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S. 14.

Wilhelm Meister ist unlångst so vielseitig gewürdigt worden, dass es schon in dieser Hinsicht kaum der Mühe lohnen mögte, bei dem faubern Patron lange zu verweilen. Wollen wir ihm daher auf sei= ner Wanderschaft nur ein kurzes Geleite geben, und

göthesche Provinzialismen zu verunreinigen. Vor etwa 30 Jahren hatte man die Manie, nach Terminologien aus der kantschen Philofophie zu jagen; jeder, der sich ein besonders gelehrtes Ansehn geben wollte, glaubte es nicht ohne kantsche Floskeln thun zu können, und so erschien damals fast keine Postille, keine Pandektenerläuterung, keine Therapie und Physiologie, die nicht gelegentlich diese vornehme Sprache führte, ungeachtet die kantsche Philosophie den Verfassern eine terra incognita war. Von je ner Manie ist man nun ziemlich zurück gekommen, aber leider beginnt eine andre, epidemisch zu werden, die weit schädlicher ist. Kaum hat Göthe einen oberdeutschen Provinzialismus gebraucht, so sind schon zehn Ultra's bes reit, ihn zu vervielfältigen und als ein ächtes Wort in die deutsche Schriftsprache zu verpflanzen, unbekümmert, dass sie nach unächtem Golde haschen,- und Waare zu Markte bringen, die zuvor nur den Kraut und Fischwei bern in Sachsenhausen angehörte. Ist der oberdeutsche Ausdruck gar zu derb und plump, so sest man das ächte deutsche Wort, und in einer Parenthese wird sehr vor: nehm dabei bemerkt': (,,um nicht mit Gőt hè zu sagen—“). Wird solch ein Provinzialismus an Göthen gerügt, fo fragt Müllner: wo hat denn Herr N. Deutsch gelernt? Antwort: da, wo es nicht durch Provinzialismen verbor ben ist. Aber zugleich meint Müllner: „Herr N. müsse den Pinsel nicht nur verachten, sondern auch schelten". Er wird nicht ermangeln, dafür stehen wir. Vergl. He tate. Ein literar. Wochenbl. No. 2. von 1823.

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ihn bloß mit einem kleinen Viatikum versehn, damit sich der Lotterbube nicht in die Arbeitszimmer der Gelehrten, oder wohl gar in die Lesezirkel der Damen einbettele, sondern lieber vor den Kramlåden und Håringsbuden Halt mache, für die er von seinem wårdigen Vater, dem Herrn von Githe, bestimmt zu sein scheint, um darin sein Leben zu beschließen. Nicht leicht befanden sich wohl die Ultra's in einer peinlichern Lage, als bei ihren Defensionsschriften für diesen armen Inquisiten, zu deffen Vertheidigung sich nicht viel sagen ließ. Alle Kunstgriffe und Kautelen der Kriminalisten wurden aufgeboten, um die Anklåger zu werfen und die Richter zu bestechen, aber dennoch konnte das Verdammungsürtheil nicht ausbleiben. Zwei der merkwürdigsten Anklageakten in dieser Sache sind:

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1) die schon vorhin angeführte Schrift des Herrn Professors Schút, und

2) Wilhelm Meister's Wanderjahre, die zu Qued: linburg bei Basse erschienen sind.

Wer

Beide Schriften stehn in der genausten Verbindung mit einander. Sie find wahre documenta cohaerentia; die erste ist, in der juridischen Sprache, das referens, und die zweite das relatum. Sinn für schöne Literatur hat, dem empfehlen wir diese Schriften angelegentlich, nicht etwa um nåhere Bekanntschaft mit dem ekelhaften Handwerksburschen des Herrn von Gothe zu machen, sondern wegen des feltenen Kunstgenusses, den sie ihm durch ihr hohes und vielseitiges Interesse gewähren werden. Es ist sehr brav, daff Herr Profeffor Schůz nach alter Sitte

edler Ritter kein Bedenken trug, mit offenem Visier in die Schranken zu treten. Aber er war seines Sieges zum voraus gewiss. Auf eine höchst geniale Weise, und mit einem seltenen Aufwände von philosophischem Scharfsinn zieht er gegen Göthen zu Felde, der in dieser Schrift eine traurige Figur macht; denn sie ist ein Spiegel, worin man einen Riesen mit einem Zwerge kämpfen sieht. Der Verfasser der zweiten Schrift hat sich nicht genannt, wahrscheinlich aus Furcht, die Göthlichen mögten ihn ihrer Gewohnheit nach mit Kothe besudeln. Unter der Hand wollte man wissen, Herr Doktor Pustkuchen, durch einige åsthetische Schriften vortheilhaft bekannt, sei der Verfasser. Er hat aber diesem Gerüchte öffentlich widersprochen, und die Göthlichen hätten sich also die persönlichen Schmähungen ersparen können, die sie gegen ihn ausgespieen haben *). Doch ist zur nähern Ansicht der Arbeit des Herrn von Githe.

'§. 15.

Ohne zu wissen, wohin die Reise gehn soll, tritt Wilhelm Meister seine Wanderschaft unter ungünstigen Auspizien an. Wir erblicken ihn, die Stirn mit ei

» Herr Müllner, einer von Göthe's verkappten Nachtretern, erlaubt sich sogar Wigeleien auf Herrn Pustku chen's Namen. Er bemerkt,,,Herr Pustkuchen wolle sich aufpusten“, d. i. aufblasen. Eine ähnliche Wikelei macht er auf den Namen des Herrn Profeffors Schűt, indem er fagt: „Herr Schüß lässt sein Geschüß spielen". Herr Müllner ist zu bedauren; er will wißig fein, da boch Minerva ihm kein Fünkchen Wig verlieh.

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nem Blumenstrauße geziert, der an den festlichen. Schmuck der bekränzten Stiere erinnert, welche um Pfingsten durch die Stadt von Haus zu Haus wandern, um dem Bürger vergnügte Feiertage, und vorläufig eine gesegnete Mahlzeit zu wünschen, bevor sie ihm den Roastbeef dazu liefern*). Doch nein; der Blumenstrauß unsers Wilhelm Meister ist ein ästhetischer, den jene unästhetischen Thiere nicht kennen; gnomische Verse sind es, die Wilhelm an der Stirn trågt. So gewiss jede Oper der berühmtesten Komponisten, von Cimarosa und Paisiello an bis auf Mozart, Spontini und Pår, nicht ohne Ouvertüre ist, eben so gewiss beginnt jede åsthetische Produktion des Herrn von Göthe mit Versen. Natürlich hat also auch Wilhelm Meister diese Insignien. Pour la rarité du fait wollen wir doch mal einige davon nachzeichnen. Unter andern steht gleich voran ein Gedicht, mit der Ueberschrift: Ottilien von Göthe. Es fängt an mit den Versen:

Ehe wir nun weiter schreiten,

Halte still und fieh dich um.

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Also, man soll sich umsehn. Aber wer soll sich umsehn? soll es Ottilie thun, oder Göthe, oder der Leser?- Dies bleibt ein Geheimniss, das sich aus dem ganzen Gedichte nicht erklären lässt. Da

*) Nach einer Anzeige im Intelligenzbl. der, bei Minheer Dousterwivel zu Amsterdam erscheinenden, Literatur: zeitung haben wir von Herrn Müllner eine kritische Geschichte der Pfingstochsen zu erwarten, als erläuternde Beilage zu seinem literarischen Wochenblatte. Un Mate: rialien dazu fehlt es seiner Hekate nicht.

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Göthe als Egoist immer sehr geneigt ist, sich um sein liebes Ich zu drehen, so glauben wir im Zweifel vermuthen zu müssen, dass das Umsehn seiner eigenen werthen Person gelten soll. Unter dieser wahrscheinlichen Voraussetzung jedoch entsteht nun weiter die Frage: wonach soll er sich umsehn? Ebenfalls ein unerklärliches Geheimniss; denn wer vermag die Gedanken des Herrn von Göthe zu errathen. Ob er aber wohl überhaupt etwas dabei dachte? Wir zweifeln sehr. Also hätte er ja das Recht, sich willkührlich umzusehn, wonach er will; und daher geben wir ihm den wohlmeinenden Rath, sich vor allem andern nach der Grammatik umzusehn, damit er endlich einmal lernen möge, einen korrek ten Vers zu machen. Legion heißt die Zahl sprachwidriger Verse in seinen frühern Schriften; überall begegnet man den armen Patienten, die nur' Mitlei den erregen *). Auch hier 'pråsentirt sich dem Auge

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*) Selbst seine heroischen Gedichte, wie z. B. Herman und Dorothea, wimmeln von Sprachfehlern, und die meisten Herameter find unerträglich schlecht. Nach dem bekannten Verse:

O

U

Nos Poloni non curamus quantitatem syllabarum, mögte man sie polnische Herameter nennen. Es ist gewiff nicht leicht, 'gute Hexameter zu machen; aber so schlechte, wie man fie bei Göthe findet, mag wohl jeder, der nur von eins bis sechs zählen kann, täg lich zu Tausenden, stans pede in uno verfertigen. Gö the kennt nicht einmal die Regeln dieser Versart. Er weiß bloß, dass der Hexameter sechs Glieder (pedes) hat, und daff die vier ersten Dactyli oder Spondei fein kőn:

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