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diesen vergeblichen Entdeckungen mag sehr viel Narrheit liegen. Aber was kann man Erschreckliches darin finden! Wenn man in den physischen Erfcheinungen das erkennte, was man wunderbar nennt, so würde man mit Recht Freude darüber haben. Es giebt Augenblicke, wo die Natur als eine Maschine erscheint, die sich standhaft durch dieselben Triebs federn bewegt, und dann flößt ihre unbeugfame Regelmäßigkeit Furcht ein; aber wenn man in ihr etwas Freiwilliges, wie der Gedanke ist, zu erblis cken glaubt, so bemächtigt sich der Seele eine vers worrene Hoffnung und entzieht uns dem Starrblick der Nothwendigkeit.

Die Grundlage aller dieser Versuche und aller dieser wissenschaftlichen und philosophischen Systeme schließt immer eine sehr merkliche Tendenz nach der Geistigkeit der Seele in sich. Die, welche die Ges heimnisse der Natur entwickeln wollen, find immer Gegner der Materialisten; denn immer suchen sie in dem Gedanken die Auflösung des Räthsels der physischen Welt. Ohne Zweifel kann eine solche Bewegung in den Geistern zu großen Irrthümern führen; aber es geht damit, wie mit allem Lebendis gen: wo Leben ist, da ist auch Gefahr.

Die einzelnen Bemühungen würden zulegt im mer untersagt werden, wenn man sich der Methode unterwürfe, welche die Bewegungen des Geistes eben so regelte, wie die Disciplin die Bewegungen des Körpers befiehlt. Die Aufgabe besteht also darin, die Fähigkeiten zu leiten, ohne sie zu ers drücken; und es wäre zu wünschen, daß man der Einbildungskraft der Menschen, die noch unbekanns te Kunst anpassen könnte, sich auf Flügeln zu ers heben und den Flug durch die Lüfte zu leiten.

Neuntes Capitel.

Von der Betrachtung der Natur.

Als ich von dem Einfluß der neuen Philosophie auf die Wissenschaften sprach, habe ich bereits ei niger von den, für das Studium der Natur in Deutschland angenommenen, Principien erwähnt. Da aber Religien und Enthusiasmus einen so gros Ben Antheil an der Betrachtung des Universums ha ben, so will ich im Allgemeinen die politischen und religiösen Ansichten anzeigen, die man in dieser Hins sicht in den Werken der Deutschen sammeln kann.

Einige Physiker, von einem frommen Gefühl geleitet, haben geglaubt, fie müssen sich auf die Erforschung der Endursachen beschränken; sie haben also zu beweisen gesucht, daß alles in der Welt auf die Aufrechthaltung und das physische Wohlseyn der Individuen und Arten abzwecke. Gegen dies Sys stem lassen sich, wie ich glaube, erhebliche Einwens dungen machen. Ohne Zweifel ist es leicht einzus sehen, daß in der Ordnung der Dinge Mittel und Zweck in einem bewundernswürdigen Zusammenhange stehen; aber wo stehen in dieser allgemeinen Vers kettung die Ursachen welche Wirkungen, und die Wirkungen, welche Ursachen-find, stille? Will man alles auf die Erhaltung des Menschen beziehen, so wird man nicht ohne Mühe begreifen können, was fie mit den meisten Wesen gemein hat. Außerdem legt man einen allzu großen Werth auf die mates rielle Existenz, wenn man sie zum legten Zweck der Schöpfung macht.

Die, welche, troß der unermeßlichen Menge von besonderem Unglück, der Natur eine gewisse

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Gutherzigkeit beilegen, betrachten sie als einen Spe= kulanten im Großen, der sich auf die Zahl stüßt. Dies System paßt nicht einmal für eine Regierung, und gewissenhafte Schriftsteller im Fache der politi, schen Dekonomie haben es bekämpft. Was würde es erst seyn, wenn von den Absichten der Gott, heit die Rede ist? Religiós betrachtet, ist ein Mensch so viel, als das ganze menschliche Geschlecht; und sobald man die Idee einer unsterblichen Seele ges faßt hat, ist es nicht weiter möglich, ein Mehr oder Weniger von Wichtigkeit des Individuums in Bes ziehung auf Alle zuzulassen. Jedes intelligente Wes sen ist von unbestimmbaren Werthe, weil es ewig dauern soll. Die deutschen Philofopben haben also das Universum aus einem höheren Gesichtspunkte betrachtet.

Einige glauben in allen Dingen zwei Principien zu sehen, die sich unaufhörlich bekämpfen, nemlich das Princip des Guten und das des Bösen; und es sey nun, daß man diesen Kampf einer höllis schen Macht zuschreibt, oder, was sich weit einfas cher denken läßt, daß die physische Welt das Bild der guten und bösen Neigungen des Menschen seyn fónne: so bleibt es immer wahr, daß diese Welt der Beobachtung zwei durchaus entgegengesette Aus ßenseiten darbietet.

Es läßt sich nicht läugnen, in der Natur giebt es, wie im menschlichen Herzen, eine schreckliche Seite; man nimmt eine furchtbare Macht des Zorns an ihr wahr. Was auch die gute Absicht der Anz hänger des Optimismus sey, mehr Tiefe wird in Denen fühlbar, die das Uebel nicht läugnen, aber den Zusammenhang dieses Uebels mit der Freiheit

des Menschen und der Unsterblichkeit begreifen, welche sie ihm erwerben kann.

Die mystischen Schriftsteller, von welchen ich in den vorhergebenden Capiteln geredet habe, ses hen in dem Menschen einen Abriß der Welt und in der Welt das Sinnbild der Lehren des Christenthums. Die Natur erscheint ihnen als das körperliche Bild der Gottheit und sie stürzen sich immer tiefer und ties fer in die tiefe Bedeutung der Dinge und der Wesen.

Unter den deutschen Schriftstellern, welche sich. mit der Betrachtung der Natur beschäftigt haben in religiösen Beziehungen, verdienen zwei eine bes fondere Aufmerksamkeit; Novalis, als Dichter, und Schubert, als Physiker. Novalis, ein Mann von vornehmer Geburt, war von Jugend auf in alle die Studien eingeweiht, welche die neue Schule in Deutschland entwickelt hat; aber seine fromme Sees le bat seinen Poesieen einen großen Charakter von Einfachheit gegeben. Er ist im sechs und zwanzig, sten Jahre gestorben, und seitdem er nicht mehr ist, haben seine religiösen Gefänge in Deutschland eine rührende Berühmtheit erhalten. Der Vater dieses jungen Mannes ist ein Mitglied der måhrischen Brüe dergemeinden; und als er, einige Zeit nach dem Tode feines Sohnes, eine Gemeinde feiner Brüder besuchte, hörte er in ihrer Kirche die Poesieen seines Sohnes singen, welche die mährischen Brüder zu ihrer Erbauung angenommen hatten, ohne den Vere fasser zu tennen.

Unter den Werken dieses Novalis unterscheidet man Hymnen an die Nacht, welche mit großer Kraft die Andacht malen, die sie in der Seele entzündet. Der fröhlichen Lehre des Heidenthums entspricht der Glanz des Tages; aber der gestirnte Himmel

ist der wahre Tempel eines reinen Cultus. „In der Dunkelheit der Nächte,“ sagt ein deutscher Dichter, hat sich die Unsterblichkeit dem Menschen of fenbart; das Licht der Sonne blendet die Augen, welche zu sehen glauben.“ Stanzen von Novalis über das Leben der Bergleute enthalten eine lebens dige Poesie von ungemeiner Wirkung; er befragt die Erde in der Liefe, weil sie Zeuge der verschies denen Umwälzungen gewesen, welche die Natur ers fahren hat; und zeigt ein heftiges Verlangen, im, mer tiefer zu dem Mittelpunkt unseres Erdballs vor, zudringen. Der Abslich dieser unermeßlichen Neus gierde mit dem zerbrechlichen Leben, das man an ihre Befriedigung segen muß, weckt eine erhabene Rührung. Der Mensch auf der Erde befindet sich zwischen dem Unendlichen der Himmel und dem Unendlichen der Abgründe, und sein Leben in der Zeit schwankt gleichfalls zwischen zwei Ewigkeiten. Von allen Seiten von grånzenlosen Ideen und Gegens ftånden umgeben, erscheinen unzählige Gedanken ihm, wie tausend Lichter, die ihn verwirren und blenden.

Novalis hat über die Natur im Allgemeinen ges schrieben, und mit Recht nennt er sich den Schüler von Sais, weil in dieser Stadt der Tempel der Jfis gegründet war, und weil die, von den Aegyp tiern uns überlieferte Tradition zu dem Glauben führt, daß ihre Priester eine gründliche Kenntniß von den Gesezen des Universums hatten.

,,Man steht mit der Natur," sagt Novalis, „grade in so unbegreiflich verschiedenen Verhältnis,,fen, wie mit den Menschen; und, wie sie sich ,,dem Kinde kindisch zeigt und sich gefällig in feinem ,,kindlichen Herzen anschmiegt, so zeigt sie sich dem ,,Gotte göttlich und stimmt zu dessen hohem Geiste

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