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richtete sich nunmehr die Gesammtmacht des Feindes; von heftigem Kartätschfeuer einer in der Flanke aufgefahrenen hannöverschen Batterie unterstüßt, ging die Infanterie des hannöverschen Centrums zum Sturme vor und warf die Unsren, trog hartnäckiger und tapfrer Vertheidigung, unter großen diesseitigen Verlusten, namentlich auch an Gefangenen, aus dem hartbestrittenen Wäldchen hinaus. Die Hannoveraner sammelten sich auf dem Judenhügel ; nur das zuletzt aus der Reserve vorgezogene 1. Bataillon des Leibregiments folgte unsren zurückweichenden Abtheilungen.

Diese dirigirten sich zunächst auf den Siechenhof. Es war eine harte Aufgabe, ihn zu erreichen. Alle Kraft war hin; dazu überall im Bereiche des feindlichen Feuers. Ganze Sectionen sanken vor Durst und Hize ohnmächtig nieder. Aus den Gräben und Wasserläufen, die hier das Terrain durchziehen, wurde in Kochgeschirren Wasser herbeigeholt, um die ohnmächtigen Leute zu beneßen. Sie erholten sich, tranken in vollen Zügen und wieder weiter ging's. So wurde der Siechenhof erreicht. Die Auseinandergekommenen sammelten sich; einen Augenblick Nast und wieder traten die Trümmer-Bataillone an, um, über das Plateau fort, die drei Jllebener Wege durchschneidend, ihren Marsch auf Henningsleben fortzusehen.

Als sie den unteren Jllebener Weg (den ersten der drei) überschritten hatten, schienen sie gerettet; die Entfernung zwischen ihnen und dem nachrückenden Bataillon des Leibregiments war immer größer geworden. Aber in demselben Augenblick fast, in dem sie sich außer Gefahr glaubten, sollten sie ihres Irrthums inne werden. Feindliche Reiterei, die anfänglich der abziehenden Hauptmasse des Detachements Flies auf der großen Straße gefolgt war, hatte eben jezt eine weitere Verfolgung aufgegeben und plößlich Kehrt schwenkend, schwärmte sie nunmehr in Körpern von 1 und 2 Schwa dronen auf dem Plateau umher. Es war die Reserve - Cavallerie-Brigade, die schönen Regimenter Gardes du Corps und Garde-Cürassiere; außerdem die in unsrer rechten Flanke vorgegangenen Cambridge Dragoner. Alle suchten sie jezt unsren zurückgehenden Abtheilungen den Weg zu verlegen.

Diese hatten sich inzwischen in zwei Colonnen formirt, eine größere und eine kleinere. Die kleinere (Hauptmann v. Rosenberg) bestand aus den Trümmern der 3. Compagnie 11. Regiments, aus versprengten 25 ern und Resten der 9. und 12. Compagnie vom Landwehr-Bataillon Potsdam. Alles in allem 120, höchstens 150 Mann. Bei dieser Colonne war die Fahne vom 1. Bataillon 11. Regiments; die zerschoffene Seide mahnte, sie werth zu halten, wie die Väter sie werth gehalten hatten.

Die größere Colonne (Oberst - Lieutenant des Barres) marschirte 700 Schritt weiter östlich. Bei der Coupirtheit des Terrains, das hier überall Hebungen und Senkungen zeigt, verloren sich beide Colonnen aus

dem Auge, so daß sie, troß der geringen Entfernung von einander, selbstständig operirten. Die größere Colonne, die, wie auch die kleinere, eine Anzahl Ver wundeter mit sich schleppte, bestand aus den 3 übrigen, starkgelichteten Com pagnieen des 1. Bataillons 11. Regiments, aus 25 ern, 71 ern (vom Ersoy. Bataillon) und aus Resten der 10. und 11. Compagnie vom Landwehr-Bataillon Potsdam. Im Marschiren sich ordnend, ging die Colonne über das Plateau hin.

Die kleinere Colonne sah sich zuerst umstellt. Als sie in einer Terrainsenkung hinschritt, die, nach allen Seiten hin, einen nur engen Ueberblick gestattete, erblickte Hauptmann v. Rosenberg auf einem 200 Schritt westlich sich ziehenden Höhenzuge das Regiment Gardes du Corps und wenige Minuten später auch in seiner linken Flanke (südöstlich) einzelne Escadrons der Cambridge Dragoner. Die Gardes du Corps, die zweifeln mochten, ob die anrückende Colonne Freund oder Feind sei, begannen in weitem Bogen unsre rechte Flanke zu umreiten, plöglich aber, als sie fast schon im Rücken unsrer Colonne waren, schwenkten sie ein und attakirten. Auf 80 Schritt commandirte Hauptmann v. Rosenberg Feuer. Ein Theil brach zusammen; der Rest machte in sich Kehrt (zu einem eigentlichen Abschwenken gebrach es an Raum) und warf sich dann, um Schutz vor einer zweiten Salve zu finden, an die unsrem Feuer entgegengesezte Seite der Hälse der Pferde.")

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*) Bei diesem Angriff, seinem Zuge vorauf, fiel auch Willi v. Marschalck, Seconde. Lieutenant im Regiment Gardes du Corps. Ueber seinen Tod vernehmen wir Folgendes: Während des Infanteriekampfes, der bis nach 3 Uhr um das Merglebener Defilé tobte, saß er, den Gang des Gefechtes verfolgend, auf einem Grabenrand, in lebhaftem Gespräch mit seinen Kameraden. Nach einer halben Stunde hieß es Aufgesessen!" Marschalck rief: Jezt kommt die Garde du Corps; seit Waterloo hat sie nicht mehr

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Noch waren die davonstiebenden Reiter dem Auge unsrer Colonne nicht entzogen, als, von der entgegengesezten Seite her, eine Schwadron Cambridge Dragoner unsre linke Flanke zu fassen trachtete. Doch schien dieser Angriff weniger ernsthaft gemeint, sie erhielten auf 150 Schritt Feuer, wandten sich (anscheinend unter nicht unerheblichen Verlusten) und verschwanden hinter dem Hügelrücken, auf dem sie eben erschienen waren.

Die größere Colonne, Oberstlieutenant des Barres, war gefolgt. Schon am mittleren Jllebener Weg stieß sie auf feindliche Cavallerie, drei Escadrons Cambridge-Dragoner (die 4. machte um dieselbe Zeit ihren eben erwähnten Angriff auf die Colonne v. Rosenberg). Major v. Hammerstein, der Führer des Dragoner Regiments näherte sich dem Oberstlieutenant des Barres und forderte ihn auf, sich zu ergeben; »Wollt Ihr das?« rief Oberstlieutenant des Varres in das Quarré hinein. »Nein.« In demselben Augenblick winkte Major v. Hammerstein die seines Zeichens harrenden Schwadronen zum Angriff heran; »Fertig« commandirte Oberstlieutenant des Barres und auf 50 Schritt »Feuer«. Die Salve war von großer Wirkung, vor dem Quarré stußte die Reitermasse, bei dem Ungestüm des Angriffs aber stürzten drei reiterlose, schwerverwundete Pferde in die Colonne hinein, warfen viele Leute nieder, veranlaßten Gedränge und Verlegungen. Einzelne Reiter jagten durch die entstandene Lücke hindurch, oder stürzten vor unsren Bajoneten; einer, auf verwundetem Pferde, war über 4 bis 5 Glieder in die Colonne hineingesprungen.

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Dieser Angriff, der sich auf die Südwestecke gerichtet hatte, war kaum abgeschlagen, als eine zweite Attake (abermals Cambridge Dragoner) und gleich darauf ein dritter Angriff (Garde-Cürassiere) sich von West und Süden her gegen das ruhig fortschreitende Quarré richteten. Der Erfolg dieser Angriffe war derselbe wie der aller vorhergegangenen. Der Feind kam heran, aber nicht hinein, in Front des Quarrés brach er zusammen. Das Regiment Cambridge - Dragoner, ihm zunächst die GardeCürassiere, hatten die Mehrzahl ihrer Offiziere verloren. Nur noch durch einzelne nachgesandte Granatschüsse behelligt, erreichte das Bataillon des Barres Henningsleben. *) Der Feind folgte nicht weiter. Um 4 Uhr stand seine gefochten.“ Er führte seinen Zug als selbstständige Schwadron allein auf eine Flanke des feindlichen Quarrés, auf 50 Schritt erfolgte das Feuer, und lautlos sank er vom Pferde. Von sieben Kugeln durchbohrt, mit einem heitern, kühnen Ausdruck im Gesichte, mit leicht geschlossenen Augen, die linke Hand am Zügel, in der Rechten das Schwert, so lag er da. Seine Stute, ein prächtiges, lichtbraunes Pferd, auf 6 Schritt neben ihm.“

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*) Ein Fahnen Unteroffizier des Landwehr - Bataillons Potsdam beschreibt diesen Zug vom Badewäldchen aus bis zum Siechenhof und über das Plateau hin, wie folgt: . Kurz, wir wurden zum Rückzuge gezwungen. Bisher war aber Alles nur Spielerei gewesen gegen das, was nun kam. Von unserer Compagnie (11.) sammelten sich als Rest 1 Lieutenant

Avantgarde auf demselben Höhenzuge, auf dem früh am Morgen das Regiment Cambridge-Dragoner Vorposten bezogen hatte. Das Gros der Hannoveraner sammelte sich in und bei Langensalza.

Generalmajor v. Flies sezte seinen Rückzug von Henningsleben bis Warza fort. Seine Leute waren todmatt. Ebendaselbst (in Warza) traf am Morgen des 28. auch das linke Seiten-Detachement ein, das am Nachmittag des 27., bald nach 4 Uhr, in Thamsbrück den Ausgang des Gefechtes erfahren und im Ganzen wenig belästigt, über Ufhofen und Grumbach seinen Rückzug bewerkstelligt hatte.

Ein Antrag des hannöverschen Commandirenden (Generallieutenants v. Arentschildt) auf einen mehrtägigen Waffenstillstand zur Beerdigung der Todten, mußte, um der daran geknüpften Bedingungen willen, abgelehnt werden.

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und 13 Mann, ich trat mit der Fahne hinzu, und nun gings Marsch, Marsch zurück. Hinter dem Gehölz mußten wir über einen Abhang, der von Artillerie bestrichen war. Im stärksten Laufe rannten wir durch diese Schußlinie, kamen glücklich hinüber, hatten aber nur eine große wellige Fläche vor uns, wo nun die uns verfolgende Cavallerie und Artillerie weiten Spielraum hatte. Alles war zu Tode geheßt. Niemand konnte mehr laufen, fast kein Mensch hatte den ganzen Tag recht was genossen und bei der Hize hatte man einen Durst zum Rasend, werden. . . Kaum waren wir 1000 Schritte geschlossen marschirt, so hielten ein paar Hundert Schritt von uns 2 Schwadronen Dragoner und forderten uns zur Uebergabe auf, widrigenfalls wir zusammengehauen würden. Da antwortete unser Führer (Major des Barres vom Schlesischen Grenadier-Regiment Nr. 11): »Herr Kamerad, Sie können wohl nicht verlangen, daß ich meinen Degen abgebe; Quarré fertig!« Jezt kam die wilde Jagd heran. Feuer! Wir sahen sie stürzen. Einer der Reiter sprengte in den dichten Knäuel hinein und riß sogleich eine ganze Section nieder. Das Pferd überkugelte sich, der Reiter wurde 6 bis 8 Schritte ins Quarré, natürlich auf die Bajonete, geschleudert, und nun brachen mehr Reiter hinein und machten eine Unordnung in der Mitte, welche eine grausenhafte war. Beim zweiten Anprall stürzte eine vor mir stehende Section auf mich drauf, ich mit der Fahne drunter, Pferde und Menschen über mich; fast verlor ich die Besinnung. Aber die Cavallerie kriegte uns doch nicht. Sie bekamen von der Front und der Queue, weil der Anprall auf der linken Flanke war, einen solchen Kugelhagel, daß sie zurück mußten. Kaum der vierte Theil kam davon. Pferde, todt und verwundet, lagen in unserem Quarré, wälzten sich vor Schmerz, schlugen aus, ohne Reiter liefen sie zu Dußenden auf den Feldern umher. Und wieder vorwärts gings. Wir hofften die Unsren erreichen zu können. Das Terrain ist dort aber so hügelig, daß wir keinen Preußen sahen, Niemand nahm uns auf, und nun, Berg auf Berg ab, durch Roggenfelder, die vorher so blühend standen, durch Ackerland, Kartoffeln und Weizen. Die Kräfte schwanden auf Null. Es stürzten Leute vor Anstrengung, die, ehne Wunde, sofort todt waren. Das Leben gilt in einem solchen Moment gar nichts. Eine Gleichgültigkeit tritt ein, die ein Anderer wie der, der so Etwas durchgemacht hat, nicht kennt. Apathisch, hin und her schwankend, schleppten wir uns weiter, bis wir endlich, wie wir nach rechts hin Aussicht bekamen, unsere Bataillone marschiren sahen. Hurrah! Wir waren gerettet!<<

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ter 30 Offiziere; und 33 Vermißte. Gesammtverlust: 846. Außerdem fielen, nach hannöverschen Angaben, 907 Preußen, darunter 10 Offiziere, in Gefangenschaft; zwei Geschütze und eine bedeutende Anzahl Gewehre wurden erbeutet. Preußischerseits ist die Zahl dieser in Gefangenschaft Gerathenen nicht festgestellt worden, da sie, wie eine Anzahl blos versprengt Gewesener, schon am 28. wieder bei ihren Truppentheilen eintrafen. Uebrigens liegt durchaus kein Grund vor, die hannöverschen Angaben zu bezweifeln. Am meisten hatten die beiden Linien-Regimenter (11. und 25.) gelitten; das leztre, nur zwei Bataillone stark, verlor 15 Offiziere, 4 todt, 11 verwundet. Oberstlieutenant v. Westernhagen, vom Regiment Coburg-Gotha, erlag seiner Wunde.

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