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An

Wilhelm Wehrenpfennig.

In diesem Bande ist Alles zusammengestellt, was ich in den lezten zehn Jahren, so lange ich mit einiger Regelmäßigkeit an der öffentlichen Debatte theilnehme, über die Politik des Tages geschrieben habe. Voran steht als Einleitung eine Rede aus etwas älteren Tagen; sie spricht in unbestimmter Ahnung den leitenden Gedanken des Buches aus, welchen der Aufsatz Bund und Reich" noch einmal aufnimmt.

Von vielen Seiten aufgefordert diese Sammlung herauszugeben, habe ich mich nur schwer dazu entschlossen. Nicht als fürchtete ich den Tadel über so manchen groben Irrthum. Wohl habe ich selbst bei der Durchsicht lebhaft empfunden, wie oft ich mich getäuscht, und wie Vieles heute schon längst als abgethan und selbstverständlich erscheint was noch vor wenigen Jahren Zweifel und Streit erregte. Aber wer von großen Zeiten nicht zu lernen weiß verdient nicht sie zu erleben; nur selten falsch zu sehen und den erkannten Irrthum rasch zu berichtigen ist das Beste, was in der Politik wie im Kriege sich erstreben läßt. Unbefangene Leser werden trotz einzelner Widersprüche eine ruhig bewahrte Ueberzeugung in jedem dieser Auffäße wiederfinden. Sie werden auch die dem politischen Schriftsteller unentbehrliche leidige Kunst des Wiederholens geduldig hinnehmen und den Zwang der Verhältnisse billig berücksichtigen, welcher den Publicisten kaum minder beengt, als den handelnden Staatsmann, und ihn oftmals nöthigt die Stimme zu erheben wo er schweigen, sie zu dämpfen wo er laut zürnen wollte.

Peinlich ist mir nur der Gedanke, daß vielleicht mehrere treffliche Männer, selbst einige meiner nahen Freunde, durch den Wiederabdruck dieser Blätter sich gekränkt fühlen können. Wer die Sache schlagen will, muß zuweilen auch die Männer treffen, und es kann nicht fehlen, daß dabei einzelne scharfe und ungerechte Worte mit unterlaufen. Hinterher

zu streichen ging nicht an. Sollte das Buch seinen Zweck erfüllen, so mußten die Schriften völlig unverändert wieder erscheinen, wie sie im Drange der Stunden hingeworfen wurden; selbst thatsächliche Irrthümer find nur an wenigen Stellen durch Anmerkungen berichtigt. Ich wage gleichwohl auf ein nachsichtiges Urtheil zu hoffen; denn persönliche Gehässigkeit habe ich dem politischen Kampfe immer fern gehalten, und wo ich fehlte, da ist mir meine Schuld von der deutschen Presse längst redlich heimgezahlt worden.

Diese Sammlung will einen Beitrag geben zur Geschichte unserer jüngsten Vergangenheit, von der Befreiung Schleswig-Holsteins bis herab zu der socialen Gährung und den kirchlichen Kämpfen der Gegenwart und zu den großen Aufgaben, die noch ungelöst vor dem deutschen Reiche liegen. Vielleicht mag sie da und dort einem Zweifelnden und Schwankenden herzhaftes Zutrauen erwecken zu der neuen Ordnung der deutschen Dinge.

Ihnen aber, lieber Freund, soll das Buch bewegte Jahre gemeinsamer Arbeit in das Gedächtniß zurückrufen. Als Herausgeber der Preußischen Jahrbücher haben Sie die meisten dieser Schriften einst entstehen sehen; Sie wissen, wie viel Leid und Lust an manchem Blatte haftet. Sie werden viele Stellen wiederfinden, wo wir selbander sorgsam jedes Wort erwogen, viele andere, wo Sie mit der Weisheit des erfahrenen Greises, doch selten mit Erfolg, versuchten mir Wasser in den Wein zu schütten. Es war ein guter Kampf, und ich denke, wir werden noch oft als treue Kameraden Schulter an Schulter stehen.

Berlin, 31. October 1874.

Heinrich von Treitschke.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Dies Buch fand bei seinem ersten Erscheinen in der Presse sehr geringe Beachtung, vielleicht weil es keiner unserer Parteien recht behagen konnte. Troßdem ist heute eine neue Auflage nöthig geworden.

Ich weiß es wohl, eine Sammlung tagespolitischer Schriften stellt die Nachsicht der Leser auf eine harte Probe. Das Beste was der Publicist zu ahnen und zu sagen vermag klingt trivial wenn es durch den Gang der Ereignisse bestätigt wurde, und selbst der verzeihliche Irrthum erscheint abgeschmackt sobald ihn die Thatsachen widerlegt haben. Einer schwer arbeitenden Zeit ist kaum zuzumuthen, daß sie die Gedanken einer noch nicht abgeschlossenen Vergangenheit schon mit mildem historischem Sinne beurtheile. Wenn mein Buch dennoch in manchen Kreisen freundlich aufgenommen wurde, so erkenne ich daraus mit freudigem Danke, daß die hoffnungsvolle Ansicht vom deutschen Leben, welche sich in diesen Blättern ausspricht, doch selbst in unseren Tagen des Haders und des Unmuths noch viele Anhänger zählt.

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