Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

es: unsre Welt dreht sich in ihrer Erscheinung (also insofern sie unser Erkenntnisgegenstand ist, nicht als Welt an sich) um unseren Geist, wie die Erde um die Sonne. Hier ist der schärfste kritische Empirismus zugleich der höchste Geistesidealismus; hier ist ein Kopernikanischer heliozentrischer Standpunkt auf erkenntnis-theoretischem Gebiete erreicht, während man vorher den geozentrischen des Ptolemäus einnahm; wie kann es also wunder nehmen, dass die Kantische Entdeckung auf geistigem Gebiete ähnliche Umwälzungen hervorbringt, wie die Kopernikanische auf dem kosmischen?

Viertes Kapitel.

Die Erfahrungswelt als Vorstellungswelt.

Inhalt: Zeit und Raum, die transcendentalen Grundbedingungen des mathematischen Vorstellens. Der Satz:,,Zeit und Raum sind reine Anschau

Vorstellungswelt.

Das Erinnerungsbild.
dem äusseren Gegenstande.
geistiger Vorstellung.

ungen a priori" als Folge aus dem allgemeinen Satz: Die Erfahrungswelt ist
Die Vorstellung „Wald“. - Das Wahrnehmungsbild.
Unterschied zwischen dem Wahrnehmungsbild und
Unterschied zwischen Wahrnehmungsbild und
Die Wahrnehmung des Waldes als rein subjek-
Notwendige Unterscheidung des Waldes an sich
Vorstellung und Ding an sich.
Der Gehörsinn und die Töne.

tiv-innerliche Vorstellung.

--

Der

Der Tast

und unsrer Vorstellung,,Wald“. Gesichtssinn und die Farben. sinn Geruch und Geschmack. Die Welt an sich ist unbekannt und unerkennbar, denn sie ist nicht subjektive Vorstellungswelt. Die Welt ist deshalb nicht blosser Schein; Zurückweisung einer falschen Auffassung der Vorstellungslehre. Vorstellungen und Dinge an sich im Verhältnis von Wirkung und Ursach betrachtete. Ursache und Wirkung können sehr verschieden sein. Ursache und Wirkung sind vielfach sehr verschieden. - Die Sinnesempfindungen. Die Weberschen Empfindungskreise. Die Lehre von der spezifischen Energie der Sinnesorgane. Vorstellung und Ding an sich weder ähnlich noch gleich. Die Vorstellungen als Symbole. Die Logik verbietet einen strikten Schluss von der Wirkung auf die Ursache, somit von den Vorstellungen auf die Dinge an sich. Dieser Schluss als ontologischer Der Inhalt des Schlusses ist empirisch unbeweisbar. Existenz der Dinge an sich überhaupt nicht beweisbar. für unsre Erkenntnis ein (relatives, kein absolutes) Nichts. jeder transcendenten Metaphysik.

Fehlschluss.

[ocr errors]

Die

Das Ding an sich Unmöglichkeit Der Glaube an die Dinge an sich.

[blocks in formation]

Entstehung dieses Glaubens: das Verhältnis der Erscheinungswelt zu unsrem
Willen.
Glaube an die Dinge an sich stützt, ein Fehlschluss.

[ocr errors][merged small]

menalismus. Descartes' natürlicher Instinkt.

--

Berkeleys PhänoBaumanns Diskrepanz

zwischen den mathematischen Vorstellungen und dem empirisch Gegebenen.

Schlussergebnis: die Erfahrungswelt als intellektuales Phänomen.

Die Vor

Die Philo

stellungswelt kein Schein, sondern unsre Wirklichkeit als notwendige Erscheinung. Folgen der kritischen Vorstellungslehre. sophie. Die empirischen Wissenschaften: Akustik, Optik, Astronomie, Physiologie, Psychologie, Psychopathologie. Aberglaube, Geisterseherei. kritische Läuterung der Religion.

Die

ach dem im ersten Kapitel aufgestellten allgemeinen Programm ist es eine unsrer ersten Aufgaben, die Grundvoraussetzungen des mathematischen Vorstellens oder die Grundbedingungen in unsrem Geiste, auf denen die Mathematik als Wissenschaft beruht, kennen zu lernen. Diese Grundbedingungen sind Zeit und Raum, denn die Geometrie hat es mit Raumgebilden zu thun, und das Zählen der Arithmetik setzt die Zeit voraus, da alles Zählen ein Hinzufügen von eins zu eins, also ein successives geistiges Handeln ist, das nur in der Zeitreihe stattfinden kann. Was ist also Zeit und Raum? Das ist die Grundfrage, um welche es sich handelt, wenn die transcendentalen Bedingungen des mathematischen Vorstellens erkannt werden sollen. Nun wird jeder die Erfahrung an sich gemacht haben, dass, wenn er aus Kants Kritik der reinen Vernunft zum erstenmal erfuhr: Raum und Zeit sind reine Anschauungen a priori - bei der Kürze, wie Kant den Satz ausspricht und begründet, das Verständnis auf die grössten Schwierigkeiten stiess. Denn in Wahrheit ist dieser Satz erst ein Folgesatz aus einem allgemeinern Satze, den Kant in der Kritik der reinen Vernunft aber an einer ganz andern Stelle ausführlicher erörtert hat. Dieser Grundsatz, von dem alle übrigen Sätze des Kritizismus als Folgerungen ausstrahlen, die Grundthatsache, auf welcher der ganze kritische Empirismus beruht, drückt sich in dem Worte aus, welches besonders Schopenhauer in den Mund der Leute gebracht; mit dessen Erkenntnis erst, wie er mit Recht meint, dem Menschen die Schuppen von den Augen fallen, die natürliche Naivetät des bisherigen dogmatischen Weltauffassens aufhört, die Epoche kindlicher Unschuld auf theoretischem Gebiete endet, und die Erkenntnis des Wahren und Falschen beginnt in dem Worte: Die Welt ist Vorstellung; für welches wir aber, um alles Miss

[ocr errors]

verständliche gerade dieses Ausdrucks zu vermeiden, sagen wollen: Unsre menschliche Erfahrungswelt ist menschliche Vorstellungswelt. Was heisst das?

vor

[ocr errors]

Wir befinden uns auf einer sanft ansteigenden Bergeshalde, die ein weithalliger Wald von hochstämmigen Buchen bedeckt; unsren Augen dehnt sich eine umfassende Fernsicht aus; vom höheren Kamm des Gebirges herab rauscht neben uns ein schäumender Bach zu Thale. Die Blätter der Bäume säuseln, die Vögel singen, die Kräuter duften, die Beere vom Strauch labt unsern Gaumen, aber trotz all der Behaglichkeit, in die wir durch unsre Umgebung versetzt werden, werfen wir, Grübler, wie wir sind, doch die Frage auf: Was nehmen wir hier wahr? Offenbar einen Wald. Aber schliesse die Augen.

[merged small][ocr errors][merged small]

Siehst

Der Wald ist also verschwun

den; wie, wenn ein mächtiger Zauberer ihn plötzlich wie eine Theaterdekoration in die Erde versenkt oder ihn in leere Luft aufgelöst hätte? Das ist unmöglich. Der Wald ist da, er ist

nur mir aus meinen Augen verschwunden.

Er war also in

Wie kann dieser weite Wald in deinen winzigen

Nicht der

deinen Augen. Augen sein? wie kann er hineinkommen? Ein Splitter von einem seiner Äste schon würde dir die Augen zerstören. Wald selbst war in meinen Augen; das Bild des Waldes war darin.

Was du also in deinen Augen wahrnahmst, war nicht der Wald selbst, sondern nur ein Bild von ihm. Kannst du aber den Wald auch wohl vorstellen, ohne dass du den Wald siehst? Ja, in der Erinnerung, als Erinnerungsbild. Aber kannst du dieses Erinnerungsbild haben, ohne je zuvor das Augenbild der Wahrnehmung des Waldes gehabt zu haben? Offenbar nicht! Das Wahrnehmungsbild des Waldes muss ich erst gehabt haben, wenn ein Erinnerungsbild vom Walde in mir auftauchen soll.

Zwischen unsre Wahrnehmung vom Walde und den wirklichen Wald stellt sich mithin allemal das Wahrnehmungsbild in unsern Augen; und bemerken wir wohl, dass dieses Augenbild auf unsrer Netzhaut schon im hohen Grade verschieden von dem Walde selbst ist, denn es ist ja nicht der hölzerne Wald

selbst, sondern nur ein aus Lichtstrahlen gewebtes Bild; der Wald selbst dehnt sich nach den drei Dimensionen des Raumes, der Höhe, Breite und Tiefe, das Bild nur in den zwei Dimensionen der Fläche aus; der Wald ist gross, das Bild ist klein, und endlich gar das Bild auf der Netzhaut steht auf dem Kopfe, und der Wald doch aufrecht. So ist das Augenbild, welches wir vom Walde anschauen, weit entfernt, der Wald selbst oder dem Walde kongruent zu sein.

Ist nun aber dieses Bild in unserm äussern Auge auf der Netzhaut schon die unmittelbare Vorstellung unsres Geistes? Nein, denn es sind ja nur höchst merkwürdige und in ihrer Eigentümlichkeit sehr wenig bekannte Bewegungsvorgänge, welche von der Netzhaut aus durch den Augennerv hindurch in das Gehirn eindringen und dort, wo es doch dunkel ist und kein Lichtstrahl wie durch ein Fenster eindringen kann, in unerklärter Weise das hervorrufen, was, oder die Vorstellung hervorrufen, die wir ,,Wald" nennen. Diese Vorstellung ist in uns, ganz und lediglich in uns, in unserm Geiste, sie ist ein rein innerliches, ein geistiges und offenbar nicht der materielle Wald an sich, wie er dort draussen breit und hölzern steht, sondern ein von diesem äussern Walde sehr verschiedenes. Zwischen dem Walde an sich und unsrer Vorstellung von dem Walde besteht also ein grosser Unterschied, und niemals nehmen wir den Wald selbst wahr, denn wie wir uns auch bemühen möchten, doch noch etwas mehr wahrzunehmen, als nur unseren innerlichen, mithin lediglich subjektiven Eindruck es ist klar, dass alles, was wir wahrnehmen, innerlicher Eindruck und somit subjektiv ist; dass also, was nicht innerlicher Eindruck ist, auch nicht von uns wahrgenommen wird. Daraus folgt aber, dass, wenn wir einen Wald wahrnehmen, wir ihn lediglich als unsern subjektiven, innern Eindruck, der sich bereits als vom Walde an sich sehr verschieden herausstellte, wahrnehmen; also was vom Walde nicht subjektiver Eindruck ist, auch nicht wahrgenommen wird; dass wir mithin mehr vom Walde als den subjektiven Eindruck auch niemals wahrnehmen können.

Wenn wir uns also bisher eingebildet haben, dass wir den

« ZurückWeiter »