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Singspieles, soweit er das musikalische Bruchstück anbelangt, faßt sich in Folgendem zusammen: Prinz Almador, Sohn des Königs von Dummistan, bisher in üppigem Hofleben aufgewachsen, wird von seinem Vater auf Reisen und Abenteuer gesendet, auf daß er sich zum Manne bilde und Ruhmesthaten vollbringe. Schmurzo, das Stichblatt des Wizzes bei Hof, soll ihn begleiten. Als Sinnbild und Wahlspruch überreicht der Zauberer Burrudusasussi dem Prinzen einen blauen Schild, worauf ein Spiegel mit den Worten: „Der Tugend treu." Das Spiegelglas hat die Eigenschaft, bei drohenden Gefahren zu erbleichen; das Geheimniß, daß, wenn seine Strahlen das Bild Milnis, der verzauberten Königin der schwarzen Inseln, zurückwerfen sollten, diese von dem auf ihr lastenden Fluch ewigen Hungers erlöst werden würde, bleibt dem Ritter verborgen. Almador und Schmurzo treten die Reise an.

Das aufgefundene Bruchstück enthält die Arie des Königs), ein humoristisches Quintett des Schmurzo und der ihn neckenden und verspottenden Damen 2); eine Arie 3) des Prinzen (Tenor), ein Duett*) der Eltern des Prinzen (Sopran und Tenor), ein Ensemblestück 5) mit Chor, eine

') Arie für Baß in C-Dur 4:

Der Sonnestrahl ist warm,

Doch wärmer ist Mutterliebe u. s. w.

2) Wir gratuliren Dummkopf u. s. w.

3) Ach es ist schön, fremde Länder zu seh'n u. s. w.

*) Wohl ist nur halbe Freude, die Vaterland nicht gab, u. s. w.

3) Ein Sinnbild auf dem blanken Schild, u. s. w.

Arie) des Prinzen, eine Arie 2) des Zauberers mit Chor und ein Fragment der Arie des Prinzen.

Ueber die Entstehung und das Schicksal dieser Oper ist nichts weiter bekannt geworden.

Alle diese in rascher Aufeinanderfolge entstandenen Singspiele sind in erster Linie als Versuche Schubert's anzusehen, sich die dramatisch-musikalischen Formen in kleinerem Nahmen durch Selbstschaffen eigen zu machen. Nebstdem unterliegt es keinem Zweifel, daß der Drang, Opernmusik zu schreiben, welchen wir bei so vielen großen Meistern schon in frühester Zeit erwachen sehen, auch bei Schubert unwiderstehlich zum Durchbruch gekommen ist, der freilich einem derartigen Verlangen nach seiner Weise durch Massenproduction Genüge zu leisten wußte. Der musikalische Gehalt dieser Operetten reiht sich wohl nicht dem Bedeutenderen an, was Schubert überhaupt geschaffen, auch würden dieselben, als Theaterstücke gesehen, von der Bühne herab der jetzigen Geschmacksweise wahrscheinlich nicht mehr zusagen, zumal wenn man die Naivetät einiger der benüßten Textbücher in Betracht zieht 3); andererseits aber wäre es ein Irrthum, wollte man glauben, daß in diesen Erstlingen der dramatischen Muse Schuberts nur die Schülerhaftigkeit eines - allerdings hoch= begabten Anfängers zu Tage trete; denn der in Melo

1) Schweigt, haltet graues Haar in Ehren, u. s. w.

2) So nimm, du junger Held,

Den Spiegel im blauen Feld.

-

3) An läppischen Operntexten fehlt es zwar auch jetzt nicht; aber die Methode, nach welcher in Unsinn gemacht wird, ist eine andere, – zeitgemäße geworden.

dien unerschöpfliche, mit den Gesetzen der Harmonie und der Kunst der Instrumentirung vollkommen vertraute Tondichter, welcher um jene Zeit schon mehrere seiner schönsten Lieder geschrieben und das Zeug in sich hatte, ein Werk, wie es die G-Messe ist, zu schaffen, bewegt sich auch in diesen dramatisch-musikalischen Arbeiten mit einer Leichtigkeit und Sicherheit in der Behandlung des vocalen und instrumentalen Theiles, daß da von schülerhaften Versuchen nicht die Rede sein kann 1). Eine Aufführung des musikalischen Theiles der Operetten im kleinen Concertraum würde manch' reizendes Stück zu Tage fördern.

Die Lust Opern zu schreiben hat übrigens Schubert nie verlassen. Es trat wohl hie und da eine längere Pause ein, im Ganzen genommen ist aber seine Thätigkeit auf diesem Felde eine überraschend fruchtbare, und troßdem, daß in späterer Zeit die Ungunst der Theaterverhältnisse seinen zwei größeren Bühnenwerken die ihnen gewissermaßen schon zugeficherte Aufnahme in das Repertoir verwehrte, sehen wir doch den Unermütlichen noch am Ende seiner Tage abermals mit dem Gedanken an eine neue Oper beschäftigt.

Was von Schubert's dramatisch - musikalischen Arbeiten während seiner Lebzeiten auf der Bühne zur Aufführung gelangte, gehört ausschließlich dem Melodram und der musikalischen Posse an.

1) Aus einigen Bruchstücken, welche mir bekannt geworden sind, läßt sich wohl auf das Ganze schließen.

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bei Schubert

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IV.

(1816.)

Auch das Jahr 1816 repräsentirt in Franz Schubert's kurzem Erdenwallen eine Zeit rastlosen, durch keinen wichtigen Zwischenfall unterbrochenenen Schaffens, nur daß hier neben der immer mehr anschwellenden Liedermasse an Stelle der Oper (welche nur durch ein Bruchstück vertreten ist) die Cantate, und zwar in der Gestalt dreier „Gelegenheitscompositionen", in den Vordergrund tritt, von welchen der auf einen poetischen Text in Musik gesezte „Prometheus" über die beiden anderen wenig bedeutenden entschieden hinausragt.

Der Zeitfolge nach ist unter den Cantaten jene als die erste vorzuführen, welche Schubert anläßlich des Jubiläumsfestes des Hofcapellmeisters Salieri selbstdichtend in harmlose Reime brachte und ebenso anspruchslos mit Tönen umkleidete.

Am 16. Juni 1816 beging Antonio Salieri den fünfzigsten Jahrestag seines Eintrittes in den kaiserlichen Dienst. Dem bevorstehenden Jubelfest hatten er und seine Familie schon lange mit Freuden entgegengesehen und beschlossen, es mit einer angemessenen Feier zu begehen; diese jedoch auf

eine den Verdiensten des Jubilars entsprechende Weise zu erhöhen, war sein Monarch selbst bedacht 1).

Am frühen Morgen des 16. Juni, desselben Tages, an welchem Kaiser Franz von seiner Reise nach Italien (zunächst von dem Schloß Bösenbeug) nach Schönbrunn zurückkehrte, begab sich Salieri, eingedenk des ersten Ganges, welchen er am 16. Juni 1766 mit seinem (mittlerweile verstorbenen) Meister Gaßmann durch die Straßen der Residenz gemacht hatte, begleitet von seinen vier Töchtern, zu einem Dankgebet in die italienische Kirche. Um 10 Uhr Vormittags fand sich vor seinem Haus (in der Spiegelgasse Nr. 1154) ein Hofwagen ein, der ihn in das Hôtel des Obersthofmeisters Fürsten zu Trauttmannsdorf-Weinsberg führte. Dieser erschien mit dem Hofmusikgrafen von Kuefstein im Vorsaal und führte Salieri in ein zur Feierlichkeit bestimmtes Gemach, wo ihm nach kurzer Ansprache in Gegenwart des im Kreise aufgestellten Hofmusik - Personales die große goldene CivilEhren-Medaille mit Kette umgehängt wurde. Salieri dankte für die ihm zu Theil gewordene Auszeichnung und den versammelten Künstlern für ihren Eifer, und nachdem er huldvoll entlassen worden, fuhr er, da eben Sonntag war, in die Hofcapelle, um dort seinen gewöhnlichen Dienst zu versehen und die Musik des Hochamtes (diesmal eine seiner Messen) zu leiten.

Die Mittagsstunden füllte ein fröhliches Mahl im Kreise seiner Kinder und einiger vertrauten Freunde aus. Gegen 6 Uhr Abends versammelten sich, einer vorläufig an sie ergangenen Einladung zufolge, seine sämmtlichen ehemaligen

') s. I. Mosel: „Salieri's Leben.“ — Wiener Zeitung 19. Juni 1816.

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