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Darauf antwortet Theages:

Schweigt, Ihr seid im Wahn
Durch Euch spricht der Tyrann,

Euch wurmt mein fester Muth,
Mein hohes Glaubensgut.

Nun folgt noch eine interessante musikalische Stelle. Theages, zum Tod bereit, ruft der Menge zu: Ein böser Geisterchor,

Der sich voll Zweifel seitwärts steckt;

Nun schweigt, ich laß mich tödten,

Und werd' ihn so erretten,

während diese gleichzeitig in spottender, von dem Componisten charakteristisch wiedergegebener Weise ihm erwidert:

Die Sonne sinkt, nun gute Nacht,

Du hast's gebüßt, du hast's vollbracht,
Das haft für deinen Glauben,

Den dir kein Mensch kann rauben.
Seht, wie der Freund zu lösen eilt,

Und seinem Freund die Wunden heilt,
Da ihn die Stunden schlugen,

Die sie zusammentrugen.

Von dieser Stelle an erscheint das Solo und der Chor, doch ohne Tert, durch fünf Seiten der Partitur weitergeführt, dann folgt noch eine kurze Gesangsstelle des Theages:

Wenn dreimal sich der Abend neiget,

Und er sich noch nicht findet,

Meint ihr, der Glaube schwindet?

Dieser Sologesang läuft noch durch sechs Seiten ohne Text weiter, und damit schließt die unvollendete Oper, von welcher wohl nie irgend ein Theil in die Oeffentlichkeit gedrungen ist.

Auch an Instrumentalcompositionen anderer als der schon erwähnten Art (Clavier- und Kammermusik) fehlt es nicht; ein großer Theil derselben ist noch unveröffentlicht'). Von mehrstimmigen, ebenfalls wenig oder gar nicht gekannten Gesangsstücken sind zu erwähnen: „An die Sonne", ein umfangreiches, in religiösem Styl gehaltenes Quartett für gemischten Chor mit Clavierbegleitung; „Das Grab" von Salis (Vocalquartett für Männerstimmen); „Chor der Engel 2)" aus Goethes Faust, für gemischte Stimmen; „Trinklied3)" (für Tenorsolo und Männerchor mit Clavierbegleitung); „der Geistertanz“ von Mathisson (Quartett für Männerstimmen) und ein Vocalterzett: „Am Seegestade" *).

1) Dahin gehören: Ein Streichquartett in F, ein Streichtrio, ein Biolinconcert in D, ein Rondo für die Violine in A, eine Claviersonate in F, ein Adagio und Rondo concertant für Pianoforte, der erste Satz und der Anfang eines Allegro einer Claviersonate in E, zwei Märsche für Pianoforte in E-Dur und H-Moll, Märsche mit Trio in E-Dur, zwölf Deutsche mit Coda und sechs Ecossaisen. Auf den letteren findet sich, von Schubert s Hand geschrieben, die Bemerkung: Als Arrestant in meinem Zimmer in Erdberg componirt. Mai. Am Schluß stehen die Worte: Gott sei Dank! Da Witteczek, Mayrhofer und Spaun einige Zeit hindurch in Erdberg wohnten, so hängt die Arrestantengeschichte wahrscheinlich mit einem Scherz zusammen, den diese sich mit Franz erlaubten, als er bei ihnen zu Besuch war. Ferd. Schubert, in dessen Aufzeichnungen die hier genannten Compositionen sich vorfinden, erwähnt auch einer Sinfonie in C (componirt im September), von welcher aber keine Spur vorhanden ist. Die drei Sonatinen für Clavier und Violine (op. 137) gehören ebenfalls dieser Zeit an.

2) Erschien im J. 1839 als Beilage der „Neue Zeitschrift für Musik.“ *) Das „Trinklied" erschien im Jahre 1844 bei Mecchetti als Beilage der Wiener Musikzeitung.

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*) Die Autografe von Geistertanz“ und „Am Seegestade" besigt Herr A. Stadler in Wien.

v. Kreißle, Franz Schubert.

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Was die Anzahl der Lieder betrifft, so reiht sich das Jahr 1816 auch in dieser Beziehung dem unmittelbar vorausgegangenen an, und stellen sich diese beiden Zeitperioden überhaupt als die liederreichsten dar. Es finden sich darunter die Gesänge des Harfner", „Der Wanderer 1)", „Fragment aus dem Aeschylus“, „An Schwager Kronos" 2c., durchweg Compositionen, die von der vollendeten Reife des neunzehnjährigen Tondichters im Liederfach lautsprechendes Zeugniß geben. Ein schönes (nicht veröffentlichtes) Lied ist: „Abschied“ 2), von Mayrhofer, nach einer Wallfahrts

1) Das Original des „Wanderer" ist in Händen des Dr. Carl Enderes in Wien. Es trägt das Datum October 1816. Der Tag der Composition ist, wie es scheint von Schubert, durchstrichen; ebenso find in der Clavierbegleitung einige Stellen durch dicke Striche unkenntlich gemacht, und an ihrer Statt von Schubert eine andere Begleitung beigefügt worden. Auf das Gedicht des Lübeckers Georg Filipp Schmidt (geb. 1766, geft. 1849) machte ihn der Geistliche Horni in Wien aufmerksam, der es wahrscheinlich in den, von Deinhartstein im Jahre 1815 herausgegebenen Dichtungen für Kunstredner" vorfand, wo es als „Der Unglückliche" von Werner bezeichnet ist, daher Schubert auf das Original schrieb: Von Zacharias Werner.

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2) Das Gedicht ist Lunz - der Name eines in Niederösterreich im Oetschergebiet gelegenen Ortes überschrieben und beginnt:

Ueber die Berge

Zieht ihr fort,

Kommt an manchen

Grünen Ort;

Muß zurücke

Ganz allein,

Lebet wohl,

Es muß so sein u. s. w.

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Es gilt als eine unbestrittene Thatsache, daß Briefe, Tagebücher und andere Aufzeichnungen, wenn sie in größerer Anzahl vorhanden und durch längere Zeit fortgesetzt, in einen inneren Zusammenhang gebracht werden können, ganz hauptsächlich geeignet sind, die Kenntniß des Charakters einer bestimmten Person zu fördern und zu erweitern. Der reiche Briefschat, welchen wir von den Mozart's besigen, und die jüngst veröffentlichten Briefe Felix Mendelssohns gewähren einen tieferen Einblick in das Denken und Fühlen dieser Künstlernaturen, als die Darstellung ihres äußeren bewegten Lebens zu bieten vermag, und während sie nicht selten das Verständniß und die Würdigung ihrer Werke erleichtern, sind sie dem Biografen ein wichtiger Behelf für das Entwerfen eines getreuen Bildes dessen, der geschildert werden soll. Von Schubert sind bis jetzt wenige Briefe bekannt geworden, vielleicht weil er nicht schreibselig war (wofür übrigens kein Beweis vorliegt), vielleicht auch, weil Briefe verloren gegangen, oder aus falscher Scheu mit der Veröffentlichung derselben zurückgehalten wird.

Von Tagebuchnotizen liegen nur einige aus den Jahren 1816 und 1824 vor, welche hier und im weiteren Verlauf ihre Stelle finden. Ob Franz längere Zeit hindurch Aufschreibungen geführt, konnte ich nicht ermitteln '). Weder diese noch die Briefe sind geeignet, durch ihren Inhalt an sich

1) Der bekannte Autografensammler Alois Fuchs bemerkt in seinen Schubertiana: Vor einigen Jahren fand ich zufällig bei einem

das Interesse des Lesers in höherem Grad in Anspruch zu nehmen, da Schubert sich fast nie veranlaßt fand, von seinem reichen inneren Leben selbst seinen vertrautesten Freunden Kunde zu geben; nachdem aber die Quellen über seine äußere Existenz ohnehin nur spärlich fließen, muß es dem Biografen wohl gestattet sein, alle Behelfe, deren er habhaft geworden, und wären diese noch so unbedeutend, wo möglich unverkürzt mitzutheilen, da sie im Ganzen immerhin Streiflichter auf das zu schildernde Individuum werfen, des äußerlichen Momentes nicht zu gedenken, daß derlei kleine Episoden die Monotonie der Aufzählung von Schubert's Compositionen, welch' leştere immerdar den hauptsächlichen Theil seiner Lebensgeschichte bilden wird, in erwünschter Weise unterbrechen.

Die vorgefundenen Fragmente aus Schubert's Tagebuch vom Jahre 1816 umfassen nur die Tage vom 13. bis einschließlich 16. Juni, und sind folgenden Inhaltes:

,,13. Juni 1816. Ein heller, lichter, schöner Tag wird dieser durch mein ganzes Leben bleiben. Wie von ferne, leise hallen mir noch die Zaubertöne von Mozart's Musik. Wie unglaublich kräftig und wieder so sanft ward's durch

Autografensammler in Wien das Fragment eines von Franz Schubert eigenhändig geführten Tagebuches, woran aber bereits mehrere Blätter fehlten. Auf meine Frage, wohin das Mangelnde gekommen sei, erwiderte mir der unglückliche Besizer dieser Reliquie, daß er bereits seit geraumer Zeit einzelne Blätter dieser Handschrift an Schubertianer oder Autografensammler vertheilt habe. Nachdem ich über diesen Vandalismus meine Entrüstung geäußert, war ich bemüht, den Rest in folgenden Blättchen zu salviren. Das Autograf des Tagebuchfragmentes besitzt Herr G. Petter in Wien.

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