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liegen die Dinge in Deutschland nicht ungünstig für eine entschloffene preußische Politik.

Ueber unser Verhältniß zum Auslande haben wir uns nie behag= lichen Täuschungen hingegeben. Kein Nachbarland sieht mit Freude, daß die Mitte des Continents zu erstarken beginnt. Die Thaten Oesterreichs in Italien und die Sünden so vieler deutscher Dynastien im Auslande haben den deutschen Namen mit den Verwünschungen aller Nationen belastet. Wir mögen mit den Russen streiten um den traurigen Ruhm, wer das unbeliebteste Volk Europa's sei. Doch von der Abneigung zur that= lichen Einmischung ist ein weiter Weg. Die einzige unmittelbar bei der Frage betheiligte Macht, Rußland, kann die Entstehung einer neuen baltischen Seemacht nicht wünschen. Aber das Czarenreich bedarf der Ruhe zur Durchführung einer umfassenden socialen Reform, und wir geben etwas wenn auch nicht sehr viel auf die Nachwirkungen der alten Bundesgenossenschaft und jener verständigen Politik, welche Preußen während der polnischen Revolution inne hielt. Der Eroberer von Savoyen und Nizza hat soeben seinen tugendhaften Widerwillen gegen alle Annerionen der Welt verkünden lassen. Dieses sehr ernste Ereigniß scheint uns doch kein Grund zum Verzagen. Napoleon III. besitzt in hohem Maße den Instinkt für das Nothwendige, der den großen Staatsmann macht. Wie er Italiens Einheit nicht wollte, doch als unvermeidlich hinnahm, so weiß er auch besser als sein Volk, besser als viele Deutsche daß Preußen wachsen muß kraft einer Nothwendigkeit, die stärker ist als eines Menschen Wille. Er wird versuchen von diesem Wachsthum Vortheil zu ziehen, nicht es zu hindern. Er bedauert innig, daß es zwischen unseren Großmächten nicht zum Kriege kam; aber er weiß, daß er am Rheine deutschgesinnten Menschen und einem zähen Widerstande begegnen würde, dessen unberechenbaren Folgen er seine junge Dynastie nicht gern aussehen mag. Die Träume des Fürsten Richard Metternich finden in diesem nüchternen Kopfe keine Stätte; denn zwischen Frankreich und Oesterreich stellt sich trennend unser bester Bundesgenosse - Italien. Und am Ende liegt es ja in des Kaisers Hand, ob die Annerion im Norden erfolgen soll mit oder ohne eine preußische Garantie für den Besitz Venetiens. Auch von dieser Seite sehen wir noch keine Schwierigkeit, die ein entschlossener und behutsamer deutscher Wille nicht bewältigen könnte.

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Die Wogen der demagogischen Aufregung beginnen zu ebben, die Zeit der Ernüchterung bricht an. Wenn die Vorsehung mit einiger Barmherzigkeit auf dieses hadernde Land herabschaut, so hoffen wir den Tag zu erleben, da die Stände Schleswig-Holsteins sich ihrer Pflichten gegen das große Vaterland erinnern und eine hochsinnige, eine deutsche Ent

schließung finden werden. Dann wird ihrem Lande die demüthigende Rolle eines Vasallenstaates erspart bleiben. Die Herzogthümer werden, so hoffen wir, nicht durch das lose Band einer Personalunion mit Preußen verkettet werden, sondern als eine gleichberechtigte Provinz in diesen Staat eintreten. Schwer sind die Lasten, welche das neue Scepter bringt. Aber die Erwerbung eines so köstlichen Besites wird den ersten Keim bilden für die Versöhnung des Volkes und der Krone in Preußen. Und wie immer die Würfel fallen mögen dies Eine weiß man in den Herzogthümern: die deutsche Herrschaft bringt diesem Lande nicht Tage des trägen Behagens, sondern eine Zeit rechtschaffener Arbeit, um Vieles nachzuholen, was in einer langen Epoche des Halbschlummers versäumt ward. In solcher Hoffnung rufen wir der alma mater von Kiel zum 5. Oktober den besten Glückwunsch zu, den wir zu sagen wissen: Ein gesegnetes neues Jahrhundert unter dem Schuße des ersten deutschen Staates!"

Herr v. Beust und die Preußischen Jahrbücher.

Freiburg i. B., 19. Nov. 1865.

Wir dürfen unseren Lesern die Mittheilung nicht vorenthalten, daß unsere Jahrbücher, ohn' ihr Verdienst und Würdigkeit, zu einer diplomatischen Beschwerde Anlaß gegeben haben.

Die Gesandten von Oesterreich und Preußen beklagten sich kürzlich bei dem sächsischen Minister des Auswärtigen über die feindselige Haltung der sächsischen Presse, vornehmlich der Constitutionellen Zeitung. Wir brauchen den Lesern eines liberalen Blattes nicht erst zu sagen, daß wir diesen Schritt des preußischen Gesandten als einen unglücklichen Fehler ernstlich beklagen. Unser Bedauern ist freilich nicht ohne Beimischung von Heiterkeit, denn wir hätten uns niemals träumen lassen, daß die politische Weisheit der genannten Zeitung einer Großmacht lästig werden könne. Herr von Beust antwortete auf die Vorstellungen der beiden Gesandten mit einer Depesche, worin sich folgende Stelle findet:

„Mit welchem Aufwand von Gehässigkeit und selbst Verleumdung werden in preußischen Blättern die Regierungen der Mittelstaaten, namentlich die sächsische Regierung, tagtäglich verfolgt. In den Preußischen Jahrbüchern führt in regelmäßiger Folge ein bekannter Schriftsteller aus, daß die deutschen Staaten nicht etwa nur Preußen sich unterordnen, nein, daß die deutschen Staaten und Dynastien zu eristiren aufhören sollen. Dieses Thema findet in preußischen Tageblättern vielfaches Echo, ja jene Auffäße finden in der für ministerielles Organ geltenden Norddeutschen Allgemeinen Zeitung Erwähnung, und noch nie habe ich vernommen, daß Seitens der königlich preußischen Regierung etwas geschehen sei, diesem Beginnen Einhalt zu thun. Dem von Herrn v. d. Schulenburg gegen mich ausgesprochenen Wunsch, daß auf Milderung der Preßanfeindungen hingewirkt werde, pflichte ich gern bei; aber ich habe, bevor ich dem, der sächsischen Regierung gemachten Vorwurf, preußenfeindlichen Tendenzen nicht entgegenzutreten, Rede stehe, zu er

warten, daß in Preußen den sachsenvernichtenden Tendenzen gesteuert werde."

Diese Depesche rief in dem Redaktionsbureau der Jahrbücher gerechte Verwunderung hervor. Vergeblich rieth man hin und her, wer jener in regelmäßiger Folge sachsenvernichtende Schriftsteller sei. Endlich erklärte ein altes Redaktionsmitglied, er glaube genau zu wissen, daß Herr v. Beust die Jahrbücher gar nicht lese. Zum Beweise erzählte er Folgendes: „Vor längerer Zeit brachte unser Blatt eine Correspondenz, welche die sächsischen Zustände unter dem Beust'schen Regimente mit Wohlwollen, aber ohne Beifall besprach. Diese Arbeit erregte in der sächsischen Presse einiges Aufsehen, und das fächsische Ministerium wendete sich an unseren Verleger mit der Bitte um Zusendung des Aufsages. Der Verleger beeilte sich dem freundlichen Wunsche zu willfahren, und bald nachher erschien aus der Feder eines hohen sächsischen Beamten eine umfängliche Schrift zur Widerlegung jener kleinen Correspondenz. Auch dieses Buch wurde von den Jahrbüchern mit Wohlwollen, aber ohne Beifall besprochen."

So unser Freund. Nach dieser Erzählung mußte man annehmen, daß wir nicht die Freude haben Herrn v. Beust zu unsern Lesern zu zählen, sondern daß der sächsische Staatsmann seine Anschuldigungen lediglich auf Zeitungsnotizen und Zwischenträgereien gegründet hat — ein bei Abfassung amtlicher Aktenstücke allerdings ungewöhnliches Verfahren. Nunmehr schien auch das Unmögliche möglich, und die Redaction wagte die Vermuthung, daß unter dem frevelnden Schriftsteller der Unterzeichnete verstanden sei. Diese Vermuthung war sehr kühn, denn der Unterzeichnete hat seit mehr als zwei Jahren nur drei Auffäße für die Jahrbücher geschrieben. Einer davon, eine wissenschaftliche Arbeit über Napoleon I., konnte in Dresdens Downingstreet unmöglich Anstoß erregen. Oder rechnet man in den Bureaus der Seestraße den weiland Protector des Rheinbundes noch heute zu jenen einheimischen Würdenträgern, über welche der Unterthan nur mit scheuer Ehrfurcht reden soll? Die beiden andern Aufsäße handeln von der schleswig-holsteinischen Frage, und ihr einziges Verdienst, wenn anders sie eines haben, liegt wohl darin, daß sie sich ernsthaft an die Sache halten und auf die Möglichkeiten einer fernen Zukunft grundsäßlich nicht eingehen. Der ältere derselben erwähnt der Mittelstaaten nur beiläufig und Sachsens gar nicht, soweit wir beim raschen Durchblättern sehen konnten. Nur der letzte Aufsatz berührt an einigen Stellen die mittelstaatliche Politik. Uns scheint sehr zweifelhaft, ob man diese bescheidene schriftstellerische Thätigkeit ein Wirken in regelmäßiger Folge nennen darf; jedoch der sächsische Canzleistil weicht von dem gemeinen deutschen Sprachgebrauche mehrfach ab.

Genug, die Redaction hat mich beauftragt, dem sächsischen Minister unsere Unschuld nachzuweisen.

Herr v. Beust scheint, nach jener Depesche zu schließen, die Begriffe „Politik“ und „Polizei“ für gleichbedeutend zu halten, wir aber haben die Absicht, zwischen beiden scharf zu unterscheiden. Es wäre mehr als unschuldig, wenn wir versuchen wollten unsere Auffassung der deutschen Politik vor dem fächsischen Minister zu rechtfertigen. Wir halten uns streng an die von Herrn v. Beust mit so vielem Wohlwollen hervorgehobene polizeiliche Seite der Sache. Wir denken den Beweis zu führen, daß die preußischen Behörden ihre Pflichten gegen uns vollständig erfüllt haben, und daß den Jahrbüchern nichts ferner liegt als finstere Pläne gegen die Mittelstaaten. Nur wenige Worte unseres letzten Auffahes können zu solcher Mißdeutung führen.

An einer Stelle jener Arbeit sprachen wir von den Korybanten des Großsachsenthums, welche Schlesien für Oesterreich, die Lausitz für Sachsen fordern". Herr v. Beust wird vermuthlich meinen, diese in der sächsischen Presse neuerdings aufgetauchten Wünsche seien einem ehrenwerthen patriotischen Gefühle entsprungen und sollten nicht allzuhart verdammt werden. Einem preußischen Blatte muß gestattet sein anders zu denken, ihm muß erlaubt sein, solche auf die Zerstörung der Verträge von 1815 gerichtete Bestrebungen entschieden und ohne Höflichkeit zurückzuweisen.

Bedenklicher scheint ein anderes Wort. Ein Freund hatte in den Grenzboten den Vertheidigern der Annerion Schleswig-Holsteins vorgeworfen, sie wollten voreilig zusammenzwängen, „was die Natur für einander bestimmt hat". Ihm erwiderten wir, der menschliche Wille sei in der Geschichte ebenso wirksam wie die Natur, und führten zum Belege die Thatsache an, daß Sachsen und Hannover kraft des Willens der Menschen souveräne Staaten bilden, während sie doch, unseres Erachtens, von der Natur zur Vereinigung mit dem übrigen Norddeutschland bestimmt sind. Diese Vermuthung über die Absichten der Natur mag vermessen scheinen neu ist sie nicht. Schon vielen denkenden Betrachtern der deutschen Landkarte hat sie sich aufgedrängt, und Landkarten sind heute in Jedermanns Händen. Weit entfernt, aus jener allgemeinen Betrachtung eine praktische Nuhanwendung zu ziehen, fuhren wir gelassen fort: „Aber der Himmel weiß, wann die Natur so freundlich sein wird, jene Länder zusammenzufügen". Harmloser, resignirter kann man doch nicht reden. Herr v. Beust muß die Jahrbücher sehr wenig kennen, wenn er glaubt, sie beschäftigten sich in regelmäßiger Folge mit der Gestaltung der deutschen Zukunft. Wir halten nicht für die Aufgabe einer Revue, ein fertiges Programm aufzustellen über jene hundert Fragen, die man unter dem

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