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Polnisch-russische Krieg 1831

Alexander Puzyrewsky

Generalmajor des kais. russ. Generalstabes, Generalstabschef des Militär-Bezirkes

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Yon der kais. ruff. Akademie der Wissenschaften mit dem Makariew'schen Preise ausgezeichnet.

Autorisierte deutsche Bearbeitung

nach der zweiten umgearbeiteten, verbesserten und ergänzten Auflage

Hauptmann Valerian Mikulicz

des k. u. k. Generalstabscorps.

`II. BAND.

Mit 23 Karten und Plänen.

WIEN.

Druck und Verlag von Kreisel & Gröger, III., Linke Bahngasse 5.
Commissions-Verlag von L. W. Seidel & Sohn, k. u. k. Hofbuchhändler.

1893.

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Umschwung in den Ereignissen. Operation Skrzy-
necki's gegen die russische Garde.

Wir haben bereits über die eindringlichen Vorstellungen berichtet, welche Prądzyński dem Ober-Commandanten über die Nothwendigkeit einer Offensiv-Operation machte. Dabei erschien den Polen ein Angriff auf die Stellung der Russen am Kostrzyń nicht vortheilhaft; der linke Flügel der russischen Armee, an welchem das Corps Kreuz stand, war nicht wichtig genug, und selbst ein Waffenerfolg über Kreuz versprach keine großen materiellen oder moralischen Vortheile. Ganz anders waren die Verhältnisse am russischen rechten Flügel, wo sich die Garde befand; ein Sieg über dieselbe konnte Tibicz nöthigen, das Königreich aufzugeben; die Vernichtung der kaiserlichen Garde musste ungemessene Vortheile materieller und moralischer Art mit sich bringen. Die Erreichung dieser Absicht wurde augenscheinlich durch mancherlei Umstände begünstigt: die weite Vertheilung der russischen Streitkräfte, die Möglichkeit, unter dem Schutze von Modlin vorzubrechen, welche Festung die Verbindung mit Warschau sicherte; die Ausnützung der Vortheile des Bug und Narew, und endlich die Hoffnung auf billige Lorbeeren im Kampfe gegen die relativ schwächere Garde, welche in der Meinung der Polen hinsichtlich ihrer Kriegstüchtigkeit und Abhärtung nicht hoch stand. Lange schwankte Skrzynecki, bald Prądzyński's Zureden nachgebend, und die entsprechenden Befehle erlassend, bald wieder dieselben zurückziehend. Als endlich auch Czartoryski selbst auf die Nothwendigkeit hinwies, der nationalen Erhebung einen neuen Impuls zu verleihen, und die Aufmerksamkeit des Volkes von den inneren Wirren und Unruhen abzulenken, beschloss Skrzynecki definitiv, dem isolierten Garde-Corps entgegenzurücken.

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Der Raum zwischen Bug und Narew wurde in topographischer Hinsicht schon an anderer Stelle geschildert; hier muss nur noch auf einige Punkte von strategischer Wichtigkeit hingewiesen werden. Die günstigsten Centralstellungen waren, entsprechend dem Vorgehen der Polen von Sierock gegen Wyszków, oder von Kamieńczyk gegen Nur, bei Sniadowo und bei Zambrów. Durch eine Aufstellung bei Sniadowo konnte der Gegner in die Flanke genommen werden, ob er nun auf Ostrołęka oder auf Ostrów vorgieng. Die weiteren Vortheile einer Stellungnahme bei Sniadowo bestanden auch noch darin, dass vor ihrer durch den Rus gedeckten Front, Stary-Jakać einen vorgeschobenen starken Punkt für die Vorhut bildete, und dass günstige Rückzugswege nach Łomża und nach Białystok führten. Was Zambrów betrifft, so erlangt dieser Punkt besondere Wichtigkeit durch die Confluenz der Wege von Nur, Brok und Ostrołęka einerseits, und von Łomża, Tykocin und Suraz andererseits; die Stellung selbst, vom Gasiec gedeckt, eignet sich zur Vertheidigung mit bedeutenden Kräften. Für den Fall eines gegnerischen Anmarsches von Sierock her erscheinen als die wichtigsten Punkte Goworowo, Wasewo und Ostrów. Im Besitze von Goworowo beherrscht man den Übergang von Rozan und die Schiffahrt auf dem Narew; hier enden auch die ausgedehnten Wälder jener Gegend. An Wasewo konnte der Gegner nicht vorbeimarschieren, ohne seine Flanke preiszugeben; die Bedeutung von Ostrów wird nur durch die sumpfige Beschaffenheit seines Umterrains beeinträchtigt. Vor diesen Punkten, mitten im Walde, liegt der Wegknotenpunkt Przetycze, ein günstiger Stützpunkt für Recognoscierungen im Walde nach allen Richtungen. Für den Fall eines gegnerischen Angriffes zwischen Kamieńczyk und Nur gewann außer Zambrów auch Czyżew an Wichtigkeit, indem dieser Punkt die directe Verbindung mit den Übergängen bei Brok und Nur herstellt, und gute Rückzugswege nach Zambrów und Suraż

aufweist.

Außerdem hatten Ostrołęka und Łomża besondere Wichtigkeit; ersteres, weil es die Beobachtung des Gegners auf dem rechten Narew-Ufer ermöglichte, letzteres als Kreuzungspunkt der Straßen von Warschau, Suraz, Białystok und Kowno; überdies hatte Łomża als strategischer Schlüsselpunkt des nördlichen Theiles der Wojewodschaft Augustowo durch die Wasserwege des Narew

und Bobr eine directe Verbindung mit dem größten Theile dieser Wojewodschaft. Wegen der Nähe der russischen und preußischen Grenze (wo Verpflegsankäufe bewirkt wurden) war Łomża auch zum Depôtplatze geeignet; aus allen diesen Gründen wurde Łomża befestigt und zum Basis- und Stützpunkte für die Operationen des Garde-Corps gemacht. Dort befand sich das Hauptquartier des Großfürsten, die Spitäler, Parks, Trains etc.; von dort aus erhielt die Garde den Gehorsam und die Ruhe in dem Lande zwischen Bug und Narew, sowie in der ganzen Wojewodschaft Augustowo aufrecht.

Pläne der Polen.

Der Plan für den Angriff auf die Garde wurde im polnischen Hauptquartier in das tiefste Geheimnis gehüllt; man unterließ nichts, um die Aufmerksamkeit des russischen Ober-Commandanten von den Anzeichen der nächsten Ereignisse abzulenken, und ihn hinsichtlich der wahren Richtung, welche die polnische Armee einschlagen sollte, im Unklaren zu lassen. So wurde durch Spione das Gerücht verbreitet, dass die Polen die Position der Russen am Kostrzyń von der Flanke her angreifen wollen. Dies hatte insoferne Erfolg, als Dibicz wie schon früher geschildert einen vergeblichen Angriff auf Kałuszyn und Jędrzejew unternahm. Dië Aussagen der Gefangenen, die frischen Spuren großer Freilager, die Gewissheit, dass der polnische Ober-Commandant selbst bei den kämpfenden Truppen anwesend war, endlich der Umstand, dass sich unter den Rückzugstruppen Garde-Grenadiere befanden, alles dies förderte die Trugschlüsse des Marschalls. Auch der Abmarsch Chrzanowski's nach Zamość hatte dazu beigetragen, das Augenmerk des russischen Armee-Commandanten nach der entgegengesetzten Seite abzulenken; um endlich das Erscheinen polnischer Truppen auf dem rechten Bug-Ufer plausibel erscheinen zu lassen, wurde das Gerücht verbreitet, dass eine kleine Abtheilung zur Unterstützung der Insurgenten durch die Wojewodschaft Augustowo nach Lithauen abgegangen sei. Der allgemeinen Sachlage entsprechend, sowie im Interesse des Schutzes Warschau's und des Weichsel-Überganges wurde für den möglichen Fall eines Angriffes der Russen, auf der Brześćer Chaussée, und zwar in der bisherigen Stellung, ein starkes Detachement unter Umiński, bestehend aus der 4. Infanterie-Division Mühlberg und der Caval

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