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Entwicklungsstadien

des westdeutschen Kohlengroßhandels
unter Einwirkung der Syndikáte.

A. Die Stellung des Kohlengroßhandels
im Wirtschaftsverkehr.

Das zwanzigste Jahrhundert sieht den Kohlengroßhandel in scharfem Kampfe um seine Selbständigkeit. Zwar spielen sich diese Kämpfe nicht so sehr in der Öffentlichkeit ab, etwa wie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sich gegenseitig befehden, so daß beide in großen, zum Teil öffentlichen Versammlungen oder Zeitungsberichten die öffentliche Meinung von ihren gerechten Forderungen zu überzeugen suchen, ganz in der Stille wird dem. Kohlenhandel, man kann sagen diktatorisch, ein Stück nach dem andern von seiner ehemals beherrschenden Stellung im Wirtschaftsverkehr entrissen. Noch im neunzehnten Jahrhundert galt der Handel was vorher gesagt wurde, trifft nicht nur auf den Kohlenhandel allein zu als Träger der weltwirtschaftlichen Gegenseitigkeitsbeziehungen. Überwiegend selbständig, in voller Unabhängigkeit von der Industrie, legte er seine Aufträge dahin, wo er sie am besten unterzubringen glaubte, holte er für sich Aufträge da, wo sie für ihn am aussichtsreichsten schienen. Hierzu befähigten ihn vorzugsweise sein Kapitalbesitz, die Kenntnis der verschiedenen Bezugsmöglichkeiten und Absatzkanäle, nicht zuletzt die mit dem raschen Kapitalumschlag verbundene Beweglichkeit.

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Mit seinem Kapital tritt der Handel als Vermittler zwischen Produktion und Konsumtion. Während die Produktion ihr Kapital in jene Anlagen stecken muß, die der Produktion dienen, sind die Konsumenten nicht jederzeit in der Lage, ihre Einkäufe bar zu bezahlen. Das beim Handel im Vordergrunde stehende umlaufende Kapital gibt ihm die Möglichkeit, nach beiden Seiten hin Kreditträger zu sein. Der Produktion gegenüber hat der Handel auch noch die Aufgabe, den Mengenabfluß mit dem Bedarf in Übereinstimmung zu bringen, besonders wenn es sich um sogenannte Saisonbetriebe handelt das trifft ganz besonders auf den Kohlengroßhandel zu. Der Handel wird zur Lagerhaltung gezwungen. Riesige Läger und große Hafenanlagen, in denen die Kohle lagert, sind an vielen Orten entstanden. Diese Stellung des Handels gegenüber der Produktion gilt auch heute noch, wenn auch die

Entwicklung der Banken und Aktiengesellschaften dem Handel dieses Feld streitig machen, indem sie den Bergbau finanziell kräftigten und andererseits der Handel, durch die Inflation seiner stärksten Macht, des Kapitals beraubt, gleichfalls gezwungen war, sich neue Betriebsmittel bei den Banken und auf dem öffentlichen Markte zu suchen. Der Handel als solcher erfüllt auch unter den schwierigen augenblicklichen Wirtschaftsverhältnissen seine volkswirtschaftliche Tätigkeit, nur ist eine große Verschiebung im Kapitalbesitz eingetreten. Bis tief in den Platzhandel hinein ist das Montankapital eingedrungen, hat sich Handelsfirmen angegliedert und in seine Abhängigkeit gebracht.

War in den vorhergehenden Jahrhunderten die Kenntnis von Land und Leuten eine auf Grund jahrelanger harter Arbeit errungene Macht sozusagen, ohne die ein Großabsatz nur schwer möglich war, so hat die allgemeine Zugängigkeit der europäischen Gebiete, die Erforschung der überseeischen Länder, die Entwicklung von Eisenbahnen, Telegraph und Schiffahrt, diese Kenntnis zu einem Allgemeingut gemacht, wenigstens dem Produzenten den Absatz bedeutend erleichtert, den Konsumenten in dem Einkauf der benötigten Waren selbständiger und vom Handel unabhängiger gemacht. Immerhin bleibt der Handel trotzdem der Überlegenere, der letzten Endes auf Grund seiner Sachverständigkeit den Ausschlag gibt.

Bezüglich der Preisbildung läßt sich folgendes sagen: Allgemein drückt sich die Leistungsfähigkeit eines Großhändlers in der Preisbildung aus. Hierin ist, abgesehen davon, daß die Ware z. B. bei,,Brikett" zum Markenartikel geworden ist, im Vergleich zu früheren Jahren eine grundlegende Änderung eingetreten. Die freie und selbständige Preisstellung ist dem Handel zuerst durch die Produktionssyndikate entzogen worden, wenigstens für die westdeutschen Kohlengebiete, im Osten hat sie sich noch z. T. erhalten, dann hat der Gesetzgeber im Kohlenwirtschaftsgesetz den Syndikaten diese Macht entzogen. Der Preis für die einzelnen Kohlenprodukte wird heute nach vorheriger Einholung von Vorschlägen für die Höhe der Preise bei Produktion, Handel und Verbraucherschaft durch den Reichskohlenverband festgesetzt. Der Händler als entscheidender Regler des Preismarktes scheidet somit aus.

Das Montankapital hat aber auch dadurch, daß es bis tief in den Platzhandel hinein vorgedrungen ist, gleichfalls große Einsicht in das weit verzweigte Absatznetz erhalten, somit auch diesen Aktivposten des Kohlengroßhandels annektiert.

Wie steht es nun mit der Beweglichkeit, mit der der Handel den wirtschaftlichen Verschiebungen gegenübersteht?

Es ist unbestritten und wird auch vom gesamten Kohlenbergbau, besonders vom Braunkohlenbergbau anerkannt, daß es nur die,,Pionierdienste" des Kohlenhandels (Schaffung großer

Lagerplätze an den wichtigsten Umschlagplätzen, besonders in Süddeutschland, Vertrieb der weniger marktgängigen Sorten und Marken, Sicherung des Bergbaubetriebs durch Abnahme der vereinbarten Lieferungsmengen auch in krisenhaften Zeiten) gewesen sind, die der Kohle die entsprechend den technischen Fortschritten und dem vermehrten Bedarf sich zusehends steigernde Förderung zum Absatz brachte. Wenn auch Deutschland seit den siebziger Jahren in einem unerhörten wirtschaftlichen Aufschwung stand und die Kohle verbrauchende Industrie zur Blüte kam, der Kohlenhandel wies immer neue Wege und fand immer wieder neue Industriezweige, die er dem Kohlenbergbau erschloß. Darin ist dem Handel niemand überlegen oder gleich. Zwar haben die Syndikate versucht, auch in diesem Punkte sich vom Handel unabhängig zu machen. Aber es wird niemanden geben, der nicht einsieht, daß ein solcher Riesenbetrieb, wie z. B. das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat, das nicht nur darauf bedacht sein muß, seine Abnehmer zu befriedigen, sondern auch die in ihm zusammengeschlossenen Zechen und Gruben, nicht geeignet ist, den Handel in seiner Beweglichkeit zu ersetzen. Zwar haben die einzelnen Syndikate selbst Kohlenhandelsgesellschaften eingerichtet, auf deren Wirken und Walten im Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen werden wird. Doch auch diese haben in der Hauptsache darauf bedacht zu sein, für den Absatz der Syndikatsgruppen zu sorgen, auf die Wünsche der Konsumenten können sie nicht in dem Maße eingehen wie der eigentliche Großhandel.

Im Nachstehenden soll nun dargetan werden, wie dem Großhandel sowohl von der Produktion her wie auch seitens der Konsumtion ein Feld nach dem andern von seiner Handelstätigkeit entrissen wurde, und wie der Handel versucht hat, sich hiergegen zur Wehr zu stellen. Desgleichen soll versucht werden nachzuweisen, wie weit die Ausschaltung des Kohlengroßhandels bereits vollendet ist, und welche Wege geboten erscheinen, um ihn zu einer für die Allgemeinheit, den Kohlenbergbau und auch für sich selbst nützlichen Arbeit zurückzuführen.

Die Literatur über den Kohlengroßhandel befaßt sich in der Hauptsache mit der Entwicklung und der Organisation des Kohlengroßhandels, wie er seitens der Bergbaukonzerne durch die Syndikate betrieben wird. Zweck und Inhalt dieser Arbeit soll jedoch sein, die Entwicklungsstadien des privaten westdeutschen Kohlengroßhandels unter dem Einflusse der Syndikate einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Dieses wird sich umsomehr verlohnen, als die seit dem Ruhreinbruch bestehende Absatzkrise im Kohlenbergbau zum nicht geringen Teil auf die völlige Ausschaltung des Kohlengroßhandels zurückgeführt wird.

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