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wegen, etwas nach unserem Willen hervorzubringen; wo sie also nicht unmittelbar Naturprodukte, sondern durch Maschinen Kunstprodukte (arte facta) hervorbringt. Eine Geschichte dieser Artefacta, also eine Geschichte der Technik, eine Technologie will Baco als dritten Teil der Naturgeschichte ins Leben gerufen sehen und legt auf ihn ein ganz besonderes Gewicht. Eine solche in drei Teilen bestehende wahre Geschichte der Natur ist erst völlig neu zu schaffen als Grundlage für die Naturwissenschaft bildet sie für Baco sogar den wichtigsten Teil aller Geschichte. Es ist daher begreiflich, dass er hier seine Forderungen ganz ausserordentlich spezialisiert darbietet. In einer seiner kleineren Schriften der,,Paraskeue" entwirft er einen ,,catalogus historiarum particularium", der in 130 Nummern Desiderien alles das andeutet, was in Mechanik, Physik, Chemie, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Medizin, Anthropologie u. s. w. Bedeutsames ausgeführt und geleistet ist. Es ist sozusagen ein wissenschaftlicher Tagesbefehl, gerichtet an die kommenden Jahrhunderte, der passend als Motto das Wort aus Faust trüge:

,,Drum schonet mir an diesem Tag

Prospekte nicht und nicht Maschinen.

Gebraucht das gross' und kleine Himmelslicht,

Die Sterne dürfet ihr verschwenden.

An Feuer, Wasser, Felsenwänden,

An Tier' und Vögeln fehlt es nicht.
So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
Und wandelt, mit bedächt'ger Schnelle,

Vom Himmel durch die Welt zur Hölle."

Aus der Phantasie erwächst die Poesie, die Baco in die drei Arten der epischen, dramatischen und didaktischen gliedert. Es ist charakteristisch für den Baconischen Realismus, dass er den Wert der Poesie und ihrer Arten nach Nützlichkeitsgründen abwägt und ganz im Gegensatz zu unseren Wertmassen die didaktische Poesie, die uns so gut wie keine zu sein scheint, fast am höchsten stellt.

Geschichte und Poesie sind aber nur Nebenhallen der eigentlichen Haupthalle des Erkenntnisgebäudes, der philosophischen

Wissenschaft.,,Die Geschichte", sagt Baco,,,schreitet nur auf dem Boden einher und dient mehr als Führer, denn als Leuchte. Die Poesie aber ist nur wie ein Traum des Denkens, süss und wechselnd; gern möchte sie, dass man etwas Göttliches in ihr sähe, was ja auch die Träume für sich beanspruchen. Jetzt aber wird es Zeit, dass ich erwache und mich vom Boden erhebe, um den flüssigen Äther der philosophischen Wissenschaften zu durcheilen." Die philosophischen Wissenschaften, welche unter das Gebiet der Vernunft fallen, haben es mit der Erklärung der Ursachen der Dinge zu thun. So verschieden nun aber auch die verschiedenen philosophischen Wissenschaften sind, es giebt doch gewisse, besonders aus der Natur des Geistes, doch auch der Dinge folgende Grundbegriffe und Grundsätze, welche ihnen allen gemeinsam sind. Diese zusammenzustellen ist die Aufgabe der ,,ersten Philosophie" der ,,philosophia prima", welche demnach als Einleitung dem Studium aller übrigen Disziplinen voranzuschicken wäre. Nach einer solchen vorbereitenden Einleitung tritt man nun an die eigentlichen Gegenstände der philosophischen Wissenschaften selbst heran. Diese sind Gott, Natur und Mensch. Aber das Verhältnis der wissenschaftlichen Forschung zu diesen drei Objekten ist nicht bei allen dasselbe. Vielmehr wenn das Wissen von der Natur dem direkt ins Auge fallenden, das Wissen vom Menschen dem reflektierten Lichtstrahl gleicht, so kann das Wissen von Gott nur dem durch ein sehr trübes Medium gebrochenen Lichtstrahl gleich gesetzt werden. Aus diesem Bilde, das ähnlich schon Giordano Bruno gebraucht hat, geht sogleich hervor, dass die Theologie bei Baco hinsichtlich ihres Erkenntniswertes nicht mehr den ersten Platz wie im scholastischen Mittelalter, vielmehr den letzten einzunehmen habe. Er gesteht der natürlichen Theologie, d. h. der auf Gründe der Vernunft sich stützenden (wovon zu unterscheiden die aus der Offenbarung hervorgehende, welche als Glaubenssache einfach unbesehen hinzunehmen ist) nur die Fähigkeit zu, die Gründe für den Atheismus zu widerlegen, nicht aber die Kraft, die Dogmen positiv zu beweisen. Er erinnert an den antiken Mythus von der goldenen Kette, an welcher weder Menschen noch Götter Zeus von seinem Throne

zur Erde herabzuziehen vermochten, während umgekehrt Zeus jene leicht von der Erde zum Himmel emporheben konnte. Glauben und Wissen sind nach Baco unvereinbare und deshalb ganz zu trennende Gebiete, die sich gar nicht in einander einmischen sollen. Man gebe dem Glauben, was des Glaubens ist, und dem Wissen, was des Wissens ist; aber weder soll der Glaube sich eine Herrschaft über die Wissenschaft, noch die Wissenschaft sich eine Herrschaft über den Glauben anmassen. Wer das Bedürfnis zu glauben hat, dem soll es unverkümmert bleiben, und es ist dabei ganz gleichgültig, wie viel oder wie wenig er glaube; denn wer sich einmal in das Glauben eingelassen hat, befindet sich in derselben Lage, wie wer sich mit einem Kartenspiele abgiebt: nimmt er einmal Teil daran, so muss er die Regeln des Spiels befolgen, und schienen sie ihm noch so widersinnig. Es ist auch keine Gefahr vorhanden, dass bei dieser Trennung von Glauben und Wissen dem Glauben an Gott Abbruch geschehe, denn, sagt Baco, es ist ganz sicher und durch die Erfahrung bewiesen, dass ein leichtes Kosten in der Philosophie vielleicht zum Atheismus führen kann, dass aber ein volleres Schöpfen darin zur Religion zurückführt. In Wahrheit bestimmt hier Baco das Verhältnis so, wie es die Engländer nach seiner Vorschrift heutzutage in ihrer Praxis handhaben; aber man kann unmöglich meinen, dass hiermit eine gründliche Erledigung der Sache gegeben sei; es ist gewissermassen nur ein diplomatischer modus vivendi hergestellt, kein wirklich versöhnender Friedensschluss; diesen werden wir auf ganz anderen Bahnen zu suchen haben.

Das Wissen von der Natur zerfällt in zwei Teile: es gilt erstens die Naturgesetze zu erkennen, zweitens diese erkannten Gesetze praktisch für den Nutzen des Menschen in Erfindungen umzusetzen. Die Wissenschaft von der Natur zerfällt also in einen erkennenden Teil (pars speculativa) und einen anwendenden Teil (pars operativa). Der erkennende Teil gliedert sich in die beiden Abteilungen der Physik und Metaphysik. Unter Physik ist hier die eigentliche Naturwissenschaft in ihrer Gesamtheit zu verstehen: sie hat zu handeln einerseits de concretis, d. h. über die einzelnen Naturerscheinungen, wie wir sie als Steine, Pflanzen,

Tiere etc. in den besonderen naturwissenschaftlichen Disziplinen kennen, andererseits de naturis, d. h. über die allgemeinsten Eigenschaften der Materie überhaupt, wie Wärme, Licht, Schwere, Kohäsion etc., welchen letzteren Zweig wir heute im besonderen als Physik bezeichnen. Was bleibt nun für die andere Abteilung der erkennenden Naturwissenschaften, für die Metaphysik? Die Baconische Physik hat es zu thun mit den mechanisch wirkenden Ursachen, den causae efficientes; für die Metaphysik sollen dagegen bleiben die,,formae" und ,,causae finales". Unter den formae

sind die letzten konstanten hervorbringenden Ursachen der Dinge überhaupt, also die objektiv in sich bestehenden zweckmässigen Realgründe der Welt zu verstehen, unter den causae finales dagegen die relativen Zweckmässigkeitsursachen, welche der Mensch nur in Bezug auf seinen individuellen Nutzen den Dingen unterschiebt. Diese Baconische Metaphysik (die er aber durchaus nicht mit seiner philosophia prima verwechselt haben will) geht also auf die teleologische Betrachtung der Dinge. Während er die Erforschung jener formae, die aber weder nach der theologischen Manier des Platon, noch nach der logischen Manier des Aristoteles, sondern auf Grund sicherer Erfahrung und ausgehend von Einzelbeobachtungen stattfinden soll, für sehr wertvoll erklärt, will er dagegen von den causae finales in Wahrheit nichts wissen: in der Naturwissenschaft soll die Behandlung der Finalursachen überhaupt nicht Platz haben, weil sie dort zu ungeheuerem Schaden die Behandlung der wirkenden Ursachen verdrängt und zu Boden drückt; die Naturphilosophie eines Platon, Aristoteles, Galen u. A. steht aus diesem Grunde tief unter der eines Demokrit, welche letztere nur auf die mechanischen Ursachen ausgeht; die Finalursachen möge man in der Metaphysik betrachten, da richten sie keinen Schaden an. Bacos ganze Auseinandersetzung über diesen Punkt macht entschieden den Eindruck, als halte er selbst gar nichts von den Finalursachen, wolle aber doch den Anhängern derselben in seiner Zeit nicht eine Handhabe zum Angriffe gegen ihn bieten, weshalb er sie an einen Ort stellt, wo er ihrer in Wahrheit ledig ist. Doch bezieht sich dies nur auf die causae finales, nicht auf die formae, mit denen es ihm Ernst ist.

Erinnert man sich der teleologischen Naturbetrachtung, wie sie von den Kirchenvätern her dem Mittelalter überkommen war, und wie sie Baco vor Augen hatte, so wird man seine Abneigung gegen die causae finales völlig begreiflich und gerechtfertigt finden.

Auch der anwendende Teil der Naturwissenschaft zerlegt sich in zwei Unterteile. Der Physik dort, welche die mechanisch wirkenden Ursachen erkennt, entspricht hier die Mechanik: sie verwertet die Gesetze der Natur in Gestalt von Erfindungen. Der Metaphysik dort entspricht hier die natürliche Magie; jedoch soll darunter nicht etwa die mittelalterliche Schwarzkunst verstanden werden; sie soll vielmehr eine Wissenschaft sein, welche, nachdem jene Metaphysik die allgemeinsten Grundgesetze der Natur (die formae) erkannt, auch diese in derselben Weise zu praktischen Erfindungen verwendet, wie die von der Physik entdeckten besonderen Gesetze in der Mechanik in Erfindungen umgesetzt werden. Es liegt aber auf der Hand, dass in jener Metaphysik der formae und dieser natürlichen Magie Baco zwei höchst überflüssige Wissenschaften aufstellt, überflüssig deshalb, weil die Aufgaben derselben im Grunde keine anderen sind, als welche in das Gebiet der Naturwissenschaften und der Mechanik überhaupt hineinfallen. Auch der Erfolg zeigt das: Physik und Mechanik haben sich kräftig entwickelt; von Metaphysik und Magie ist kaum dasselbe zu behaupten. Wie im erkennenden Teile in der Metaphysik die causae finales schlecht wegkommen, so nun dem entsprechend auch im anwendenden Teile. Wenn Baco hier für die formae noch eine praktische Verwertung in der Magie weiss für die causae finales weiss er keine mehr, und hier spricht er jenes berühmte Wort aus:,,Die Erforschung der Zweckursachen ist unfruchtbar und wie eine gottgeweihte Jungfrau erzeugt sie nichts." Auf dem gesamten Gebiete der spekulativen und angewandten Naturwissenschaft wird auch hier wieder von Baco eine Geschichte der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften (ein inventarium opum humanarum etc.) zur Orientierung und regelrechten Fortbildung verlangt.

Als Anhang zur gesamten Naturwissenschaft wird endlich die Mathematik behandelt. Sie ist nach Baco eigentlich ein Teil

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