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Zur Aufführung im Theater ist das Singspiel nie gelangt; der Soldaten chor, ein munteres, charakteristisches Musikstück, wurde im Jahre 1860 in einer Abendunterhaltung des Wiener Singvereins" mit Beifall zu Gehör gebracht1).

Zu Schubert's Convictgenossen zählte, wie bereits erwähnt worden, auch Albert Stadler, welcher nach des Ersteren Austritt aus der Anstalt noch in derselben verblieb und im Jahre 1815 das zweite Jahr der juridischen Studien absolvirte. Er kam mit dem damaligen Lichtenthaler Schulgehülfen öfters zusammen, und da dieser um jene Zeit von einer wahren Leidenschaft, Opern zu componiren, besessen war, und in der That auch eine Oper nach der andern in Angriff nahm, machte sich Stadler anheischig, für ihn ein kleines Drama zu verfassen, welches Anerbieten Schubert mit Freuden aufnahm. So entstand Fernando, ein Stück, in welchem (wie der Verfasser desselben jetzt darüber urtheilt) ,,dem Blitz und Donner, Schmerz und Thränen, als Lieblingsvorwürfen schwärmerischer Jugend,“ eine Hauptrolle zugedacht ist. Die Musik dazu wurde innerhalb sechs Tagen componirt. Schubert erschien bei Stadler mit der fertigen Partitur 2), die sie denn auch sogleich durchnahmen.

1) Das musikalische Detail der im Jahre 1815 componirten Singspiele ist mir, einige Musikstücke ausgenommen, nicht bekannt geworden. Die Operette: „Der vierjährige Posten“ ist auch von Reineke componirt.

2) Auf der Original-Partitur (im Besitz des Herrn Dr. Schneider) steht geschrieben:

Fernando,

ein Singspiel in Einem Aufzug von A.... St.... Die Musik ist von Franz Schubert, Schüler des Herrn Salieri. Den 3. Juli 1815 angefangen. den 9. Juli geendigt.

Dann ward die Arbeit bei Seite gelegt und weder Dichter noch Componist haben sich mehr darum bekümmert.

Die in dem Singspiele (verfaßt im April 1815) vorkommenden Personen sind: Fernando de la Porta, Eleonore seine Gattin, Filipp deren zwölfjähriger Sohn, ein Bauer, ein Jäger und ein Köhler.

Die Handlung spielt in einer rauhen Gegend der Pyrenäen in der Nachtzeit und währt bis zum anbrechenden Morgen.

Der Inhalt des Stückes, in welchem übrigens der gesprochene Dialog ') einen viel größeren Raum einnimmt, als der gesangliche Theil, ist folgender: Fernando de la Porta hat den Bruder seines Weibes erschlagen, weil dieser ihn verläumderischer Weise eines Verbrechens angeklagt hatte, und ist nach Verübung dieser That entflohen. Das Inquisitionsgericht verurtheilte den Mörder zum Tod und setzte einen Preis auf seinen Kopf. Einflußreiche Freunde erwirkten später (nach Aufhebung der Inquisition) seine Begnadigung, wovon aber Fernando, der sich in die Pyrenäen zurückgezogen hat und dort als Eremit verkleidet lebt, keine Kunde zugekommen ist. Eleonore, die, überzeugt von der Unschuld ihres Gatten, ihm das an dem Bruder im Jähzorn verübte Verbrechen verziehen, macht sich mit ihrem Sohne auf, um Fernando zu suchen und ihn seiner Familie wiederzugeben. In der Nähe der Klausner-Hütte angelangt, werden sie von einem Gewitter überfallen; Filipp, im Dunkel sich verirrend, verliert seine Mutter aus den Augen und ruft wehklagend ihren

') Das Textbuch umfaßt 42 vollgeschriebene Seiten.

Namen. (Beginn des Singspieles). Da erblickt er im Hintergrunde einen Wolf sich zwischen den Bäumen durchschleichen und mit einem Angstschrei läuft er davon.

Das Gewitter verzieht sich; Fernando, als Eremit gefleidet, tritt aus der Klause. Von Gewissensbissen gefoltert, wiederholt er sich die letzten Worte, welche das Opfer seiner Rache ihm zugerufen. Filipp tritt zu ihm, erzählt ihm sein Schicksal und bittet ihn um Schuß und Hülfe. In der Ferne fällt ein Schuß. Fernando verspricht dem Knaben, ihm in seinem Unglück beizustehen; als er ihn aber weiter um das Ziel seiner und seiner Mutter Reise befragt, singt ihm Filipp ein Lied vor, das er von seiner Mutter gehört, und welches die von Fernando verübte Mordthat zum Gegenstand hat. Dieser erblaßt, Filipp aber theilt ihm mit, daß die Mutter dem Mörder vergeben habe, und daß dessen Begnadigung mittlerweile erwirkt worden sei. Da kommt ein Bauer mit einem blutbefleckten Tuch, das er im Gestripp gefunden. Filipp und Fernando ergreift Entsetzen, denn sie ahnen, daß Eleonore die Beute jenes reißenden Thieres geworden sei, welches sich kurz vorher im Dickicht gezeigt hatte; der Bauer entfernt sich, Fernando hält nun mit seinem Geheimniß nicht länger mehr zurück und gibt sich seinem Sohne zu erkennen. Beide beklagen Leonorens Tod. Da erscheint diese, von einem Jäger und einem Köhler geführt. Fernando gebietet dem Sohne Schweigen; dieser stürzt in die Arme seiner Mutter. Der Köhler, der Jäger und Eleonore erzählen nun abwechselnd, wie der Wolf schon darangewesen, Eleonoren zu zerreißen, als er durch die Kugel des Jägers getroffen und von des Köhlers Art vollends getödtet worden sei. Diese beiden entfernen sich. Fernando fragt Leonoren, welch ein Geschick sie hieher getrieben habe,

und als er aus ihrem eigenen Munde vernimmt, daß sie dem Mörder verziehen habe, eilt er in seine Klause, um bald darauf in spanischer Tracht aus derselben hervorzutreten. Eleonore, die bereits von Filipp erfahren, daß der Eremit Fernando sei, wiederholt das Wort Verzeihung, und ein allgemeiner Freudengesang schließt das harmlose, fast findische Textbuch.

Der musikalische Theil des Singspieles beginnt mit einer Introduction (Largo D-moll, nach 12 Tacten in Presto gehend), während welcher (im 30. Tact) der Vorhang emporrollt. Diese Einleitung, ein immer heftiger werdendes Gewitter darstellend, endet mit dem Recitativ Filipp's (Sopran), der in Klagetönen nach seiner Mutter ruft. Auf dieses folgt eine Art von Gebet mit Harmoniebegleitung, sodann eine Arie Fernando's, eine Romanze1) Filipp's, ein Duett zwischen. Fernando und Filipp, eine Arie der Eleénore, ein Duett 10 zwischen Fernando und Eleonore und das Finale, beginnend mit einem Duett zwischen den zuleßt Genannten, an welches sich ein Ensemble (Eleonore, Filipp, Fernando, Bauer, Köhler und Jäger) anschließt. Mit einem die Gattenliebe preifenden allgemeinen Freudengesang endet das Singspiel.

Auch „Fernando" ist noch nie auf einer Bühne aufgeführt worden; das Finale brachte Ferdinand Schubert wenige Jahre nach Franzens Tod in einem seiner Concerte mit noch andern Schubert'schen Opern-Bruchstücken zu Gehör.

Das dritte, für die Bühne bestimmte Stück ist Claudine von Villabella, Singspiel in drei Acten von Goethe.

1) Die Romanze als Strofengesang fehlt beinahe in keiner der Schubert'schen Opern.

Der Inhalt desselben faßt sich, soweit er den noch erhaltenen ersten Act der Partitur betrifft, in Folgendem zusammen: Die beiden Brüder Carlos und Pedro von Castellvechio hatten von ihrem Vater eine sehr ungleiche Behandlung erfahren. Carlos, der ältere, wurde nämlich seiner rauhen Gemüthsart wegen von diesem verstoßen, und treibt sich seit längerer Zeit unter dem Namen Rugantino als Anführer einer Räuberbande in den sizilischen Gebirgen herum; Pedro hat nach des Vaters Tod den Alleinbesig der Güter übernommen, welchen er gerne mit seinem Bruder theilen würde, sobald er ihn nur ausfindig gemacht hätte. Verlobt mit Claudinen, der Tochter Alonzo's, Herrn von Villabella, auf welchem Schloß er eben einige Zeit zugebracht hat, verabschiedet sich Pedro, da sein Urlaub zu Ende, von der Familie, um seinen Verpflich tungen am Hofe des Königs nachzukommen. (Anfang des Singspieles.) Rugantino hat seinerseits einen Anschlag auf das Schloß von Villabella vor, aus welchem er Alonzo's schöne Nichte Lucinde mit Gewalt zu entführen gedenkt. Ein Theil der Vagabunden hält zu ihm, andere schließen sich dem Spießgesellen Rugantino's, Bosko an, um auf Beute an= derer Art auszugehen. (Schluß des ersten Actes.)

Schubert hat alle drei Acte dieses Singspiels in Musik gesezt. Leider aber sind dem Eigenthümer der Original-Partitur) Herrn Josef Hüttenbrenner in Wien, die letzten

1) Das Manuscript trägt ebenfalls die Aufschrift: Die Musik ist von F. Schubert, Schüler des Herrn von Salieri, 1815. Der erste Act hat das Datum 26. Juli und 5. August als Zeitpunct der Inangriffnahme und Beendigung desselben. Schubert componirte daher denselben in 11 Tagen. Johann Andrä in Offenbach, der Freund Goethe's, hat dasselbe Singspiel 1774 in Musik gesezt. (D. Jahn

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