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Gefecht bei

Paisear.

8. Von Sedan nach Paris.

Am nächsten Morgen schon verbreitete sich unter den Truppen. die Nachricht von dem ungeheuern Erfolge, den man tags zuvor errungen. Unermeßlich war der Jubel, als verkündet wurde, daß Kaiser Napoleon und die ganze Armee von Chalons kriegsgefangen sich ergeben hatte, und nicht enden wollten die Hurrahrufe auf den greisen Oberfeldherrn, den geliebten König Wilhelm, als er am Nachmittage durch die Biwaks seiner tapferen Truppen ritt. ,,Ein vollberechtigt stolzes Gefühl", schreibt Hauptmann Laube, ,,durfte uns beseelen, an einem Kampfe aktiven Antheil haben nehmen. zu dürfen, der für unsere Waffen, unsere Geschüße so ewig ruhmreich geendet, der aber auch nach dem eigenen Ausspruch des Feindes und seines Kaisers die Wirkung unserer Artillerie zur Erreichung so großer Resultate als so besonders einflußreich erwiesen hatte. Wir glaubten alle, daß nun der Krieg nach so fortwährenden Niederlagen, die die Französische Armee fast gänzlich aufgerieben hatten, zu Ende gehen würde, doch nein; eine schwere Kriegsperiode sollte uns noch be= schieden sein!"

Der Frieden konnte erst nach dem Fall der feindlichen Hauptstadt, des stolzen Paris, erhofft werden.

Noch befand sich ein Französisches Korps im freien Felde, das Am 2. September. neugebildete Korps Vinoy. Dasselbe war von Paris auf Sedan zur Armee Mac Mahons gesandt worden, Theile desselben hatten. am 1. September mit der Bahn Mézières erreicht. Als hier General Binoy Kunde von dem ungünstigen Verlauf der Schlacht bei Sedan erhielt, ließ er, die Katastrophe der Armee von Châlons voraussehend, sein Korps Kehrt machen. Er erkannte mit flarem Blick, daß es vor Allem darauf ankam, wenigstens ein Korps möglichst ungeschädigt zur Vertheidigung der Hauptstadt zu erhalten.

Seiner Rückzugslinie zunächst stand die 6. Kavallerie - Division bei Poix, die 5. bei Tourteron, das VI. Korps in Rethel und Attigny. Die gerade Straße nach Paris war somit gesperrt. Noch in der Nacht zum 2. September rückte General Vinoy, der hierüber nicht genau unterrichtet war, mit den bis Mézières gelangten Truppen auf Rethel ab, und erst als er am folgenden Morgen um 10 Uhr, ohne ernstlich aufgehalten zu sein, die Gegend von Saulces (nur 12 Meilen von Rethel) erreicht hatte, erfuhr

er, daß dieser Ort bereits von Preußischen Truppen besezt sei. Infolgedessen bog er nordwestlich auf Novion Porcien ab. Die Spitze seiner Truppen hatte kaum den dorthin führenden Weg betreten, als Granaten in La Ville einschlugen und einige Gebäude in Brand sezten. Die 1. reitende Batterie Bode I. des Regiments hatte mit der 12. Kavallerie Brigade am Wege nordwestlich des Bahnhofes, südwestlich Puiseux, Stellung genommen und ihr Feuer auf 2000 Schritt gegen die feindlichen Kolonnen eröffnet.

Alsbald jedoch besetzte feindliche Infanterie das Dorf Saulces, und drei Französische Batterieen nahmen auf der Höhe bei Faissault Aufstellung. Diesem überlegenen Feuer gegenüber konnte die Brigade nicht Stand halten und mußte, da eine Unterstüßung nicht in Aussicht stand, bald nach 11 Uhr den Kampf aufgeben. 1) Vom VI. Armeeforps folgte die 12. Infanterie-Division auf die Nachricht vom Abmarsch des Feindes von Mézières selbständig diesem über Novion Porcien, der Rest des Korps marschirte am 3. früh geradeswegs auf Reims ab. Doch gelang es dem General Vinoy, nördlich ausbiegend über Chaumont- Porcien, im Schutze der Nacht nach Laon zu entkommen.

Sedan auf Paris.

Auf Befehl des Großen Hauptquartiers nahmen am 3. Seps Vormarsch von tember die beiden Armeen vor Sedan den Vormarsch gegen Paris wieder auf. Die Dritte Armee sollte im Allgemeinen mit ihrem rechten Flügel über Rethel-Reims-Dormans an der Marne marschiren, ihr zur Rechten die Maas- Armee. Das IV. Armeekorps marschirte auf dem äußersten rechten Flügel über Vendresse, Poix, Signy l'Albaye, Chaumont - Porcien, Montcornet auf Laon. Die Kavallerie-Divisionen streiften vor der Front.

Der Marsch in strömendem Regen, meist auf aufgeweichten Landwegen, erst durch das bergige Argonner Waldland und dann in dem kreidigen Boden der Champagne, war recht beschwerlich. Glücklicherweise wurde in breiter Front marschirt, und so fehlte es in der Nacht nicht an Raum zur Unterkunft. Die Verpflegung erfolgte durch Beitreibungen, die allerdings in der ärmlichen. Gegend nicht allzu reichlich aussielen. Der Gesundheitszustand der Leute war kein günstiger. Viele erkrankten infolge der unaufhörlich feuchten Witterung an den Unterleibsorganen; die Lazarethe füllten

1) Die Batterie Bode hatte einen Mann, Kanonier Starih, und ein Pferd, beide todt, verloren.

Übergabe von Laon

am 9. September,

sich immer mehr. Am 4. September wurde Rast gemacht und im feierlichen Feldgottesdienst, bei welchem der Altar im Schmucke des Eisernen Kreuzes prangte, dem Lenker der Schlachten für die bisher so gnädig gewährte Hülfe gedankt sowie der Gefallenen der letzten Kämpfe gedacht. Im Uebrigen wurde der Tag benußt, die Batterieen neu zu ordnen, die Verluste zu ersetzen und die Schäden auszubessern. Unteroffiziere und Leute, welche sich ausgezeichnet hatten, wurden befördert oder zur Dekoration mit dem Eisernen Kreuz vorgeschlagen.

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Nachdem die 6. Kavallerie-Division vor der Front der MaasTod des Haupt- Armee am 7. September über Château Porcien bis St. Quentin manns Mann. gelangt war, ließ ihr Kommandeur, Herzog Wilhelm von Mecklenburg, den Kommandanten von Laon, General Théremin d'Hame zur Uebergabe der Festung auffordern und diese Forderung am folgenden Tage wiederholen, worauf General Theremin mit der Bitte um Bedenkzeit antwortete. Am 8. September wurde die 6. Kavallerie Division durch das Jäger Bataillon Nr. 4 und die 2. reitende Batterie, Mann, verstärkt1) und stand am folgenden Tage um 11 Uhr bei Eppes versammelt. Da der Kommandant von Laon sich bereit erklärte, die Festung mit Besatzung und Kriegsmaterial zu übergeben, so rückte der Herzog Wilhelm von Mecklen= burg mit den 4. Jägern in Laon ein. Die 2. reitende Batterie erhielt Befehl, links der Straße von Laon Stellung zu nehmen. Zur Uebernahme des Artilleriematerials in der Festung kommandirt, ritt der Batteriechef Hauptmann Mann mit dem Lieutenant Koehne, Vizewachtmeister Köhlmann, Trompeter Magdeburg und Obergefreiten Rumpf in die Stadt ein.

Ueber die folgende Katastrophe schreibt Trompeter Magdeburg 2):

,,Mit drei Jäger-Kompagnieen, unter den lustigen Klängen der Hörner »Der Jäger aus Kurpfalz, zogen wir, der Herzog von Mecklenburg an der Spize, in die Thore der Felsenfeste ein. Auf dem schönen alten Marktplay angekommen, sezten hier die 2. und 3. Jäger Kompagnie die Gewehre zusammen, die 1. sollte die Citadelle übernehmen. Am Wachthaus vor der kleinen Wallbrücke der Citadelle wurde unter präsentirtem Gewehr die Französische Wache abgelöst. In dem Citadellenhof befanden sich etwa 20 Offiziere und 2000 Mann unter Gewehr. Die Offiziere begrüßten sich gegenseitig. Der Französische Kommandant befahl seinen Soldaten, die Gewehre abzulegen und

1) Auf dem Marsche von Gauditous nach St. Quentin, wo die Batterie die 6. Kavallerie-Division erreichte, wurde Kanonier Heiher durch einen Schuß in die Wade verwundet.

2) Jezt Königl. Eisenbahn-Stationŝassistent zu Querfurt.

sich von jezt an als Preußische Gefangene zu betrachten, was auch seitens der Mobilgardisten zum Theil mit zufriedenen Gesichtern geschah, von den Linientruppen aber nur mit mürrischen Entgegnungen, zum Theil erst auf wiederholten Befehl, ausgeführt wurde. Einzeln fielen sogar Rufe Chassepot caput« und fand auch Zertretung der Gewehre statt.

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Nachdem sich die Aufregung etwas gelegt hatte, fand die Abführung der gefangenen Franzosen durch die Jäger statt, es hatte aber nur etwa die Hälfte das Citadellenthor passirt, da ertönte ohrzerreißendes Getöse, Steinstücke, Erde und Mörtel flogen uns um die Köpfe, die Explosion der Citadelle von Laon hatte stattgefunden.

Der Hauptmann Mann hatte mir sein Pferd (Cäsar) zum Halten übergeben und wurde ich von diesem sowie von meinem eigenen Pferde (Bertha) über die niedergelegten Gewehre der Franzosen geschleift nach dem Wallgraben zu, woselbst ich an der Brustwehr hängen blieb und die Pferde nicht mehr halten konnte, welche in den Wallgraben sprangen und später von 12. Husaren gesund und heil aufgefangen worden sind.

Von den umherfliegenden Erdmassen, Steinen, sowie von Pferdetritten u. s. w. hatte ich am linken Auge, im Genick und auf der Brust verschiedene Kontusionen davon getragen, auch war ich an der Mauer bis an die Kniee von Steinen und Erde bedeckt, woselbst ich besinnungslos wurde und nach etwa 20 Minuten von zu Hülfe eilenden Jägern aus meiner unerquicklichen Situation befreit worden bin.

Nachdem durch Reibung meiner erstarrten Glieder wieder etwas Leben in mich gekommen war, versuchte ich den Ausgang der Citadelle zu gewinnen, was aber nur langsam von Statten ging, da meine Beine wie abgestorben waren und ich mich nur 20 oder 30 Schritt fortschleppen konnte, um dann wieder auszuruhen.

Auch unter den noch zurückgebliebenen Franzosen hatte die Explosion viele Todte und Verwundete gefordert. Ueberhaupt drängte Alles, Freund und Feind, mit Ungestüm zum Eitadellenthor hinaus, wodurch die Weiterabführung der Gefangenen auf mancherlei Schwierigkeiten stieß.

Die Explosion war so gewaltig, daß viele Steintrümmer bis in die Stadt geschleudert wurden und hier noch verschiedene Verwundete und Todte aufzufinden waren.

Sobald ich etwas aus dem Gedränge heraus war, erkundigte ich mich nach meinem Hauptmann und erfuhr, daß derselbe schwer verwundet nach dem Französischen Lazareth getragen worden wäre. Ich eilte, so schnell es mir möglich war, dorthin, um ihn zu pflegen, leider kam ich schon zu spät, der unerbittliche Tod hatte ihn schon hinweggerafft. Friede seiner Asche! Es war ein

sehr humaner, gerechter und liebenswürdiger Vorgesezter.

Beim weiteren Suchen nach meinem Batterieoffizier hatte ich das Pech, beinah noch erschossen zu werden, indem ich mir wegen des eingetretenen Regens und weil ich meinen Helm und Säbelklinge bei der Explosion verloren hatte, Leichtsinnigerweise eine neue französische rothe Müße aufgesezt und mich mit einer französischen Offizierfäbelklinge versehen hatte; beim Umbiegen um eine Straßenecke hielten mir zwei Jäger schon die geladenen Büchsen auf die Brust, und war es die höchste Zeit, daß ich mich durch Schreien als guter Deutscher entpuppte."

Lieutenant v. Hellfeld vom 4. Jäger-Bataillon schreibt über die Katastrophe:')

„Die 2. und 3. Kompagnie marschirten auf dem schönen alten Marktplaß auf und sezten die Gewehre zusammen. Der Marktplay von Laon wird nach Norden durch die stilvolle und neue Präfektur, einen Kolossalbau, im Osten durch das neue Theater, gegenüber durch das große Hotel de la Hure und im Süden durch die offene Straße mit prachtvollen, dem Französischen Geschmack eigenen, reich gezierten Läden abgeschlossen. In dem Augenblicke, in welchem die Offiziere der beiden Kompagnieen sich vereinigt hatten, um sich vor der Präfektur an dem dargereichten Bier und den Cigarren zu laben, schwankte plöglich merkbar der ganze große Play. Ein furchtbarer Knall, dem sofort eine zweite gleichstarke Erschütterung folgte, ließ die Luft erzittern und verwirrte augenblicklich die Sinne. Die Präfektur zeigte in der Mitte einen großen Sprung, das Dach des Theaters war zertrümmert, sämmtliche Fensterscheiben geborsten, die Jägerbüchsen und Jäger durcheinander geworfen, und der größte Theil der Mannschaften nach der westlichen Seite des Marktes zusammengedrückt. Es war dies Alles im Nu des Augenblicks geschehen. Gleich darauf ertönte schon das laute Kommando »>An die Gewehre«, und in wenigen Minuten standen die beiden Jäger-Kompagnieen gefechtsbereit an der früheren Stelle. In größter Eile, über und über mit Schutt und Staub bedeckt, kam von der Citadelle ein Ulanenoffizier, den gespannten Revolver in der Hand, auf den Markt gesprengt. »>Verrath! Verrath!« waren die ersten vernehmbaren Worte. Dann hörte man: »Der Herzog, Jhre Kompagnie, viele Offiziere, sie alle sind verrathen und in die Luft gesprengt!« Fast im gleichen Augenblick kamen auch athemlos Französische Soldaten ohne Waffen, mit den Taschentüchern in der Hand winkend, wie geheßtes Wild die Straße heruntergelaufen, die meisten sich in die Häuser flüchtend, andere wieder über die Wälle kletternd, die Einwohner schlossen die Läden, überall hörte man Jammer und Geschrei, und noch Niemand hatte eine Ahnung von der Größe des Unglücks, das geschehen. Die 4. Kompagnie, welche die Stadtthore besezt hatte, versuchte vergeblich die flüchtenden Franzosen in ihrem Laufe zu hemmen, und so wurde auch hier noch eine Anzahl Opfer des tödlichen Bleies.

Den auf dem Marktplay in Gefechtsbereitschaft sich seyenden Kompagnieen brachte der Adjutant den Befehl, nicht auf die Franzosen zu schießen, sondern den Feind zu schonen, er sei verrathen, gleich uns; vielmehr wurden wir beordert abzurücken, um den armen Verwundeten den ersten Beistand zu leisten.

Niederschmetternd waren die Eindrücke, welche sich auf dem schweren Gange uns für alle Zeiten einprägten. Der ungeheure Luftdruck hatte eine ganz bestimmte Richtung genommen, und so konnten wir denn auch die unmittelbar auf die Citadelle führende Straße nicht betreten. Viele Häuser waren in ihr eingestürzt, große Steine in sie hinein geschleudert, Frauen, Kinder, Soldaten in ihren Trümmern begrabend. Je näher wir der Citadelle kamen, desto schrecklicher zeigte sich unseren Augen die Verwüstung. Die Französischen Soldaten lagen noch zu vieren untergefaßt, wie sie die Citadelle verlassen hatten,

1) Tägl. Rundschau, Berlin.

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