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Namen der deutschen Frage zusammenfaßt. Wir erörtern hier bescheiden und so praktisch als wir's verstehen die Tagespolitik und vermeiden sogar in das unschuldige Verlangen nach der Reichsverfassung einzustimmen, denn solche Wünsche scheinen uns gegenwärtig unausführbar.

Wir haben uns ferner erlaubt den Rückmarsch der sächsischen Truppen über Meiningen und Hof einen Abderitenstreich zu nennen. Dieser Ausdruck ist unfein, wir leugnen es nicht. Aber die Weise, wie Herr v. Beust jenen Rückmarsch einrichtete, enthielt eine schwere Beleidigung gegen Preußen. In ihr lag die Beschuldigung, daß Preußens Regierung nicht im Stande sei, die Ordnung auf ihren Straßen zu erhalten und Bundestruppen vor Roheiten zu schützen. Ein preußisches Blatt ist wohl zu entschuldigen, wenn es eine so gehässige, so ohne den Schatten eines Grundes erhobene Beleidigung mit einem derben Worte bezeichnet. Und einem geborenen Sachsen muß man verzeihen, wenn ihm einmal die Seduld reißt Angesichts der demüthigenden Folgen der Beustischen Politik. Soll ich gleichmüthig bleiben, wenn meine schöne, geliebte Heimath durch eine unendlich groß redende und unendlich klein handelnde Staatskunst dem öffentlichen Hohngelächter und den Bleistiften der Witblätter aller Länder preisgegeben wird? Soll ich kalt mit anschauen, wie die groben Fehlgriffe des Ministers zuerst unsere braven Soldaten zu einem beschämenden Rückzuge zwingen, dann diesen Rückzug also einrichten, daß er einer Flucht ähnlich sieht? Soll ich endlich die haushälterische Verwendung der fächfischen Staatsmittel loben? Wahrlich, wenn im Landhause zu Dresden statt der octroyirten alten Stände eine wirkliche Volksvertretung tagte, so würde Herr v. Beust bald genug erfahren, daß einem Minister nicht ge= stattet ist, um einer Laune, einer Rancüne willen die Gelder des Staats auf die Straße zu werfen.

Noch eine vierte Bemerkung unseres Auffahes klingt gehässig. Wir erörterten die unselige Möglichkeit eines Bürgerkrieges, wir sprachen die Hoffnung aus, daß am Dresdner Hofe die bundestreue Gesinnung und die Erwägung der unberechenbaren Folgen eines Krieges zuletzt überwiegen werde, und fügten hinzu: „Wer bürgt für den Ausgang? Wer weiß, in welcher Felsenspalte der sächsischen Schweiz man die darein geworfene Krone des Hauses Wettin suchen müßte?" Dies Wort von der dareingeworfenen Krone hat sicherlich einen häßlichen Klang. Man könnte fast behaupten, sein Urheber habe leichtsinnig die Tücke des Schicksals herausgefordert. Aber Herr v. Beust wird uns bezeugen, daß nicht wir jenes arge Wort erfunden haben.

Diese vier Stellen sind, so viel wir sehen, die einzigen unseres Aufsatzes, welchen man sachsenvernichtende Tendenzen zuschreiben könnte.

Unsere Leser mögen jezt beurtheilen, ob wir den Vorwurf verdienen. Herrn v. Beust aber bitten wir sich zu beruhigen. Für die Sittsamkeit der preußischen Presse ist mehr als genugsam gesorgt. Fast alle größeren preußischen Blätter halten sich in der Stille einen rechtskundigen Beirath und unterbreiten dessen kritischem Auge jedes bedenkliche Wort. Unsere jüngeren Mitarbeiter, deren Patriotismus nach der muthwilligen Weise der Jugend über die obrigkeitliche Zolllinie hinauszuschweifen liebt - fie wissen, daß die Aussprüche unseres juristischen Freundes oft drakonisch lauten. Noch bleibt uns übrig Herrn v. Beust zu danken. Unsere Redaction versteht sich leider schlecht auf die Künste der Reclame, aber wir sind erkenntlich, wenn andere unaufgefordert dies Geschäft für uns besorgen.

Wir können nicht schließen ohne zwei kurze Betrachtungen. Zum Ersten: die jüngste Depesche des Herrn v. Beust hat uns abermals bestärkt in unserer alten schwermüthigen Meinung, daß dieser talentvolle Mann seinen Beruf verfehlt hat. Stände jene Arbeit als ein Leitartikel im Dresdener Journal, wir würden sie für ein Meisterstück erklären. Uns Männern von der Feder darf man wohl einige Parteilichkeit für ein so eminentes journalistisches Talent zu gute halten. An die Denkschriften praktischer Staatsmänner dagegen pflegen preußische Blätter einen anderen Maßstab anzulegen. Hier genügt uns das anmuthig-wißige Abtrumpfen des Gegners nicht. Hier fragen wir: welchen praktischen Erfolg hat der Verfasser der Arbeit im Auge? und wird die Fassung derselben ihm den Erfolg erleichtern? Diese beiden Fragen haben wir leider fast an sämmtliche diplomatische Actenstücke des sächsischen Ministers vergeblich gestellt. Von der ersten bis zur letzten Note, von jenem vielgepriesenen Briefe, welcher dem Fürsten Gortschakow drohend erklärte, Sachsen werde niemals eine Einmischung des Auslandes dulden, bis herab zu dem neuesten Bundestagsantrage, der arglos die Aufnahme Schleswigs in den Bund fordert - in allen diplomatischen Werken des Ministers finden wir immer nur die eine Tugend: den zwecklos aber talentvoll in seinem reinen Dasein sich ergehenden Fleiß. Von den Londoner Conferenzen versichern die Organe des sächsischen Ministers beharrlich, allein die Haltung des reindeutschen“ Gesandten habe den glücklichen Ausgang herbeigeführt. Merkwürdig nur, daß außerhalb Sachsens Niemand daran glauben will. Wir kennen in der That nur ein positives Ergebniß der schleswig-Holsteinischen Politik des sächsischen Ministers. Er hat die Zeit der Verwaltung der Bundescommissäre in Holstein vortrefflich benutzt. Er vor Allen hat durch seine Werkzeuge in Holstein jenen partikularistischen Troß und Haß ausgesät, welcher heute die Versöhnung des unglücklichen

Landes mit dem preußischen Staate so sehr erschwert. Dieser einzige praktische Erfolg der Beustischen Staatskunst in den Herzogthümern erklärt zur Genüge den unfreundlichen Ton der preußischen Presse gegen Sachsen. Wir aber find nicht der Ansicht, solche Gehässigkeit sei in der Natur der beiden Nachbarstaaten begründet. Wir meinen, ein anderer Minister des Auswärtigen in Dresden könnte den widerwärtigen Zustand sehr bald beendigen. Ein solcher Minister müßte freilich, nach dem achtungswerthen Beispiele des Freiherrn v. Varubüler, seine Thätigkeit vorwiegend be= schränken auf die Fragen der Handelspolitik, auf die Anzeigen von fürstlichen Ent- und Verbindungen und dergleichen. Dann würden die „sachsenvernichtenden Tendenzen“ der preußischen Presse von selbst verstummen.

Zum Zweiten bitten wir unsere Leser, die neueste Depesche des Freiherrn v. Beust vollständig zu lesen und dann zu erwägen: Das also ist der liberalste aller liberalen Minister, den die Helden unserer Volksversammlungen feierten! Herr v. Beust erklärt sich mit Freuden bereit, die sächsische Presse darniederzuhalten, und mit Hilfe des wohlgelungenen sächsischen Preßgefeßes ist es ein Leichtes, jede Opposition auf gesetzlichem Wege mundtodt zu machen. Zur Entschädigung verlangt er nur, daß die preußische Presse gleichfalls gedrückt werde, ja, er bezeichnet bereits ein preußisches Blatt als geeignet zur Abstrafung. Nach alledem begreifen wir nicht, mit welchem Rechte die Organe dieses Staatsmannes fort und fort behaupten, er denke weit liberaler als Graf Bismarck. Doch nein, einen Vorbehalt zu Gunsten der sächsischen Presse macht Freiherr v. Beust allerdings. Seine Depesche sagt: „Die Großmächte berührt es unangenehm, wenn in mittelstaatlichen Blättern von ihrer Gewaltthätigkeit ge= sprochen wird, aber mindestens eben so verlegend ist es für die Mittelstaaten, wenn die Presse ihnen ihre Ohnmacht vorhält." Also, Herr v. Beust will dafür sorgen, daß die sächsische Presse über die Politik des Grafen Bismarck nicht mehr mit den Schmeichelworten „Länderschacher und him= melschreiende Gewaltthat" aburtheilt. Dafür soll die preußische Presse künftighin nicht mehr die unbehagliche Wahrheit verkünden: Das Königreich Sachsen umfaßt nur 272 Geviertmeilen und kann nur 26,000 Mann in das Feld stellen. - Nennt man dies in Dresden: mit gleichem Maße messen? Glaubt man wirklich, das Berliner Cabinet werde sich auf eine Gegenseitigkeit solcher Art einlassen ? In der Leidenschaft pflegen sich die geheimen Neigungen des Menschen zu offenbaren. Herr v. Beust fühlt sich geärgert durch die Bosheit der preußischen Presse, und alsbald enthüllt sich jener humane Liberalismus, von dem die Gräber der politischen Gefangenen auf dem Friedhofe des Waldheimer Zuchthauses zu erzählen wissen.

v. Treitschke, Deutsche Kämpfe. 2. Aufl.

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Doch wir sind im Begriff nochmals ernsthaft zu werden. Unsere Aufgabe war nur, einen unverdienten Vorwurf abzuwehren. Das Urtheil über den sächsischen Minister überlassen wir getrost einer ruhigeren Zeit. Freiherr v. Beust wird voraussichtlich länger als wir Anderen im Munde der Menschen leben. Der Name des ersten und hoffentlich einzigen reindeutschen“ Gesandten wird späteren Tagen die Erinnerung an die Bundespolitik wachrufen, und genau so wie das Urtheil über den Bundestag wird einst die Meinung der Welt über den sächsischen Minister lauten. Wenn wir von dem Regensburger Reichstage unserer Väter hören, so spielt ein Lächeln um die Lippen der Söhne. Mögen unsere Enkel in einer minder heiteren Gemüthsstimmung sich befinden, wenn sie einst von der alten Bundespolitik und ihrem geschäftigsten Vertreter hören! Wir wünschen es, doch wir wagen nicht es zu hoffen.

1866.

Der Krieg und die Bundesreform.

Freiburg i. B., 25. Mai 1866.

Auf der Kuppel des Neuen Palais bei Sanssouci stehen die Erzgestalten der drei Grazien und tragen mit erhobenem Arm die Krone Friedrich's des Großen; den Köpfen der Frauen, die ihm seine Krone halten müssen, hat der König die Züge seiner Todfeindinnen, Maria Theresia's, der Pompadour, der Czaarin Elisabeth, geben lassen. Nur dem Genius war erlaubt des Feindes also zu spotten; und doch lag ein wahrer Sinn in dem übermüthigen Scherze. Jene drei mächtigen Frauen, die dem preußischen Staate den Untergang geschworen, haben wirklich geholfen seine Krone aufrecht zu halten; all' ihre verderblichen Pläne erreichten nur das Eine, daß der junge Staat reich an Ehren als eine neue Großmacht aus dem ungleichen Kampfe hervorging. Desgleichen in späteren Jahren: nie hat Preußens Gestirn heller geleuchtet als in jenen Tagen, da der Hochmuth unserer Feinde keine Schranke mehr kannte und Napoleon jenem rheinbändischen Prinzen zurief: en avant, roi de Prusse! Heute stehen. wir wiederum vor einer großen Entscheidung. Nicht ein Olmüß, so versichern uns österreichische Stimmen, nein, ein Jena will man uns bereiten; die „Improvisation Friedrich's des Großen" soll beseitigt, Preußen ausgestrichen werden aus der Reihe der großen Mächte. Doch abermals, das hoffen wir von der Barmherzigkeit des Himmels, werden die Absichten unserer Feinde zu Schanden werden. Wenn Regierung und Volk ihre Schuldigkeit thun, so wird der Sieg mit unsern Fahnen sein, und die herrschsüchtigen Gedanken der Wiener Hofburg werden dem deutschen Vaterlande zu einer besseren Zeit verhelfen, dem preußischen Staate zu der so lange, so schmerzlich vermißten Eintracht zwischen Volk und Krone.

Die Feder ist ein armselig Ding in solchem Augenblicke. Dennoch sei, bevor der Donner der Kanonen jede besonnene Rede übertäubt, der

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