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und dem zu dieser Kategorie zählenden, für die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft bedeutsamen Schweizer Paracelsus ausgehen.

Nüchterner, wenn man will, realistischer steht in dieser Gruppe da Bernardinus Telesius, der Stifter der zum Zweck der Naturerkenntnis und Verdrängung der aristotelischen Physik gegründeten Telesianischen oder Cosentinischen Akademie, der in dem Titel seines Hauptwerkes klar das Geheimnis ausspricht, das in allen Geistern der Zeit zum Lichte ringt, das allen auf der Zunge liegt, und das so kurz und bündig, gewissermassen in der Form einer Parole, doch erst Telesius verkündet. Das Buch will handeln: de rerum natura juxta propria principia, „über die Natur nach ihren eigenen Gesetzen." Damit ist auch von Seiten der Philosophie die Selbständigkeit, Selbstberechtigung und Eigenwertigkeit der Natur anerkannt und der Zukunft die Aufgabe ihrer Erforschung rein aus ihren Gesetzen heraus gestellt.

Die Lehre des Telesius, den auch Baco von Verulam als seinen Lehrmeister preist, findet einen begeisterten Apostel in Thomas Campanella, der von der gesteigerten Erkenntnis und Erforschung der Natur die allerüberschwenglichsten Erwartungen hegt, in denen die Nachwehen der mittelalterlichen Einflüsse sich immerhin noch recht deutlich bemerkbar machen. Immer hängt seinen Hoffnungen noch etwas von Verwechslung echter Naturforschung mit Zauberei und Nekromantik an, wenn er aus der Naturerkenntnis für die Medizin die Mittel zur Verlängerung des Lebens auf zweihundert Jahre prophezeit, wenn er das Aufhören aller Kriege und Seuchen erwartet, und nicht bloss wunderbare Sehröhre zur Auffindung neuer Sterne, sondern auch Hörröhre zum Erlauschen der Harmonie der Sphären gebaut sehen will, ja sogar die contradictio in adjecto der Begründung einer ,,exakten Astrologie" sich nicht auszusprechen scheut. Dabei will er gleichwohl der Kirche beweisen, dass die telesianische Lehre. viel besser als die aristotelische mit dem Dogma übereinstimme. Aber die Kirche trifft ihre Massregeln. Campanella verschwinden seine Handschriften; erst viele Jahre später werden sie in den Akten der römischen Inquisition wiedergefunden. Der Philosoph selbst aber

wird achtundzwanzig Jahre in dreiundfünfzig verschiedenen Kerkern gefangen gehalten und siebenmal gefoltert.

Und so beginnt denn die Zeit, wo der neue Geist seine Befreiung mit blutigen Opfern erkaufen muss. Das Hauptopfer heisst Giordano Bruno. Von grimmigem Hass erfüllt gegen die römische Kirche, begeistert fussend auf der Wahrheit des Kopernikanischen Weltsystems, erscheinen ihm Gott und Welt nicht als geschiedenes; das unendliche All, das Alleine ist ihm seine Gottheit; im Pantheismus sieht er die einzige Wahrheit. Schon greift er auf die Atomistik Demokrits zurück, indem er sie in einem modernen Sinne um- und weiterbildet. Da das tote Atom Demokrits das Leben, Empfinden und Denken nicht erklärt, so muss es selbst schon als lebendes, empfindendes und denkendes, als ein beseeltes gefasst, das Atom muss zur Monade erhöht werden. Bruno unter dem Einflusse des Nikolaus von Cues, vollzieht zuerst diesen Schritt, und Leibniz wird darin sein Nachfolger. Kein Wunder, wenn bald eine Kette von Verfolgungen das Leben des kühnen Neuerers umschlingt. Am 17. Februar 1600 wird er zu Rom dem Flammentod überliefert. Prophetisch trifft seine Richter sein letztes Wort: ,,Euch selbst macht Euer Urteil mehr zittern als mich!" Wie die Zeiten sich ändern! Zwei Jahrhunderte später setzte ihm Italien zu Neapel ein Denkmal, und am 7. Januar 1865 verbrannten vor dieser Statue Giordano Brunos die Studenten von Neapel die am 8. Dezember 1864 erschienene päpstliche Encyklika.

Noch ein Opfer, wenn auch ein geringeres, sollte fallen: Lucilio Vanini. Aber schon ist Bacos ,,Neues Organon" erschienen, das die Idole vollends zerstören hilft. Im feurigen Schein der Scheiterhaufen ringt sich der freie Gedanke von seinen Ketten los; Brunos Wort wird wahr: Die Verfolger zittern mehr als die Verfolgten; und immer deutlicher wird es, dass die Brutalität wohl wüten kann gegen das Fleisch, aber nichts vermag gegen den Geist, der einmal kommen soll. Denn auch der Wissenschaft ist das Wort verkündet: ,,Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, aber die Seele nicht können töten."

Dritter Abschnitt.

Das Zeitalter des Ausgleichs zwischen dem Objektiven und dem Subjektiven

oder

Das Zeitalter der kritischen

Erfahrung.

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