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wunderliche Vorstellungen von den Mecklenburgern gemacht und fanden nun, daß dieselben in Wirklichkeit gar so schlimm nicht wären. Man verwunderte sich gegenseitig über die Dialekte, namentlich wenn ein gelehrter Leipziger beweisen wollte, daß beides sächsisch sei« und einzelne ergögliche Redewendungen wurden ausgetauscht. Auf den Dörfern versammelte man sich allabendlich zum Tanz. Ein Dragoner Offizier beschreibt in einem plattdeutsch geführten Tagebuche, wie sie nach einer Zieh-Harmonika »de rothsteinern Deel rünne fegt wiren.« Dann fährt er fort: »Hol die Trommel! röop taulegt de Herr den annern Jungen tau unt wohrt nich lang, dunn kümmt disse Bengel mit ne upgepuste Swiensblas an, dei hei an de Trepp anhüng un nu tactmäßig, äwer all wat hei künn, mitn hölten Läpel up dei Blas los slög. As if taulezt denn Jungen fragen dehr, wer em hierin Uennericht gewen harr, nehm hei sien Swiensblas in dei Linke, denn Läpel in dei rechte Hand, slög noch eins recht kräftig tau un reep as hei weglöop: »Das kann hier Jeder«, worut sik sluten lätt, dat in Sachsen jere Buhrjung casimulisch_is.«

Fünf Tage währte das Dolce far niente in und um Leipzig. Der Corpsbefehl vom 19., den wir vorstehend mitgetheilt, gab das Signal zum Vorgehn und am 20. (wiewohl die Braunschweiger noch nicht da waren) begann der Vormarsch gegen Süden, in der Richtung auf Werdau und Zwickau.

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Von Leipzig bis Hof.

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OHLgemuth ging der Marsch von Leipzig südwärts zunächst durch altenburgisches Land, dessen Contingent (zwei Bataillone unter Oberst v. Wartenberg) bestimmt war, sich dem Vorgehn gegen Baiern anzuschließen. Ueberall verrieth sich Wohlhabenheit. Stattliche Bauernhöfe mit schönen Gebäuden wurden bewundert, mehr noch die

eigenthümliche Tracht der altenburger ländlichen Bevölkerung, besonders die Frauen mit ihren wulstig zusammengedrehten Haarflechten und langen, schwarzen Aufsägen, mit ihren vielen, dicken, faltenreichen Röcken, die nur eben übers Knie herabreichen.

Der Marsch, eh die Stadt Altenburg erreicht wurde, führte durch das Städtchen Lucka, wo einst Kaiser Albrecht von dem Meißner Markgrafen Friedrich mit der gebissenen Wange geschlagen wurde, weßhalb daselbst bis diesen Tag das Sprüchwort im Schwange ist:

es wird dir glücken

wie den Schwaben bei Lücken.

Am 21. wurde Altenburg erreicht.

Es war ursprünglich angeordnet worden, daß den Truppen eine zweitägige Ruhe bewilligt werden sollte; da indessen andern Tags bereits die Nachricht eintraf, daß die Mainarmee am 21. Juli ihre Operationen gegen die verbündeten südstaatlichen Streitkräfte wieder aufgenommen habe, so wurde ein rascher Vorstoß gegen Baiern beschlossen, durch welchen man in gleiche Linie mit der preußischen Mainarmee kam und nöthigenfalls mit ihr gemeinschaftlich den letzten Schlag gegen das bairische Corps und die Reichsarmee führen konnte.

Wir werden später sehn, daß dies erreicht wurde und daß das Erscheinen des II. Reserve - Corps im Rücken der Baiern bei Würz burg, während unsre Mainarmee in Front derselben stand, die Nachgiebigkeit unsrer Gegner und den Abschluß der Verhandlungen beschleunigte.

So hieß es denn »vorwärts!« Die Ruhetage mußten geopfert werden. Bereits am 22. erfolgte der Weitermarsch des Corps.

Ueber diesen Marsch durch die dichtbevölkerten sächsischen Fabrikdistrikte, die durch ihren Reichthum an armseligen und schmußig aussehenden Menschen, durch die meilenlangen Häuserreihen am Wege, durch die Masse von Fabrikschornsteinen einen befremdlichen Eindruck machten, bemerkt ein Tagebuch: »Schöne Berge, grüne Thäler, aber alles bedeckt mit Häusern und Schornsteinen; Haus reiht sich an Haus meilenweit. Städte wie Meerane, Crim mitschau, Werdau, die vor zwanzig Jahren noch 3 bis 4000 Einwohner hatten, haben ihrer nun 12 bis 20,000. Aber was für Einwohner! Schmieriges, kleines, liederliches Volk, die Weiber am Sonntag Mittag in Nachtjacken auf den Straßen laufend, nun durch den Krieg arbeitslos, daher überall in dichten Haufen uns umgaffend; die Städte alle wie mit Schmuß angestrichen, — ich habe lange so etwas Unsonntägliches nicht erlebt, wie diese Sonntagsfahrt. «

Bei Werdau war die Eisenbahn gründlich zerstört. Von der thätigen Eisenbahn- Abtheilung wurde die Strecke Werdau - Plauen in aller Eile fahrbar gemacht, so daß die Avantgarde unter Major v. Loos, bestehend aus dem Füsilier Bataillon 4. Garde-Regiments,

einer Compagnie des 4. mecklenburgischen Bataillons,

einer Escadron mecklenburgischer Dragoner,

2 Geschüße unter Lieutenant v. Hirschfeld,

in Werdau auf die Eisenbahn gesezt werden konnte, und in der Nacht zum 23. Plauen erreichte.

Hier waren bereits Wagen requirirt worden, die Infanterie stieg auf und im Morgengrauen ging es der Grenze zu, über diese hinweg ins Bairische hinein. Eine bairische Patrouille tauchte auf und verschwand wieder. Entkam sie, so allarmirte sie Hof. Alles hing davon ab, ihr den Weg zu verlegen. Eine Kette wird gebildet und ein Spüren und Jagen beginnt. Vier Baiern werden wirklich im hohen Korne aufgetrieben und gefangen genommen. Aber während hier der Fang geglückt ist, jagt auf Büchsenschuß - Entfernung ein bairischer Gensdarm in gestrecktem Galopp auf die bereits sichtbar werdende Stadt zu. Ist er eher dort als wir, so ist alles umsonst gewesen, also die Dragoner ihm nach. Sie gewinnen Terrain, aber sein Vorsprung ist zu groß; die allarmirten Soldaten (2 Compagnieen vom 13. bairischen Regiment) stürzen dem Bahnhof zu,

embarquiren sich mit löblicher Eile und bewerkstelligen ihre Flucht. Die Artillerie sendet dem abfahrenden langen Eisenbahnzuge auf 2000 Schritt einige Granaten nach und kündigt durch ihren Geschüßdonner das Einrücken in Baiern an. Zwei Granaten trafen die Schienen und den Zug, der trog einiger Verlegungen mit Dampfeseile entkam. Aber nicht alle waren gleich glücklich; eine Abtheilung von 60 Mann, die auf der Chauffee zu entkommen hoffte, wurde von den Dragonern eingeholt und gefangen genommen. Die in der Stadt zurückgebliebenen fuhren am besten, sie zogen Civilkleider an und entgingen dadurch der Gefangenschaft.

Der gegebene Auftrag war glücklich ausgeführt: Hof war am 23. früh in unsern Händen; das II. Reserve- Corps stand in Baiern.

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