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Von mehrstimmigen Gesängen sind,,Der Morgenstern“, „Jägerlied" und „Lützow's wilde Jagd" (von Th. Körner) sowie zwei Mailieder von Hölth, als solche zu erwähnen, welche für zwei Singstimmen oder zwei Waldhörner componirt sind. Auch dreistimmige Gesänge finden sich vor, wogegen das Vocalquartett beinahe gar nicht vertreten ist. Von den Liedern aus diesem Jahr ist beiläufig ein halbes Hundert unveröffentlicht und unbekannt; die bedeutendsten unter diesen sind jedenfalls die früher erwähnten Balladen.

Welche erstaunlichen Fortschritte Schubert's musikalische Entwicklung schon um diese Zeit gemacht hatte, bezeugen einige Lieder (Ossian's Gesänge, Mignonlieder), die den Stempel der Meisterschaft an sich tragen, vor allem aber die Messe in G, von ihm im März 1815 für den Lichtenthaler Pfarrchor, und „insonderheit für jene seiner musikalischen Jugendfreunde geschrieben, die ebenfalls Schüler des regens chori Holzer gewesen waren"1). „Es ist diese Messe eines der gediegensten Kirchenwerke und namentlich das Kyrie, Credo und Agnus Dei von tiefer Conception. Im großen Ganzen wurde sie selbst von den später entstandenen Kirchencompofitionen Schubert's nicht mehr übertroffen. Und dieses Meisterwerk ist die Arbeit eines achtzehnjährigen Jünglings der freilich ein Genie war. Eine zweite Messe (in B) 2), das erste Stabat mater (in B) 3), ein großes Magnificat

') Nach einer Mittheilung des Herrn Doppler.

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2) Sie ist als op. 141 bei Haslinger im Stich erschienen, und wird in Wien öfter als andere Messen Sch's. aufgeführt.

Für gemischten Chor mit Begleitung von Streich- und Blasinfirumenten und Orgel.

und ein Paar kleinere kirchliche Musikstücke1) gehören ebenfalls dieser Zeit an. Im Gebiet der Kammermusik schrieb er für die Hausmusikanten" ein Streichquartett in G-moll, von welchem der erste und der lezte Saz sowie der erste Theil des Scherzo reizend, stellenweise bedeutend gehalten, die Schubert'sche Eigenart unverkennbar zur Anschauung bringen, während der zweite Saz und das Trio des dritten sich noch in den von Haydn beliebten Formen bewegen 2).

Die Claviermusik repräsentiren unter anderem 3) auch zwei Sonaten (in C und F), wie es scheint, die ersten größeren Versuche in dieser Musikgattung, welchen aber nach einer kurzen Spanne Zeit eine Reihe schöner gediegener Compositionen folgte, als sprechende Zeugen der Energie und hohen Begabung, mit welcher Schubert auch auf diesem Feld voranschreiten sollte.

Damit war aber die Thätigkeit des rastlos schaffenden Tondichters noch nicht abgeschlossen. Auch die Orchestermusik und die Oper wollten ihren Theil abbekommen, und Schubert fand noch Muße, in diesem Jahr zwei Sinfonien und sechs

1) Es sind dies ein Salve regina, ein Offertorium und das zweite Dona nobis zu der F-Messe (1814). — Das Autograf des erstgenannten (mit dem Datum 5. Juli) besitzt Dr. Schneider in Wien.

2) Das Scherzo erinnert in Gestalt und Ausdruck an den energisch gehaltenen ersten Theil des Scherzo der G-Moll Sinfonie von Mozart, für welche Sch. große Vorliebe hegte. Das Manuscript des Quartettes besitzt der Musikverein in Wien. Herr Josef Hellmesberger hat es im Jahre 1863 aufgeführt.

3) 12 Deutsche mit Coda, 10 Variationen und Ecossaisen (Frl. Maria Spaun gewidmet).

Singspiele, darunter eines in drei und eines in zwei Acten, zu vollenden.

Die Sinfonien sind jene in B und D). Die erstere scheint niemals zu öffentlicher Aufführung gelangt zu sein; von jener in D wurde der lette Satz in einem Gesellschaftsconcert in Wien (am 2. Dec. 1860) als „sinfonisches Fragment" zuerst aufgeführt und erfreute in hohem Grade durch seine Originalität, Frische und Formvollendung 2).

Die Opern und Singspiele sind der Zeit der Entstehung nach folgende: „Der vierjährige Posten“ (Mai), „Fernando" (Juli), „Claudine von Villabella (Juli und August) und „Die beiden Freunde von Salamanka (November und December). Auch „Der Spiegelritter“, „Der Minnesänger"3) und „Adrast"

1) Die Sinfonie in B wurde, wie auf dem, in Händen des Herrn Dr. Schneider befindlichen Manuscript zu ersehen ist, am 10. December 1814 begonnen und am 24. März 1815 beendet. Sie besteht aus vier Sätzen: Einem Largo, als Einleitung zu einem Allegro vivace, einem Andante in Es, einem Menuet mit Trio in Es und dem Finale: Presto vivace in B-Dur ; die Sinfonie in D (mit dem Datum 24. Mai 1815 auf der Original - Partitur) hat ebenfalls vier Sätze: ein Adagio maestoso, ein Allegro con brio übergehend, ein Allegretto, einen Menuet mit Trio (Allegro vivace D-Dur 3) und das Finale (Presto vivace D-Dur §).

2) Die übrigen Fragmente bildeten: der erste und zweite Saz der tragischen Sinfonie in C-Moll (1816) und das Scherzo der sechsten in C (comp. 1818).

3) In C. M. v. Webers Biografie (von Max Weber) wird einer Operette gleichen Namens erwähnt.

(welche beide letteren sich aber bis jetzt nicht vorgefunden haben) dürften in eben diese Periode fallen.

„Der vierjährige Posten", Operette in einem Act von Theodor Körner, wurde am 13. Mai beendet '). Der Inhalt des Stückes ist folgender: Duval war als Feind mit seinem Regimente in ein deutsches Grenzdorf gekommen und hatte auf einem nahen Hügel die Wache bezogen. Als das Regiment weiter marschirte, vergaß man ihn abzulösen. Müde vom langen Wachstehen, steigt er Abends in das Dorf herab und vernimmt, daß seine Cameraden bereits fortgezogen seien. Er beschließt im Dorfe zu bleiben, lernt Käthchen, die Tochter des Dorfrichters Walther, kennen und heirathet sie. Der Zufall will, daß dasselbe Regiment nach vier Jahren wieder durch das Dorf marschirt — und damit beginnt das Stück. Duval befürchtend, daß er als Ausreißer vor ein Kriegsgericht gestellt werden könnte, ersinnt folgende List: Er stellt sich in seiner Uniform wieder auf jenen Posten, von welchem er nicht abgelöst worden war, und da der Hauptmann, der ihn erkennt, den Soldaten befiehlt, ihn als Deserteur gefangen zu nehmen, droht Duval, sich auf das Recht der Wache stüzend, jeden, der ihm nahe kommen würde, zu erschießen.

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') Die Original-Partitur ist im Besitz des Herrn Dr. Schneider. Auf dem Titelblatt des Körner'schen Singspieles findet sich folgende Bemerkung: Die Absicht des Dichters war, daß dieses Singspiel durchgängig wie ein Finale componirt werden sollte. Auf diese Art ist es von Steinaker in Musik geseht und im Theater an der Wien aufgeführt worden." Steinaker (Carl), 1785 in Leipzig geboren, studirte in Wien und schrieb mehrere Operetten, darunter „Die Vedette". Er machte, wie Körner, den Befreiungskrieg mit und starb 1815.

Während dieses Wortwechsels mit dem Hauptmann und den Soldaten erscheint der General, der, von dem ganzen Hergang in Kenntniß geseßt, dem vierjährigen Posten Pardon ertheilt und ihm einen ehrenvollen Abschied ausstellen läßt.

Das Stück, zum Theil in Prosa, zum Theil in gereimten Versen verfaßt, enthält neun Scenen, und Schubert's Musik dazu, nebst der ziemlich umfangreichen (56 Seiten im Manuscript ausfüllenden) Ouverture, acht Nummern. Die Ouverture (comp. 13-16. Mai) beginnt mit einem Larghetto (D-Dur ) als Einleitung zu einem lebhaften Saß, welcher bis zum Schluß ohne Unterbrechung fortbraust. Die 3ntroduction (Allegretto con moto B-Dur g, comp. 8. Mai) besteht aus einem Chor der Landleute, an welchem Käthe (Sopran), Duval (Tenor) und Walter (Baß) im Soloterzett theilnehmen. Auf diesen felgt ein Duett zwischen Duval und Käthchen; sodann ein Vocalterzett dieser beiden und Walthers, ein kurzes Recitativ Veit's und eine große Gebet- Arie Käthchens 1). Ein Marsch, aus der Ferne ertönend, und der damit zusammenhängende Soldatenchor (tempo di marcia B-Dur, begleitet von Oboe, Clarinette, Fagott, Horn und Trompeten), sodann ein Ensemble und der Schluß chor mit Soloquartett bilden die noch übrigen Musikstücke der Operette, in welcher der gesprochene Dialog eine bedeutende Rolle spielt.

1) Der erste Theil der Arie (Adagio Es-Dur 3) ist von Clarinette, Horn und Fagott begleitet; in dem Allegro affettuoso (E-Moll }), welches mit den Worten beginnt: „Nein, das kannst du nicht gebieten“, tritt die volle Orchesterbegleitung ein. Die Arie liegt sehr hoch und ift schwierig auszuführen.

v. Kreißle, Franz Schubert.

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