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Erfter Theil

Das Herzoglich Braunschweigische

Infanterie-Regiment Nr. 92

seit dem Eintritt in den Norddeutschen Bund

bis zum Ausmarsche gegen Frankreich

im Jahre 1870.

Otto, Gesch. des Herzogl. Braunschw. Infanterie-Regmts. Nr. 92.

1

1. Abtheilung.

Die Organisations-Veränderungen in Folge des Eintritts in den Norddeutschen Bund.

Die Publication der Verfassung des Norddeutschen Bundes erfolgte am 26. Juli 1867. Die Artikel 57 bis 68 derselben bedingten eine tief in das Bestehende eingreifende Veränderung des MilitärWesens im Herzogthume.

Die Leistungen des Staates wie des Einzelnen wurden wesentlich modificirt. Der auf Braunschweig fallende Antheil an der FriedensPräsenzstärke des Bundesheeres überstieg den früheren Bestand um ein Bedeutendes, jeder Landeseinwohner wurde unter Ausschluß der bis dahin zulässigen Stellvertretung und des Nummerntausches für wehrpflichtig erklärt, alle waffenfähigen Männer hatten im Kriegsfalle die Einstellung in das Heer zu gewärtigen, im Bedarfsfalle waren Landesfinder in anderen Norddeutschen Contingenten einzustellen. Im ganzen Bundesgebiete war die Preußische Militär-Geseßgebung, namentlich bezüglich der Strafrechtspflege, der Aushebung, der Dienstzeit, des Servis- und Verpflegungswesens, der Einquartierung, des Ersaßes von Flurbeschädigungen, der Mobilmachung u. s. w. für Krieg und Frieden einzuführen. Die entsprechenden Braunschweigischen Bestimmungen mußten mithin außer Kraft treten. Formation und Bewaffnung sahen insofern einer Umwandlung entgegen, als für dieselben bisher bis zu einem gewissen Grade die Rücksicht auf Herbeiführung selbstständiger Actionsfähigkeit der Braunschweigischen Truppen als eines in sich geschlossenen Ganzen maßgebend gewesen war, während das Braunschweigische Contingent nunmehr als ein integrirender Bestandtheil in das Bundesheer eintrat,

dessen Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Commando, in der Ausbildung der Mannschaften sowie in der Qualification der Officiere die Bundesverfassung vorschrieb.

Die Entwickelung der politischen Lage Deutschlands ließ es nicht zweifelhaft erscheinen, daß dieser Theil der Bundesverfassung sofort in seinem vollen Umfange zur Ausführung gelangen, daß unser nunmehriger Bundesfeldherr, Seine Majestät der König von Preußen, in Uebereinstimmung mit den verbündeten Fürsten das Bundesheer nicht nur dem Namen, sondern auch dem Geiste nach als ein Ganzes organistren würde.

Somit standen auch die Braunschweigischen Infanterie-Abtheilungen (das spätere Braunschweigische Infanterie-Regiment, um dessen Geschichte es sich hier handelt) an einem wichtigen Abschnitte ihrer Ge= schicke. Daß derselbe zum Ausgangspunkte dieser Darstellung gewählt worden, ist schon im Vorwort mit den einem weiteren Zurückgehen in die Vergangenheit entgegenstehenden Hindernissen motivirt und wird um so mehr gerechtfertigt erscheinen, als die hier zunächst folgende Schilderung der Gestaltung des Kriegswesens im Herzogthume eine kaum entbehrliche Einleitung zur Geschichte des Regimentes im Feldjuge 1870/71 bildet.

Der erste Schritt zur Umänderung der Braunschweigischen MilitärVerhältnisse im Sinne der Bundes-Verfassung geschah durch ein Allerhöchstes Rescript vom 15. August 1867, durch welches befohlen wurde, daß in Bezug auf die Dauer der Dienstzeit für die gegenwärtig im stehenden Heere und in der Landwehr dienenden Unterofficiere, Spielleute und Gemeine schon der §. 59 der Bundes-Verfassung in Anwendung gebracht werden sollte. Es hatten somit alle zur Zeit der Herzoglichen Brigade angehörenden sowie die neu eintretenden Mannschaften 7 Jahre im stehenden Heere (3 Jahr bei den Fahnen und 4 Jahre in der Reserve), sowie die folgenden 5 Jahre in der Landwehr zu dienen. Die in der Landwehr dienenden Mannschaften, welche nach den früheren Braunschweigischen Gesezen nach fünfjähriger Dienstzeit im stehenden Heere zur Landwehr versezt waren, hatten daher folgerichtig ihre definitive Verabschiedung nicht eher zu gewärtigen, als bis fte 12 Jahre insgesammt ihrer Militärpflicht genügt hatten.

Dagegen fand der §. 59 der Bundes-Verfassung sowohl auf die Stellvertreter und Nummertauscher als auch auf die Militärpflichtigen,

welche sich bereits durch Stellvertreter oder Nummertauscher hatten vertreten lassen, keine Anwendung, so daß diese Kategorie von Mannschaften nach wie vor nach dem Braunschweigischen Geseze nach fünfjähriger Dienstzeit zur Landwehr verseßt und nach neunjähriger Dienstzeit verabschiedet wurde.

Nach diesem ersten Erlaffe sah man von Seiten der Truppen mit wachsender Spannung der definitiven Regelung der Braunschweigischen Militär-Verhältnisse und namentlich der neuen Formation des Contingents entgegen, welche naturgemäß große Veränderungen mit sich bringen mußte, da bislang, wie schon oben angedeutet, die Normen für die Zusammenseßung der Herzoglichen Brigade vorzüglich aus dem Gesichtspunkte gegeben waren, den Braunschweigischen Truppen eine gewisse Selbstständigkeit auch für die Operationen im Kriegsfalle zu sichern, und da der nunmehr für alle Waffen in Kraft tretende Königlich Preußische Kriegs- und Friedens-Verpflegungs-Etat in allen Details wesentliche Verschiedenheiten von dem Herzoglich Braunschweigischen Formations-Etat*) zeigte.

Ein Allerhöchster Erlaß vom 3. October 1867 regelte den Uebergang in die für das Contingent vorgeschriebene Organisation, nachdem durch eine Brigade Ordre vom 17. September 1867 den Truppen die zu erwartende Formation schon vorläufig bekannt gemacht war. Nach dem angezogenen Erlaffe sollte fortan das Braunschweigische Contingent aus

1 Infanterie-Regiment,

1 Husaren-Regiment,

1 Batterie und

2 Landwehr-Bataillonen

mit einer Gesammt-Friedensstärke von 2465 Mann bestehen.

Das Infanterie-Regiment sollte aus dem bisherigen 1. und 2. und dem Leib-Bataillon gebildet werden und in dem Verhältnisse zum Norddeutschen Bundes-Heere den Namen

„Herzoglich Braunschweigisches Infanterie-Regiment Nr. 92"

führen. Das Leib-Bataillon rangirte als 3. Bataillon und sollte fortan heißen:

*) Formations-Etat der Herzoglich Braunschweigischen Brigade stehe Anlage I.

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