gedachte, hatte er der italienischen Regierung empfohlen, sich dieser Sache anzunehmen

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1) Bernhardis „Sendung nach Italien im Frühjahr 1866" bildet den I. Teil des VII. Bandes der Tagebuchblätter „Aus dem Leben Th. v. Bernhardis“, herausg. von dessem Sohne, dem Obersten des Generalstabs Friedrich v. Bernhardi (1897).

und zu gleichen Teilen mit der preußischen die Kosten der ersten Erhebung (es wurden 3 Millionen Franken verlangt) zu übernehmen. La Marmora hat später sehr groß damit gethan, daß er diese Anträge Preußens abgelehnt habe.1) Dies erklärt sich aber am einfachsten damit, daß er Preußen überhaupt keine übertriebene Willfährigkeit zu zeigen Lust hatte, nachdem die Erwerbung Venetiens mit oder ohne Krieg ohnehin schon gesichert war. Würde Bismarck das „Trentino“ zugelegt haben, hätte auch Italien mehr riskieren dürfen.

Die ungarischen Verschwörer haben sich bald überzeugt, daß ihre Angebote in Italien keinen großen Eindruck machten. Man kannte die österreichischen Verhältnisse dort besser als in Preußen. Cialdini hat sich gegenüber Bernhardi dahin ausgesprochen, daß er „aucune confiance dans les projets des Hongrois" habe. „Türr und die anderen ungarischen Emigranten machten sich Illusionen; sie hatten sämtlich gar keinen Einfluß mehr in Ungarn." Graf Csaky schloß am 18. Juni ein Abkommen mit Kossuth, das er wegen der Emigranten, nament lich der in Italien, in Frankreich und der Schweiz lebenden Honvedoffiziere, unerläßlich fand, und verlegte den Schauplaß seiner Thätigkeit dann nach Paris und Berlin. Kossuth war zufrieden, die Welt wieder mit einigen Manifesten beglücken und auf sich aufmerksam machen zu können; daß das Pester Comitee sich seines Namens nur bediente, um eigene selbstsüchtige Interessen zu verfolgen, hat ihn seine Eitelkeit zu erkennen verhindert.

Die mannigfachen Kombinationen, in die sich Italien zum Teil gegen seinen Willen einbezogen fand, verloren bald jede Bedeutung durch die Niederlage, die sich die italienische Armee ungeschickterweise im ersten Anfange des Feldzugs bei Custoza holte. Am 23. Juni führte La Marmora seinen König und 12 Divisionen über den Mincio zwischen Monzambano und Goito, seine Kavallerie klärte das Gelände jenseits des Flusses auf und berichtete, daß sich schwache feindliche Vortruppen in der Richtung von Verona zurückzögen. Im italienischen Hauptquartier vermutete man die österreichische Feldarmee hinter der Etsch in der Zentralstellung zwischen Cologna und Lonigo, die Erzherzog Albrecht am 14. Juni eingenommen hatte, um die innere Linie zwischen den beiden Angriffsfronten des Gegners einzunehmen; man war nicht davon unterrichtet worden, daß Erzherzog Albrecht am 22. und 23. seine Truppen bei Verona versammelt hatte, um einen Hauptschlag auszuführen. Er hatte sehr richtig erwogen, daß in den nächsten Tagen von Cialdini nichts zu besorgen sein könne, da der Poübergang nicht so leicht zu bewerkstelligen war, und ließ ein einziges Jägerbataillon und ein Husarenregiment zur Bewachung der Polesine zurück. Mit 75000 Mann konnte er getrost den Angriff auf die 90000, die der König am linken Ufer des Mincio befehligte, wagen.

Schon am Abende des 23. lagerten die zur Schlacht anrückenden Truppen an der Straße von Sona nach Castelnovo, bei grauendem Morgen begannen sie ihre Bewegungen. Die Italiener waren völlig ahnungslos von der Nähe des Feindes. Die wenigen Nachrichten, die ihnen über den Ausmarsch der Desterreicher aus Verona auf Umwegen zugetragen wurden, machten den Eindruck

1) In seinem Buche „Un po più di luce".

übertreibender Gerüchte, La Marmora hielt fest daran, daß zwischen dem Mincio und der Etsch nicht eine österreichische Brigade im freien Felde stehe. Er ließ ebenfalls am frühen Morgen den Marsch in östlicher Richtung antreten: links mit der Richtung Oliosi und Santa Lucia das I. Corps Durando, auf der Straße von Valeggio nach Villafranca das III. Corps Della Rocca, noch weiter südlich, mit der Nebenaufgabe, Mantua zu beobachten, das II. Corps Cucchiari. Die Höhen zwischen Somma Campagna und Villafranca waren bestimmt, der italienischen Armee die Stellung zu gewähren, in der sie den Poübergang Cialdinis abzuwarten hatte. Erzherzog Albrecht nahm an, La Marmora wolle die Armee noch weiter führen, und glaubte, fie auf dem Marsche in der Flanke fassen und vom Mincio abdrängen zu können. Sein rechter Flügel, das V. Corps

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und die Reservedivision Rupprecht, sollte die am nördlichsten marschierende Kolonne der Italiener anfallen, zersprengen, dann bis Monzambano vorbrechen, die Minciobrücke zerstören und nun vom Westen her gegen Custozza vorgehen. Hier mußte indessen der Zusammenstoß des VII. und IX. Corps mit dem Zentrum der Italiener bereits erfolgt sein. Vom VII. Corps wurden zwei Brigaden bei Somma Campagna in Reserve gehalten. Feldmarschallleutnant Hartung aber sollte mit seiner Kraft zurückhalten, den Gegner nur im Anstand halten, und erst dann mit Sturm vorgehen, wenn die Umgehung des linken Flügels vollkommen durchgeführt und General Rodich im Besiße von Santa Lucia sei. Dies Programm der Schlacht wurde nicht genau eingehalten. 1) Rodich warf zwar

1) Die kritische Würdigung der Gründe wird von Verdy du Vernois kriegsgeschichtlicher Studie,,Taktische Details aus der Schlacht von Custozza“ (Berlin 1876) geboten, die sich ausschließlich mit den Bewegungen und Leistungen der Reservedivision und des V. Corps beschäftigt.

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