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23. Dezember.

schosse auf sich, aber obwohl drei 24pfündige Granaten mitten in die Geschützeinschnitte einschlugen, waren Verluste doch nicht zu beklagen. Die feindlichen Geschosse gingen größtentheils zu kurz; etwa 150 Schritt vor den Einschnitten fielen Hunderte der schwersten Geschosse dicht nebeneinander ein, von denen aber ein großer Theil nicht krepirte. 1) Die 4. schwere Batterie verfeuerte 140, die 3. leichte 216 Granaten.

Auch die übrigen Batterieen des Regiments wurden an diesem Tage, theilweise drei Mal, alarmirt. Die 6. leichte Zscheßschingk, sowie die Reitende und I. Fuß-Abtheilung erhielten noch am Nachmittag den Befehl, zur Unterstützung der Garde nach Le Bourget vorzurücken. In Montmorency traf sie jedoch der Befehl umzukehren, da das Gefecht bei Le Bourget eine günstige Wendung genommen hatte.

Am 23. Dezember ging für die Korpsartillerie der Befehl ein, am andern Morgen nach Gonesse vorzurücken; man erwartete nach dieser Richtung wieder einen größeren Ausfall des Feindes. Von 8 Uhr morgens bis 2 Uhr nachmittags mußten dort in der größten Kälte die Batterieen in Bereitschaft stehen, bis sie den Befehl be= kamen, wieder in die Quartiere zu rücken.

So ging der letzte Monat des Jahres 1870 in stetem Kampf und steter Wachsamkeit vor den Werken der gewaltigen Festung dahin, und es nahte mit dem Schluß des Jahres das schöne Weihnachtsfest, das sonst in den Zeiten des Friedens die Gemüther des Deutschen Volkes, sei es Alt oder Jung, schon lange vorher eifrig beschäftigt. Die Krieger, die fern der Heimath in steter Gefechtsbereitschaft vor dem Feinde dem Feinde lagen, hatten feine Zeit gehabt, viel Vorkehrungen zur festlichen Begehung der 24. Dezember. fröhlichen Weihnacht zu treffen. Aber am Abend des 24. ließen es sich die Leute doch nicht nehmen, sich um einen brennenden Christbaum zu versammeln. Die reichlich aus der Heimath_eintreffenden Liebesgaben und Geschenke für Offiziere und Mannschaften erweckten liebevolle Erinnerung an die Angehörigen, und auch gegenseitig erfreute man sich durch scherzhafte und nüßliche Ueberraschungen, die man, so gut es bei den beschränkten Bezugsquellen ging, eingekauft hatte. Wenn auch Manchen in diesen Stunden das Heimweh bedrückte, so waren Alle doch fröhlich bei Gesang und Scherz

1) Nach dem Gefecht ließ Hauptmann Laube eine in eine Prodeckung eingeschlagene Granate ausgraben. Sie war in steilem Einfallwinkel tief in die Erde gefahren und dort krepirt; alle Sprengstücke lagen dicht bei einander, eine Wirkung nach außen war nicht sichtbar geworden.

versammelt und von treuer Pflichterfüllung gegen das Vaterland, dem die eigenen Interessen zurückstehen mußten, beseelt. Die firchliche Weihnachtsfeier war derartig geregelt, daß Jeder Gelegenheit hatte, wenigstens an einem der Festtage dem Gottesdienste beizuwohnen. Mitten im Ernste schwerer Stunden," schreibt Hauptmann Laube, hatte uns das schöne Fest erreicht. Unser Herz war zwar in der Heimath, beim grünen Tannenbaum, dessen brennende Lichter diesmal in mancher Deutschen Familie schmerzliche Erinnerungen erweckten; doch wußten wir, daß treue Wünsche von dort uns auch ferner geleiteten und unserer Thätigkeit die rechte Weihe gaben. So blickten wir in ruhigem Vertrauen auf einen baldigen Ausgang des ruhmvollen Krieges, mit Dank für Gottes Gnade, die bis dahin so sichtlich mit uns war, am Weihnachts- und Sylvesterabend vor Paris dem neuen Jahre entgegen."

Es entsprach daher auch der von Seiner Königlichen Hoheit, dem Kronprinzen von Sachsen gegebene Tagesbefehl, mit welchem derselbe seine Armee zum Neuen Jahre beglückwünschte, den allgemein gehegten Gefühlen. Derselbe lautete:

„Zum Beginn des Neuen Jahres sage ich den Herren Korpskommandeuren, Generalen, Offizieren, Aerzten und Beamten, sowie allen Unteroffizieren und Mannschaften der mir unterstellten Truppen meinen herzlichen Gruß, meinen aufrichtigen Dank!

Soldaten der Maas-Armee! Laßt uns gemeinsam vorwärts schreiten auf der Bahn der Pflicht und Ehre, die Ihr zu Anfang des Feldzuges im unaufhaltsamen Siegeslauf durcheilt, seit drei Monaten hier vor Paris in einer Wahlstatt gleich ausgezeichneter Soldatentugenden gewandelt!

Das höchste Ziel des Sieges ist uns nahe!
Gott der Herr helfe uns dieses Ziel erreichen!
Hauptquartier Margency, am 1. Januar 1871.

(gez.) Albert,

Kronprinz von Sachsen.“

Die ersten Tage des neuen Jahres verliefen für das IV. Korps ohne Störung. Der Feind wurde augenscheinlich durch die Beschießung aus schweren Belagerungsgeschützen, die auf der Ostfront am 27. Dezember begonnen hatte und am 5. Januar auf der ganzen Südfront eröffnet wurde, völlig in Anspruch genommen. Vom 11. Januar an wurde feindlicherseits öfters wieder Epinai und der

1871.

Mont d'Orgemont beschossen. Am 13. Januar erließ das Oberkommando der Maas-Armee den Befehl, im Bereich des IV. Armeekorps den Bau von fünf Belagerungs-Batterieen, Nummern 29 bis 33, vorzunehmen, wozu die Batterieen täglich angestrengt arbeiten und zahlreiche Gespanne stellen mußten. Am 16. Januar wurde die 1. reitende Batterie in ihrem Kommando zur 5. Kavallerie-Division durch die 2. reitende abgelöst. Lettere trat ihren Marsch dorthin an.

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Entsendung der 4. leichten Batterie zur Ersten Armee,
17. bis 22. Januar.

Am 17. Januar wurde durch Armeebefehl die 16. InfanterieBrigade, Generalmajor v. Scheffler, mit der 4. leichten Batterie Nienstaedt der Ersten Armee, welche unter General v. Goeben im Norden von Paris die Einschließung gegen die Französische NordArmee des General Faidherbe zu schützen hatte, unterstellt.1) General Faid herbe stand im Begriff, einen letzten Vorstoß gegen die rückwärtigen Verbindungen der Deutschen Armeeen zu unternehmen. General v. Goeben, dies erkennend, hatte sich entschlossen, durch einen kühnen, meisterhaft durchgeführten Rechtsabmarsch auf St. Quentin den Feind anzugreifen. Die Entscheidung stand nahe bevor. Hauptmann Nienstaedt berichtet:

Unterm 17. Januar 1871 war die 4. leichte Batterie zugleich mit der 16. Infanterie- Brigade dem Kommando der Ersten Armee unterstellt worden, und schon am folgenden Morgen früh 10 Uhr ging ihr durch die vorgesetzte Abtheilung die vorläufige Benachrichtigung zu, daß der Befehl zum Abrücken nach dem Bahnhofe Gonesse behufs Verladung zum Eisenbahntransport nach Tergnier bei der obengenannten Behörde eingetroffen, bereits in Zirkulation gesezt sei und jeden Augenblick eintreffen könne. Es wurden daher alle Vorbereitungen zum schleunigen Abmarsch getroffen, sogar angespannt, auch als der Befehl in der Mittagsstunde noch nicht eingetroffen war. Aber es wurde 3 Uhr, und immer noch blieb die Marschordre aus. Doch nun ertheilte der schon seit längerer Zeit persönlich anwesende Abtheilungskommandeur, Major v. Gilsa, auf eigene Verantwortung den Befehl zum Abrücken.

1) Denselben Befehl hatten die 16. Infanterie-Brigade und die 3. schwere Batterie schon einmal am 25. Dezember erhalten, aber auf dem Marsche über Cormeil nach Gonesse, wo sie eingeschifft werden sollten, in ersterem Orte den Gegenbefehl vorgefunden und waren in ihre Quartiere zurückgekehrt.

Um die durch das lange Warten versäumte Zeit möglichst wieder einzubringen und nöthigenfalls noch am Abend mit der Eisenbahnverladung beginnen zu können, wurde der Marsch über Montmorency nach Gonesse mit möglichster Beschleunigung trotz Regenwetters und schlechter Wege zum größeren Theile mit aufgesessenen Mannschaften und im Trabe zurückgelegt, wodurch es möglich wurde, daß die Batterie noch vor Eintritt der Dunkelheit Villiers le Bel erreichte. Hier traf sie der Befehl, für die Nacht Quartier im Orte zu beziehen und am anderen Morgen 7 Uhr auf dem Bahnhofe Gonesse zu verladen. In dem von Truppen überfüllten Orte war Ersteres indessen leichter gesagt als gethan; es blieb nur übrig, da inzwischen auch die Dunkelheit anzubrechen begonnen, jedem Zuge eine Straße zu überweisen und den Zugführern die weiteren Anordnungen zu überlassen. Auf diese Weise dauerte es denn auch nicht lange, bis Alles glücklich untergekommen, die Offiziere in liebenswürdigster Weise von den Johannitern untergebracht waren.

In der Nacht hatte es wie am vorhergehenden Abend unausgesezt geregnet, auch am Morgen noch nicht aufgehört; Niemand hatte während der Nacht die nassen Sachen trocknen können, die Aussichten für die Eisenbahnfahrt waren daher wenig erfreulich. Zudem fehlte es auf dem Bahnhofe Gonesse an Vorrichtungen zum Verladen, selbst an Rampenmaterial, welches erst durch ein Kommando der Batterie von dem Bahnhofe Goussainville herangeschafft werden. mußte. Als Grund wurde angegeben, daß die vorangegangenen Truppentheile mehr Material gebraucht, als berechnet gewesen. Co wurde denn schließlich ein Wagen III. Klasse, dessen Fenster sämmtlich zerschlagen, dessen nicht schließende Thüren zum Theil mit Draht zugebunden waren, für den Stab der 16. Brigade, für die Offiziere und einen Theil der Unteroffiziere, bedeckte Güterwagen für die Mannschaften und Pferde, sowie die nöthigen Lowrys für die Geschütze und Fahrzeuge bereitgestellt. Gerade das Verladen der letzteren machte aber die größten Schwierigkeiten, weil es, wie gesagt, an Rampen fehlte und die Mehrzahl der Lowrys keine Plattform, sondern an deren Stelle nur eine Anzahl Querrippen besaß, so daß das beim Einladen von der Kopfwand übliche Durchfahren der einzuladenden Fahrzeuge durch die ganze Länge des Zuges nicht ausführbar war. Ferner trugen der anhaltende Regen und ein unglaublicher Schmutz dazu bei, die Arbeit zu erschweren. Bänke und Stroh für die Mannschafts- und Pferdewagen waren nicht zu beschaffen.

18. Januar. Kaifer

Diese ungünstigen Verhältnisse waren die Ursache, daß sich die Verladung der Batterie bis über die Mittagsstunde hinauszog und der Zug erst gegen 2 Uhr den Bahnhof verlassen konnte, nachdem kurz zuvor noch der Kommandeur der 16. Infanterie-Brigade, Generalmajor v. Scheffler, unmittelbar von der Kaiserproklamation in Versailles kommend, eingetroffen war.

Die Fahrt ging über Soissons nach Reims, wo die Batterie gegen Mitternacht eintraf und auf diesseitige telegraphische Aufforderung warmes Essen erhielt. Hier trafen wir bereits mit einem Verwundetentransport aus dem Gefecht vom 18. Januar bei Tertry — Poeuilly zusammen. Bei der Weiterfahrt nach Tergnier erreichte die Batterie am 20. Januar, morgens 7 Uhr, die Festung La Fère, wo sie den Befehl zum Ausschiffen vorfand, um sofort nach dem Eintreffen des I. Bataillons der 86 er den Weitermarsch auf St. Quentin anzutreten. Während sie nun, auf der Place d'armes angespannt haltend, abkochte, traf eine Abtheilung Sächsischer GardeReiter mit dem Befehl ein, die Batterie mittelst Eilmarsches nachzuführen, um an der Verfolgung der geschlagenen Französischen NordArmee theilzunehmen. Doch auch dieser Befehl gelangte nicht zur Ausführung, weil, noch ehe die Reiter abgefuttert hatten und der Marsch angetreten werden konnte, telegraphisch die Weisung einging, alle noch nicht über La Fère hinausgelangten Truppentheile daselbst festzuhalten. Die Batterie wurde infolgedessen nunmehr in den leeren Räumen der unglaublich verschmußten dortigen Artilleriekaserne untergebracht, wo die Mannschaften von Ungeziefer jeder Art schwer zu leiden hatten.

Glücklicherweise dauerte der Aufenthalt in La Fère nicht lange. Schon am folgenden Tage, nachmittags 4 Uhr, begann die Rückfahrt der 16. Infanterie-Brigade in die bei Paris verlassenen Kantonnements. Nach 24 stündiger Fahrt auf demselben Wege wie auf der Herfahrt, nur unter günstigeren Bedingungen, am 22., abends 10 Uhr, traf die Batterie wieder ein, fand aber ihre früheren Quartiere nichts weniger als vortheilhaft verändert vor."

Am 18. Januar, dem Geburtstag des Preußischen Königthums, proklamation zu wurde in Versailles Seine Majestät König Wilhelm von Preußen zum Deutschen Kaiser proklamirt.

Versailles.

In Feindesland kam der so lange sehnsüchtig gehegte Wunsch des Deutschen Volkes zur Erfüllung. Die auf blutigen Schlacht

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